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Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit - WBGU

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könnte z. B. der Temperaturanstieg die Ausbreitung<br />

von Infektionskrankheiten in Gebiete bewirken, in<br />

denen das Immunsystem der Einwohner nicht angepasst<br />

ist (IPCC, 2001b). Die Datenlage erlaubt derzeit<br />

allerdings nicht, die Konsequenzen des Kl<strong>im</strong>awandels<br />

auf die Gesundheit realistisch zu modellieren.<br />

Eine Aussage über die noch zu tolerierende<br />

Grenze des Kl<strong>im</strong>awandels in Bezug auf Gesundheit<br />

kann daher derzeit nicht getroffen werden.<br />

Prüfung der Leitplanke<br />

Das vom <strong>WBGU</strong> als Grundlage für seinen Transformationspfad<br />

ausgewählte Basisszenario A1T-450<br />

(Kap. 4.2.6) läuft leicht aus dem Kl<strong>im</strong>afenster hinaus,<br />

wenn eine Kl<strong>im</strong>asensitivität von 2,5 °C angenommen<br />

wird (Abb. 4.3-2). Die Stabilisierung bei 450 ppm<br />

reicht also nicht aus, um die Leitplanke unter allen<br />

möglichen Werten der Kl<strong>im</strong>asensivität einzuhalten.<br />

Diese Aussage ist allerdings mit weiteren Unsicherheiten<br />

behaftet:<br />

• Rundung: Die Rundung des Kl<strong>im</strong>afensters am<br />

rechten oberen Rand ist bisher wissenschaftlich<br />

nicht quantitativ definiert, sondern reflektiert<br />

lediglich allgemeine systemtheoretische Überlegungen<br />

(<strong>WBGU</strong>, 1995).<br />

• Absolut versus relativ: Die absolute Erwärmungsobergrenze<br />

von 2 °C wird für eine Kl<strong>im</strong>asensitivität<br />

von 2,5 °C in diesem Jahrhundert knapp eingehalten.<br />

Die Erwärmungsraten überschreiten<br />

zwischen 2010 und 2030 die zulässige Obergrenze<br />

von 0,2 °C pro Jahrzehnt.<br />

Temperaturänderungsrate<br />

[°C/Jahrzehnt]<br />

0,3<br />

0,2<br />

0,1<br />

0<br />

4,5°C<br />

2,5°C<br />

1,5°C<br />

0 1<br />

2 3<br />

Temperaturerhöhung [°C]<br />

Abbildung 4.3-2<br />

Das A1T-450-Szenario <strong>im</strong> Kl<strong>im</strong>afenster bei sehr<br />

unterschiedlicher Empfindlichkeit des Kl<strong>im</strong>asystems (1,5 °C,<br />

2,5 °C und 4,5 °C Kl<strong>im</strong>asensitivität). Die Kl<strong>im</strong>asensitivität ist<br />

die Erwärmung bei Verdopplung des vorindustriellen CO 2 -<br />

Gehalts der Luft.<br />

Quelle: <strong>WBGU</strong>, unter Verwendung von Daten von IIASA<br />

Leitplanken für die Transformation der Energiesysteme 4.3<br />

• Kl<strong>im</strong>asensitivität: Die Kl<strong>im</strong>asensitivität ist eine<br />

sehr schwer abschätzbare Variable, aber zentral<br />

für die weitere Debatte (Abb. 4.3-2; Kap. 4.5.2.1).<br />

Der IPCC (2001a) gibt als Bandbreite möglicher<br />

Werte 1,7–4,2 ˚C für die Kl<strong>im</strong>asensitivität an, die<br />

aus Kl<strong>im</strong>amodellrechnungen mit sieben verschiedenen<br />

gekoppelten Atmosphäre-Ozean-Land-<br />

Modellen folgt. Der IPCC verzichtet auf die Festlegung<br />

eines wahrscheinlichsten Wertes und<br />

betont, dass die Kl<strong>im</strong>asensitivität auch außerhalb<br />

des angegebenen Bereichs liegen kann (IPCC,<br />

2001a).<br />

• Kl<strong>im</strong>amodellierung: Es gibt noch weitere Faktoren,<br />

die beachtet werden müssen: die Reaktion der<br />

Kohlenstoffreservoire auf die Kl<strong>im</strong>aänderung, die<br />

Kl<strong>im</strong>awirkung von Aerosolen (direkte und indirekte<br />

Effekte; Kap. 4.5) und troposphärischem<br />

Ozon, Kondensstreifen und anderen Eiswolken<br />

als Folge des Flugverkehrs sowie die Auswirkungen<br />

des Kioto-Protokolls. Die ersten Faktoren<br />

sind naturwissenschaftlicher Natur und verstärken<br />

bzw. schwächen (Aerosole) die mittlere globale<br />

Erwärmung. Das Kioto-Protokoll ist in dem<br />

A1T-450-Szenario indirekt enthalten und bewirkt<br />

eine Minderung der Treibhausgasemissionen der<br />

Industrieländer. Da aber mit dem Ausstieg der<br />

USA und der Anrechnung von Kohlenstoffsenken<br />

<strong>im</strong> Protokoll gegenwärtig eher nur von einer Stabilisierung<br />

der Emissionen der Industrieländer<br />

ausgegangen werden muss, führt auch diese<br />

Unsicherheit eher zu einer Unterschätzung der<br />

Erwärmung.<br />

Das A1T-450-Szenario liegt also bei der angenommenen<br />

Kl<strong>im</strong>asensitivität von 2,5 °C <strong>im</strong> Grenzbereich<br />

des Kl<strong>im</strong>aschutzfensters, teilweise auch vorübergehend<br />

außerhalb. Das Szenario ist daher bei einer<br />

Stabilisierungskonzentration von 450 ppm keineswegs<br />

als „sicher“ <strong>im</strong> Sinn von Artikel 2 der UNFCCC<br />

zu verstehen. Die Unsicherheit bezüglich der Kl<strong>im</strong>asensitivität<br />

wirkt sich dabei viel stärker aus als einige<br />

Gigatonnen zusätzlich emittierten CO 2 . Nach dem<br />

Vorsorgeprinzip muss also zum A1T-450-Szenario<br />

eine deutlich verstärkte Kl<strong>im</strong>aschutzpolitik auch<br />

außerhalb des Energiesektors hinzu kommen, um<br />

daraus ein nachhaltiges Szenario zu entwickeln.<br />

Die geologische CO 2-Speicherung in erschöpften<br />

oder noch genutzten Öl- und Gasfeldern hat ein<br />

nachhaltig nutzbares Potenzial, das allerdings derzeit<br />

nicht genau zu beziffern ist, aber insgesamt in der<br />

Größenordnung von hunderten Gt C liegen dürfte.<br />

Zur Prüfung der vorliegenden Szenarien wird in<br />

erster Näherung eine Leitplanke von 300 Gt C angenommen<br />

(Kap. 3.6). Die Gesamtsumme der geologischen<br />

Speicherung von Kohlenstoff zwischen 1990<br />

und 2100 liegt be<strong>im</strong> A1T-450-Szenario mit 226 Gt C<br />

unterhalb dieser Leitplanke. Bei der geologischen<br />

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