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Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit - WBGU

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116 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme<br />

Kasten 4.3-2<br />

Konkretisierung von Leitplanken durch<br />

Völkerrecht?<br />

Eine verbindliche Konkretisierung von Leitplanken einer<br />

nachhaltigen Energiepolitik kann international vor allem<br />

durch das Völkerrecht geschaffen werden. Dabei ist<br />

zunächst an verbindliche Grundsätze und Ziele in völkerrechtlichen<br />

Übereinkommen zu denken. Vorstellbar ist<br />

jedoch auch, dass sich Leitplanken bereits aus dem Völkergewohnheitsrecht<br />

ergeben. Politische Absichtserklärungen,<br />

Resolutionen und andere Vereinbarungen des „soft<br />

law“ können auch ohne rechtliche Bindung <strong>zur</strong> Konkretisierung<br />

völkerrechtlicher Grundsätze beitragen.<br />

Das bisher wichtigste Instrument für die Konkretisierung<br />

einer nachhaltigen Energiepolitik ist das Rahmenübereinkommen<br />

der Vereinten Nationen zu Kl<strong>im</strong>averänderungen<br />

(UNFCCC) mit dem Kioto-Protokoll. Laut Zielvorgabe<br />

des Kioto-Protokolls muss in den Industrie- und<br />

Transformationsstaaten zwischen 2008 und 2012 eine<br />

Reduktion der Treibhausgasemissionen um durchschnittlich<br />

5% gegenüber 1990 erreicht werden. Dies kann aber<br />

nur als ein erster Schritt auf dem Weg <strong>zur</strong> Festlegung langfristiger<br />

verbindlicher Kl<strong>im</strong>aleitplanken angesehen werden.<br />

Auch aus diesem Grund wird <strong>im</strong>mer häufiger diskutiert,<br />

ob staatliche Verpflichtungen nicht schon aus dem Völkergewohnheitsrecht<br />

und hier insbesondere aus dem völkergewohnheitsrechtlichen<br />

Prinzip des Verbots grenzüberschreitender<br />

Umweltbeeinträchtigungen abgeleitet werden<br />

können. Tuvalu, die Malediven und Kiribati, die durch<br />

den kl<strong>im</strong>abedingten Meeresspiegelanstieg in ihrer Existenz<br />

bedroht sind, haben eine Klage gegen verschiedene<br />

Industriestaaten vor dem Internationalen Gerichtshof vorbereitet.<br />

Daher wird die Frage nach der völkerrechtlichen<br />

Haftung der Industriestaaten für künftig zu erwartende<br />

Schäden in Entwicklungsländern und insbesondere den am<br />

stärksten gefährdeten kleinen Inselstaaten stärker als bisher<br />

diskutiert. Bisher waren Staaten eher <strong>zur</strong>ückhaltend,<br />

Haftungsansprüche gegenüber anderen Ländern geltend<br />

Verschiebung der Kl<strong>im</strong>azonen<br />

Die Kl<strong>im</strong>arahmenkonvention soll u. a. sicherstellen,<br />

dass die Ökosysteme sich auf natürliche Weise an<br />

den Kl<strong>im</strong>awandel anpassen können (Art. 2<br />

UNFCCC). Die Auswirkungen des Kl<strong>im</strong>awandels<br />

auf die Ökosysteme der Erde sind derzeit zwar nur<br />

un<strong>zur</strong>eichend geklärt, aber es kann als gesichert gelten,<br />

dass die geographische Ausdehnung der Schäden<br />

an Ökosystemen mit der Rate der Kl<strong>im</strong>averänderung<br />

und ihrer absoluten Höhe zun<strong>im</strong>mt und mit<br />

Verlust biologischer Vielfalt verbunden ist (IPCC,<br />

2001a). Bei zu raschen oder zu großen Kl<strong>im</strong>averschiebungen<br />

werden mehrere der biologischen<br />

Imperative verletzt. Eine Gefährdung einzelner<br />

besonders empfindlicher Ökosysteme (z. B. Korallenriffe,<br />

tropische Wälder, Feuchtgebiete) ist ab einer<br />

Temperaturerhöhung von 1–2 °C zu erwarten und<br />

teils heute bereits sichtbar (Kasten 4.3-3).<br />

zu machen. Meist werden diplomatische Lösungen bevorzugt,<br />

oder es werden internationale Instrumente <strong>zur</strong><br />

Begründung einer grenzüberschreitenden zivilrechtlichen<br />

Haftung entwickelt. Angesichts des Ausmaßes der Kl<strong>im</strong>aschäden<br />

und der völlig un<strong>zur</strong>eichenden finanziellen Ausstattung<br />

des Anpassungsfonds zum Kioto-Protokoll könnten<br />

besonders stark betroffene Staaten künftig stärker<br />

Ansprüche der Staatenverantwortlichkeit geltend machen.<br />

Auch eine Zunahme zivilrechtlicher Klagen gegen Großemittenten<br />

ist zu erwarten.<br />

Neben vielen praktischen Problemen ist die Durchsetzung<br />

von Ansprüchen der Staatenverantwortlichkeit mit<br />

rechtlichen Fragen verbunden, die nicht eindeutig zu<br />

beantworten sind. Dazu gehören etwa Reichweite und<br />

Anwendungsbereich des Prinzips des Verbots grenzüberschreitender<br />

Umweltbeeinträchtigungen sowie die Frage,<br />

ob die Kl<strong>im</strong>akonvention und das Kioto-Protokoll zwischenstaatliche<br />

Haftungsansprüche möglicherweise ausschließen<br />

und welche Handlungen eine Staatenverantwortlichkeit<br />

für Kl<strong>im</strong>aschäden überhaupt begründen könnten.<br />

Hier, wie auch bei der zivilrechtlichen Haftung, besteht<br />

noch erheblicher Forschungsbedarf.<br />

Während das Kioto-Protokoll für den ersten Verpflichtungszeitraum<br />

2008–2012 zu einer Konkretisierung der<br />

Leitplanke „Kl<strong>im</strong>aschutz“ geführt hat, haben die sozioökonomischen<br />

Leitplanken (Kap. 4.3.2) bisher kaum Eingang<br />

in rechtlich verbindliche Instrumente gefunden.<br />

Die fehlende Entwicklung, Harmonisierung und Konkretisierung<br />

von Leitplanken für eine nachhaltige globale<br />

Energiepolitik und die mangelnde Einbeziehung energierelevanter<br />

Entwicklungsziele in die Kl<strong>im</strong>aschutzpolitik ist<br />

ein Defizit der bisherigen internationalen Energiepolitik.<br />

Der <strong>WBGU</strong> empfiehlt die Entwicklung einer <strong>Welt</strong>energiecharta<br />

als ersten Schritt hin <strong>zur</strong> Umsetzung einer nachhaltigen<br />

Energiepolitik. Um die Widerstände gegen das –<br />

zunächst unverbindliche – Abkommen zu überwinden,<br />

wird es von zentraler Bedeutung sein, die Staatengemeinschaft<br />

von dem Mehrwert einer solchen globalen Energiestrategie<br />

zu überzeugen (Kap. 5.3.2.2).<br />

Quellen: <strong>WBGU</strong>, 2001b; Tol und Verheyen, 2001<br />

Bei einer globalen Erwärmung um mehr als 2 °C<br />

könnten sich viele natürliche Systeme grundlegend<br />

verändern, was mit starken zusätzlichen Treibhausgasemissionen<br />

verbunden wäre (IPCC, 2001a). Auch<br />

das Risiko extremer Kl<strong>im</strong>aereignisse n<strong>im</strong>mt dann<br />

stark zu. Ab einer Temperaturerhöhung von 3,5–4 ºC<br />

sind für die meisten Regionen der Erde negative Einflüsse<br />

auch für anthropogene Ökosysteme zu erwarten<br />

(IPCC, 2001a).<br />

Die Verschiebung der Kl<strong>im</strong>azonen löst Migration<br />

von Tieren und Pflanzen aus. Verkehrswege und<br />

anthropogene Landnutzung (Landwirtschaft, Siedlungsgebiete<br />

usw.) behindern diese Anpassung<br />

(<strong>WBGU</strong>, 2000), so dass der Verlust von Ökosystemen<br />

und Arten zu befürchten ist.<br />

Thermohaline Zirkulation<br />

Die thermohaline Zirkulation des Ozeans ist von<br />

großer Bedeutung für den globalen Wasser- und

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