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Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit - WBGU

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kungen. Dies ist mit dem GATT nur bedingt vereinbar.<br />

Importnationen haben zwar naturgemäß Interesse<br />

an niedrigeren Ölpreisen, die aus der <strong>Welt</strong>marktliberalisierung<br />

resultieren würden. Sie verfolgen<br />

andererseits aber eine Förderung einhe<strong>im</strong>ischer<br />

fossiler Energien und damit eine Benachteilung von<br />

Importen, um die Importabhängigkeit zu senken.<br />

Leitungsgebundene Energie (insbesondere<br />

Gas und Elektrizität)<br />

Die weltweite Liberalisierung des internationalen<br />

Austausches leitungsgebundener Energien stößt<br />

zunächst vor allem an technische Umsetzungsprobleme.<br />

Zum einen gibt es kein globales Netz für<br />

Strom oder Gas, sondern lediglich regionale Verbünde.<br />

Zum anderen sprechen Transportverluste<br />

gegen einen regen internationalen Handel, auch<br />

wenn sie in absehbarer Zukunft durch effizientere<br />

Technologien der Hochspannungsgleichstromübertragung<br />

oder gar Wasserstoffpipelines abnehmen<br />

werden (Kap. 3.4). Doch nicht nur der Transport,<br />

auch der Transit bereitet Schwierigkeiten: Stromleitungen<br />

und ganz besonders Gaspipelines befinden<br />

sich <strong>im</strong> Besitz privater oder staatlicher Monopole,<br />

die Monopolpreise für die Durchleitung fordern und<br />

eigenen bzw. nationalstaatlichen Interessen Vorrang<br />

vor Freihandelsprinzipien und den Interessen der<br />

Im- und Exporteure einräumen. Daher erstaunt es<br />

nicht, dass die Liberalisierung des Energiehandels <strong>im</strong><br />

Rahmen des Energie-Charta-Vertrags bisher vor<br />

allem an der Frage scheiterte, zu welchen Konditionen<br />

Russland seine Pipelines <strong>zur</strong> Verfügung stellt.<br />

Der unterschiedliche Liberalisierungsgrad der Energiebinnenmärkte<br />

spricht außerdem gegen eine<br />

zügige außenwirtschaftliche Öffnung dieser Märkte.<br />

Schließlich besteht zum jetzigen Zeitpunkt die<br />

Gefahr, dass die Unterwerfung des Stromhandels<br />

unter die GATT-Regeln den nationalen umweltpolitischen<br />

Spielraum spürbar einschränken würde.<br />

Während Kohle, Erdöl und Gas trotz ihrer gegenseitigen<br />

Substituierbarkeit nach mehrheitlicher Auffassung<br />

nicht gleichartig sind, wäre Strom unter dem<br />

Blickwinkel der WTO gleich Strom. Würden Strom<strong>im</strong>porte<br />

ungleich behandelt oder gegenüber einhe<strong>im</strong>ischen<br />

Energien schlechter gestellt, verstieße<br />

dies gegen die Kernprinzipien des GATT. Dies<br />

würde es erschweren, „grünen Strom“ gegenüber<br />

anderem Strom abgaben- oder auflagenpolitisch zu<br />

bevorteilen. Es ist umstritten, inwieweit der Ausnahmeartikel<br />

XX b,g GATT (Schutz der Umwelt bzw.<br />

erschöpfbarer Ressourcen) eine Ungleichbehandlung<br />

von Strom aus erneuerbaren Energien und<br />

anderen Quellen ermöglichen würde.<br />

Jüngere umweltschutzrelevante Streitschlichtungsverfahren<br />

der WTO deuten allerdings darauf<br />

hin, dass das Berufungsorgan des WTO-Streitschlich-<br />

Handlungsempfehlungen für die globale Ebene 5.3<br />

tungsmechanismus eine Ungleichbehandlung von<br />

Gütern zumindest dann nicht per se als GATTinkonform<br />

einstuft, wenn einzelne Herstellungsverfahren<br />

erhebliche grenzüberschreitende Umweltbelastungen<br />

verursachen. Außerdem werden umweltpolitisch<br />

motivierte Handelsbeschränkungen umso<br />

eher akzeptiert, je stärker sie auf ein multilaterales<br />

Umweltschutzabkommen rekurrieren (<strong>WBGU</strong>,<br />

2001a). Sollte es bei der weiteren Öffnung der Energieversorgungsmärkte<br />

– zum Beispiel zwischen Vertragsparteien<br />

des Energie-Charta-Vertrags – tatsächlich<br />

zum Dissens über die handelspolitische Besserstellung<br />

von „grünem“ gegenüber anderem Strom<br />

kommen, stünden die Chancen somit gut, dass die<br />

Bevorzugung von einem Streitschlichtungspanel mit<br />

Verweis auf das Kl<strong>im</strong>aschutzprotokoll bzw. auf eine<br />

„<strong>Welt</strong>energiecharta“ als vereinbar mit den WTO-<br />

Best<strong>im</strong>mungen eingestuft würde.<br />

Bei den aktuellen WTO-Verhandlungen steht<br />

ohnehin nicht die vollständige Integration von Strom<br />

ins GATT <strong>zur</strong> Diskussion, denn nur wenige WTO-<br />

Mitglieder stufen Strom als Ware ein (WTO, 1998).<br />

Vielmehr ist allenfalls die Einbeziehung ins GATS<br />

(Abkommen über Dienstleistungshandel) <strong>im</strong><br />

Gespräch. Das System der GATS-Verhandlungen ist<br />

vergleichsweise kompliziert und beruht darauf, dass<br />

jedes Mitglied die Sektoren, für die es Marktzugang<br />

gewähren möchte, auswählt und detaillierte Zugeständnisse<br />

macht. Dabei geht es angesichts der<br />

beschränkten Transportfähigkeit vieler Dienstleistungen<br />

vor allem um die Niederlassungsfreiheit für<br />

ausländische Anbieter und ihre Gleichbehandlung<br />

gegenüber Inländern.<br />

Ob Länder Zugeständnisse <strong>im</strong> Stromsektor<br />

machen werden, wird wesentlich davon abhängen, ob<br />

der Energiesektor als eigenständiger Bereich klassifiziert<br />

und damit der Weg für ein GATS-Unterabkommen<br />

bzw. Protokoll geebnet wird. Bisher haben<br />

acht Länder(gruppen) Vorschläge für Verhandlungen<br />

gemacht (USA, EU, Kanada, Norwegen, Venezuela,<br />

Chile, Japan und Kuba). Während Konsens zu<br />

bestehen scheint, dass energienahe „Non-core services“<br />

(WTO, 2001) – z. B. Consulting-, Ingenieurs-,<br />

Bau- und Wartungsleistungen – Gegenstand der Verhandlungen<br />

sein sollen, bestehen hinsichtlich der<br />

energienahen „Core services“ (Transmission, Distribution,<br />

Handel) deutliche Vorbehalte.Völlig offen ist<br />

zum jetzigen Zeitpunkt, ob in absehbarer Zeit über<br />

den Zugang ausländischer Energieanbieter zu einhe<strong>im</strong>ischen<br />

Ressourcen (insbesondere Öl, Kohle,<br />

Gas) oder die Niederlassungsfreiheit von Energieversorgern/-erzeugern<br />

<strong>im</strong> GATS verhandelt wird.<br />

Prinzipiell steht außer Frage, dass der Einsatz erneuerbarer<br />

Energietechnologien langfristig ein nahezu<br />

globales Netz für Strom und vermutlich auch für<br />

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