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Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit - WBGU

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128 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme<br />

paritäten zwischen den am besten und den am<br />

schlechtesten ausgestatteten Personengruppen sind<br />

oft so groß, dass letztere nicht in zufrieden stellender<br />

Weise am ökonomischen, politischen oder kulturellen<br />

Leben teilnehmen können. Daher empfiehlt der<br />

Beirat, die absolute Leitplanke „Individueller Mindestbedarf<br />

an moderner Energie“ durch relative<br />

Untergrenzen zu ergänzen. Dies gilt nicht zuletzt<br />

deshalb, weil – ähnlich wie <strong>im</strong> Zusammenhang mit<br />

Armut – nicht nur die tatsächliche, sondern auch die<br />

wahrgenommene Verfügbarkeit von Energiedienstleistungen<br />

bedeutsam ist. Eine absolute quantitative<br />

Leitplanke für die intra- wie international noch vertretbaren<br />

Disparitäten lässt sich hingegen nicht pauschal<br />

herleiten. Außer normativ-ethischen und technisch-methodischen<br />

Schwierigkeiten stehen dem<br />

u. a. kl<strong>im</strong>atische und soziokulturelle Unterschiede<br />

zwischen den Regionen und Ländern entgegen.Analysen<br />

zeigen allerdings, dass die gegenwärtigen Disparitäten<br />

zwischen den Ländern bzw. Regionen weit<br />

von dem entfernt sind, was der <strong>WBGU</strong> als nachhaltig<br />

einstuft. Dies gilt auch dann, wenn Extremwerte<br />

nicht in die Berechnung aufgenommen werden. Insofern<br />

sieht der Beirat als realistische Mindestbedingung<br />

vor, dass <strong>im</strong> Szenario die derzeitigen Disparitäten<br />

spürbar reduziert werden.<br />

Dynamisierung der Leitplanke<br />

Der Mindestbedarf an Energie ist ebenso wie das<br />

soziokulturelle Existenzmin<strong>im</strong>um (Mindesthaushaltseinkommen)<br />

keine vom Systemzustand unabhängige<br />

Größe. Aus diesem Grund erscheint eine<br />

Dynamisierung der Leitplanke „Individueller Mindestbedarf<br />

an moderner Energie“ geboten. Damit<br />

wird auch dem Disparitätenaspekt der Leitplanke<br />

<strong>im</strong>plizit Rechnung getragen. Wenn Einkommen und<br />

Energienutzung in den Entwicklungsländern ansteigen<br />

(Leitplanke „Gesamtwirtschaftlicher Mindestentwicklungsbedarf<br />

pro Kopf“; Kap. 4.3.2.5), verlangt<br />

die hier zugrunde gelegte Verteilungsnorm<br />

einer relativen Untergrenze, dass die Energiemenge,<br />

die den „energieärmsten“ Haushalten <strong>zur</strong> Verfügung<br />

steht, ebenfalls ansteigt.<br />

Prüfung der Leitplanke<br />

Geht man von der Energiemenge aus, die den unteren<br />

10% der Bevölkerung pro Kopf <strong>zur</strong> Verfügung<br />

stehen, so können <strong>im</strong> A1T-450-Szenario die angestrebten<br />

Leitplanken nahezu überall eingehalten<br />

werden. Ausnahmen sind in 2020 der Mittlere<br />

Osten/Nordafrika und Südasien, wo die Werte knapp<br />

verfehlt werden.<br />

4.3.2.4<br />

Begrenzung des Anteils der Energieausgaben am<br />

Einkommen<br />

Der Beirat hält es für gerade noch zumutbar, wenn<br />

arme Haushalte max<strong>im</strong>al ein Zehntel ihres Einkommens<br />

<strong>zur</strong> Deckung ihres elementaren Energiebedarfs<br />

(500 kWh pro Kopf und Jahr) ausgeben müssen.<br />

Damit wäre gegenüber der aktuellen Situation in<br />

armen Entwicklungsländern ein deutlicher Fortschritt<br />

erzielt. Dennoch wäre der Ausgabenanteil<br />

damit <strong>im</strong>mer noch rund 6-mal so hoch wie in Industrieländern.<br />

Definition der Leitplanke<br />

Der Beirat schlägt als Leitplanke vor, dass die Ausgaben<br />

<strong>zur</strong> Deckung des elementaren individuellen<br />

Energiebedarfs max<strong>im</strong>al 10% des Haushaltseinkommens<br />

betragen sollen.<br />

Begründung der leitplanke<br />

Die Festlegung einer quantitativen Leitplanke, welche<br />

den max<strong>im</strong>alen Anteil des Einkommens<br />

beschreibt, den ein Haushalt <strong>zur</strong> Deckung des Mindestbedarfs<br />

an Energiedienstleistungen aufwenden<br />

sollte, ist ebenfalls mit erheblichen normativen und<br />

methodischen Problemen behaftet. Mit solch einem<br />

Prozentsatz trifft man z. B. unmittelbar auch Annahmen<br />

darüber, welcher Anteil für die übrigen Bedürfnisse<br />

angemessen ist. Außerdem muss das unterschiedliche<br />

Einkommen der Haushalte berücksichtigt<br />

werden.<br />

Eine Annäherung an einen Leitplankenwert<br />

erlauben Schätzungen über den heute ausgegebenen<br />

Anteil. Verschiedene Studien sehen übereinst<strong>im</strong>mend<br />

den Anteil in der OECD bzw. den Industrieländern<br />

bei ca. 2% (G8 Renewable Energy Task<br />

Force, 2001; World Bank, 2002a). Für die Entwicklungsländer<br />

liegen nur wenige Fallstudien vor<br />

(LSMS, 2002; World Bank, 2002a). Allgemeiner Eindruck<br />

ist, dass Menschen in Ländern ohne „modernen“<br />

Energiezugang einen deutlich höheren Anteil<br />

ihres Einkommens für Energie ausgeben als die<br />

Menschen in Ländern oder Gebieten mit gesichertem<br />

Zugang. Die Schätzungen über den Anteil am<br />

verfügbaren Einkommen, der für Energie von armen<br />

Bevölkerungsgruppen in Entwicklungsländern ausgegeben<br />

wird, schwanken zwischen 10% und 33%, je<br />

nach Energiedienstleistungen, Art und Größe der<br />

betrachteten Gruppe (ESMAP, 1998, 1999; World<br />

Bank, 2002a). Die Energieausgaben für das Kochen<br />

sind darin oft nicht enthalten. Sie sind, wenn Brennmaterial<br />

unentgeltlich gesammelt wird, in vielen<br />

ländlichen Gegenden zwar sehr niedrig, aber dennoch<br />

mit zum Teil hohen „Kosten“, d. h. Belastungen

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