Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit - WBGU
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prinzipien, etwa <strong>zur</strong> Gleichverteilung des globalen<br />
Umweltraums, <strong>zur</strong>ückgegriffen werden.<br />
Individuellen Grundbedarf an Energie<br />
decken<br />
Zu den Zielen einer nachhaltigen Transformation<br />
der Energiesysteme muss nach Auffassung des Beirates<br />
gehören, weltweit allen Haushalten den<br />
Zugang zu moderner Energie zu ermöglichen. Dieses<br />
Ziel wird durch den Pakt über wirtschaftliche, soziale<br />
und kulturelle Rechte (Sozialpakt) unterstützt. In<br />
Art. 11 des Sozialpaktes erkennen die Vertragsstaaten<br />
das Recht jedes Menschen auf einen angemessenen<br />
Lebensstandard sowie auf eine stetige Verbesserung<br />
der Lebensbedingungen für sich und seine<br />
Familie an.<br />
Bestandteil dieses Rechts ist auch die angemessene<br />
Unterbringung, die u. a. den Zugang zu Energie<br />
zum Kochen, Heizen und für Beleuchtung umfasst<br />
(CESCR, 1991). Zugleich ergibt sich aus der Verbindung<br />
mit Art. 12 des Sozialpakts, dem Recht auf<br />
Gesundheit, dass eine angemessene Wohnung ihre<br />
Bewohner vor Gesundheitsrisiken schützen muss.<br />
Demnach ist die traditionelle Nutzung von Biomasse<br />
als Brennstoff <strong>im</strong>mer dann nicht mit dem Sozialpakt<br />
vereinbar, wenn dadurch die Luft in den Innenräumen<br />
gesundheitsgefährdend verschmutzt wird (Kap.<br />
3.2.3, 4.3.2.7). Die Energieversorgung muss so gestaltet<br />
werden, dass Frauen und Männer gleichermaßen<br />
in vertretbarer Weise belastet und die besonderen<br />
Schutzrechte von Kindern (Kinderrechtskonvention)<br />
gewahrt werden. Konkrete Hinweise auf einen<br />
verpflichtenden Zeitrahmen, innerhalb dessen die<br />
Grundversorgung mit Energie gewährleistet werden<br />
muss, können dem Sozialpakt nicht entnommen werden.<br />
Energiebezogene Grundlagen des Rechts<br />
auf Entwicklung sichern<br />
Da die ausreichende Versorgung mit Energie eine<br />
wichtige Voraussetzung für wirtschaftliche und soziale<br />
Entwicklung ist (Kap. 2.2), könnte aus dem<br />
„Recht auf Entwicklung“ ein kollektiver Rechtsanspruch<br />
auf diejenige Energiemenge abgeleitet werden,<br />
die Entwicklung ermöglicht und fördert. Die<br />
UN-Generalversammlung verabschiedete 1986 eine<br />
Deklaration, in der das „Recht auf Entwicklung“ den<br />
Status eines „universellen und unveräußerlichen<br />
Rechts und integralen Bestandteils der grundlegenden<br />
Menschenrechte“ erhielt. Auf der UN-<br />
Menschenrechtskonferenz in Wien 1993 gaben auch<br />
die westlichen Staaten ihre Vorbehalte gegenüber<br />
dieser Deklaration auf. In Art. 4 Abs. 1 der völkerrechtlich<br />
unverbindlichen Deklaration von 1986<br />
wurde den Staaten die Verpflichtung auferlegt, „einzeln<br />
und gemeinschaftlich Maßnahmen <strong>zur</strong> Aufstel-<br />
Leitplanken für die Transformation der Energiesysteme 4.3<br />
lung internationaler Entwicklungspolitiken zu<br />
ergreifen, die darauf gerichtet sind, die volle Verwirklichung<br />
des Rechts auf Entwicklung zu erleichtern“.<br />
Ungeklärt bleibt aber, was Entwicklung <strong>im</strong><br />
Einzelnen bedeuten soll wie auch die Frage ob und<br />
welche konkreten Leistungen aus diesem „Recht auf<br />
Entwicklung“ abgeleitet werden können. Nur Art. 8<br />
enthält einen Zielkatalog für „die Chancengleichheit<br />
für alle be<strong>im</strong> Zugang zu Grundressourcen, Erziehung,<br />
Gesundheitsdiensten, Nahrung, Unterkunft,<br />
Arbeit und einer gerechten Einkommensverteilung“.<br />
Ein Rechtsanspruch auf ausreichende<br />
Energieversorgung könnte deshalb allenfalls aus der<br />
Forderung nach „Chancengleichheit für alle be<strong>im</strong><br />
Zugang zu Grundressourcen“ abgeleitet werden.<br />
Ein „Recht auf Entwicklung“, das nicht eingeklagt<br />
werden kann, ist zwar wenig wert. Dennoch<br />
könnte es – in Verbindung mit Art. 11 des Sozialpakts<br />
– auch einen menschenrechtlich begründeten<br />
Anspruch auf eine ausreichende Versorgung mit<br />
Energie unterstützen, weil dies nicht nur für die Entwicklung<br />
von Landwirtschaft und Industrie, sondern<br />
auch für die „stetige Verbesserung der Lebensbedingungen“<br />
notwendig ist. Und dieser Rechtsanspruch<br />
ist auch <strong>im</strong> Völkerrecht unumstritten.<br />
4.3.2.2<br />
Zugang zu moderner Energie für alle Menschen<br />
Zu den elementaren Energiedienstleistungen zählen<br />
Beleuchtung, gekochtes Essen, erträgliches Raumkl<strong>im</strong>a,<br />
Kühlung von Lebensmitteln und Transport<br />
(UNDP et al., 2000), aber auch der Zugang zu Informationen<br />
und Kommunikation sowie die Erleichterung<br />
einfacher handwerklicher und landwirtschaftlicher<br />
Arbeiten. Zur Sicherstellung dieser Energiedienstleistungen<br />
ist nach Auffassung des <strong>WBGU</strong> der<br />
Zugang zu modernen Energieformen notwendig,<br />
weil die Verwendung traditioneller Biomasse insbesondere<br />
für Kochen und Heizen sowohl ein Entwicklungshemmnis<br />
als auch ein Gesundheitsproblem ist<br />
und überwunden werden muss (Kap. 3.2.4.2, 4.3.2.7).<br />
Darüber hinaus ist die Versorgung mit Strom von<br />
großer Bedeutung. Elektrizität ermöglicht neben<br />
Beleuchtung, Kühlung und der Unterstützung haushalts-<br />
und handwerklicher Tätigkeiten den Zugang<br />
zu Kommunikation, wodurch Bildungschancen eröffnet<br />
und Partizipationsmöglichkeiten erweitert werden.<br />
Aus Kapitel 2.2 wird deutlich, dass die heutige<br />
Situation noch weit von dieser Zielvorstellung entfernt<br />
ist: Bei der Fortschreibung der aktuellen Trends<br />
wird es z. B. in Südasien mehr als 40 Jahre dauern, bis<br />
allen Haushalten der Zugang zu Strom angeboten<br />
werden kann, in Afrika südlich der Sahara etwa dop-<br />
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