fair trade - Wirtschaftszeitung
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SEITE 10 | JANUAR 2012 FAIR TRADE WIRTSCHAFTSZEITUNG<br />
Ein Produkt – drei Siegel. Das kann<br />
verwirren. Foto:Frank<br />
Verwirrungim<br />
Siegel-Dschungel<br />
Verbraucheroftunsicher<br />
HAMBURG (DPA/TMN).DieVielfaltan<br />
Öko- und Bio-Siegeln verwirrt viele<br />
Verbraucher. Rund die Hälfte der<br />
Befragten gab bei einer Studie an,<br />
die Informationen zum Thema<br />
Nachhaltigkeit seien oft unverständlich<br />
und widersprüchlich.<br />
Dennoch bevorzugen zwei Drittel<br />
der Verbraucher nachhaltige Produktegegenüberdenjenigen,diegar<br />
kein Siegel oder keine Kennzeichnung<br />
haben, teilten das Hamburger<br />
Beratungsunternehmen Edelman<br />
und das Bremer Marktforschungsinstitut<br />
TheConsumerView mit, die<br />
dieStudieerstellthaben.<br />
Zumindest die bekanntesten SiegelwiedasBio-Siegel„Bioland“werdender<br />
Studie zufolge von den Verbrauchern<br />
erkannt und positiv bewertet.<br />
Das gilt beispielsweise auch<br />
für die Fair<strong>trade</strong>-Kennzeichnung<br />
für <strong>fair</strong>e Preise sowie die Logos der<br />
NaturschutzorganisationWWF.<br />
SpeziellereSiegeldagegen,dieetwaaufdenSchutzdesRegenwaldes<br />
oder auf nachhaltige Fischerei hinweisen,landeteneherimMittelfeld.<br />
Die große Mehrheit der Verbraucher<br />
– 82 Prozent – wünscht sich<br />
eine einheitliche Kennzeichnung,<br />
um nachhaltig produzierte Waren<br />
besserbeurteilenzukönnen.63Prozent<br />
wollten einem solchen Siegel<br />
nur dann ihr Vertrauen schenken,<br />
wenn es staatlich anerkannt ist.<br />
(wz)<br />
Wasistdrin,wennFairTradedraufsteht?<br />
„Fair<strong>trade</strong>LabellingOrganisation“FLOformuliertgrundlegendeStandardsfürden<strong>fair</strong>enHandel<br />
VON RALF TAUTZ<br />
BONN. Die Akzeptanz von Fair Trade<br />
ist bei den Verbrauchern so groß wie<br />
noch nie, in fast allen Bereichen<br />
schrieb die Branche im vergangenen<br />
JahrdeutlicheZuwachsraten.Umdem<br />
Verbraucher in der unübersichtlichen<br />
Vielzahl von „Fair-Trade-Anbietern“<br />
Orientierung zu geben, wurden verschiedene<br />
Zertifikate eingeführt. Das<br />
wichtigste und bekannteste ist das<br />
„Fair<strong>trade</strong>-Siegel“.<br />
Wer vergibtdas<br />
Fair<strong>trade</strong>-Siegel?<br />
DasFair<strong>trade</strong>-Siegelwirdvon derFLO,<br />
der „Fair<strong>trade</strong> Labelling Organisation“<br />
vergeben.DieFLOsetztsichaus19nationalen<br />
Fair<strong>trade</strong>-Siegel-Initiativen,<br />
dreiProduzenten-Netzwerkeundzwei<br />
assoziierte Mitglieder zusammen. Zu<br />
den 24 Mitgliedern gehört auch der<br />
TransFair Deutschland e.V. der wiederum<br />
von verschiedenen gesellschaftlichen<br />
und kirchlichen Gruppierungen<br />
gegründet wurde. Die FLO hat einige<br />
grundlegendeStandardsfürden<strong>fair</strong>en<br />
Handel formuliert. Dazu gehört, dass<br />
die Erzeuger in den Entwicklungsländern<br />
für ihre Rohstoffe einen Preis bekommen,<br />
mit dem sie ihre Produktionskosten<br />
decken, ihren Lebensunterhalt<br />
bestreiten und nachhaltig<br />
produzieren können. Darüber hinaus<br />
bekommen die Produzenten eine Fair<br />
Trade-Prämie für soziale Projekte aus<br />
den Bereichen Bildung, Gesundheit<br />
oderInfrastruktur.<br />
Sind Fair<strong>trade</strong>-Produkte<br />
auch Bio?<br />
Fair Trade ist aber nicht gleichbedeutendmitBio-Produkten.DieFLOwirktzwardaraufhin,dassgewisseUmweltstandards<br />
eingehalten werden und<br />
sich die Erzeugerbetriebe auf Dauer<br />
auf eine biologische Bewirtschaftung<br />
umstellen, aber gerade für Kleinbauern<br />
ist eine Bio-Produktion aus finanziellen<br />
Gründen oft nicht machbar.<br />
Wer wird wie<br />
zertifiziert?<br />
Das Zertifizierungsverfahren bei den<br />
Erzeugern wird von hochqualifizierten<br />
Auditoren der FLO-Cert GmbH<br />
durchgeführt. Die Wirtschaftsprüfer<br />
nehmen die Betriebe des Bewerbers –<br />
meistens sind es Erzeuger-Genossenschaften<br />
– vor Ort genauestens unter<br />
ProduktevonGEPA – einesderbekanntestenFai<strong>trade</strong>-Siegel. Foto:Tautz<br />
dieLupe.DazugehörenInterviewsmit<br />
den Mitarbeitern und Funktionsträgern<br />
des Bewerbers oder auch Außenstehenden<br />
(z.B. Gewerkschaften oder<br />
NGO’s), die Prüfung aller betriebsrelevantenDokumentesowiedieBesichtigung<br />
der Erzeuger-Betriebe. Für die<br />
Zertifizierung müssen die Kernanforderungen<br />
der Fair<strong>trade</strong>-Standards eingehalten<br />
werden. Darüber hinaus gibt<br />
es Entwicklungsanforderungen, die in<br />
Drei- bzw. Sechs-Jahres-Abständen zu<br />
erfüllen sind, um die Organisation<br />
und die Arbeitsbedingungen der Produzenten<br />
weiter zu verbessern und<br />
langfristig wirkende Maßnahmen<br />
zumSchutzderUmweltumzusetzen.<br />
Wie kommtFair Trade<br />
in den Handel?<br />
Die weitere Vermarktung der ProduktemitdemFair<strong>trade</strong>-SiegelobliegtdennationalenSiegelinitiativen.Sieschließen<br />
mit Handelsorganisationen Lizenzverträge.<br />
Darin wird genau geregelt,wieder<br />
Lizenznehmer – zumBeispiel<br />
ein Groß- oder Einzelhändler –<br />
das zertifizierte Fair<strong>trade</strong>-Produkt in<br />
den Verkauf bringen und mit seinem<br />
NamenoderMarkeverbindendarf.Je-<br />
der einzelne Fair<strong>trade</strong>-Artikel und das<br />
Land, aus dem er kommt, muss dafür<br />
über ein Produktformular registriert<br />
werden. Das heißt, nur das Produkt<br />
mit dem Fair<strong>trade</strong>-Siegel ist nach den<br />
StandardsderFLOgehandelt.Überdas<br />
sonstigeGeschäftsverhaltendesHändlerssagtdasFair<strong>trade</strong>-SiegelaufeinzelnenProduktenalsonochnichtsaus.<br />
Der Vertrieb der <strong>fair</strong> gehandelten<br />
Produkte ist an eine Lizenzgebühr geknüpft.<br />
Die Gebühr beträgt zum Beispiel<br />
für Bananen drei Cent pro Kilo,<br />
für Blumen 68 Cent pro 100 Stiele/40cm,<br />
für Kaffe 22 Cent pro Kilo<br />
und für Textilien oder Sportbälle 2<br />
Prozent vom Nettoverkaufswert. Die<br />
Meldung und Lizenzabrechnung der<br />
Verkäufe erfolgt quartalsweise mit<br />
TransFair. Derzeit bieten in Deutschland<br />
180 Partnerfirmen rund 1000<br />
Fair<strong>trade</strong>-Produkte an, die in über<br />
36000Geschäften,WeltlädenundBioläden<br />
und über 18000 gastronomischenBetriebenerhältlichsind.<br />
Welche Zertifikate sind<br />
vertrauenswürdig?<br />
Die Bekanntheit des Fair<strong>trade</strong>-Siegels<br />
ist mit 69 Prozent sehr hoch. Es ge-<br />
DasBewusstseinfür<strong>fair</strong>enHandelnimmtweiterzu<br />
REGENSBURG.Aufdemhartumkämpften<br />
Einzelhandelsmarkt, auf dem es<br />
immer schwerer wird, vom Verbraucherwahrgenommenzuwerden,istes<br />
dem„SolidaritätindereinenWelte.V.<br />
Regensburg“ in den vergangenen 30<br />
Jahrengelungen,mitwenigenMitteln<br />
ein stabiles regionales Vertriebsnetz<br />
fürFair-Trade-Produkteaufzubauen.<br />
Anfangder1980er-Jahreverkauften<br />
viele Einzelinitiativen den Kaffee aus<br />
Nicaragua oder die Gewürze aus Indien<br />
noch in Gemeindezentren oder<br />
auf Märkten. Zwar eröffneten in RegensburgundderweiterenUmgebungdieerstensogenanntenDritte-Welt-Läden<br />
(die später in Eine-Welt- oder nur<br />
Weltläden umbenannt wurden), aber<br />
die Produkte des „Dritte-Welt-Handels“<br />
wurden hauptsächlich von Insidernwahrgenommenundgekauft.<br />
„Diese vielen einzelnen Initiativen<br />
brauchten dringend bessere undstabilere<br />
Rahmenbedingungen“, erinnert<br />
sich Ulrich Frey, der Vorsitzende des<br />
Vereins „Solidarität in der einen Welt<br />
e.V. Regensburg“. So entstand die Idee,<br />
für die verschiedenen Dritte-Welt-<br />
Handels-Initiativen und -Läden eine<br />
Dachorganisationzuschaffen,diesich<br />
um alle rechtlichen und finanziellen<br />
Fragen kümmerte, damit sie den Rücken<br />
für ihre eigentliche Arbeit frei<br />
hatten.1983wurdedeshalbderVerein<br />
„Solidarität in der einen Welt e.V. Regensburg“<br />
aus der Taufe gehoben und<br />
übernahm zunächst den Betrieb von<br />
vier Dritte-Welt-Läden in Regensburg,<br />
Straubing,WeidenundArzberg.<br />
Nach und nach baute der Verein<br />
sein Netz von Weltläden aus. Schließlich<br />
wurde die GEPA, einer der größten<br />
Fair-Handelsorganisationen in<br />
Europa, auf den Verein aufmerksam<br />
undschlossmitdemVereineinenVertrag,<br />
ein GEPA-Regionallager für Ostbayernzuerrichtenundzuführen.So<br />
entstand zusätzlichzuWeltläden ein<br />
Zentrallager in Eiglstetten bei Bad Abbach.<br />
Nach fast 30 Jahren hat sich der<br />
Verein fest etabliert. Er betreibt heute<br />
13 Weltläden (in Bamberg, Cham,<br />
Forchheim, Marktredwitz, Neutraubling,<br />
Parsberg, Regensburg, Straubing,<br />
Sulzbach-Rosenberg, Tirschenreuth,<br />
Vilsbiburg, Weiden und Wunsiedel)<br />
und erwirtschaftete 2010 einen Umsatzvon1,24MillionenEuro.ZumSortimentgehörennebendenklassischen<br />
Fair-Trade-Produkten Kaffee, Tee, Kakao<br />
und anderen Nahrungsmitteln<br />
auch Kunsthandwerk, Instrumente,<br />
Bekleidung, Spielwaren, Sport- und<br />
Spielbälleundvielesmehr.DieWaren<br />
kommen zwar hauptsächlich von der<br />
GEPA, aber auch von anderen Fair-<br />
Handelsorganisationen. Darüber hinausinformiertderVereinregelmäßig<br />
in zahlreichen Einzelveranstaltungen<br />
über die Probleme der EntwicklungsländerundfördertdieBegegnungzwischen<br />
den Kulturen. Wirtschaftlich<br />
schreibt der Verein eine schwarze<br />
Null. Überwiegend trägt er sich aus<br />
den Erlösen der Weltläden, aber auch<br />
aus Spenden und aus zinslosen Darlehen<br />
von Privatpersonen oder Organisationen,die<br />
zur Vorfinanzierung des<br />
nießtgroßesVertrauenundwirdauch<br />
von unabhängigen Organisationen,<br />
zum Beispiel von der Verbraucher Initiative<br />
e.V. (Bundesverband) empfohlen.<br />
Um die Glaubwürdigkeit des Zertifikatssicherzustellen,erfolgtdieZertifizierung<br />
nach der international anerkannten<br />
Norm ISO 65. Darüber hinauswerdendiezertifiziertenBetriebe<br />
regelmäßig von den Auditoren der<br />
FLO-Cert überprüft und in ihrer Entwicklungweiterbegleitet.<br />
Neben dem Fair<strong>trade</strong>-Siegel des<br />
TransFairDeutschlande.V.gibtesaber<br />
auch noch eine Reihe weitere Zertifikate<br />
und Handelsorganisationen, die<br />
<strong>fair</strong> gehandelte Produkte vertreiben.<br />
Dabeiistentscheidend,wasfürVerträge<br />
diese Handelsorganisationen mit<br />
den Erzeugern in den sogenannten<br />
Entwicklungsländern schließen. Die<br />
Grundstandards – Preise, die ausreichen<br />
den Lebensunterhalt des Erzeugers<br />
und seiner Familie zu sichern,<br />
nachhaltige Bewirtschaftung, langfristige<br />
Lieferverträge und soziale Sicherung<br />
– sollten eingehalten sein. Das<br />
ganze Verfahren sollte darüber hinaus<br />
transparent, nachvollziehbar und<br />
überprüfbarsein.<br />
„SolidaritätindereinenWelte.V.“führt13WeltlädenzwischenStraubingundBamberg/StabilesVertriebsnetzfürFair-Trade-Produkte<br />
WeltlädenführeneingroßesSortiment. Foto:Tautz<br />
Wareneinkaufs dienen. Der „Solidarität<br />
in der einen Welt e.V.“ beschäftigt<br />
zur Zeit 14 Voll- und Teilzeitkräfte.<br />
Dem stehen allerdings 324 ehrenamtliche<br />
Helfer gegenüber. „Ohne die Ehrenamtlichen<br />
wäre der Verkauf der<br />
Fairhandels-Produkte in dieser Form<br />
nichtmöglich“,sagtFrey.<br />
Der Vorsitzende sieht die Zukunft<br />
des <strong>fair</strong>en Handels positiv: „Das Bewusstsein<br />
für <strong>fair</strong>en Handel wird immergrößer“,sagtFrey.„DieMenschen<br />
kaufen sehr bewusst ein, wenn es das<br />
Budget zulässt, greifen sie auch zu<br />
Fair-Trade-Produkten.“<br />
Seit einigen Jahren sucht der „Solidarität<br />
in der einen Welt e.V.“ auch<br />
den direkten Kontakt zu Erzeugern in<br />
den Entwicklungsländern und entwickelteeinePartnerschaftzur„SolidarityassociationinKenya“,einerVereinigungvon30Produzentengruppen,die<br />
sich für <strong>fair</strong>en Handel im eigenen<br />
Land und international einsetzt. Die<br />
Weiterentwicklung der Partnerschaft<br />
mit Erzeugern in Kenia „ist ein spannender<br />
Prozess, der uns in den nächstenJahren<br />
sicher beschäftigenwird“,<br />
sagt Frey. Weitere Infos auf www.<strong>fair</strong>er-handel-regensburg.de(mty)