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Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit - WBGU

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lichen Anteil an der Finanzierung vieler großer<br />

Dammbauten in Entwicklungsländern hatte, <strong>im</strong><br />

Nachhinein die von ihr mit finanzierten Projekte. Die<br />

Umwelt- und Sozialverträglichkeit neuerer Projekte<br />

hat heute bei den multilateralen Finanzierungsinstitutionen<br />

einen wesentlich höheren Stellenwert.<br />

Für alle wasserbaulichen Projekte sollte die Einhaltung<br />

international vereinbarter Leitlinien der<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> (z. B. <strong>Welt</strong>bank, OECD) dafür sorgen,<br />

dass sie ökologisch und sozial verträglich umgesetzt<br />

werden. Wasserkraftprojekte sind demnach<br />

<strong>im</strong>mer dann zu meiden, wenn alternative, nachhaltigere<br />

und langfristig nicht erheblich teurere Energieoptionen<br />

entwickelt werden können. Diese internationalen<br />

Leitlinien stehen nicht unbedingt in Einklang<br />

mit der oft weniger anspruchsvollen nationalen<br />

Gesetzgebung, die häufig zum Nachteil der<br />

betroffenen Bevölkerung und des Naturschutzes<br />

angewandt wird. So wurde z. B. die Hälfte der großen<br />

Staudämme ohne Beachtung der Umweltfolgen für<br />

die stromabwärts liegenden Ökosysteme gebaut<br />

(Dixon et al., 1989).<br />

Auf internationaler Ebene fand die <strong>Nachhaltigkeit</strong>sdiskussion<br />

in den Analysen und Empfehlungen<br />

der World Commission on Dams ihren vorläufigen<br />

Höhepunkt (WCD, 2000). Die Kommission hat es in<br />

diesem schwierigen Umfeld vermocht, durch das<br />

Zusammenführen von Repräsentanten mit unterschiedlichen<br />

Interessen auf internationaler Ebene in<br />

einem ergebnisoffenen und konsensualen Prozess<br />

eine Grundlage für die Bewertung von großen Staudammprojekten<br />

zu erarbeiten (WCD, 2000). Das<br />

Ergebnis ist beeindruckend: auch wenn einige Staaten<br />

(z. B. China, Indien, Türkei) und Akteure (z. B.<br />

International Commission on Large Dams – ICOLD,<br />

International Hydropower Association – IHA, International<br />

Commission on Irrigation and Drainage –<br />

ICID;Varma et al., 2000) nicht mit allen Ergebnissen<br />

einverstanden sind, haben der Bericht der Kommission<br />

und die dort enthaltenen Empfehlungen insgesamt<br />

ein positives Echo hervorgerufen. Es mangelt<br />

häufig weder an Problembewusstsein noch an Leitlinien<br />

für <strong>Nachhaltigkeit</strong>, sondern an den institutionellen<br />

Rahmenbedingungen. Daher ist die kohärente<br />

Anwendung der <strong>Nachhaltigkeit</strong>sleitlinien in der Praxis<br />

nur selten in zufrieden stellender Weise möglich.<br />

Folgende Voraussetzungen sind zu erfüllen, wenn <strong>im</strong><br />

Laufe der kommenden Jahrzehnte ein zunehmender<br />

Teil der ökonomisch attraktiven Projekte nachhaltig<br />

geplant und durchgeführt werden soll:<br />

• Naturschutz sicherstellen: Ein weltweites Schutzgebietssystem<br />

<strong>zur</strong> Erhaltung des Naturerbes (Kap.<br />

4.4.1.3; <strong>WBGU</strong>, 2000) sollte garantieren, dass von<br />

den unterschiedlichen Typen von Flussökosystemen<br />

(inklusive ihrer Einzugsgebiete) jeweils ein<br />

Energieträger 3.2<br />

best<strong>im</strong>mter Anteil unberührt, d. h. vor allem frei<br />

fließend bleibt. Die bisherigen Erfahrungen zeigen,<br />

dass besonders <strong>im</strong> Einzugsbereich möglicher<br />

zukünftiger Wasserkraftprojekte rasch ein vorsorglicher<br />

Schutz ökologisch wertvoller Gebiete<br />

erfolgen muss, da anderenfalls – allen Leitlinien<br />

zum Trotz – vorzeitig „Tatsachen“ in Form von<br />

Abholzung usw. geschaffen werden könnten.<br />

• Wissenschaftliche Basis schaffen: Oft fehlen ökologische,<br />

soziale und andere orts- und fallspezifische<br />

Grunddaten für <strong>Nachhaltigkeit</strong>sanalysen und<br />

den Vergleich mit alternativen Optionen. Erhebliche<br />

Investitionen in eine bessere wissenschaftliche<br />

Datenbasis über die kommenden 5–15 Jahre<br />

sind daher eine zentrale Voraussetzung für den<br />

nachhaltigen Ausbau der Wasserkraft (Kap. 6.3.1).<br />

Diese Datenbasis sollte unabhängig von Einzelprojekten<br />

auf der Basis der Einzugsgebiete von<br />

unabhängigen regionalen Forschungszentren<br />

erarbeitet werden (z. B. INPA <strong>im</strong> Amazonasgebiet<br />

oder ICIMOD <strong>im</strong> H<strong>im</strong>alaya; von Bieberstein<br />

Koch-Weser, 2002).<br />

• Teilnahme der betroffenen Bevölkerung sicherstellen:<br />

Durch detaillierte Vorarbeiten und Partizipation<br />

der betroffenen Bevölkerung können viele<br />

negative Auswirkungen mit Vorsorge- und Kompensationsmaßnahmen<br />

eingedämmt werden. Bisherige<br />

Konsultationen kranken oft daran, dass sie<br />

die Besorgnisse, Forderungen oder Proteste<br />

Betroffener an die Öffentlichkeit bringen, ohne<br />

dass diese von Projektleitung oder Regierungsstellen<br />

wirklich berücksichtigt würden.<br />

• Institutionelle Mängel vor Ort beheben: Eine stärkere<br />

Vertrauensbasis und bessere Akzeptanz lassen<br />

sich durch ein effizientes Mediations- und<br />

Gerichtsbarkeitssystem schaffen. Umweltverträglichkeitsprüfungen<br />

(UVP) dürfen nicht erst nachträglich<br />

<strong>zur</strong> Rechtfertigung des Projekts durchgeführt<br />

werden, sondern müssen vor der Festlegung<br />

zu Gunsten einer best<strong>im</strong>mten Projektoption ausgewertet<br />

werden. Die zuständigen Regierungsbehörden<br />

der Entwicklungsländern müssen in der<br />

Lage sein, die UVP auf hohem technischen<br />

Niveau und mit ausreichender Ortskenntnis prüfen<br />

und hinterfragen zu können. Daher sind<br />

weiterhin erhebliche Investitionen in den Aufbau<br />

von Kapazitäten notwendig. Für grenzübergreifende<br />

Einzugsgebiete sollten länderübergreifende<br />

Regionalinstitutionen <strong>zur</strong> Wasserkraftentwicklung<br />

geschaffen werden. Diese könnten bei der<br />

Analyse regionaler Standortalternativen helfen,<br />

die auch indirekte und kumulative Auswirkungen<br />

(z. B. Serien von Projekten an einem Fluss) <strong>im</strong><br />

Blick haben.<br />

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