Zur Biologie der Buchdruckerarten - WSL
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Merkblatt<br />
für die Praxis<br />
<strong>Zur</strong> <strong>Biologie</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdruckerarten</strong><br />
Dagmar Nierhaus-Wun<strong>der</strong>wald, Beat Forster<br />
Die <strong>Buchdruckerarten</strong>, vor allem <strong>der</strong> Grosse Buchdrucker<br />
verursachen in <strong>der</strong> Schweiz von allen Waldinsekten am<br />
meisten wirtschaftliche Schäden. Um sinnvolle Verhütungs-<br />
und Gegenmassnahmen ausführen zu können,<br />
sind genaue Kenntnisse <strong>der</strong> Lebensweise <strong>der</strong> Käfer nötig.<br />
Grosser Buchdrucker (Ips typographus L.)<br />
Grosser achtzähniger Fichtenborkenkäfer<br />
Vorkommen: In <strong>der</strong> Schweiz im gesamten Verbreitungsgebiet<br />
<strong>der</strong> Fichte bis 2000 m ü.M.<br />
Wirtsbäume: Fichten (Picea sp.), beson<strong>der</strong>s Baumholzstufe<br />
(mehr als 30 cm Brusthöhendurchmesser);<br />
gelegentlich an an<strong>der</strong>en Nadelbäumen, insbeson<strong>der</strong>e<br />
Föhrenarten (Pinus sp.).<br />
ISSN 1422-2876<br />
Eidg. Forschungsanstalt <strong>WSL</strong><br />
CH-8903 Birmensdorf<br />
© <strong>WSL</strong> Birmensdorf, 2004<br />
Bibliothek <strong>WSL</strong>, Zürcherstrasse 111<br />
CH-8903 Birmensdorf<br />
E-Mail: publikationenvertrieb@wsl.ch<br />
http://www.wsl.ch/lm/publications/<br />
Kleiner Buchdrucker (Ips amitinus Eichh.)<br />
Kleiner achtzähniger Fichtenborkenkäfer,<br />
Grosser Arvenborkenkäfer<br />
3. überarbeitete<br />
Auflage<br />
18<br />
2004<br />
Dieses Merkblatt behandelt daher ausführlich die <strong>Biologie</strong><br />
des Grossen Buchdruckers (Ips typographus) und seines<br />
nahen Verwandten, des Kleinen Buchdruckers (Ips amitinus).<br />
Im zweiten Teil zeigt es Befallsmerkmale und nennt<br />
mögliche Massnahmen beim Befall durch Borkenkäfer.<br />
Vorkommen: Vorzugsweise in Gebirgslagen ab etwa<br />
800 m bis zur Waldgrenze; beobachtet bis 2250 m ü.M.<br />
Wirtsbäume: Fichte (Picea abies L.), Arve (Pinus<br />
cembra L.), Bergföhre (Pinus montana Mill.); selten an<br />
an<strong>der</strong>en Nadelbäumen.
Die <strong>Buchdruckerarten</strong> sind normalerweise<br />
Sekundärschädlinge, das heisst<br />
sie finden nur in kränkelnden o<strong>der</strong> absterbenden<br />
Bäumen günstige Entwicklungsmöglichkeiten,<br />
zum Beispiel nach<br />
Sturm o<strong>der</strong> Witterungsextremen. Bei<br />
ausreichendem Nahrungsangebot sowie<br />
bei warmer und trockener Witterung<br />
können die Käfer jedoch rasch zur<br />
Massenvermehrung übergehen und<br />
auch weitgehend gesunde Bäume befallen.<br />
Beim Befall <strong>der</strong> gleichen Fichte besiedeln<br />
beide <strong>Buchdruckerarten</strong> oft dieselbe<br />
Stammpartie, o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Grosse<br />
Buchdrucker ist in den unteren Stammpartien<br />
und <strong>der</strong> Kleine Buchdrucker<br />
eher im Kronenbereich zu finden.<br />
Abb. 1. Ips typographus: Flügeldecken-Absturz. (Foto: REM, <strong>WSL</strong>) Abb. 2. Ips typographus: Kopf. (Foto: REM, <strong>WSL</strong>)<br />
0.1 mm<br />
Abb. 3. Ips typographus: Fühlerkeule mit bogenförmigen Quernähten<br />
(mit starker Lupe sichtbar). (Foto: REM, <strong>WSL</strong>)<br />
Die <strong>Buchdruckerarten</strong> sind je nach Alter<br />
hellbraune (Jungkäfer) bis schwarzbraune<br />
(Altkäfer) gedrungene Borkenkäfer.<br />
Die Flügeldecken sind am Hinterende<br />
zu einem Flügelabsturz abgeschrägt.<br />
Dieser ist muldenartig vertieft<br />
und an den beiden Aussenrän<strong>der</strong>n mit<br />
je vier Zähnen besetzt. Jeweils <strong>der</strong> dritte<br />
Zahn von oben ist an <strong>der</strong> Spitze<br />
knopfartig verdickt, <strong>der</strong> zweite an <strong>der</strong><br />
Basis etwas erweitert (Abb. 1).<br />
Entsprechend <strong>der</strong> Lebensweise <strong>der</strong><br />
Buchdrucker sind die Oberkiefer beson<strong>der</strong>s<br />
kräftig ausgebildet. Die beiden<br />
Fühler (Antennen) sind am Ende mit<br />
grossen runden Fühlerkeulen ausgerüstet<br />
(Abb. 2, 3, 4).<br />
Die bei Jungkäfern recht dichte Behaarung,<br />
beson<strong>der</strong>s an <strong>der</strong> Stirn und<br />
0.5 mm 0.5 mm<br />
0.1 mm<br />
am Absturzrand, verliert sich mit zunehmendem<br />
Alter. Dies ist neben <strong>der</strong><br />
Farbintensität ein hilfreiches Erkennungsmerkmal<br />
zur Bestimmung von<br />
Jung- und Altersstadien.<br />
Entwicklung<br />
Bei etwa 16 °C beginnen die überwinterten<br />
Käfer ihren Schwärmflug. Die<br />
zuerst den Wirtsbaum anfliegenden<br />
Männchen bohren die Eingangsröhre<br />
und legen die Rammelkammer an. Bei<br />
dieser Tätigkeit wird braunes Rindenbohrmehl,<br />
untrügliches Zeichen für Rindenbrüter,<br />
mit dem Flügeldeckenabsturz<br />
durch das Einbohrloch herausgeschaufelt.<br />
Abb. 4. Ips amitinus: Fühlerkeule mit fast gerade verlaufenden Quernähten<br />
(mit starker Lupe sichtbar). (Foto: REM, <strong>WSL</strong>)<br />
2 Merkbl. Prax. 18 (3. Aufl., 2004)
Die begatteten Weibchen nagen, von<br />
<strong>der</strong> Rammelkammer ausgehend, je einen<br />
bis zu 15 Zentimeter langen Mutter-<br />
o<strong>der</strong> Brutgang (Abb. 5).<br />
Die 30 bis 60 weissen Eier eines Weibchens<br />
werden entlang <strong>der</strong> Brutgänge in<br />
regelmässigen Abständen in Einischen<br />
platziert und mit einem Bohrmehlpfropfen<br />
bedeckt.<br />
Nach ein bis zwei Wochen Embryonalentwicklung<br />
schlüpfen aus den Eiern<br />
beinlose, bauchwärts gekrümmte, weisse<br />
Larven mit einer grossen hellbraunen<br />
Kopfkapsel (Abb. 6).<br />
Im Larvenstadium ist die Nahrungsaufnahme<br />
am grössten. Die Larven fressen<br />
quer zum Muttergang leicht geschlängelte,<br />
sich entsprechend dem<br />
Larvenwachstum rasch erweiternde<br />
Larvengänge. Bei dieser Frasstätigkeit<br />
wird <strong>der</strong> absteigende Saftstrom im Bast<br />
unterbrochen und so die Verbindung<br />
<strong>der</strong> Rinde mit dem Splint weitgehend<br />
zerstört. Die parallele, zeilenförmige<br />
Anordnung <strong>der</strong> Larvengänge verhalf<br />
diesen Borkenkäfern zu dem anschaulichen<br />
Namen «Buchdrucker».<br />
Die Larvenentwicklung dauert etwa<br />
drei bis vier Wochen mit insgesamt drei<br />
Larvenstadien. Danach nagen die Buchdruckerlarven<br />
das Ende ihres Frassganges<br />
zu einer ovalen, napfförmigen Puppenwiege<br />
aus. In ihr wandelt sich die<br />
nicht fressende, weisse Puppe (Abb. 7)<br />
in ein bis zwei Wochen zu einem hellbraunen,<br />
stark behaarten Jungkäfer um<br />
(Abb. 8). Dieser beginnt unter <strong>der</strong> Rinde<br />
mit dem Reifungsfrass, wobei er die<br />
Puppenwiege platzartig erweitert, verzweigte<br />
Gänge anlegt (Ips amitinus)<br />
o<strong>der</strong> geweihartige Gangsysteme entwe<strong>der</strong><br />
im gleichen Brutbild o<strong>der</strong> an an<strong>der</strong>er<br />
Stelle nagt (Ips typographus). Dabei<br />
wird das ursprünglich übersichtliche<br />
Frassbild völlig zermulmt, so dass die<br />
Rinde sich allmählich vom Stamm löst<br />
und abfällt. Im Verlaufe des zwei bis<br />
drei Wochen dauernden Reifungsfrasses<br />
speichern die Käfer Reservestoffe,<br />
werden geschlechtsreif und erlangen<br />
ihre endgültige schwarzbraune Färbung.<br />
Bei sehr dichter Besiedlung verlassen<br />
die Jungkäfer wegen Nahrungsmangel<br />
das Gangsystem, um sich am<br />
selben o<strong>der</strong> einem an<strong>der</strong>en Stamm neu<br />
einzubohren und dort den Reifungsfrass<br />
zu beenden.<br />
Die gesamte Entwicklungsdauer einer<br />
Generation beträgt demnach etwa sieben<br />
bis zwölf Wochen. Die Entwicklung<br />
<strong>der</strong> zweiten Generation im Sommer<br />
Ips typographus Ips amitinus<br />
Abb. 5. Frühe Buchdrucker-Brutbil<strong>der</strong>. Ips typographus: dichte Folge <strong>der</strong> Einischen bzw. Larvengänge.<br />
Ips amitinus: weiter auseinan<strong>der</strong>stehende Einischen bzw. Larvengänge. 1 Rammelkammer (Paarungsraum)<br />
mit Einbohrloch; 2 Muttergang (Frassgang des weiblichen Altkäfers) mit Einischen und Luftlöchern;<br />
3 Larvengänge (Frassgänge <strong>der</strong> Larven); 4 Puppenwiege (Ort <strong>der</strong> Verpuppung).<br />
(Zeichnung: V. Fataar, <strong>WSL</strong>)<br />
dauert meistens weniger als zehn Wochen<br />
(Abb.11, 12). In sehr warmen Jahren<br />
wird anfangs Herbst manchmal<br />
noch eine dritte Generation angefangen.<br />
Die Borkenkäferweibchen können<br />
nach Erschöpfung des Eivorrates einen<br />
Regenerationsfrass ausführen, indem<br />
sie die Muttergänge verlängern. Diese<br />
Frasstätigkeit ist unerlässlich zur Anlage<br />
einer weiteren Brut, einer sogenannten<br />
Geschwisterbrut (Nachkommen <strong>der</strong><br />
gleichen Mutter); selbst nach einer<br />
Überwinterung kann es zur Bildung einer<br />
solchen «Parallelgeneration» kom-<br />
Abb. 6: Ips typographus: Larve (etwa 6 Millimeter<br />
lang). (Zeichnung: M. Sebek, <strong>WSL</strong>)<br />
Abb. 7. Ips typographus: Puppe. (Zeichnung: M.<br />
Sebek, <strong>WSL</strong>)<br />
men. Die Muttergänge dieses Brutsystems<br />
sind vielfach kenntlich an einem<br />
längeren, sterilen Endteil («Witwengang»).<br />
Die Elternkäfer <strong>der</strong> Geschwisterbruten<br />
sind leicht an ihrer lackschwarzen<br />
Färbung und <strong>der</strong> fast völlig fehlenden<br />
Behaarung an Stirn und Absturzrän<strong>der</strong>n<br />
zu erkennen.<br />
Können späte Bruten o<strong>der</strong> die Nachkommen<br />
<strong>der</strong> zweiten Generation<br />
wegen schlechter Witterung nicht vollständig<br />
ausreifen, überwintern Larven,<br />
Puppen und Jungkäfer in ihren Brutstätten,<br />
wo sie im Frühjahr ihre Entwikklung<br />
abschliessen. Wird <strong>der</strong> Reifungsfrass<br />
noch im laufenden Jahr abgeschlossen,<br />
so verlassen die Käfer ihre<br />
Wirtsbäume und überwintern in <strong>der</strong><br />
Bodenstreuschicht, in <strong>der</strong> Regel in <strong>der</strong><br />
Nähe <strong>der</strong> Wurzelanläufe. Die Käfer,<br />
nicht aber die Larven, zeichnen sich<br />
durch eine grosse Winterfestigkeit aus,<br />
indem sie bereits ab Herbst in relativ hohen<br />
Konzentrationen das «Frostschutzmittel»<br />
Äthylenglykol produzieren.<br />
Da unter günstigen Bedingungen <strong>der</strong><br />
Grosse Buchdrucker in einer Vegetationsperiode<br />
zwei Hauptgenerationen<br />
und zwei Geschwistergenerationen<br />
hervorbringt, kann ein einzelnes Borkenkäferweibchen<br />
zu mehreren tausend<br />
Nachkommen führen. Normalerweise<br />
sind jedoch die Vermehrungsbedingungen<br />
nicht so günstig. Beson<strong>der</strong>s<br />
feuchtkalte Witterung, Entzug von Nahrungs-<br />
und Brutmaterial, die gegenseitige<br />
Konkurrenz <strong>der</strong> Larven sowie die natürlichen<br />
Gegenspieler (Antagonisten)<br />
schränken die Vermehrung ein.<br />
Merkbl. Prax. 18 (3. Aufl., 2004) 3
Antagonisten<br />
Die wichtigsten Gegenspieler (Antagonisten)<br />
sind räuberische Fliegen und<br />
Käfer (Abb. 9) sowie parasitische Wespen<br />
(Abb. 10), zum Beispiel Brack- und<br />
Erzwespen. Auch Spechte und weitere<br />
Vögel sowie Pilzkrankheiten dezimieren<br />
eine Borkenkäferpopulation. Normalerweise<br />
halten solch natürliche Gegenspieler<br />
die Borkenkäferpopulationen in<br />
Schach. Entstehen hingegen ideale<br />
Brutbedingungen für die Käfer, kann<br />
eine Massenvermehrung <strong>der</strong> Buchdrukker<br />
durch Antagonisten nicht verhin<strong>der</strong>t<br />
werden.<br />
Eiablage<br />
Abb. 8. Buchdrucker-<br />
Jungkäfer nach <strong>der</strong><br />
Verpuppung.<br />
(Foto: B. Fecker, <strong>WSL</strong>)<br />
Abb. 9. Der Gemeine Ameisenbuntkäfer (Thanasimus formicarius L.) ist als<br />
Räuber ein wichtiger Gegenspieler des Grossen und Kleinen Buchdruckers<br />
und an<strong>der</strong>er Borkenkäfer. (Foto: P. Scherrer, <strong>WSL</strong>)<br />
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November<br />
Hauptzeit <strong>der</strong> Schadenverursachung<br />
Larve Puppe Käfer Käferflug<br />
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November<br />
Hauptzeit <strong>der</strong> Schadenverursachung<br />
Abb. 10. Die Schlupfwespe Tomicobia seitneri (Pteromalidae) beim Parasitieren<br />
eines Buchdruckers. Dieser Parasitoid ist eine <strong>der</strong> wenigen Arten, die<br />
adulte Borkenkäfer parasitieren. Ihre Larve frisst im Innern des Käfers und<br />
höhlt diesen dabei völlig aus. (Foto: B. Wermelinger, <strong>WSL</strong>)<br />
4 Merkbl. Prax. 18 (3. Aufl., 2004)<br />
Dezember<br />
Dezember<br />
Abb. 11. Ips typographus:<br />
Ungestörter Entwicklungszyklus<br />
mit zwei Generationen<br />
(z.B. 800 m ü.M.).<br />
Abb. 12. Ips amitinus:<br />
Ungestörter Entwicklungszyklus<br />
mit einer Generation<br />
(z.B. 1500 m ü.M.).
Die Temperatur beeinflusst<br />
den Käferflug<br />
Der tages- und jahreszeitliche Rhythmus<br />
des Käferfluges wird vor allem von <strong>der</strong><br />
Temperatur bestimmt. Weitere Faktoren<br />
sind Feuchtigkeit, Lichtverhältnisse und<br />
Tageslänge.<br />
Brutbaumfindung und<br />
Kontaktaufnahme<br />
Einige im Zickzackflug schwärmende<br />
«Pioniermännchen» landen zufällig<br />
o<strong>der</strong> geleitet durch Duftstoffe, die vom<br />
Rindengewebe eines geschwächten<br />
o<strong>der</strong> kränkelnden Stammes gebildet<br />
werden, auf einem Wirtsbaum – <strong>der</strong><br />
Baum ist fängisch (Abb. 13). Zu diesen<br />
baumbürtigen Lockstoffen zählen die im<br />
Harz vorkommenden leichtflüchtigen<br />
Bestandteile des Terpentinöls.<br />
Die Bruttauglichkeit eines Baumes wird<br />
durch Einbohrversuche ermittelt. Bei vitalen<br />
Bäumen verklebt das ausfliessende<br />
Harz die Mundwerkzeuge, o<strong>der</strong> die Käfer<br />
werden vollständig im Harz eingegossen.<br />
Die Einbohrversuche scheitern.<br />
Gelingt die Erstbesiedlung, wird die<br />
primäre Lockwirkung (Rindenduftstoffe)<br />
überlagert durch die Produktion und Abgabe<br />
käferbürtiger Lockstoffe, sogenannter<br />
Aggregationspheromone, die<br />
<strong>der</strong> Zusammenführung von Artgenossen<br />
und auch von Geschlechtspartnern<br />
dienen. Sie werden von den Männchen,<br />
die sich bereits unter <strong>der</strong> Rinde befinden,<br />
durch Umwandlung von Harzstoffen im<br />
Enddarm gespeichert und zusammen<br />
mit dem Kot, dem Bohrmehl beigemischt,<br />
abgegeben (Abb. 14).<br />
Angelockte Käfer schwärmen zunächst<br />
im Radius von 10 bis 15 Metern<br />
um den Befallsherd herum und können<br />
dabei auch geschwächte Nachbarbäume<br />
befallen (wichtig für den Sicherheitsabstand<br />
beim Fallenstellen!).<br />
Die Lockstoffe <strong>der</strong> <strong>Buchdruckerarten</strong><br />
wirken nicht selten anflughemmend auf<br />
konkurrierende Borkenkäferarten; sie<br />
ziehen jedoch spezifische Parasiten und<br />
Räuber an.<br />
Bei fortgeschrittenem Brutgeschäft<br />
wird ein weiterer Anflug von Artgenossen<br />
unterdrückt, indem die Produktion<br />
<strong>der</strong> Lockstoffe eingestellt wird. Zudem<br />
geben die Weibchen wirksame Ablenkstoffe<br />
ab (Abb. 15). Diese signalisieren<br />
anfliegenden Käfern, dass die Brutplätze<br />
besetzt sind, was zum Überspringen des<br />
Befalls auf Nachbarbäume führt.<br />
Umgebungstemperatur Folge<br />
-30 bis -10 °C (während Kältetod <strong>der</strong> Käfer (Altkäfer sind frostempfindlicher<br />
mehrerer Wochen) als Jungkäfer)<br />
-10 bis 7 °C Kältestarre<br />
über 8 °C Beginn <strong>der</strong> Larvenentwicklung<br />
8 bis 11 °C Ortsverän<strong>der</strong>ung durch Laufen<br />
12 bis 14 °C Beginn <strong>der</strong> Nahrungsaufnahme <strong>der</strong> Adulten<br />
15 bis 16 °C Normale Aktivität ohne Schwärmen<br />
über 17 °C Schwärmen. Voraussetzungen dafür sind Geschlechtsreife<br />
und genügend Energiereserven.<br />
Abb. 13. Duftwolken baumbürtiger Lockstoffe leiten die<br />
Käfermännchen zu einem Wirtsbaum.<br />
Abb. 14. Duftwolken käferbürtiger (�) Lockstoffe führen<br />
weitere Käfer zum Wirtsbaum.<br />
Abb. 15. Duftwolken käferbürtiger (�) Ablenkstoffe signalisieren<br />
besetzte Brutplätze.<br />
Merkbl. Prax. 18 (3. Aufl., 2004) 5
Befallsmerkmale<br />
Ein erstes Befallsmerkmal ist <strong>der</strong> Austritt<br />
von braunem Bohrmehl (Abb. 16).<br />
Bald danach beginnen Spechte nach<br />
Käfern und Larven zu suchen (Abb. 17,<br />
18). Unter <strong>der</strong> Rinde findet man die typischen<br />
Brutbil<strong>der</strong> (Abb. 19, 20). Danach<br />
beginnen sich die Fichtenkronen<br />
zu verfärben (Abb. 21), im Frühsommer<br />
relativ rasch – bei einer zweiten Generation<br />
erst im folgenden Winterhalbjahr.<br />
Durch den Reifungsfrass <strong>der</strong> jungen<br />
Buchdrucker löst sich die Rinde (Abb. 22)<br />
und die Käfer fliegen weg. Bei Massenvermehrungen<br />
des Grossen Buchdrukkers<br />
können befallene Fichtenbestände<br />
flächig absterben (Abb. 23).<br />
Abb. 18. Spechteinschläge, sobald sich die<br />
Käferbrut im Larvenstadium befindet.<br />
Abb. 16. Auswurf von braunem Bohrmehl aus<br />
einem Einbohrloch. Bei Stehendbefall sammelt<br />
sich Bohrmehl auch am Stammfuss.<br />
Abb. 17. «Rindenspiegel»: Von Spechten über<br />
den Brutgängen abgeschlagene einzelne Borkenschuppen<br />
(helle Flecken) von etwa zwei Zentimetern<br />
Durchmesser. (Foto: D. Zernecke, München)<br />
Abb. 19. Ips typographus: Frassbild. Abb. 20. Ips amitinus: Frassbild.<br />
links<br />
Abb. 21. Rötung <strong>der</strong> Kronen von unten her. Nach<br />
einem Befall im Frühjahr fällt die Rinde oft erst ab,<br />
nachdem die ganze Krone dürr geworden ist.<br />
(Foto: F. Haemmerli, <strong>WSL</strong>)<br />
rechts<br />
Abb. 22. Im Spätsommer und Herbst: Abfallen<br />
<strong>der</strong> Rinde bei noch grüner Krone.<br />
6 Merkbl. Prax. 18 (3. Aufl., 2004)
Abb. 23. Flächiger Buchdruckerbefall während einer Massenvermehrung (Gandberg GL 1994, nach dem Sturm Vivian 1990).<br />
Massnahmen gegen Borkenkäferbefall<br />
Vorbeugende Massnahmen<br />
• För<strong>der</strong>ung ungleichförmiger, standortgerechter, stabiler<br />
Waldbestände, wo möglich mit mehreren Baumarten.<br />
• Entzug von Nahrungs- und Brutmaterial.<br />
• Regelmässige Überwachung aller potentiell gefährdeten<br />
Bestände auf Liegend- und Stehendbefall.<br />
• Kontrolle <strong>der</strong> Flugaktivität des Grossen Buchdruckers mit<br />
einzelnen Lockstofffallen in den Befallsgebieten.<br />
• Örtliche Schwerpunkte <strong>der</strong> Überwachung:<br />
– Bestände an Südhängen,<br />
– besonnte Bestandesrän<strong>der</strong>, grössere frisch entstandene<br />
Lücken,<br />
– Bestände auf wechseltrockenen Böden,<br />
– Bestände mit reichlichem Brutangebot, zum Beispiel<br />
nach Sturmereignissen,<br />
– Standorte mit vorjährigem Befall bzw. Befall im<br />
gleichen Jahr durch die erste Generation,<br />
– Standorte mit Fangbäumen o<strong>der</strong> Lockstoffanwendung,<br />
– bei anhaltend trocken-warmer Witterung.<br />
Massnahmen nach Befall<br />
• Frisch befallene Bäume sofort fällen und vor dem Ausflug<br />
<strong>der</strong> Käfer aus dem Wald entfernen o<strong>der</strong> entrinden.<br />
• Ist die Brut noch im weissen Stadium (Eier, Larven,<br />
Puppen) kann die abgeschälte Rinde liegen bleiben.<br />
• Sind bereits Jungkäfer vorhanden, muss die Entrindung<br />
entwe<strong>der</strong> maschinell erfolgen o<strong>der</strong> die von Hand geschälten<br />
Rindenstreifen sind mitsamt den Käfern zu häkkseln<br />
o<strong>der</strong> zu verbrennen.<br />
• Lockstofffallen gegen den Grossen Buchdrucker zum<br />
Objektschutz nur in lokal begrenzten und aufgeräumten<br />
Schadenherden verwenden.<br />
• Genügend Fangbäume mit o<strong>der</strong> ohne Lockstoffbeutel<br />
auslegen, z.B. in kleinen «Käferlöchern», entlang kritischer<br />
Rän<strong>der</strong>, in Schadenflächen mit nicht aufgearbeitetem<br />
gebrochenem o<strong>der</strong> geworfenem Holz; die<br />
Fangbäume müssen kontrolliert und rechtzeitig abgeführt<br />
o<strong>der</strong> entrindet werden.<br />
• Bei Massenvermehrungen müssen unter Umständen<br />
geländekammerweise Prioritäten gesetzt werden.<br />
Merkbl. Prax. 18 (3. Aufl., 2004) 7
Merkmale zur Ips typographus Ips amitinus<br />
Unterscheidung<br />
Grösse 4,2 bis 5,5 mm lang 3,5 bis 4,0 mm lang<br />
etwas schlanker<br />
Fühlerkeulennähte geschwungen gerade<br />
Zwischenräume ohne Reihenpunkte (mit <strong>der</strong> mit Reihenpunkten<br />
<strong>der</strong> Flügeldecken Lupe zu beobachten)<br />
Absturz matt glänzend<br />
Hauptflugzeiten April/Mai und Juli Mai bis Juli<br />
Die Zeiten können je nach Höhenlage und Witterung beträchtlich variieren.<br />
Durchmesser <strong>der</strong><br />
Einbohrlöcher<br />
2,2 bis 2,5 mm 1,8 bis 1,9 mm<br />
Ein Nagel von 2 mm Durchmesser lässt sich sehr leicht in<br />
Bohrlöcher des Grossen Buchdruckers einführen, nicht aber in<br />
solche des kleinen Buchdruckers.<br />
Abstand <strong>der</strong> Einischen<br />
am Muttergang bzw.<br />
davon ausgehen<strong>der</strong><br />
Larvengänge<br />
etwa 3,3 mm etwa 4,8 mm<br />
Frassbild zwei bis dreiarmige, parallel zur drei- bis siebenarmige Mutter-<br />
Stammachse verlaufende Mutter- gänge (Längs- und Sterngänge,<br />
gänge (Längs- und Stimmgabel- bogenförmig beginnend, dann<br />
gänge, wobei <strong>der</strong> Stimmgabel- mehr o<strong>der</strong> weniger parallel zur<br />
griff meist zur Krone weist), Stammachse leicht wellig weiterden<br />
Splint kaum schürfend laufend), den Splint schürfend<br />
Rammelkammer klein, im Bast Rammelkammer geräumig,<br />
verborgen an <strong>der</strong> Rinden-Innenseite<br />
sichtbar; deutlich im Splint<br />
Puppenwiegen oft leicht in den Puppenwiegen stets im<br />
Splint eingeprägt Splint<br />
Anzahl Generationen/ zwei mit Geschwisterbruten, eine, selten zwei, mit Geschwis-<br />
Jahr (abhängig oberhalb 1300 m ü.M. terbruten, oberhalb 1300 m ü.M.<br />
von <strong>der</strong> Witterung) nur eine Generation meist nur eine Generation<br />
Überwinterung in <strong>der</strong> Bodenstreu, in den Brutbil<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Bodenstreu o<strong>der</strong> in<br />
o<strong>der</strong> in sogenannten Überwinte- den Brutbil<strong>der</strong>n<br />
rungsgängen am Stammfuss<br />
Merkblatt für die Praxis ISSN 1422-2876<br />
Konzept<br />
Forschungsergebnisse werden zu Wissens-Konzentraten und Handlungsanleitungen für<br />
Praktikerinnen und Praktiker aufbereitet. Die Reihe richtet sich an Forst- und Naturschutzkreise,<br />
Behörden, Schulen, interessierte Laien usw.<br />
Französische Ausgaben erscheinen in <strong>der</strong> Schriftenreihe<br />
Notice pour le praticien ISSN 1012-6554<br />
Italienische Ausgaben erscheinen in loser Folge in <strong>der</strong> Zeitschrift<br />
Sherwood, Foreste ed Alberi Oggi.<br />
Die neuesten Ausgaben (siehe www.wsl.ch/lm/publications/series/merkblatt-de.ehtml)<br />
Nr. 37: GRAF, C.; BÖLL, A.; GRAF, F., 2003: Pflanzen im Einsatz gegen Erosion und oberflächennahe<br />
Rutschungen. 8 S.<br />
Nr. 36: SCHÖNENBERGER, W.; ANGST, C.; BRÜNDL, M.; DOBBERTIN, M.; DUELLI, P.; EGLI, S.; FREY, W.;<br />
GERBER, W.; KUPFERSCHMID ALBISETTI, A. D.; LÜSCHER, P.; SENN, J.; WERMELINGER, B.; WOHL-<br />
GEMUTH, T., 2003: Vivians Erbe. Waldentwicklung nach Windwurf im Gebirge. 12 S.<br />
Nr. 35: EGLI, E.; BRUNNER, I., 2002: Mykorrhiza. Eine faszinierende Lebensgemeinschaft im<br />
Wald. 8 S.<br />
Nr. 34: NIERHAUS-WUNDERWALD, D.; WERMELINGER, B., 2001: Der Schwammspinner (Lymantria<br />
dispar L.). 8 S.<br />
Nr. 33: SCHIEGG PASINELLI, K.; SUTER, W., 2002: Lebensraum Totholz. 2. Aufl. 6 S.<br />
Nr. 32: NIERHAUS-WUNDERWALD, D., 2000: Rostpilze an Fichten. 8 S.<br />
Nr. 31: NIERHAUS-WUNDERWALD, D.; FORSTER, B., 2000: Rindenbrütende Käfer an Föhren.12 S.<br />
Weitere rindenbrütende Käfer<br />
an Fichten<br />
– Prachtkäfer, verschiedene Arten<br />
– Fichtenborkennagekäfer (Anobium<br />
emarginatum Dft.), harmlos<br />
– Bockkäfer, verschiedene Arten<br />
– Fichtenbastkäfer (Hylurgops sp.)<br />
– Riesenbastkäfer (Dendroctonus micans<br />
Kug.)<br />
– Doppeläugiger Fichtenbastkäfer<br />
(Polygraphus poligraphus L.)<br />
– Zottiger Fichtenborkenkäfer (Dryocoetes<br />
autographus Ratz.)<br />
– Furchenflügeliger Fichtenborkenkäfer<br />
(Pityophthorus pityographus Ratz.)<br />
– Kupferstecher (Pityogenes chalcographus L.)<br />
– Vielzähniger Föhrenborkenkäfer<br />
(Orthotomicus laricis F.)<br />
Weiterführende Literatur<br />
ALTENKIRCH, W.; MAJUNKE, C.; OHNESORGE, B.,<br />
2002: Waldschutz auf ökologischer<br />
Grundlage. Stuttgart, Ulmer. 434 S.<br />
AMANN, G.,1990: Kerfe des Waldes.10. kompl.<br />
überarb. Aufl. Augsburg, Natur. 343 S.<br />
HARTMANN, G.; NIENHAUS, F.; BUTIN, H., 1988:<br />
Farbatlas Waldschäden. Diagnose von<br />
Baumkrankheiten. Stuttgart, Ulmer. 256 S.<br />
JACOBS, W.; RENNER, M., 1998: <strong>Biologie</strong> und<br />
Ökologie <strong>der</strong> Insekten. 3. überarb. Aufl.<br />
Stuttgart, New York, Fischer. 690 S.<br />
SCHMIDT-VOGT, H., 1989: Die Fichte. Bd. II/2:<br />
Krankheiten, Schäden, Fichtensterben.<br />
Hamburg, Berlin, Parey. 607 S.<br />
SCHWENKE, W.,1974: Die Forstschädlinge Europas.<br />
Käfer. Bd. 2. Hamburg, Berlin, Parey.<br />
500 S.<br />
Managing Editor<br />
Dr. Ruth Landolt<br />
Eidg. Forschungsanstalt <strong>WSL</strong><br />
Zürcherstrasse 111<br />
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Layout:<br />
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Druck:<br />
Bruhin AG, Freienbach<br />
8 Merkbl. Prax. 18 (3. Aufl., 2004)