Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit - WBGU
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Auswirkungen auf die Böden<br />
Die Böden Europas speichern große Mengen an<br />
Kohlenstoff aus ca. 10.000 Jahren Vegetationsentwicklung<br />
nach der Eiszeit. Wenn wesentliche Teile<br />
dieses Kohlenstoffs durch veränderte Landnutzung<br />
freigesetzt werden, dann wird auch die vollständige<br />
Umsetzung der <strong>im</strong> Gutachten empfohlenen Maßnahmen<br />
für eine <strong>Energiewende</strong> (Kap. 5) nicht ausreichen,<br />
um die Kl<strong>im</strong>aleitplanke einzuhalten (Kap.<br />
4.3.1.2). Um die Auf- und Abbauprozesse in Böden<br />
besser zu verstehen, ist grundlegende Forschung notwendig,<br />
deren Ergebnisse auch die Voraussetzung für<br />
die Erschließung zusätzlicher Steuerungsoptionen<br />
und für eine Anrechnung von Kohlenstoffänderungen<br />
in Böden schaffen könnten.<br />
6.2<br />
Gesellschaftswissenschaftliche Forschung<br />
Eine zentrale Aufgabe gesellschaftswissenschaftlicher<br />
Forschung für die <strong>Energiewende</strong> muss es sein,<br />
Handlungsoptionen auf politischer und wirtschaftlicher<br />
Ebene zu entwickeln sowie die für eine Transformation<br />
der Energiesysteme unverzichtbaren und<br />
am besten geeigneten auszuwählen. Mögliche Barrieren,<br />
die die <strong>Energiewende</strong> behindern, sollen<br />
erkannt, analysiert und Wege zu ihrer Überwindung<br />
aufgezeigt werden.<br />
Auswirkungen von Liberalisierung und<br />
Globalisierung <strong>im</strong> Energiesektor<br />
Im Zuge der Globalisierung und Liberalisierung sind<br />
in der Energiewirtschaft komplexe neue Bedingungen<br />
entstanden, deren Implikationen für eine nachhaltige<br />
Entwicklung wohl nur von einem internationalen<br />
Forschungsverbund angemessen erfasst werden<br />
können. Die Forschung sollte insbesondere<br />
Empfehlungen erarbeiten, die eine Liberalisierung<br />
mit der Einhaltung ökologischer und sozialer Grenzen<br />
(Kap. 4.3) vereinbaren. Die Erforschung von<br />
Nutzen und Nachteilen verschiedener Deregulierungs-<br />
und Regulierungsinstrumente sowie bestehender<br />
Markthemmnisse bleibt eine der Kernaufgaben<br />
sozioökonomischer Forschung <strong>zur</strong> Energiewirtschaft.<br />
Es sollte geklärt werden, welche Marktstrukturen<br />
den Zielen der <strong>Energiewende</strong> förderlich sind<br />
und welchen Einfluss Liberalisierung und Globalisierung<br />
auf die Strukturen ausüben, insbesondere auf<br />
die Anbieterstruktur auf den Energieerzeugungsund<br />
-versorgungsmärkten.<br />
Die Forschung über Wirkungen privater Auslandsdirektinvestitionen<br />
in liberalisierten Energiemärkten<br />
sollte verstärkt werden. Es gilt zum einen zu<br />
klären, unter welchen Bedingungen sie für die Entwicklung<br />
nachhaltiger Energiesysteme tendenziell<br />
Gesellschaftswissenschaftliche Forschung 6.2<br />
eher förderlich oder hinderlich sind. Zum anderen<br />
besteht weiterhin Forschungsbedarf über die Möglichkeiten<br />
und Grenzen, das Verhalten transnationaler<br />
Unternehmen <strong>im</strong> Ausland an <strong>Nachhaltigkeit</strong>serfordernissen<br />
aus<strong>zur</strong>ichten, etwa durch Gütesiegel,<br />
freiwillige Verhaltenskodices, internationales „soft<br />
law“, extraterritoriale Anwendungen des Haftungsund<br />
Umweltrechts oder internationale Umwelt- und<br />
Sozialstandards.<br />
Die Analyse der kleinen und mittleren Unternehmen<br />
(KMU), zu denen viele Anbieter von Wind- und<br />
Solarenergietechnologie zählen, und ihrer Bedeutung<br />
für die <strong>Energiewende</strong> sollte ein Schwerpunkt<br />
der politik- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschung<br />
sein. Eine neuere Untersuchung hat für die<br />
Schweiz gezeigt, dass die meisten KMU-Beihilfen<br />
letztlich am Bedarf und an den Schwierigkeiten von<br />
KMU vorbeigehen (Iten et al., 2001). Daher ist insbesondere<br />
zu klären, inwieweit KMU zu einer weltweiten<br />
Ausbreitung regenerativer Energienutzung<br />
beitragen können und wie Auslandsdirektinvestitionen<br />
von KMU in der Energiebranche erleichtert<br />
werden könnten.<br />
Transformation der Energiesysteme in<br />
Entwicklungsländern<br />
Zum energetischen Mindestbedarf und zu den<br />
sozioökonomischen Zusammenhängen zwischen<br />
Armut, Energiemangel und Entwicklungshemmnissen<br />
sind ergänzende Untersuchungen notwendig. Es<br />
fehlt an umfassende Pr<strong>im</strong>ärdaten <strong>zur</strong> Energienutzung<br />
vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern.<br />
So existiert mit dem World Energy Outlook<br />
2002 erstmals eine länderspezifisch aufgegliederte<br />
Analyse über Elektrizitäts- und Biomasseverbrauch<br />
(IEA, 2002c). Vergleichbare Daten <strong>zur</strong> Nutzung<br />
anderer Energieträger bzw. Potenzialanalysen für<br />
den Einsatz regenerativer Energieträger fehlen noch<br />
weitgehend. Die Datenerhebung sollte stärker als<br />
bisher zwischen den Zugangsbedingungen zu Energie<br />
in Städten und dem ländlichen Raum unterscheiden.<br />
Da künftig eine stärkere Auseinanderentwicklung<br />
beider Siedlungsformen zu erwarten ist, muss<br />
die Forschung unterschiedliche Antworten für Versorgungsmöglichkeiten<br />
dieser Gebiete aufzeigen.<br />
Dabei gilt es auch zu beachten, dass in beiden Siedlungsstrukturen<br />
unterschiedliche Zugangsbarrieren<br />
der Energienutzung bestehen. Bei der Erforschung<br />
der Zugangsbarrieren für Arme zu ausreichenden<br />
und bezahlbaren Energiedienstleistungen sowie<br />
umwelt- und gesundheitsverträglichen Energieformen<br />
sollten nicht nur Chancen und Risiken der Privatisierung<br />
und Liberalisierung sorgfältig geprüft<br />
werden. Es sollte auch die ambivalente Rolle großer<br />
privater oder staatlicher Stromversorgungsunternehmen<br />
analysiert werden.<br />
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