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Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit - WBGU

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Prüfung der Leitplanke<br />

Um diese Leitplanke einzuhalten, müssen alle Länder<br />

ein Pro-Kopf-Einkommen von 2.900 US-$ (1999)<br />

überschreiten. Dies ist <strong>im</strong> A1T-450-Szenario bereits<br />

ab 2020 der Fall, allerdings liegen diese Daten nur für<br />

vier <strong>Welt</strong>regionen vor. In der Länderbetrachtung<br />

könnte es bis 2050 durchaus ein Problem darstellen,<br />

die oben genannte Energiemenge <strong>zur</strong> Verfügung zu<br />

stellen, was wegen der fehlenden Daten allerdings <strong>im</strong><br />

Szenario nicht geprüft werden kann.<br />

Aus dieser Leitplanke folgt z. B. <strong>im</strong> Jahre 2020 bei<br />

ca. 7,6 Mrd. Menschen je nach Effizienzsteigerung<br />

ein weltweiter Pr<strong>im</strong>ärenergieeinsatz von 104–137 EJ.<br />

Da heute bereits weltweit 400 EJ genutzt werden und<br />

der Pr<strong>im</strong>ärenergieeinsatz bis 2020 <strong>im</strong> A1T-450-Szenario<br />

auf 650 EJ wächst, wirft die Leitplanke wohl<br />

kaum ein grundsätzliches Energiemengenproblem<br />

auf, sondern allenfalls Verteilungsprobleme.<br />

4.3.2.6<br />

Technologierisiken<br />

Definition der Leitplanke<br />

Ein nachhaltiges Energiesystem soll auf Technologien<br />

beruhen, deren Betrieb über die gesamte Kette<br />

von den verschiedenen Pr<strong>im</strong>ärenergieträgern bis<br />

zum Endverbraucher und eventuellen Abfällen <strong>im</strong><br />

„Normalbereich“ der Umweltrisiken liegt. Der<br />

„Normalbereich“ ist <strong>im</strong> Unterschied zum Grenzund<br />

Verbotsbereich dabei wie <strong>im</strong> <strong>WBGU</strong> Jahresgutachten<br />

„Strategien <strong>zur</strong> Bewältigung globaler<br />

Umweltrisiken“ definiert (<strong>WBGU</strong>, 1999).<br />

Bei Förderung und Transport fossiler Brennstoffe<br />

und be<strong>im</strong> Betrieb fossiler Kraftwerke kann es ungewollt<br />

oder durch Sabotage zu Unfällen kommen. Da<br />

diese räumlich und zeitlich begrenzt sind, können sie<br />

zum Normalbereich der Umweltrisiken gezählt werden<br />

(<strong>WBGU</strong>, 1999). Die Risiken der Emissionen sind<br />

durch andere Leitplanken begrenzt (CO 2 : Leitplanke<br />

Kl<strong>im</strong>aschutz; andere Emissionen: Leitplanke Atmosphärenschutz).<br />

Andere erneuerbare Energieträger<br />

(„kleine“ Wasserkraft, Wind, verschiedene Formen<br />

von Solarenergie, Biomasse, Erdwärme usw.) sind<br />

wegen ihrer ungefährlichen Pr<strong>im</strong>ärenergieträger <strong>im</strong><br />

Normalbereich der Umweltrisiken fern der Risikoleitplanke<br />

angesiedelt. Wasserkraftwerke mit großen<br />

Staudämmen zählen auch <strong>im</strong> Normalbetrieb zum<br />

Grenzbereich der Umweltrisiken und können daher<br />

mit der Leitplanke kollidieren (<strong>WBGU</strong>, 1999; Kap.<br />

3.2.3.3). Dies gilt insbesondere für die Gefährdung<br />

durch Terrorismus.<br />

Kernenergie<br />

Die derzeitige Nutzung der Kernenergie (von der<br />

Extraktion des Urans bis <strong>zur</strong> Wiederaufbereitung) ist<br />

Leitplanken für die Transformation der Energiesysteme 4.3<br />

mit Freisetzung radioaktiver Strahlung verbunden<br />

und somit ein Umweltrisiko. Bei der Kernenergie<br />

gibt es vor allem zwei Bereiche, die mit der Risikoleitplanke<br />

kollidieren: Normalbetrieb und Abfallentsorgung<br />

sowie Proliferation und Terrorismus (Kap.<br />

3.2.2).<br />

1. Normalbetrieb und Abfallentsorgung: Die Risiken<br />

<strong>im</strong> Normalbetrieb von Kernkraftwerken sind zum<br />

Grenzbereich der Umweltrisiken zu zählen<br />

(<strong>WBGU</strong>, 1999). Ein Beispiel international festgelegter<br />

Grenzwerte für Strahlenbelastungen sind<br />

die OSPAR-Grenzwerte für die Einleitung in die<br />

Meere. Sie sehen Hintergrundwerte der Schadstoffkonzentration<br />

von nahe Null für synthetische<br />

Substanzen vor. Die Einleitung flüssiger radioaktiver<br />

Schadstoffe bei der Wiederaufarbeitung von<br />

Kernbrennstoffen in den Anlagen von Sellafield<br />

und La Hague führte für beide Anlagen regional<br />

<strong>zur</strong> Überschreitung der Grenzwerte (EU-Parlament,<br />

2001). Weiterhin gibt es für eine akzeptable<br />

Strahlendosis pro Mensch und Jahr den Richtwert<br />

der Internationalen Strahlenschutzkommission<br />

(ICRP, 1991). Bei der Wiederaufbereitung von<br />

Kernbrennstoffen wurde auch dieser Grenzwert<br />

in der Region um die Anlagen um ein Mehrfaches<br />

überschritten (EU-Parlament, 2001). Die in<br />

Europa heute praktizierte Wiederaufarbeitung<br />

von Kernbrennstoffen überschreitet die international<br />

vereinbarten Grenzwerte. Aufgrund der in<br />

Kapitel 3.2.2 diskutierten Situation bei der angestrebten<br />

Endlagerung der Abfälle ist der Beirat<br />

der Auffassung, dass auch die Abfallentsorgung<br />

zum Grenzbereich gezählt werden muss.<br />

2. Proliferation und Terrorismus: Aufgrund der<br />

ungelösten Probleme (Kap. 3.2.2) ordnet der<br />

<strong>WBGU</strong> sowohl die Proliferation als auch den<br />

Nuklearterrorismus dem Risikotypus geringer bis<br />

mittlerer Eintrittswahrscheinlichkeit bei hohem<br />

Schadensausmaß zu. Dieser liegt an der Grenze<br />

zwischen Grenz- und Verbotsbereich und steht<br />

daher in Konflikt mit der Risikoleitplanke.<br />

Da man bis heute weit davon entfernt ist, den sicheren<br />

Betrieb von Kernkraftwerken, die langfristig<br />

ungefährliche Lagerung von Atommüll sowie die<br />

Nichtweitergabe bzw. Vermeidung von Zweckentfremdung<br />

radioaktiven Materials für terroristische<br />

Zwecke weltweit garantieren zu können, rät der Beirat,<br />

langfristig von der Nutzung der Kernkraft abzusehen.<br />

Prüfung der Leitplanke<br />

Da das A1T-450-Szenario einen großen Anteil Kernenergie<br />

enthält, verstößt es gegen diese Leitplanke.<br />

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