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war hartnäckig. Dann wurde er von einem kräftigen Nieser durchgeschüttelt<br />
und ihm wurde klar, dass ihm sehr kalt war. "Oh nein, nicht auch das noch."<br />
dachte er mit dem ersten bewussten Gedanken und steckte seinen Kopf aus der<br />
Decke, um sich zu orientieren.<br />
Seine Umgebung sah aus wie an den vergangenen Tagen. Unzählige Leute<br />
wuselten umher, schliefen noch oder waren, wie er, gerade mit Aufwachen<br />
beschäftigt. In manchen Ecken hatten die Leute es sich sogar ein bisschen gemütlich<br />
gemacht und hausten mit der ganzen Familie in dem Zelt. Die hatten es<br />
gut, weil immer einer bei den Sachen bleiben konnte, während andere in den<br />
Schlangen standen. Darum schleppten wohl auch nicht alle Leute Taschen und<br />
Decken mit sich rum.<br />
Wieder wischte Ulli mit dem Ärmel über die Nase, bis ihm klarwurde, was er<br />
da eigentlich tat. Nicht mal mehr ein Taschentuch hatte er. Er war wirklich tief<br />
gefallen. Verschämt versuchte er den Ärmel zu säubern, aber das half nicht<br />
viel. Und seine Nase lief immer noch. All seinen Mut zusammennehmend ging<br />
er zu der nächstgelegenen Familiengruppe und fragte schüchtern, ob sie vielleicht<br />
ein Taschentuch für ihn hätten. Die Frau war nett und bot ihm gleich eins<br />
an. Dann war sie aber sofort wieder mit ihren Kindern beschäftigt, bevor Ulli<br />
ihr richtig danken konnte.<br />
Etwas getröstet putzte Ulli seine Nase, die sich leider nicht so anfühlte, als<br />
würde sie anschließend Ruhe geben. Auch sein Kopf dröhnte an der Schwelle<br />
zum Kopfschmerz und sein Hals fühlte sich beim Schlucken rau an. Wahrscheinlich<br />
entwickelte sich da eine heftige Erkältung und er hatte keine<br />
Hoffnung auf ein warmes Plätzchen zum Aufwärmen. Hoffentlich würde es<br />
tagsüber wärmer werden, damit er sich in der Sonne aufwärmen konnte.<br />
Am liebsten hätte er sich wieder zusammengekuschelt, um wenigstens das<br />
bisschen Wärme der Decke zu haben, aber er wollte sich wieder auf die Suche<br />
nach seinem Studienkollegen machen. Außerdem rief die Kloschlange. Sein<br />
erster Weg führte ihn also zu dem verabredeten Treffpunkt, der aber leer war<br />
und von dort aus direkt zur nächsten Schlange. Sein Bündel mit den fünfeinhalb<br />
EPAs schleppte er mühsam mit sich und die kratzige Decke hatte er über die<br />
Schultern gelegt, um sich zu wärmen.<br />
Während der Wartezeit schaute sich Ulli nachdenklich den Lagerbetrieb an.<br />
Wieso war er eigentlich hierher gekommen? In seinem Zimmer wäre es wenigstens<br />
ruhig und vertraut. Und er hätte lernen können. Aber anscheinend war<br />
man ja in seinen eigenen Wohnungen nicht vor Plünderungen sicher. Irgendetwas<br />
lief hier grundverkehrt. Und was machten eigentlich die anderen<br />
Münchner, die nicht hier im Lager waren? Rätsel über Rätsel. Er versuchte,<br />
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