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Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit - WBGU

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148 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme<br />

• Der exemplarische Pfad erfordert langfristig bis<br />

2100 deutlich niedrigere Investitionen als ein<br />

Kohle intensiver und nuklearer Pfad und wendet<br />

außerdem erheblichen volkswirtschaftlichen<br />

Schaden ab.<br />

Für die Finanzierbarkeit der Transformation ist<br />

jedoch weniger die absolute Höhe der über 100 Jahre<br />

kumulierten Investitionen ausschlaggebend, sondern<br />

1. die relative Höhe der erforderlichen Energieinvestitionen<br />

(z. B. gemessen am Bruttoinlandsprodukt);<br />

2. die Zuwachsrate, mit der die Investitionen kurzbis<br />

mittelfristig gesteigert werden müssen.<br />

Sowohl bei den IIASA-Szenarien als auch <strong>im</strong><br />

MIND-Modell ist ein starker, langfristig anhaltender<br />

Anstieg der Energieinvestitionsquote (Energieinvestitionen<br />

<strong>im</strong> Verhältnis zum BIP) nicht erforderlich.<br />

Die Investitionen in den Energiesektor überschreiten<br />

niemals das 2fache des heutigen Anteils am<br />

BIP.<br />

Von größerer Bedeutung für die Einschätzung der<br />

Finanzierbarkeit ist der zweite Faktor, also die Rate,<br />

mit der die Investitionen in einem gegebenen Zeitraum<br />

gesteigert werden müssen. Die Investitionen<br />

in den notwendigen Umbau des Energiesystems<br />

müssen überwiegend von privaten Akteuren getätigt<br />

werden. Private Investitionen erfolgen auf der Basis<br />

von Renditeüberlegungen. Daher kann es auch keine<br />

absolute Leitplanke für die Höhe der Investitionen<br />

in das Energiesystem geben, z. B. in der Form eines<br />

max<strong>im</strong>alen Anteils am BIP. Eine Änderung der von<br />

der Politik gesetzten Rahmenbedingungen für Investitionen<br />

kann die Renditeaussichten für Investitionen<br />

in Energieeffizienz und erneuerbare Energien<br />

wesentlich verbessern. Jedoch führt eine Änderung<br />

der Rahmenbedingungen zu einer Umlenkung von<br />

Kapitalströmen, die besonders für diejenigen Wirtschaftssektoren<br />

problematisch ist, aus denen Kapital<br />

abgezogen wird. Dies kann zu erheblichen Anpassungsschwierigkeiten<br />

in wirtschaftlicher und sozialer<br />

Hinsicht führen. Das wirtschaftliche Wachstumspotenzial<br />

würde geschwächt, insbesondere wenn dieser<br />

Prozess abrupt und innerhalb eines kurzen Zeitraums<br />

erfolgt. Eine Verdopplung der Investitionen in<br />

den Energiesektor innerhalb weniger Jahre könnte<br />

die Anpassungsfähigkeit von Volkswirtschaften<br />

daher übersteigen. Innerhalb von ein bis zwei Dekaden<br />

hingegen ist eine Verdopplung ohne signifikante<br />

Reibungsverluste möglich. Die historische Entwicklung<br />

zeigt, dass sich in anderen, ähnlich großen Sektoren<br />

die Investitionsquoten (Sektorinvestitionen <strong>im</strong><br />

Verhältnis zum BIP) binnen eines Jahrzehnts sogar<br />

gelegentlich mehr als verdoppelt haben, ohne dass<br />

nennenswerte volkswirtschaftliche Verwerfungen<br />

auftraten.<br />

Um die Finanzierbarkeit und damit die wirtschaftliche<br />

Machbarkeit der <strong>Energiewende</strong> nicht zu<br />

gefährden, ist eine langfristige Transformationsstrategie<br />

erforderlich (Kap. 5), die das Anpassungspotenzial<br />

des marktwirtschaftlichen Mechanismus<br />

nicht beeinträchtigt, sondern für die Transformation<br />

nutzt. Eine Voraussetzung dafür ist Planungssicherheit<br />

für die wirtschaftlichen Akteure. Ihnen müssen<br />

für einen Zeitraum von mindestens 10–20 Jahren<br />

verlässliche energiepolitische Rahmenbedingungen<br />

garantiert werden. Können sich die Akteure an<br />

Zwischenzielen und Instrumenten <strong>im</strong> Sinn eines<br />

Transformationsfahrplans (Kap. 7) orientieren, wird<br />

sich das Investitionsverhalten entsprechend anpassen.<br />

Daher ist es für den <strong>WBGU</strong> eine unabdingbare<br />

Voraussetzung, dass die Politik keine weitere Zeit<br />

verstreichen lässt und eindeutige Signale in Richtung<br />

einer <strong>Energiewende</strong> setzt. Dies muss national und<br />

international geschehen. Unter diesen Bedingungen<br />

einer Transformationsstrategie ist der Beirat der<br />

Überzeugung, dass der ausgewählte nachhaltige Pfad<br />

finanzierbar und ohne signifikante wirtschaftliche<br />

Einbußen begehbar ist. Zwar lassen sich <strong>im</strong> Einzelnen<br />

kurzfristige Anpassungskosten nicht vermeiden,<br />

aber durch den richtigen Instrumentenmix min<strong>im</strong>ieren<br />

(Kap. 5). Insgesamt wird die konsequente, langfristig<br />

orientierte Umsetzung der <strong>Energiewende</strong> die<br />

gesellschaftliche Wohlfahrt steigern und neue Wohlfahrtspotenziale<br />

erschließen.<br />

4.6<br />

Fazit<br />

Aus der Analyse von Szenarien <strong>zur</strong> langfristigen Entwicklung<br />

der Energiesysteme (Kap. 4.2) und der Entwicklung<br />

eines mit den <strong>WBGU</strong>-Leitplanken (Kap.<br />

4.3) konsistenten exemplarischen Pfads (Kap. 4.4,<br />

4.5) ergeben sich eine Reihe von Schlussfolgerungen,<br />

die auch Grundlage für die in Kapitel 5 entwickelten<br />

Handlungsempfehlungen sind.<br />

• Globale Kooperation und Konvergenz, sowohl<br />

wirtschaftlich als auch politisch, erleichtern eine<br />

für die Transformation notwendige schnelle<br />

Technologieentwicklung und -diffusion. Hohes<br />

Wirtschaftswachstum kann dann in Verbindung<br />

mit einer starken Minderung der Energie- und<br />

Kohlenstoffintensität zu einer nachhaltigen Energieversorgung<br />

führen. Heutige Entwicklungsländer<br />

können davon profitieren: durch ein rasches<br />

Aufschließen an die Entwicklung in den Industrieländern,<br />

Technologie- und Kapitaltransfer<br />

sowie die Chance, die sich aus dem Export hochwertiger<br />

Energieprodukte ergibt. So kann insbesondere<br />

auch frühzeitig das Ziel erreicht werden,<br />

allen Menschen einen Zugang zu modernen, sau-

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