Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit - WBGU
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124 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme<br />
4.3.1.6<br />
Schutz der Atmosphäre vor Luftverschmutzung<br />
Die ökologischen Wirkungen der Atmosphärenverschmutzung<br />
sind vielfältig. Die bei Verbrennung fossiler<br />
Brennstoffe und von Biomasse entstehenden<br />
Emissionen an Stickoxiden (NO X ) und Schwefeloxiden<br />
(SO X ) nehmen eine Schlüsselstellung bei der<br />
Veränderung biogeochemischer Kreisläufe durch<br />
den Menschen ein. Sie führen zu Belastungen in<br />
Böden, terrestrischen Ökosystemen und Gewässern<br />
und sind z. B. eine Ursache von Waldschäden. Bodennahes<br />
Ozon, das aus den Emissionen von NO X und<br />
Kohlenwasserstoffen bei Sonnenschein in einer<br />
Smogreaktion gebildet wird, erhöht die Atmung der<br />
Pflanzen bei gleichzeitiger Reduktion der Biomassebildung<br />
und verstärkter Anfälligkeit für Schädlinge<br />
und Krankheiten (Percy et al., 2002). Durch die<br />
Reduktion der Biomassebildung wird die Senkenwirkung<br />
der Biosphäre geschwächt und der anthropogene<br />
Treibhauseffekt verstärkt. Die Emission von<br />
flüchtigen organischen Verbindungen, Ruß und<br />
anderen Schwebeteilchen sowie Schwermetallen und<br />
persistenten organischen Verbindungen aus<br />
Verbrennungsprozessen führt zu direkten toxischen,<br />
aber auch ökotoxischen Wirkungen, wenn diese<br />
Stoffe in Ökosysteme gelangen und sich in den Organismen<br />
anreichern.<br />
Versuch einer Leitplankendefinition<br />
Kritische Belastungen („Critical Loads and Levels“)<br />
sind naturwissenschaftlich begründete Obergrenzen<br />
für unterschiedliche Schadstoffe und verschieden<br />
empfindliche Rezeptoren (Ökosysteme, Teilökosysteme,<br />
Organismen bis hin zu Materialien).<br />
Diese Belastungsgrenzen müssen vorrangig rezeptornah<br />
und wirkungsbezogen formuliert werden<br />
(UBA, 1996; SRU, 1994). Als Zahlenwert wird diejenige<br />
Rate der Ablagerung best<strong>im</strong>mt, bei deren<br />
Unterschreitung nach derzeitigem Kenntnisstand<br />
keine Schäden für Rezeptoren zu erwarten sind. Die<br />
Festlegung und Überprüfung der Obergrenzen ist<br />
aufwändig und komplex, weil für jeden Schadstoff<br />
räumlich hoch aufgelöste Kartierungen der verschiedenen<br />
Rezeptoren (z. B. Ökosystem- oder Bodentypen)<br />
und der Schadstoffbelastung vorgenommen<br />
werden müssen. Dieses Konzept wird durch das Genfer<br />
Luftreinhalteübereinkommen von 1979 umgesetzt,<br />
das aber bisher auf Europa und Nordamerika<br />
beschränkt blieb. Daher lässt sich auf dieser Grundlage<br />
keine globale Leitplanke ableiten.<br />
Als Hilfskonstruktion für die Leitplanke für weltweite<br />
Emissionen könnte als Kriterium herangezogen<br />
werden, dass der Eintrag anderswo keinesfalls<br />
höher sein darf als er heute in Europa ist. Da die Situation<br />
in Europa aber nicht bei allen Schadstoffen<br />
zufrieden stellend ist, kann dies nur eine absolute<br />
Min<strong>im</strong>alforderung sein. Dies bedeutet auch eine<br />
Reihe problematischer Annahmen, z. B. Ähnlichkeit<br />
der regionalen Verteilung von Schadstoffen, Vernachlässigung<br />
der Im- und Exporte von Schadstoffen<br />
oder die vergleichbare Empfindlichkeit von Ökosystemen<br />
oder Bodentypen. Regionale Leitplanken<br />
könnten durch Vereinbarung von nationalen<br />
Umweltstandards bzw. multilateralen Umweltabkommen<br />
auf der Grundlage des Critical-Loads-<br />
Konzepts festgelegt und umgesetzt werden. Setzt<br />
man die gleiche Menge genutzter Energiedienstleistungen<br />
voraus, so ist zu vermuten, dass eine konsequente<br />
Anwendung des Stands der Technik in Kraftwerken,<br />
Haushalten und Verkehr das Einhalten<br />
einer solchen Leitplanke ermöglichen würde.<br />
Prüfung Leitplanke<br />
Um eine vorläufige Abschätzung zu erreichen, wurden<br />
die SO X -Emissionen pro Fläche in den verschiedenen<br />
Regionen errechnet, was ein sehr grobes Maß<br />
für die Umweltfolgen der Emissionen ergibt. Dabei<br />
werden erhebliche Fehler in Kauf genommen, z. B.<br />
wird der Transport von Schadstoffen über Ländergrenzen<br />
hinweg oder auf See nicht berücksichtigt.<br />
Die Prüfung ergibt, dass <strong>im</strong> A1T-450-Szenario vor<br />
allem Ostasien (China, Korea und Nachbarn) sowie<br />
Osteuropa unter hohen Belastungen leiden. In der<br />
zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts wird in diesem<br />
Szenario die Leitplanke überall eingehalten, weil die<br />
Technik für die Vermeidung dieser Emissionen<br />
bereits vorhanden ist und zunehmend auch in den<br />
„kritischen“ Regionen angewandt wird, in denen ein<br />
starkes Wachstum der Energienachfrage zu erwarten<br />
ist. Ein schnellerer Umbau in Richtung erneuerbare<br />
Energien würde die Einhaltung der Leitplanken<br />
beschleunigen.<br />
4.3.2<br />
Sozioökonomische Leitplanken<br />
4.3.2.1<br />
Schutz der Menschenrechte<br />
Bei der Formulierung energiepolitischer Transformationsstrategien<br />
orientiert sich der <strong>WBGU</strong> auch an<br />
menschenrechtlichen Imperativen, also allgemein<br />
gültigen Grundsätzen gesellschaftlicher Systeme.<br />
Zur Konkretisierung und Operationalisierung sozialethischer<br />
Ziele des Leitbilds nachhaltige Entwicklung<br />
kann auf völkerrechtlich kodifizierte Normen,<br />
wie die Konventionen zu Menschenrechten und<br />
Arbeitsrecht, und auf universelle Gerechtigkeits-