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Lebenslust Gottingen - Ausgabe Herbst 2015

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50 TIERISCHES lebenslust:gö<br />

Roman<br />

VON CARL-OTTO<br />

VON MOPSVELDEN<br />

TEIL 2<br />

Carl-Otto von Mopsvelden, seines Zeichens reinrassiger Mops<br />

aus edelstem Hause und unseren Lesern als langjähriger<br />

Kolumnist bekannt, erschließt sich neue literarische Horizonte:<br />

Exklusiv veröffentlichen wir an dieser Stelle das bemerkenswerte<br />

Erstlingswerk dieses tierischen Nachwuchsautoren<br />

als Fortsetzungsroman.<br />

Ein Mops auf Irrwegen<br />

Was bisher geschah: Carl-Otto, der reinrassige Mops aus<br />

edelstem Geblüt, wacht eines Morgens auf und hat das unbestimmte<br />

Gefühl, dass dies ein ganz besonderer Tag sein werde.<br />

Wie sich die Ereignisse entwickeln, lesen Sie jetzt:<br />

Offensichtlich stand heute wieder einer dieser seltsamen Reisen<br />

an, denn Carl-Ottos Zweibeiner trottete auf seinen Hinterläufen<br />

die Anhöhe hinunter in Richtung des großen<br />

Gebäudes, in dem er und eine Unzahl anderer Zweibeiner sich zuweilen<br />

versammelten, planlos umherliefen, um dann, einer nach<br />

dem anderen, in einen von diesen seltsamen beweglichen Schläuchen<br />

einzusteigen, die die Menschen zur Fortbewegung zu nutzen<br />

scheinen. Im Inneren waren diese Schläuche mit allerlei Sitzgelegenheiten<br />

ausgestattet, auf denen die – tadellos erzogen –„Sitz<br />

machten, während das seltsame Gefährt sie an einen anderen Ort<br />

transportierte. Dort stand dann ebenfalls ein großes Gebäude, welches<br />

von anderen Zweibeinern bevölkert wurde, die ihrerseits in andere<br />

Schläuche stiegen, sodass das Spiel von vorn beginnen konnte.<br />

Den Sinn dieses seltsamen Habitus hatte Carl-Otto niemals entschlüsseln<br />

können, aber manchmal machten sie eben komische<br />

Dinge, diese Zweibeiner.<br />

Alles in allem schien es also doch ein eher gewöhnlicher Tag zu werden,<br />

zumindest war bis jetzt noch nichts Besonderes passiert. War<br />

Carl-Otto etwa von seiner Vorahnung getäuscht worden? Eigentlich<br />

unwahrscheinlich, denn ein Mops verfügt über einen unglaublich<br />

scharfen Instinkt, viel schärfer als der, über den andere Hunde verfügen.<br />

Irgendetwas musste also noch passieren, so viel war klar. Einstweilen<br />

jedoch, dachte sich Carl-Otto, sei es das Beste, abzuwarten.<br />

Und so rollte er sich neben den Hinterpfoten seines Begleiters (die<br />

geschmackloserweise mit einem künstlichen Pfotenüberzug aus<br />

Kuhfell bedeckt waren) zusammen, gähnte herzhaft und wechselte,<br />

wie nur ein Mops dies kann, von einer Sekunde auf die andere in<br />

den Schlafmodus.<br />

Obwohl Carl-Otto nicht auf den gemütlichen Sitzgelegenheiten, die<br />

ausschließlich für die Zweibeiner bestimmt waren, liegen durfte,<br />

waren solche Fahrten für gewöhnlich recht angenehm. Die menschlichen<br />

Gefährte waren gut geheizt und sorgten durch ihre langsamen<br />

schaukelnden Bewegungen dafür, dass Mensch und Mops<br />

schnell in einen erholsamen Schlaf gewiegt wurden. Doch auf einmal<br />

drang ein wunderbarer, herzhafter Geruch in Carl-Ottos Nase. Es<br />

roch nach Futter – herrlichem Futter. Carl-Otto schlug die Augen auf<br />

und erblickte etwa vier bis fünf Pfotenlängen vor seinem Fang ein<br />

herrliches, dick mit Fleisch belegtes Brötchen, welches diesen Duft<br />

verströmte. Ein Duft, der Carl-Otto nur eines signalisierte: Hunger!<br />

Immerhin hatte er bereits seit der morgendlichen, wie immer sehr<br />

karg bemessenen Mahlzeit, nichts zu sich genommen. Und überhaupt,<br />

Möpse haben grundsätzlich immer Hunger, insbesondere<br />

dann, wenn ihnen herrliche Leckerbissen direkt vor die Nase gehalten<br />

werden. Die Hand, die das kulinarische Kleinod umschlossen<br />

hielt, bewegte sich nicht und Carl-Otto streckte und reckte sich, soweit<br />

er nur konnte, um wenigstens einen kleinen Bissen ergattern<br />

zu können. Vergeblich – zu weit weg war die menschliche Pfote mit<br />

dem begehrten Nahrungsmittel und zu kurz der Streifen gegerbter<br />

Kuhhaut, der Carl-Otto auf Reisen mit seinem zweibeinigen Begleiter<br />

verband. Und dann hielt das Fortbewegungsmittel der Menschen<br />

auch noch an und das duftende Brötchen setzte sich mit samt<br />

der es umschließenden Pfote und dem daran hängenden Zweibeiner<br />

in Bewegung. Das war selbst für einen hartgesottenen Mops wie<br />

Carl-Otto zu viel. Hilfesuchend blickte er zu seinem menschlichen<br />

Mitrüden, doch dieser dachte nicht daran, ihm zur Seite zu stehen.<br />

Er schlief, tief und fest.<br />

Da besann sich Carl-Otto eines alten Hundetricks: Er drehte sich so<br />

um, dass sein Kopf in Richtung der bewegungshinderlichen Leine<br />

zeigte und sein Hinterteil Richtung Brötchen. Dann streckte er sein<br />

Köpfchen ganz weit vor und machte seinen Hals so dünn wie nur<br />

eben möglich, während er einige Schritte rückwärts ging. Und tatsächlich<br />

– mühelos glitt das Halsband über seinen Schädel und gab<br />

den hungrigen Mops frei. Nun durfte keine Zeit verloren werden. Im<br />

gestreckten Galopp eilte Carl-Otto dem Brötchenduft hinterher und<br />

passierte Sitzgelegenheit um Sitzgelegenheit, bis er schließlich<br />

durch eine kleinere Tür ins nächste Abteil kam, welches er ebenfalls<br />

eilend durchquerte. Nur noch durch die nächste kleinere Tür, immer<br />

dem Duft hinterher hechelnd, nach links abgebogen, durch die größere<br />

Tür, ein gewagter Satz ins Freie auf den Bahnsteig und da, da<br />

war es vor ihm, das herrliche Brötchen und bewegte sich am ausgestreckten<br />

Vorderlauf eines Zweibeiners den Weg hinunter.<br />

Jetzt noch ein paar beherzte Sätze, dann hatte Carl-Otto den Zweibeiner<br />

erreicht, setzte zu einem mächtigen Sprung an, riss seinen<br />

gewaltigen Fang auf und konnte endlich seine Reißzähne in die<br />

Beute schlagen. Der Zweibeiner, der auf diese Weise um seine Morgenmahlzeit<br />

gebracht worden war, stieß ein überraschtes Kleffen<br />

aus und versuchte noch, den Brötchendieb zu ergreifen, doch<br />

zwecklos, Carl-Otto hatte sich längst mit seiner Beute von dannen<br />

gemacht und rannte die Treppe hinunter Richtung Freiheit und der<br />

ersehnten Mahlzeit. Nach wenigen hundert Metern fand er ein diskretes<br />

Gebüsch, wo er sich niederließ und in Sekundenschnelle das<br />

Brötchen samt Aufschnitt und Salatbeilage verschlungen hatte.<br />

Doch nach dem Rausch kam die Ernüchterung:<br />

Wo war sein Zweibeiner?<br />

Fortsetzung folgt ■

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