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Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit - WBGU

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118 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme<br />

ren Meeresspiegels um einige Meter über viele Jahrtausende<br />

bewirken würde (IPCC, 2001a). Nach<br />

Modellrechnungen liegt hierfür die kritische Temperaturerhöhung<br />

über Grönland bei etwa 3 °C. Die<br />

lokale Erwärmung über Grönland ist um etwa einen<br />

Faktor 1,3–3,1 höher als die globale Erwärmung<br />

(IPCC, 2001a). Rechnet man beispielsweise mit<br />

einem Verstärkungsfaktor von 2, so könnte bereits<br />

eine globale Erwärmung um etwa 1,5 °C zu einem<br />

irreversiblen Abschmelzen des gesamten Grönlandeises<br />

führen.<br />

Die vom Beirat nicht mehr akzeptierte mittlere<br />

globale Erwärmung von 2 °C gegenüber dem vorindustriellen<br />

Wert entspricht über die kommenden 100<br />

Jahre einem absoluten Meeresspiegelanstieg von<br />

0,25–1 m (je nach Modell; IPCC, 2001a). Es ist also<br />

wahrscheinlich, dass die vom Beirat in einem früheren<br />

Sondergutachten diskutierte Obergrenze von<br />

15–25 cm mittlerem Meeresspiegelanstieg bereits in<br />

diesem Jahrhundert deutlich überschritten wird<br />

(<strong>WBGU</strong>, 1997). Laut Szenario A1T-450 (Kap. 4.2.5)<br />

wird bei einer Kl<strong>im</strong>asensitivität (das ist die globale<br />

Erwärmung bei Verdopplung des vorindustriellen<br />

CO 2 -Gehalts der Luft) von 2,5 °C der Anstieg bis<br />

2100 bei etwa 50 cm liegen. Bereits dieser Anstieg<br />

wird mit sozialen Härten, erheblichen Kosten für die<br />

Anpassung der Küsteninfrastruktur und mit Verlusten<br />

wertvoller Küstenökosysteme verbunden sein<br />

(IPCC, 2001a).<br />

Diese neueren Erkenntnisse bestärken die Richtigkeit<br />

des <strong>WBGU</strong>-Kl<strong>im</strong>afensters. Der Beirat betont,<br />

dass diese Leitplanke das Risiko des Abschmelzens<br />

des Grönlandeises nicht vollständig ausschließen<br />

kann. Außerdem wäre die Existenz einiger kleiner<br />

Inselstaaten gefährdet und die Anzahl der durch<br />

Sturmfluten gefährdeten Menschen würde deutlich<br />

steigen.<br />

Neben dem absoluten Anstieg ist auch die<br />

Geschwindigkeit des Meeresspiegelanstiegs von<br />

Bedeutung, da die Anpassungsfähigkeit der Menschen<br />

und Ökosysteme bei einem schnelleren<br />

Anstieg abn<strong>im</strong>mt und große sozioökonomische wie<br />

ökologische Schäden in Küstenregionen vorauszusehen<br />

sind. Die Geschwindigkeit des Anstiegs ist dabei<br />

abhängig vom absoluten Anstieg, denn der Verlauf<br />

des Meeresspiegelanstiegs ist bei unterschiedlichen<br />

Stabilisierungskonzentrationen und Modellen für<br />

das 21. Jahrhundert sehr ähnlich (IPCC, 2001a). Da<br />

das Verhältnis von der max<strong>im</strong>alen <strong>zur</strong> durchschnittlichen<br />

Steigung des Meeresspiegelanstiegs konstant<br />

zu sein scheint, lässt sich eine Leitplanke für die<br />

Geschwindigkeit des Meeresspiegelanstiegs in eine<br />

Leitplanke für den absoluten Temperaturanstieg<br />

umrechnen. Würde eine Leitplanke von 50 mm pro<br />

Dekade postuliert, so wäre diese be<strong>im</strong> A1T-450-Szenario<br />

nur knapp verletzt. Eine geringfügig niedrigere<br />

Stabilisierungskonzentration würde die Leitplanke<br />

voraussichtlich einhalten. Da das <strong>WBGU</strong>-<br />

Temperaturfenster also die Geschwindigkeit des<br />

Meeresspiegelanstiegs bereits begrenzt, scheint eine<br />

eigene Leitplanke nicht notwendig.<br />

Ökonomische Anpassungsfähigkeit<br />

Eine grobe Abschätzung (<strong>WBGU</strong>, 1995, 1997) ergab,<br />

dass ab einer Temperaturänderung von 0,2 °C pro<br />

Dekade bereits derart hohe Kl<strong>im</strong>afolgekosten entstünden,<br />

dass die Anpassungsfähigkeit von Volkswirtschaften<br />

überschrittten würde und es zu intolerablen<br />

wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen<br />

käme. Somit ist das <strong>WBGU</strong>-Kl<strong>im</strong>afenster auch aus<br />

ökonomischen Gründen einzuhalten.<br />

Ernährungssicherheit<br />

Der Kl<strong>im</strong>awandel hat erheblichen Einfluss auf die<br />

landwirtschaftlichen Ökosysteme und somit auf die<br />

Ernährungssicherheit (IPCC, 2001b). Global gesehen<br />

wird sich der Kl<strong>im</strong>awandel nicht negativ auf die<br />

Nahrungsmittelproduktion auswirken, da sowohl<br />

Temperaturerhöhung als auch zunehmende Niederschläge<br />

in einigen „Gewinnerregionen“ die Verluste<br />

in den „Verliererregionen“ kompensieren können.<br />

Bei einer Erhöhung von 2 °C wird global sogar mit<br />

einer Zunahme der Getreideproduktion von 3–6%<br />

gerechnet (Fischer et al., 2001). Dabei sind die<br />

Gewinner überwiegend Industrie- oder Transformationsländer,<br />

die durch ihre Lage in kälteren Regionen<br />

vom Temperaturanstieg profitieren würden (u. a.<br />

Kanada und Russland). Die Verlierer finden sich<br />

dagegen in den Entwicklungsländern, vor allem in<br />

Afrika südlich der Sahara und in Lateinamerika<br />

(Fischer et al., 2002). Dabei sind allerdings Effekte<br />

wie zunehmende Extremwetterereignisse und sich<br />

verschärfende Bodendegradation noch nicht berücksichtigt,<br />

so dass die „Gewinner“ lediglich zu „weniger<br />

Betroffenen“ werden könnten. Selbst die Zunahme<br />

nur kurzzeitig andauernder Temperaturextreme<br />

durch eine globale Kl<strong>im</strong>aänderung könnte bei Nutzpflanzen<br />

bereits zu großflächigen Ernteausfällen<br />

führen (IPCC, 2001d). Ein Kl<strong>im</strong>awandel um 2 °C<br />

würde zwar keine akute globale Lebensmittelkrise<br />

auslösen, aber voraussichtlich das bereits bestehende<br />

globale Ungleichgewicht der Nahrungsmittelversorgung<br />

auf inakzeptable Weise verschärfen.<br />

Menschliche Gesundheit<br />

Bei den Auswirkungen des Kl<strong>im</strong>awandels auf die<br />

menschliche Gesundheit ist zu erwarten, dass die<br />

negativen Effekte die positiven überwiegen werden<br />

(IPCC, 2001b). Eine Zunahme von Extremereignissen<br />

wie Hitzewellen, extremen Stürmen oder Fluten<br />

würde das Risiko von Infektionskrankheiten<br />

besonders in Entwicklungsländern vergrößern. So

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