Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit - WBGU
Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit - WBGU
Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit - WBGU
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
30 2 Energiesysteme in Gesellschaft und Wirtschaft<br />
Haushalte<br />
(38%)<br />
Landwirtschaft<br />
(7%)<br />
Industrie<br />
(35%)<br />
Verkehr<br />
(12%)<br />
Handel und öffentliche<br />
Einrichtungen (8%)<br />
Abbildung 2.5-1<br />
Sektorales Muster der Energienachfrage in Russland, der<br />
Ukraine und Usbekistan.<br />
Quelle: modifiziert nach WRI, 2001<br />
(Abb. 2.5-1). Die IEA schätzt, dass die Energienachfrage<br />
in diesen Sektoren ab 2010 jährlich um 2,2%<br />
zunehmen wird. Die Energienachfrage der Industrie<br />
wird zwar ebenfalls steigen, jedoch mit niedrigeren<br />
Wachstumsraten (IEA, 2001b).<br />
Die Energienachfrage <strong>im</strong> Transportsektor wird in<br />
der GUS mit jährlichen Wachstumsraten von 3,1%<br />
bis 2020 besonders stark zunehmen. Im Jahr 2020<br />
wird der Anteil des Transports am gesamten Erdölverbrauch<br />
etwa 53% betragen (IEA, 2001b). In der<br />
Sowjetunion machten umweltfreundliche Verkehrsträger<br />
wie Bahn und ÖPNV sowohl <strong>im</strong> Personen- als<br />
auch <strong>im</strong> Güterverkehr <strong>im</strong> Vergleich zu westlichen<br />
Industriestaaten einen weit höheren Anteil am<br />
Gesamtverkehrsaufkommen aus. Entsprechend war<br />
der Anteil des Verkehrs am Gesamtenergieeinsatz<br />
hier weitaus geringer. Seit Mitte der 1990er Jahre<br />
steigt der Straßenverkehr jedoch überproportional<br />
an: Mangelnde Investitionen in die Infrastruktur von<br />
Schienenverkehr und öffentlichem Nahverkehr<br />
machen diesen <strong>im</strong> Vergleich zum Straßenverkehr<br />
zunehmend unattraktiv. Zwar kommen in Russland<br />
<strong>zur</strong> Zeit nur 100 Autos auf 1.000 Personen (Deutschland:<br />
510 Autos auf 1.000 Personen; IEA, 2001b), mit<br />
den erwarteten steigenden Einkommen ist jedoch<br />
mit einem wachsenden Autobestand zu rechnen. Die<br />
Auswirkungen der EU-Osterweiterung ist in Kasten<br />
2.5-1 thematisiert.<br />
2.5.3<br />
Subventionierung als Ursache ineffizienter<br />
Energienutzung<br />
Angesichts der energiewirtschaftlichen Situation der<br />
GUS wäre zu erwarten, dass Maßnahmen <strong>zur</strong> Senkung<br />
der Energieproduktivität sowohl von politischer<br />
als auch von unternehmerischer Seite höchste<br />
Priorität eingeräumt wird. Produktivitätsgewinne<br />
konnten trotz des großen Einsparpotenzials bisher<br />
jedoch nur in geringem Umfang realisiert werden.<br />
Die Energieproduktivität der GUS-Staaten betrug<br />
1997 rund 100 US-$ pro MWh (Kaufkraftparität)<br />
und lag damit fast um den Faktor 7 unter dem Durchschnitt<br />
der OECD-Staaten (UN-ECE, 2001). Das<br />
bisher ungenutzte Energieeinsparungspotenzial in<br />
den GUS-Staaten beläuft sich insgesamt auf jährlich<br />
etwa 15–18 EJ oder fast 40% des gesamten Energieeinsatzes.<br />
Davon entfallen allein auf Russland und<br />
die Ukraine nahezu 90% des Einsparpotenzials.<br />
Ungefähr ein Drittel dieses Potenzials liegt <strong>im</strong> Energie-<br />
und Treibstoffsektor selbst, noch höher ist der<br />
Anteil der möglichen Einsparungen aber <strong>im</strong> industriellen<br />
Sektor (Russland: 30–37%, Ukraine: 55–<br />
59%). Der dritte große Bereich für Energieeinsparungen<br />
ist der Gebäudesektor. Der Gebäudebestand<br />
der GUS-Staaten ist in der Regel nicht mit Wärmeund<br />
Gaszählern ausgestattet. Zudem sind Materialien<br />
für den Wärmeschutz überteuert. Insgesamt wird<br />
das Einsparpotenzial <strong>im</strong> Gebäudesektor auf ungefähr<br />
3 EJ oder 16–18% des Gesamtpotenzials<br />
geschätzt (UN-ECE, 2001).<br />
Der wohl wichtigste Grund für die fehlende<br />
Erschließung des Einsparpotenzials ist die in der<br />
überwiegenden Zahl der GUS-Staaten weiterhin<br />
praktizierte Subventionierung des Energiekonsums.<br />
Die Subventionspolitik ist dabei durch folgende<br />
Muster gekennzeichnet:<br />
• Die Energiepreise werden durch rechtliche oder<br />
politische Maßnahmen unter den Erzeugungskosten<br />
gehalten, da große Teile der Industrie und der<br />
Bevölkerung höhere Energiepreise nicht bezahlen<br />
können.<br />
• Es erfolgt eine Quersubventionierung der Haushalte<br />
zu Lasten der Industrie, indem die Energiepreise<br />
<strong>im</strong> industriellen Sektor ungefähr doppelt so<br />
hoch gehalten werden wie für den privaten Konsum,<br />
allerdings nicht hoch genug, um Anreize für<br />
Effizienzsteigerungen zu setzen.<br />
• Auf Zahlungsrückstände darf aus politischen<br />
Gründen nicht mit einem Einstellen der Energieversorgung<br />
reagiert werden. Insolvenzverfahren<br />
bestehen oder funktionieren nicht. Die Energiewirtschaft<br />
hat in der Vergangenheit eine wichtige<br />
Rolle bei der Tolerierung fehlender Zahlungsdis-