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sich vorzustellen, wie er eine solche Katastrophe koordinieren würde, wenn er was zu sagen hätte. Einfach wäre es auf jeden Fall nicht. Nachdem er endlich dran war, ging er zur Lagerzentrale, denn dort hingen Blätter mit Informationen über die Geschehnisse innerhalb und außerhalb des Lagers. Anscheinend waren die anderen Lagerinsassen fast alle mit anderen Schlangen beschäftigt, denn an den Anschlagtafeln war es relativ leer. Ullis Taschentuch war inzwischen völlig durchtränkt und er beschloss, sich als nächstes irgendwo Nachschub zu besorgen. Die Info-Blätter gaben nicht allzu viel her. Er erfuhr, dass es inzwischen völlig klar war, dass Europa, Nordamerika, Südindien und der gesamte ostasiatische Raum mit Japan, Hongkong und Teilen Chinas von den Anschlägen betroffen seien. Auch in den nichtbetroffenen Ländern gab es teilweise ernsthafte Probleme, weil der Außenhandel und die internationale Kommunikation zum Erliegen gekommen war. Die afrikanische Liga hatte jedoch Hilfslieferungen mit Einfach-Technologie, Nahrungsmitteln und funktionierender Elektronik angekündigt. Über München erfuhr er, dass Spezialisten an der Wiederherstellung der Strom- und Wasserversorgung arbeiteten, was sich aber als schwierig erwies, weil alle elektronischen Bauteile zerstört waren und es keinen Ersatz gab. Seit gestern wurde versucht, einen älteren Gross-Generator zu reaktivieren, der damit zumindest Teile der älteren Wasserversorgungs-Anlagen wieder mit Strom versorgen könnte und außerdem einige öffentliche Beleuchtungen. Plünderungen waren in fast allen Stadtteilen an der Tagesordnung trotz verstärktem Einsatz der wenigen Militärs, die in München zur Verfügung standen. Die Krankenhäuser waren überlaufen und nahezu handlungsunfähig. Wegen der diesjährigen extremen Dürre im mittleren Osten waren die meisten verfügbaren erfahrenen Hilfskräfte im Auslands-Einsatz, sodass es hier vor Ort an erfahrenen Katastrophen-Spezialisten mangelte. Experten warnten, dass die Notsituation unter Umständen den ganzen Herbst und Winter hindurch andauern könnte, weil der Schaden zu groß sei, um schneller behoben zu werden. Das klang alles gar nicht sehr erfreulich, bis auf die Hilfslieferungen aus Afrika, was für Ulli irgendwie sehr merkwürdig klang. Ausgerechnet aus Afrika, die noch vor wenigen Jahren am Tropf der Entwicklungshilfe hingen. Aber sie hatten sich recht erfolgreich am Modell Südindien orientiert, wo durch billige Topkräfte eine blühende Wirtschaft entstanden war. Außerdem hatten sie natürlich viel Erfahrung in Basis-Technologie ohne Strom und fließend Wasser. Ulli stellte ich vor, wie ein erfahrener und kompetenter Schwarzafrikaner den hilflosen Münchner Studenten zeigen würde, wie sie die Tretpumpe betreiben sollten und musste schmunzeln. 108
Er schaute sich um, auf der Suche nach einer Ausgabestelle für Taschentücher, aber so etwas gab es natürlich nicht. Fürs Sanitätszelt fühlte er sich nicht krank genug, blieb eigentlich nur Klopapier, was auch überall knapp war. Auf der Hauptstraße des Lagers hatte sich inzwischen ein kleiner Markt gebildet. Dort gab es fast alles von Zigaretten über Schokolade, Schnaps, Süßigkeiten, Schmuck bis hin zu Ausrüstungsgegenständen aller Art. Sogar Taschentücher gab es, aber Ulli hatte keinen Cent mehr in der Tasche. Wehmütig schaute er sich die Schlafsäcke an. Einer der Schlafsäcke ähnelte seinem eigenen Schlafsack und er stellte sich sehnsüchtig vor, sich den ganzen Tag hinein zu kuscheln. Am Treffpunkt waren zwar inzwischen viele Leute, aber nicht sein Studienkollege. Das konnte kein Pech oder Zufall mehr sein, dass er seinen Studienkollegen nie traf. Seine Befürchtung wuchs, dass der Andere ihn betrogen hatte. Aber was konnte er in solchen Zeiten dagegen unternehmen? Wahrscheinlich gar nichts. Weil sich sein Magen knurrend meldete, setzte er sich an einer relativ ruhigen Stelle hin und aß einen Teil der Kekse und Brote seines offenen EPAs. Mit der Hauptmahlzeit würde er vermutlich bis zum Abend auskommen. Mitten beim Essen entdeckte er plötzlich das Allzweck-Papier, das beim EPA dabei war und schlug sich auf die Stirn. Die ganze Zeit über hatte er relativ brauchbare Taschentücher mit sich rumgeschleppt und sie hatten ihm so gefehlt. Da saß er nun, fürs erste versorgt und satt, und er fragte sich, was er mit sich anfangen sollte. Hatte es noch Zweck, nach dem Studienkollegen zu suchen? Wahrscheinlich nicht, um ein versehentliches Verfehlen zu beenden, sondern wenn dann eher, um ihn zur Rede zu stellen. Aber wenn der Andere ihn absichtlich übers Ohr gehauen hatte, war er bestimmt schlau genug, hier nicht mehr rumzulaufen. Doch während Ulli das dachte, ließ er seinen Blick durch die Menge schweifen, ob er den Anderen nicht doch sehen würde. Es hatte also kaum Sinn, sich gegen eine weitere Suche zu entscheiden. Er würde wohl automatisch von selbst immer weiter suchen. Ihn fröstelte etwas, obwohl die Herbstsonne freundlich schien. Das erinnerte ihn daran, dass es bald richtig kalt werden würde. Wenn sie dann immer noch in diesem Zeltlager leben würden, hätten wohl irgendwann alle Erkältung und viele würden mit Lungenentzündung im Zelt liegen. Das waren gar keine guten Aussichten. Doch wie sollte es weitergehen? Hatten die Leiter des Lagers schon konkrete Pläne? Er versuchte, sich vorzustellen, wie die Gesamt-Situation in ganz München wohl aussah. Hier im Lager waren ja nur etwa 10.000 Menschen untergebracht. Es wurden zwar täglich mehr, aber bald würden auch 109
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Er schaute sich um, auf der Suche nach einer Ausgabestelle für Taschentücher,<br />
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Auf der Hauptstraße des Lagers hatte sich inzwischen ein kleiner Markt gebildet.<br />
Dort gab es fast alles von Zigaretten über Schokolade, Schnaps,<br />
Süßigkeiten, Schmuck bis hin zu Ausrüstungsgegenständen aller Art. Sogar<br />
Taschentücher gab es, aber Ulli hatte keinen Cent mehr in der Tasche. Wehmütig<br />
schaute er sich die Schlafsäcke an. Einer der Schlafsäcke ähnelte seinem<br />
eigenen Schlafsack und er stellte sich sehnsüchtig vor, sich den ganzen Tag<br />
hinein zu kuscheln.<br />
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Das konnte kein Pech oder Zufall mehr sein, dass er seinen<br />
Studienkollegen nie traf. Seine Befürchtung wuchs, dass der Andere ihn betrogen<br />
hatte. Aber was konnte er in solchen Zeiten dagegen unternehmen?<br />
Wahrscheinlich gar nichts.<br />
Weil sich sein Magen knurrend meldete, setzte er sich an einer relativ ruhigen<br />
Stelle hin und aß einen Teil der Kekse und Brote seines offenen EPAs. Mit<br />
der Hauptmahlzeit würde er vermutlich bis zum Abend auskommen. Mitten<br />
beim Essen entdeckte er plötzlich das Allzweck-Papier, das beim EPA dabei<br />
war und schlug sich auf die Stirn. Die ganze Zeit über hatte er relativ brauchbare<br />
Taschentücher mit sich rumgeschleppt und sie hatten ihm so gefehlt.<br />
Da saß er nun, fürs erste versorgt und satt, und er fragte sich, was er mit sich<br />
anfangen sollte. Hatte es noch Zweck, nach dem Studienkollegen zu suchen?<br />
Wahrscheinlich nicht, um ein versehentliches Verfehlen zu beenden, sondern<br />
wenn dann eher, um ihn zur Rede zu stellen. Aber wenn der Andere ihn absichtlich<br />
übers Ohr gehauen hatte, war er bestimmt schlau genug, hier nicht<br />
mehr rumzulaufen. Doch während Ulli das dachte, ließ er seinen Blick durch<br />
die Menge schweifen, ob er den Anderen nicht doch sehen würde. Es hatte also<br />
kaum Sinn, sich gegen eine weitere Suche zu entscheiden. Er würde wohl automatisch<br />
von selbst immer weiter suchen.<br />
Ihn fröstelte etwas, obwohl die Herbstsonne freundlich schien. Das erinnerte<br />
ihn daran, dass es bald richtig kalt werden würde. Wenn sie dann immer noch<br />
in diesem Zeltlager leben würden, hätten wohl irgendwann alle Erkältung und<br />
viele würden mit Lungenentzündung im Zelt liegen. Das waren gar keine guten<br />
Aussichten. Doch wie sollte es weitergehen? Hatten die Leiter des Lagers<br />
schon konkrete Pläne? Er versuchte, sich vorzustellen, wie die Gesamt-Situation<br />
in ganz München wohl aussah. Hier im Lager waren ja nur etwa 10.000<br />
Menschen untergebracht. Es wurden zwar täglich mehr, aber bald würden auch<br />
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