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Frage kam. Das ärgerte ihn und er fühlte sich ohnmächtig. Um sich besser zu<br />
fühlen, stieg er mal wieder auf seinen Lieblingsbaum und trotz der Morgenkälte<br />
blieb er weit über eine Stunde oben sitzen. Nach kurzer Zeit freute er sich über<br />
seine warmen und praktischen Klamotten, die es ihm ermöglichten, ohne Frösteln<br />
auf dem Baum auszuharren. Allmählich hatte sich sein Hinterteil auch<br />
schon wieder an längere Baumsitzungen gewöhnt.<br />
Mit seinem Feldstecher beobachtete er die Stadt. Alles sah so aus, wie er es<br />
erwartet hatte. Die kleinen Menschen-Gruppen, von denen er inzwischen<br />
wusste, dass sie organisierte Spätaussiedler waren, waren im vorausberechneten<br />
Tempo weitergezogen und näherten sich langsam aber sicher seinem Ortsteil.<br />
Noch war es aber nicht wirklich brisant für ihn. In anderen Stadteilen, die schon<br />
von den Banden heimgesucht worden waren, sah er hin und wieder einzelne<br />
Menschen mit Handwagen oder schweren Taschen beladen durch die Straßen<br />
ziehen.<br />
Eine gewisse Form von menschlichem Alltag schien also wieder einzuziehen,<br />
wenn auch nur zaghaft. Das ganze müsste man sorgfältig im Auge behalten.<br />
Ob sich die organisierten Stadteroberer wohl vertreiben oder schlagen ließen?<br />
Alleine ging das bestimmt nicht. Und wen gab es, mit dem er sich zusammentun<br />
könnte? Die Kumpels vom Bau waren zwar herzensgute Männer, die<br />
auch zupacken konnten, aber als Basis für eine schlagkräftige Truppe schienen<br />
sie Fritz nicht sehr geeignet, weil ihnen ein gemütlicher Feierabend und eine<br />
ungestörte Fußballübertragung bisher immer das höchste Gut gewesen waren.<br />
Wenn mal eine kleine Truppe stand, würden sie aber eine wertvolle Ergänzung<br />
sein.<br />
Und was war aus dem Bürgermeister geworden? Und all den anderen Würdenträgern,<br />
die der Bevölkerung bekannt waren und die sich mit der hiesigen<br />
Organisation auskannten? Die müsste man mal aufsuchen und mit ihnen sprechen,<br />
wenn die erste Plünderungswelle vorbei war.<br />
Bilder von Straßenkämpfen zogen durch seinen Kopf. Und andere Bilder, wo<br />
er unauffällig durch die Stadt zog, um geeignete Kämpfer zu finden. Szenen,<br />
wie er mit einem Bürgermeister sprach, der verängstigt in seinem Haus saß und<br />
sich nicht hinaus traute.<br />
Die Befreiung der Stadt war auf jeden Fall eine große Aufgabe, die nicht von<br />
heute auf morgen von ihm erledigt werden konnte. Er freute sich über seine<br />
gute Ausbildung, die ihn unter anderem auch vorausschauende Umsicht gelehrt<br />
hatte. Sonst hätte er sich vielleicht einfach wie ein wilder Stier auf die Plünderer<br />
gestürzt und wäre wahrscheinlich getötet worden. Es war sogar fraglich, ob<br />
eine Befreiung überhaupt machbar und sinnvoll war. Aber das würde er im<br />
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