Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit - WBGU
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212 6 Forschung für die <strong>Energiewende</strong><br />
Die Evaluierung der Reduktions- und Kontrollpotenziale<br />
von Treibhausgasemissionen in Entwicklungsländern<br />
bekommt aufgrund des zu erwartenden<br />
Wirtschaftswachstums und verbesserten Zugangs zu<br />
Energiedienstleistungen für Privathaushalte in diesen<br />
Ländern eine besondere Bedeutung für einen<br />
nachhaltigen Kl<strong>im</strong>aschutz. Hier besteht insbesondere<br />
bezüglich der Ausgestaltung und Überwachung<br />
der flexiblen Mechanismen des Kioto-Protokolls<br />
weiterer Forschungsbedarf.<br />
Mit der Forderung des Beirats nach einem langfristigen<br />
Ausstieg aus traditioneller Biomassenutzung<br />
verbindet sich ein erheblicher Bedarf an sozialwissenschaftlicher<br />
Forschung über den geeigneten<br />
Weg dorthin. Denn die Zahl der Menschen, die in<br />
Entwicklungsländern mit gesundheitsschädigender<br />
traditioneller Biomasse kochen und heizen, wird<br />
ohne geeignete Maßnahmen in den nächsten 30 Jahren<br />
nicht abnehmen (IEA, 2002c; UNEP, 2002).<br />
Selbst wenn es gelänge, allen Menschen den Zugang<br />
zu Strom bzw. Gas zu ermöglichen, würden die bisherigen<br />
Koch- und Heizgewohnheiten nicht<br />
unmittelbar aufgegeben, sondern es würde zumindest<br />
teilweise an traditioneller Biomassenutzung<br />
festgehalten. Es ist nach wie vor unklar, mit welchen<br />
Anreizsystemen und welchem logistischen Aufwand<br />
dieses Verhalten überwunden und der Übergang auf<br />
gesunde, kulturell und finanziell angepasste Energieträger<br />
geschafft werden kann. Hier sieht der <strong>WBGU</strong><br />
Bedarf für interdisziplinäre Fallstudien in verschiedenen<br />
ökologischen, ökonomischen und kulturellen<br />
Umfeldern, die Wirtschafts- und Kulturwissenschaften,<br />
Ingenieurs- und Gesundheitswissenschaften einbeziehen.<br />
Die gleiche Technik wird von verschiedenen Kulturen<br />
unterschiedlich gehandhabt. Daher müssen<br />
Technologien nicht nur entwickelt, sondern auch<br />
transferiert, an die lokalen Gegebenheiten angepasst<br />
und in die bestehenden Gesellschaftssysteme integriert<br />
werden. Zur Überwindung von Barrieren sind<br />
bei der Entwicklungszusammenarbeit quantitative<br />
und qualitative Verbesserungen der Ausbildung in<br />
Bezug auf Energiesysteme sowie in Bezug auf Sparen<br />
und Investieren notwendig. Weiter ist die Forschung<br />
über die Akzeptanz technischer und finanzieller<br />
Systeme zusammen mit Repräsentanten der<br />
entsprechenden Länder und indigenen bzw. lokalen<br />
Gemeinschaften zu intensivieren.<br />
Gesundheitsfolgen von Energiesystemen<br />
Es sollte empirische Forschung angelegt werden,<br />
welche die negativen Gesundheitsfolgen unterschiedlicher<br />
Energiesysteme (bei Gewinnung, Transport<br />
und Nutzung) erfassen kann, z. B. auf Grundlage<br />
der von der WHO erarbeiteten Methode der Disability<br />
Adjusted Life Years (DALYs; Kap. 4.3.2.7). Ziel<br />
der Forschung ist, den Zusammenhang von Energienutzung<br />
und Krankheitslast zu quantifizieren.<br />
Untersuchung des Finanzierungsbedarfs<br />
für eine <strong>Energiewende</strong><br />
Eine globale <strong>Energiewende</strong> verlangt insbesondere<br />
zu Beginn die Umlenkung und Mobilisierung erheblicher<br />
Investitionsmittel. Von Interesse ist vor allem<br />
die differenzierte Ermittlung des kurz- bis mittelfristigen,<br />
regional spezifischen Investitionsbedarfs sowie<br />
des notwendigen Kapitaltransfers von den Industriezu<br />
Entwicklungs-, Schwellen- und Transformationsländern<br />
(IEA, 2003). Des Weiteren sind Möglichkeiten<br />
der internationalen Finanzierung zu untersuchen,<br />
z. B. in welchem Umfang die Kioto-Mechanismen<br />
und ein Anpassungsfonds zum Transfer beitragen<br />
können.<br />
Institutionenbezogene Forschungen<br />
Zur Verminderung ökonomischer Unsicherheiten<br />
des Kl<strong>im</strong>aschutzes werden in Erweiterung des Zertifikatshandels<br />
neue Ideen diskutiert, deren Umsetzbarkeit<br />
weiter untersucht werden sollte. Dazu zählt<br />
z. B. das Konzept des „Sicherheitsventils“, das Mengenbeschränkung<br />
(durch Zertifikate) und Abgaben<br />
(ähnlich Höchstpreisen für Zertifikate) miteinander<br />
kombiniert. Auch sollten die Vorschläge untersucht<br />
werden, die international vereinbarten Mengenlösungen<br />
durch eine CO 2 -Abgabe zu ergänzen oder zu<br />
ersetzen.<br />
Die Umsetzung der Kioto-Mechanismen in Energieprojekten<br />
ist Gegenstand politischer Analyse und<br />
zugleich Forschungsaufgabe für zahlreiche Institutionen<br />
wie <strong>Welt</strong>bank, GEF, OECD oder IEA. Diese<br />
Anstrengungen sind fortzuführen und nach Möglichkeit<br />
in den Gesamtzusammenhang der globalen Forschungsstrategie<br />
zu integrieren (Kap. 7.6). Im Rahmen<br />
der Forschung sollte auch die Weiterentwicklung<br />
des Kioto-Protokolls nach 2012 thematisiert<br />
werden, also etwa eine Fortentwicklung der flexiblen<br />
Mechanismen, um stärker als in der ersten Verpflichtungsperiode<br />
Schwellen- und Entwicklungsländer an<br />
den Reduktionsbemühungen zu beteiligen.<br />
Die Umsetzung des vom <strong>WBGU</strong> vorgeschlagenen<br />
Konzepts eines Multilateralen Energiesubventionsabkommens<br />
(MESA) erfordert begleitende Forschung<br />
insbesondere zu konkreter Ausgestaltung,<br />
Institutionalisierung und seiner Durchsetzungsmechanismen.<br />
Energienutzung<br />
In der Diskussion der <strong>Energiewende</strong> müssen insbesondere<br />
bei anhaltendem Bevölkerungswachstum<br />
die hohen Einsparpotenziale auf der Nachfrageseite<br />
stärker als bisher thematisiert werden. Die auf dem<br />
<strong>Welt</strong>gipfel für Umwelt und Entwicklung (Rio de