Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit - WBGU
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158 5 Die <strong>WBGU</strong>-Transformationsstrategie<br />
Kasten 5.2-1<br />
Quoten, handelbare Quoten, Green Energy<br />
Certificates<br />
Mengenvorgaben für den Einsatz erneuerbarer<br />
Energieträger<br />
Ausgangspunkt ist ein Ausbauziel bzw. Mindestziel, das für<br />
die Nutzung erwünschter Energieformen vorgegeben wird.<br />
Die Vorgabe kann ein absoluter Wert oder eine Quote<br />
(z. B. 10% der Stromerzeugung) sein, die in einem best<strong>im</strong>mten<br />
Zeitraum umgesetzt werden müssen.<br />
Nationale und internationale Quoten<br />
Die deutsche Bundesregierung hat das Ziel formuliert, den<br />
Anteil erneuerbarer Energien an der Elektrizitätsversorgung<br />
zu verdoppeln, was auf eine nationale Zielvorgabe<br />
von 12,5% bis 2010 hinausläuft. Die Europäische Union<br />
hat als Richtwert das Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien<br />
an der Energieversorgung von 6% (2001) auf 12% zu<br />
steigern und speziell bei der Elektrizitätsversorgung auf<br />
22% bis 2010 anzuheben. Diese EU-Gesamtquote wird für<br />
die einzelnen Mitgliedsstaaten in Teilquoten aufgeteilt.Auf<br />
welche Weise die einzelnen Staaten die Quote erreichen, ist<br />
ihnen bisher grundsätzlich freigestellt. Mehrere Staaten<br />
haben sich auch hier für Mengenvorgaben entschieden<br />
(Tab. 5.2-1 für die Europäische Union).<br />
Quoten versus handelbare Quoten<br />
Innerhalb eines Landes werden zumeist Energieversorger<br />
oder -erzeuger verpflichtet, eine Quote der bereitgestellten<br />
Energie aus (best<strong>im</strong>mten) regenerativen Energieformen zu<br />
gewinnen. Dieses in Industrieländern relativ weit verbreitete<br />
Konzept wird als Portfolio-Modell bezeichnet. Durch<br />
ein Herunterbrechen der gesamten Mengenvorgabe auf<br />
die einzelnen Verpflichteten ist die Zielvorgabe für jeden<br />
einzelnen Akteur quantifiziert.Weiterhin ist eine Überprüfung<br />
des Zielerreichungsgrades in der Regel ohne größere<br />
Schwierigkeiten möglich. Allerdings sind starre Quotenvorgaben<br />
nur eingeschränkt ökonomisch effizient.<br />
Da für die Erfüllung der Quote unterschiedliche Kosten<br />
bei den Energieversorgern und -erzeugern anfallen, ist es<br />
<strong>zur</strong> Kostenmin<strong>im</strong>ierung empfehlenswert, die Quoten durch<br />
einen Handel zu flexibilisieren. Muss etwa ein Stromproduzent<br />
in einem festgelegten Zeitraum eine best<strong>im</strong>mte<br />
Menge Elektrizität aus erneuerbaren Energien erzeugen,<br />
hätte er die Wahl zwischen eigener Erzeugung oder dem<br />
Zukauf „grünen Stroms“ durch einen anderen Stromerzeuger.<br />
Im Ergebnis werden somit diejenigen Erzeuger<br />
„grünen Strom“ produzieren, die dies am kostengünstigsten<br />
können, während Erzeuger mit höheren Produktionskosten<br />
ihnen die erzeugte Elektrizität abkaufen. Die<br />
Gesamtquote würde bei handelbaren Quoten somit gegenüber<br />
dem Modell des Portfolio-Standards zu niedrigeren<br />
Gesamtkosten erreicht.<br />
Bisher werden handelbare Quotenmodelle vorwiegend<br />
auf nationaler Ebene praktiziert. Allerdings existieren vereinzelte<br />
Modellprojekte für die Erprobung des internationalen<br />
Handels mit Quoten für erneuerbare Energien.<br />
Green Energy Certificates<br />
Grundkonzept<br />
Das Modell der Green Energy Certificates stellt eine<br />
Weiterentwicklung flexibilisierter, handelbarer Quoten<br />
dar. Voraussetzung sind auch hier einzelne Quoten bzw.<br />
absolute Mengen, die der Einzelne erfüllen muss. Im<br />
Unterschied zu handelbaren Quoten muss der Verpflichtete<br />
jedoch die Energie nicht selbst erzeugen oder <strong>im</strong> physischen<br />
Sinn kaufen, vielmehr genügt zum Nachweis der<br />
Quotenerfüllung der Besitz einer entsprechenden Menge<br />
von Green Energy Certificates. Dies sind Bescheinigungen,<br />
die ein Erzeuger „grüner“ Energie jeweils als Nachweis für<br />
die Herstellung einer best<strong>im</strong>mten Menge Elektrizität (etwa<br />
1 MWh) durch eine staatlich kontrollierte Ausgabeinstanz<br />
erhält. Für ein System handelbarer Green Energy Certificates<br />
kommen außer Energieversorgern und -erzeugern<br />
auch Endverbraucher in Betracht. Bei einer freien Handelbarkeit<br />
der Zertifikate entsteht ein neuer Markt, der auch<br />
als ökologischer Dienstleistungsmarkt bezeichnet wird.<br />
Preisbildung und ökonomische Effizienz<br />
Der Preis auf dem herkömmlichen Markt für Elektrizität<br />
best<strong>im</strong>mt sich weiterhin durch einen reinen Preiswettbewerb.<br />
Die Erzeuger „grüner“ Elektrizität können Kostennachteile<br />
durch die zusätzlichen Einnahmen auf dem sachlich<br />
getrennten Zertifikatsmarkt kompensieren. Die Zertifikatsanbieter<br />
werden mindestens den Preis fordern, der<br />
sich aus der Differenz der Erzeugungskosten für „grünen“<br />
Strom und dem Marktpreis für Strom ergibt. Zum Zuge<br />
kommen die effizientesten Anbieter „grünen“ Stroms. Kostenferne<br />
Marktpreise, etwa durch Preisabsprachen oder<br />
Missbrauch marktbeherrschender Erzeugungsunternehmen,<br />
sind nicht zu erwarten, weil die nachfragenden Energieversorger<br />
auch selbst „grünen“ Stroms erzeugen können,<br />
um entsprechende Zertifikate zu erwerben.<br />
Der Vorteil gegenüber handelbaren Quoten besteht vor<br />
allem in höherer Transparenz und niedrigeren Vertragskosten.<br />
Außerdem können Verbraucher besser eingebunden<br />
werden, z. B. auch freiwillige Nachfrager (Umweltschutzverbände,<br />
umweltbewusste Privathaushalte).<br />
Strategien für marktferne Technologien<br />
Dem Vorteil der ökonomischen Effizienz kann in der Praxis<br />
der Nachteil entgegenstehen, dass die Spezialisierung<br />
auf die kostengünstigste Erzeugung bzw. Energieform<br />
jeweils nur die marktnahen Energieträger fördert, nach<br />
gegenwärtigem Stand der Technik etwa Wind- oder Wasserkraft.<br />
Damit würden marktferne, aber zukunftsträchtige<br />
Energieträger aus diesem Fördersystem ausgeschlossen<br />
werden. Daraus ließe sich folgern, dass für solche Technologien<br />
eigene Quoten vorgegeben und Zertifikatsmärkte<br />
etabliert werden müssten – etwa ein Zertifikatsmarkt für<br />
Stromeinspeisungen aus Geothermie. Gerade das ist aber<br />
bei neuesten Technologien nicht sinnvoll, da das Marktvolumen<br />
von angebotenen und nachgefragten Zertifikaten zu<br />
gering wäre, um einen funktionsfähigen Markt zu bilden.<br />
Daher kann auf eine Anschubfinanzierung marktferner<br />
Energien (z. B. staatliche Subventionierung, Einspeisevergütungen)<br />
nicht verzichtet werden. Sobald Technologien<br />
eine gewisse Marktreife erreicht haben, ist der Übergang<br />
zu Quoten und einem für diesen Energieträger abgegrenzten<br />
Markt für Green Energy Certificates denkbar.