Nicht erreichbar, keine Antwort, inkompetent - vzbv
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Kurzfassung:<br />
<strong>Nicht</strong> <strong>erreichbar</strong>, <strong>keine</strong> <strong>Antwort</strong>, <strong>inkompetent</strong><br />
Nachgefragt: Das Auskunftsverhalten von Unternehmen gegenüber Verbrauchern<br />
Hintergrundpapier zum Verbraucherinformationsgesetz<br />
Verbraucher benötigen einen umfassenden Zugang zu Informationen, um souveräne<br />
Kaufentscheidungen zu treffen und eine verantwortliche Rolle im Marktgeschehen einzunehmen. Der<br />
Verbraucherzentrale Bundesverband fordert deshalb, dass das Verbraucherinformationsgesetz auch<br />
Unternehmen zur Auskunft über kaufrelevante Produkteigenschaften verpflichtet. Um die Notwendigkeit<br />
eines solchen Rechtsanspruches zu verdeutlichen, hat der <strong>vzbv</strong> das Auskunftsverhalten von<br />
Unternehmen gegenüber Verbrauchern getestet.<br />
Der <strong>vzbv</strong> beauftragte die Autorin der nicht-repräsentativen Studie, als private Verbraucherin kritische<br />
Anfragen an mehr als 150 Firmen zu stellen. Dabei wurden sowohl die Kommunikationsangebote für<br />
Verbraucher getestet als auch die Informationen der Unternehmen hinterfragt. In mehr als 50% der<br />
Stichproben war auf das Auskunftsverhalten der Unternehmen kein Verlass. Die Test-Verbraucherin<br />
wurde nicht ernst genommen, ihre Fragen wurden ignoriert und abgewehrt.<br />
Was die Test-Verbraucherin des <strong>vzbv</strong> im Einzelnen erlebte:<br />
• Unternehmen sind nicht <strong>erreichbar</strong><br />
• Verbrauchertelefone und Email-Adressen funktionieren nicht<br />
• es gibt <strong>keine</strong> zuständigen Ansprechpartner, versprochene Rückrufe bleiben aus<br />
• Anfragen werden nicht beantwortet<br />
• Auskünfte sind unpräzise, <strong>inkompetent</strong>, widersprüchlich oder falsch<br />
• <strong>keine</strong> weiteren Informationen, wenn die gemachten Angaben hinterfragt werden<br />
• Werbeaussagen werden nicht belegt<br />
• der Kundenkontakt wird für unerwünschte Werbeaktivitäten missbraucht<br />
• aussagelose Broschüren und unverständliche Reports<br />
Das Informationsverhalten von 33 namhaften Unternehmen aus verschiedenen Branchen wird in dem<br />
Bericht des <strong>vzbv</strong> exemplarisch zitiert. Den genannten Unternehmen wurde vor der Veröffentlichung die<br />
Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben.<br />
Die Diskrepanz zwischen den unzureichenden Auskünften, die diese Unternehmen der Test-<br />
Verbraucherin gaben, und den umfassenden Auskünften, die sie dem Verbraucherzentrale<br />
Bundesverband geben, verdeutlicht, in welchem Ausmaß die Informationsbedürfnisse von Verbrauchern<br />
nicht ernst genommen werden.<br />
Lediglich das Auskunftsverhalten der Lebensmittelindustrie lässt auch gegenüber dem <strong>vzbv</strong> zu<br />
wünschen übrig. Die Fragen nach den Standards der Tierhaltung haben die getesteten Unternehmen<br />
immer noch nicht beantwortet, oder nicht korrekt beantwortet.
Beispiele für das Auskunftsverhalten von Unternehmen gegenüber Verbrauchern<br />
... nachgefragt: allergieauslösendes Nickel in Jeansknöpfen?<br />
Jeanshersteller Diesel: Keine Telefonnummer für Verbraucher. Die erste Gesprächspartnerin in der<br />
Konzernzentrale war selbst gegen Nickel allergisch: „In den Jeansknöpfen ist überall Nickel drin. Da<br />
machen Sie am besten Nagellack drauf, oder ein Pflaster von innen. Tesafilm verrutscht.“ Sie verband<br />
weiter zur Abteilung Einkauf. Dort wusste man nichts über den Nickelgehalt, darüber gebe es überhaupt<br />
<strong>keine</strong> Daten in der Firma. Die dritte Gesprächspartnerin, an die die Anfrage weitergereicht wurde: „Kein<br />
Problem, da passiert nichts, können Sie unbesorgt anziehen!“<br />
... nachgefragt: gefährliche Weichmacher im Babyspielzeug?<br />
Spielzeugwarenhersteller Mattel, Kundendienst: „Wir haben noch nie Phthalate benutzt! Schließlich ist<br />
Mattel eine US-Firma, und die amerikanischen Bestimmungen sind viel strenger.“<br />
Stimmt nicht. Mattel hat erst ab 1998 auf die gesundheitsschädlichen Weichmacher verzichtet, und das<br />
auch nur in Spielzeug für Kinder bis 3 Jahre.<br />
Spielzeugwarenhersteller Chicco, Kundendienst: „Wir haben alle Weichmacher bereits vor dem<br />
gesetzlichen Verbot rausgenommen.“ Es gab <strong>keine</strong> Auskunft darüber, seit wann genau es <strong>keine</strong><br />
Phthalate mehr im Babyspielzeug gibt, und in welchen Chicco-Produkten für ältere Kinder noch immer<br />
Weichmacher enthalten sind.<br />
Pech für Babys, deren Beißring schon vor dem gesetzlichen Verbot hergestellt wurde? Und Kindern<br />
muss außerdem klar sein, dass ab dem dritten Geburtstag Schluss damit ist, Spielzeug in den Mund zu<br />
stecken.<br />
... nachgefragt: Gentechnik in der Wurst?<br />
Barfuss GmbH, Wurst- und Fleischwaren: <strong>keine</strong> <strong>Antwort</strong><br />
Frikifrisch GmbH, Geflügelfleischwaren: <strong>keine</strong> <strong>Antwort</strong><br />
Halko GmbH, Wurst und Fleischkonserven: <strong>keine</strong> <strong>Antwort</strong><br />
Tricon Restaurants, „Kentucky Fried Chicken“ und „Pizza Hut“: <strong>keine</strong> <strong>Antwort</strong><br />
... nachgefragt: wie halten Sie es mit der Tierhaltung?<br />
Zimbo Fleischwaren, Verbrauchertelefon: „Nur glücklich, da müssen Sie sich überhaupt <strong>keine</strong> Sorgen<br />
machen, alle glücklich. Deshalb sind die Produkte ja so teuer!“<br />
Der hohe Preis ist also die Garantie für glückliche Tierhaltung. Auf der Website von Zimbo findet sich<br />
als Hinweis auf die artgerechte Tierhaltung unter der Rubrik „Zahlen, Daten, Fakten“: „viel Licht, viel<br />
Luft, viel Sonne, viel Bewegung“ – in der Tat, welche Kuh wäre da nicht glücklich. Die Anfrage der Test-<br />
Verbraucherin per Email, nach welchen Kriterien die artgerechte Tierhaltung im Einzelnen ausgerichtet<br />
sei, wurde nicht beantwortet.<br />
Erst in der Stellungnahme von Zimbo gegenüber dem <strong>vzbv</strong> wird offenbar, dass die an der Hotline und<br />
im Internet genannten hohen Standards der Tierhaltung nur für 5% der Zimbo-Produkte gelten.<br />
Herta Wurstwaren antwortet mit der Verbraucherinformationsbroschüre „Qualität und Sicherheit“, darin<br />
lapidar auf Seite 6: „Anforderungen an Zucht und Mast: Artgerechte Tierhaltung“.<br />
Erst in der Stellungnahme von Herta gegenüber dem <strong>vzbv</strong> wird offenbar, dass die in der<br />
Verbraucherbroschüre vom März 2001 genannten hohen Anforderungen an die Tierhaltung bis heute<br />
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noch nicht umgesetzt sind. Auch der <strong>vzbv</strong> erhielt <strong>keine</strong> Auskunft darüber, wie die Tiere im<br />
Produktionsprozess von Herta zur Zeit gehalten werden.<br />
Alois Müller, Milchprodukte, <strong>Antwort</strong>brief: „Nachdem wir als Molkerei selbst <strong>keine</strong> Tiere halten, sondern<br />
die Milch vom Erzeuger beziehen, liegen uns leider <strong>keine</strong> entsprechenden Informationen zur<br />
Nutztierhaltung vor. Aus diesem Grund möchten wir Ihnen als Ansprechpartner nachfolgend die<br />
Adresse der Pressestelle des Bauernverbandes nennen.“<br />
Ob die Pressestelle des Bauernverbandes Tiere hält, hat der <strong>vzbv</strong> nicht geprüft.<br />
... nachgefragt: Tierversuche für Kosmetik?<br />
Schwarzkopf & Henkel, Kosmetik- und Pflegeprodukte, Verbrauchertelefon: „Nein, wir machen <strong>keine</strong><br />
Tierversuche mehr, Gott sei dank, ich finde das auch ganz schrecklich!“ Ist der Verzicht auf<br />
Tierversuche in der Unternehmensphilosophie verankert, gibt es irgendwelche Richtlinien dazu? „Nein,<br />
wieso, wir machen ja <strong>keine</strong>.“ Auch wenn Henkel selbst seine Endprodukte nicht an Tieren testet, wie ist<br />
es denn mit Inhaltsstoffen, die neu entwickelt werden? „Wir entwickeln nicht selbst, wir kaufen das aus<br />
einer Datenbank in der Schweiz.“ Und werden bei diesen Innovationen, die Henkel einkauft,<br />
Tierversuche gemacht? „Im Ausland sieht man das halt nicht so eng, denken Sie nur an China, wie da<br />
die Tiere gequält werden, schrecklich.“ Aber das ist doch scheinheilig, dann verlagert Henkel die<br />
Verantwortung doch nur auf andere, die für sie die Tierversuche machen? „Aber wir machen <strong>keine</strong>.“<br />
Kann man den Namen dieser Schweizer Datenbank erfahren, vielleicht gibt es dort Richtlinien zu<br />
Tierversuchen? „Da verbinde ich Sie mal weiter. Darf ich Ihnen ein kostenloses Pflegeprodukt<br />
zuschicken?“<br />
... nachgefragt: Umweltstandards im Herstellungsprozess?<br />
Daewoo Electronics: Die Service-Rufnummern sind nur für die Wartung der Elektrogeräte zuständig.<br />
Die telefonische Anfrage in der Konzernzentrale wurde an die Marketing-Abteilung weitergeleitet. Der<br />
Leiter des Marketing gab <strong>keine</strong> Auskunft über Ökologie bei der Produktion. Man produziere weltweit und<br />
halte die jeweiligen Gesetze ein. „Wofür brauchen Sie das denn überhaupt?“ Um eine ökologisch<br />
vertretbare Kaufentscheidung zu treffen. Gibt es bei Daewoo <strong>keine</strong> Richtlinien für den Umweltschutz?<br />
„Das Werk in Irland ist nach ISO 14001 zertifiziert.“ Was bedeutet das? „Das können Verbraucher doch<br />
gar nicht verstehen.“ Stellungnahmen oder Publikationen, wie z.B. einen Umweltbericht, gibt Daewoo<br />
nicht heraus. Schließlich sei es vom Gesetz nicht gefordert.<br />
... nachgefragt: Teppiche aus Kinderarbeit?<br />
Frick, Teppich-Supermärkte mit bundesweitem Filialnetz, Verbrauchertelefon: „Wir sind Mitglied bei<br />
Care&Fair, die sorgen für uns dafür, dass <strong>keine</strong> Kinder an den Teppichen arbeiten. In den Fabriken in<br />
Indien und Nepal werden unabhängige Kontrollen durchgeführt, um das zu garantieren.“ Wer steckt<br />
hinter Care&Fair und wie wird sichergestellt, dass diese Kontrollen vor Ort zuverlässig sind? Das<br />
wusste die Mitarbeiterin nicht. Aufgrund der Anfrage per Email erfolgte ein Anruf von der<br />
Geschäftsführung. Auch hier hieß es: Care&Fair mache unabhängige Kontrollen. Der Träger von<br />
Care&Fair sei nicht bekannt.<br />
Care&Fair - Teppichhandel gegen Kinderarbeit e.V. gibt dazu folgende Auskunft: Care&Fair ist eine<br />
freiwillige Selbstverpflichtung des europäischen Teppichhandels, sich gegen Kinderarbeit zu<br />
engagieren. Es gibt einen Forderungskatalog für Lieferanten und Produzenten in Indien, Nepal und<br />
Pakistan. Kontrollen vor Ort sind nicht vorgesehen.<br />
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... nachgefragt: Kinderarbeit in Zuliefererbetrieben?<br />
Das Einrichtungshaus Ikea wirbt in seinem Internet-Auftritt mit einem Verhaltenskodex gegen<br />
Kinderarbeit. Auf die Anfrage per Email, wie der Verhaltenskodex bei den Lieferanten kontrolliert wird,<br />
rief die Pressesprecherin persönlich bei der Test-Verbraucherin an. „Natürlich ist die Vertragsklausel nur<br />
etwas wert, wenn man ihre Einhaltung auch überprüft. Das machen unsere Einkaufsbüros vor Ort und<br />
unabhängige Agenturen.“ Wie unabhängig können die Agenturen sein, wenn Ikea sie bezahlt? „Wir<br />
arbeiten bei den Kontrollen auch mit UNICEF zusammen.“<br />
Unicef sagt dazu: „Ikea spendet für Hilfsprojekte von uns, aber Unicef führt <strong>keine</strong> Kontrollen in<br />
Zuliefererbetrieben von Ikea durch.“<br />
... nachgefragt: Corporate Social Responsibility?<br />
DaimlerChrysler wirbt seit Oktober letzten Jahres in einer aufwändigen Imagekampagne mit seiner<br />
Unterzeichnung des Global Compact, einer Initiative der Vereinten Nationen mit dem Ziel, die<br />
Globalisierung sozialer zu gestalten. Der Global Compact verzichtet als Selbstverpflichtung der<br />
Wirtschaft auf Überwachung und Sanktionen, fordert aber die Unterzeichner zu Transparenz auf: Sie<br />
sollen Reports veröffentlichen und im Internet über den erreichten Fortschritt berichten. Sucht man im<br />
Internet-Auftritt von DaimlerChrysler nach dem Global Compact, findet die Suchfunktion in den über<br />
30000 Dokumenten aller 16 Server des Konzerns genau drei Ergebnisse. Der erste Treffer führt zur<br />
Präsentation der Imagekampagne, zwei weitere beziehen sich auf Pressemitteilungen.<br />
DaimlerChrysler hat wenige Tage nach dem Anschreiben des Verbraucherzentrale Bundesverband<br />
Informationen zu seinem Global Compact-Engagement ins Internet gestellt. Zu den übrigen Fragen der<br />
Test-Verbraucherin beteuerte DaimlerChrysler: „Wenn Sie sich uns zu erkennen gegeben hätten, hätten<br />
wir natürlich anders auf Ihre Anfrage reagiert!“ – eben.<br />
... nachgefragt: soziale und ökologische Aspekte bei der Geldanlage?<br />
Dresdner Bank: „Nehmen Sie doch Bundesschatzbriefe, durch die werden ja staatliche Ziele unterstützt,<br />
also auch Ökologie und Soziales.“<br />
Hamburger Leben, Delta-Lloyd-Versicherungsgruppe: „Das ist ja ehrenwert von Ihnen, aber wollen Sie<br />
arm sterben?“<br />
Hamburg-Mannheimer Versicherungen: „Wieso, das ist doch sozial, wenn Sie was für Ihre Rente tun!“<br />
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