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Die Gesundheitsreform – ein Hasardeurstück?<br />

Wissen die Bundestagsabgeordneteneigentlich,<br />

was sie beschließen,<br />

wenn sie über die<br />

Gesundheitsreform<br />

abstimmen? Diese Reform betrifft<br />

praktisch die gesamte Bevölkerung.<br />

Darf da die Kenntnis und das Verständnis<br />

der Inhalte an die Ministerialbürokratie<br />

und die Verhandlungsführer der<br />

Fraktionen delegiert werden? Der Anhörungsentwurf,<br />

der auf den von der<br />

Bundesregierung beschlossenen Eckpunkten<br />

beruht, umfasst rund 500 Seiten.<br />

Fachleute brauchen Tage, um ihn<br />

zu lesen und zu begreifen. Um die Konsequenzen<br />

abzuschätzen und es zu<br />

verstehen, benötigt der »normale« Abgeordnete<br />

eher Wochen. Wie viele Abgeordnete<br />

haben diese 500 Seiten gelesen,<br />

verstanden und können die Auswirkungen<br />

wirklich übersehen?<br />

Es dürfte eher so sein, dass die Mehrheit<br />

der Parlamentarier über etwas abstimmt,<br />

das die Ministerienexperten<br />

aufgeschrieben und einige, wenn auch<br />

wichtige, Leute verhandelt haben, die<br />

zumindest die Kapitelüberschriften<br />

verstanden haben. Die Komplexität<br />

sich dazu noch allerlei weiteres aus-<br />

gedacht, was auch<br />

verfassungswidrig ist.<br />

Das Ende von Wettbe-<br />

werb und die immer<br />

vollständigere Einfüh-<br />

rung der Planwirtschaft lassen<br />

schmerzlich erkennen, dass die FDP<br />

tatsächlich einmal wirklich in einer<br />

Regierung fehlt<br />

In der ersten Aussprache über die Gesundheitsreform<br />

hat die stellvertretende SPD-<br />

Fraktionsvorsitzende Elke Ferner nur<br />

allzu deutlich angemerkt, wie gern doch<br />

die Sozialdemokraten die Private Kran-<br />

kenversicherung mitsamt ihren Rücklagen<br />

zur Teilsanierung der Gesetzlichen<br />

Krankenversicherung herangezogen<br />

haben würden. Nur wenige Stunden<br />

vorher hatte Gesundheitsministerin<br />

Ulla Schmidt in einer Fernsehsen-<br />

dung wenig zu sagen gewusst zu<br />

fragenden Diskussionsbeiträgen<br />

von Ärzten mit Praxen ohne wesentlichen<br />

Anteil privater Versi-<br />

cherter, wie schlecht sie doch<br />

fi nanziell dastünden kraft des<br />

hohen Anteils gesetzlich Ver-<br />

Die Initiatoren der Gesundheitsreform<br />

und Teile der großen Koali tion wollen<br />

offenbar die privaten Krankenver-<br />

sicherungen ruinieren und haben<br />

Dr. Susanne<br />

von Garrel<br />

und der Umfang des Vorhabens Gesundheitsreform<br />

bringen den Deutschen<br />

Bundestag an die Grenze der Abstimmungsfähigkeit<br />

des einzelnen Abgeordneten.<br />

Das ist wohl häufi ger so,<br />

aber dann handelt es sich in der Regel<br />

FOTO: PRIVAT<br />

um Spezialgesetze; hier aber ist jeder<br />

Bürger betroffen, und das ist etwas anderes.<br />

Die Gesundheitsreform wird damit<br />

auch zu einer Belastungsprobe für<br />

das redliche Funktionieren der parlamentarischen<br />

Demokratie.<br />

Dabei drohen Teile der Reform fi nanziell<br />

und verfassungsrechtlich ein Hasardeurstück<br />

zu werden. Unter den vielen<br />

Mahnern und Kritikern ist hier besonders<br />

Professor Helge Sodan zu nennen,<br />

nicht nur Präsident des Berliner<br />

Verfassungsgerichts, sondern auch Direktor<br />

des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht,<br />

also einer, der es wissen<br />

muss. Der jetzt verschobene Gesundheitsfonds<br />

ist demnach vom Konzept<br />

her so unterfi nanziert, dass das<br />

selbst Lieschen Müller versteht: Zukünftig<br />

sollen den Krankenkassen keine<br />

Steuermittel mehr zur Abgeltung versicherungsfremder<br />

Leistungen zufl ießen.<br />

20<strong>06</strong> sind es noch 4,2 Milliarden Euro.<br />

Für 2008 sind noch 1,5 Milliarden Euro<br />

zur »teilweisen Finanzierung gesellschaftlicher<br />

Aufgaben« vorgesehen, die<br />

zusammen mit einer Anhebung der<br />

Beitragssätze um 0,5 Prozent das Milliardenloch<br />

schließen sollen. Nur: Exper-<br />

sicherter. Die Schlussfolgerung daraus: Die privat Versicherten<br />

subventionieren schon heute wesentlich die Arzteinkommen und<br />

damit mindestens indirekt die gesetzlich Versicherten.<br />

Zur Reform gehört auch die Absicht, die Honorare der Ärzte vom<br />

jetzigen Punktsystem umzuwandeln in Euro-Beträge pro Leistung. Ulla<br />

Schmidt hat aber nicht dem Einwand widersprechen können, dass das<br />

kostenneutral geschehen soll – womöglich also mit ähnlichen Effekten wie<br />

beim jetzigen System. Es kommt noch die Absicht hinzu, der Ärzteschaft vorzuschreiben,<br />

dass sie künftig privat Versicherte im geplanten Basistarif zu den<br />

Honorarsätzen abzurechnen hat, die auch für gesetzlich Versicherte gelten. Auf<br />

der einen Seite reduziert das die Ärzteeinkommen. Auf der anderen Seite belastet<br />

es zusätzlich die privat Versicherten ohne Sockeltarif, da dieser fast notwendig<br />

nicht den Aufwand decken kann.<br />

Schon jetzt zeigt sich, dass die Reform in ihren Details manche Gereimtheit hat und<br />

manche Ungereimtheit. Vieles spricht dafür, dass der dem Bundestag vorliegende Entwurf<br />

im Verlauf der Beratungen noch ein ganzes Stück mehr Ärger mit sich bringen wird,<br />

als dies jetzt abzusehen ist. Die Soll-Bruchstelle bleibt eine. h.r.<br />

Bleibende Soll-Bruchstelle<br />

rundblick, 1.11.20<strong>06</strong> ●<br />

12 | 20<strong>06</strong> · ZKN MITTEILUNGEN · 739

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