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28. Mai 2012 DEICHKIND, MIA. Digitalism, Jennifer Rostock - Curt

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curt Stadtmagazin münchen # 71 // März – <strong>Mai</strong> <strong>2012</strong><br />

cur t Stadtmagazin münchen # 71 // märz – mai <strong>2012</strong><br />

die zeitmaschinierte ausgabe


Das Münchner Stadtmagazin curt zeigt Höhepunkte der vergangenen 70 Ausgaben: Eine Retrospektive,<br />

die zahlreiche Fotografien, Illustrationen sowie ungezeigtes Archiv-Material umfasst. Zur Vernissage am<br />

03. März wird die druckfrische # 71 vorgestellt und mit einer fulminanten Releaseparty gefeiert.<br />

03. März // Vernissage // 17– 22 Uhr // Lesung curt # 71 // Live: Die Giftmischer (Rumpelmusi, Polka)<br />

04. März // Smooth Sunday // 16–19 Uhr // mit Musik von COEO<br />

09. März // F!F!F! Freitag! Feierabend! Freude! // 18–22 Uhr // Live: Ragamatic (Classic India & Electro)<br />

10. März // Der Weinbrandt rät // Lesung + Weindegustation // 17–22 Uhr // Live: Minnaloushe (Funk, Jazz)<br />

11. März // Smooth Sunday // 16–19 Uhr // mit Musik von COEO<br />

16. März // F!F!F! Freitag! Feierabend! Freude! // 18–22 Uhr // Live: g.e.f (Garage, Electronica, Fuzz)<br />

17. März // 17–22 Uhr // Live: Everyday History (Indiemetalblues)<br />

18. März // Smooth Sunday // 16–19 Uhr // mit Musik von COEO<br />

23. März // F!F!F! Freitag! Feierabend! Freude! // 18–22 Uhr // Live: The Universe (FunkAlternativeRock)<br />

24. März // Finissage // 17– 22 Uhr // Over & Out! Live: Getting Private in Public (IndieFolk)<br />

70 PLUSEINS // 03. bis 24. März // Farbenladen // Hansastraße 31<br />

www.curt.de // facebook.com/curt.muenchen // Eintritt frei!


Vorwort<br />

Immer wenn mir jemand erzählt, früher wäre alles besser gewesen, werde ich stutzig. „So im Krieg“, frage ich dann,<br />

„oder noch früher, als man seine Nahrung unter Lebensgefahr selber jagen und ausweiden musste?“ Ich finds heute<br />

ehrlich gesagt ganz in Ordnung. Könnte besser sein, aber auch wesentlich schlechter.<br />

„Nö, nö“, heißt die Antwort immer, „so mehr in unserer Kindheit: weniger Schrott im Fernsehen, in den Supermärkten<br />

gabs kein Überangebot und dann die Globalisierung! Mann, unsere Welt geht einfach den Bach runter …“<br />

So in der Art. Mal kurz nachgedacht … MacGyver zeigte uns, wie man aus einem Luftballon, einer Gabel und einem<br />

Tropfen Schweiß einen Mini-Atomreaktor baut. Nicht schlecht, aber nutzlos. Colt Seavers nahm Anlauf und flog<br />

mit seinem Pick-up-Truck über mehrere Autos, landete senkrecht auf der Motorhaube und fuhr in der nächsten Einstellung<br />

ohne eine Delle im Lack weiter (als ich das in meiner zweiten Fahrstunde versuchte, habe ich mir noch vor<br />

meinem Führerscheinerwerb ein zweijähriges Fahrverbot eingehandelt) und bei „Knight Rider“ ging es um ein sprechendes<br />

Auto, das durch die Gegend fuhr und über eine Armbanduhr mit seinem Herrchen redete. Langweilig. Dank<br />

der „Sopranos“ wissen wir, dass Mafiabosse Panikattacken haben können wie jeder andere Mensch auch. Walter<br />

White, der Lehrer in der Serie „Breaking Bad“, brachte uns bei, wie jeder sein eigenes Meth-Labor einrichten und ein<br />

kleines Drogen-Start-up aufziehen kann, wenn er mal in einer finanziellen Notlage steckt, und die „Transformers“<br />

sind zwar auch sprechende Autos, sie können sich aber zusätzlich noch in Roboter verwandeln. Nicht langweilig. Ein<br />

Punkt für das Jetzt also. Weiter.<br />

Wenn mich die heutige Auswahl im Supermarktregal überfordert, kann ich einfach in einen Dritte-Welt-Laden gehen:<br />

Dort gibt es jedes Produkt in exakt einer, fair gehandelten Variante. Das kann ich mir dann kaufen oder es bleiben<br />

lassen. Wenn ich aber gerne verschiedene – sagen wir mal – Käse-, Pasta- oder Schokoladensorten ausprobieren will,<br />

habe ich heute zumindest die Möglichkeit dazu. Ich habe die Wahl und fühle mich daher im Jetzt deutlich besser<br />

aufgehoben. Zweiter Punkt für Heute.<br />

Und Globalisierung hat es auch schon immer gegeben, über sie wurden Waren und Menschen in der ganzen jeweils<br />

bekannten Welt gehandelt und verteilt. Salzhandel: gut; Sklavenhandel: böse. Es kommt also darauf an, was man<br />

daraus macht. Bam! Noch ein Punkt für das Jetzt. Dann sagt das Gegenüber meist so etwas wie: „O.k., aber (wahlweise)<br />

das Glockenbachviertel/der Prenzlauer Berg/die Speicherstadt waren früher nicht so totsaniert und einfach viel<br />

cooler.“ „Stimmt natürlich“, antworte ich dann immer. „Aber was mussten du und deine kreativen Freunde da auch<br />

hinziehen? Wärt ihr in Giesing/Charlottenburg/Bergedorf geblieben, wäre das nicht passiert, so schauts aus.“<br />

Also, Klappe halten und nach vorne schauen.<br />

Für eine bessere Zukunft,<br />

euer Thomas


curt Nr. 71 Die zeitmaschinierte Ausgabe<br />

04 // zufallsgenerator<br />

Für was ist die Zeit in München reif?<br />

06 // Bericht<br />

100 Jahre Großmarkthalle<br />

12 // im Vergleich<br />

Alte Sprache vs. neue Sprache<br />

14 // münchner Details<br />

Unser München: damals und heute<br />

26 // münchner Details<br />

Glockenbach<br />

30 // kino<br />

Gabriel Filmtheater<br />

34 // WaschDls grantnockerl<br />

cover # 71<br />

Ich will Abo!<br />

36 // Bericht<br />

Golden Twenties<br />

40 // Das Ö-team on tour<br />

Die historische Biertour<br />

44 // Bericht<br />

Abba Naor<br />

48 // zeit<br />

Ist dein Leben 2.0 entspannt?<br />

50 // musik<br />

Präsentationen // Deichkind //<br />

Alben-Rezis // Fiva und das Phantom<br />

Orchesta // Sputnik Spring Break<br />

Festival // Everyday History //<br />

Balloon Pilot // Well-Geschwister //<br />

Helge Schneider<br />

62 // lesestücke<br />

T.C. Boyle // Karl Valentin Comic<br />

64 // münchner Details<br />

Luc und die Seenotfackel<br />

80 // curt stellt Vor<br />

Maximilian Brückner<br />

84 // Der WeinBranDt rät<br />

Wein-Zeitreise<br />

86 // im auslanD<br />

Dubai<br />

92 // selBstVersuch<br />

curt testet Hellseher<br />

96 // hinten raus<br />

Die Aufnahme von 1839 zeigt die Türme der Frauenkirche in München und ist die<br />

erste in Deutschland gemachte Daguerreotypie von Carl August von Steinheil und<br />

Franz Ritter von Kobell. Die Daguerreotypie ist ein spezielles Fotografie-Verfahren<br />

aus dem 19. Jahrhunderts, das bereits zu Beginn der Fotografiegeschichte einen<br />

hohen Standard begründete, an dem sich alle späteren Verfahren messen lassen<br />

mussten.<br />

Lieber Franz, hab vielen Dank für die großartige Aufnahme! Wir werden dich demnächst<br />

an deinem Franz-von-Kobell-Denkmal in Haidhausen in der Nähe des Maxmonuments<br />

besuchen kommen und befreien dich von Vogelschiss und Schnee.<br />

4 x im Jahr curt Druckfrisch nach hause geschickt<br />

Bekommen. hurra! einfach e-mail mit Postanschrift<br />

an ichWillaBo@curt.De mit Betreff „aBo“.<br />

TÄ G L I C H<br />

FRISCH !<br />

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MARKTHALLEN<br />

MÜNCHEN


4 curt // ZUFALLSGENERATOR<br />

.. ..<br />

Wofur ist die zeit in Munchen reif?<br />

Die Zeit ist reif für eine neue Unterführung im Englischen Garten. Gänse-Heinrich, 65 Jahre<br />

interviews und Fotos: verena vötter<br />

Nahverkehr zu fairen Preisen wie in <strong>Mai</strong>land, London oder Paris. Til, 21 Jahre Veränderung in den Köpfen der Menschen. Eva Sophia, 23 Jahre<br />

Ich möchte auf Ü50-Partys gehen können und nicht immer nur auf Ü30. Robert, 56 Jahre<br />

Es ist an der Zeit für Currywurst! Franziska, 18Jahre // Clara, 17 Jahre<br />

Hundesitting-Plätze, während mein Frauli einkaufen geht, damit mir nicht so langweilig ist. Moritz, 7 Monate


6 curt // 100 JAHRE GROSSMARKTHALLE<br />

NAbelfluseN IN seNDlINg<br />

oDer 100 JAhre grossMArkthAlle<br />

Der Buddhist sagt ja gerne, dass alles mit allem zusammenhängt. Der historiker sagt: es gibt kein kon-<br />

tinuum von raum und zeit. ich sage: hätte die stadt münchen nicht 1912 die großmarkthallen an der<br />

thalkirchner straße eröffnet – mein leben wäre mit sicherheit anders verlaufen. eine zufällige, kaprioleske<br />

zeitreise durch 100 Jahre (m)einer geschichte im schatten der großmarkthalle. teXt: BoB PFaFFenZeLLer<br />

GrossmarkthaLLe münchen // um 1915 // © stadtarchiv münchen, FotosammLunG


8 curt // 100 JAHRE GROSSMARKTHALLE<br />

münchner GrossmarkthaLLe //1913 // aquareLL // © münchner stadtmuseum<br />

Die ankunft // Am 11.11.2001 bin ich nach Sendling gezogen, an den Gotzinger Platz. Mitten hinein zwischen die<br />

inquisitorische Kreuzigungsgruppe an der Ostfassade von St. Korbinian und das weltläufige Areal der Großmarkthalle<br />

gegenüber. Ich kam nach Sendling, weil ein Freund zur letzten Jahrtausendwende bei fröhlich-plätschernden Freibad-<br />

Spielen im Südbad neue Seiten seiner Sexualität entdeckte und sich von seiner langjährigen Freundin trennte. Damit<br />

war eine günstige Altbauwohnung in Sendling frei. Zufall?<br />

<strong>2012</strong>: schicki-schrecken // Die Süddeutsche Zeitung konstatiert: „Es machen Agenturen mit Milchglasfenstern dort<br />

auf, wo Obst und Gemüse verkauft wurden. Es finden in Schwarz und Weiß gehaltene Cafés ein Publikum, wo<br />

Eckkneipen und Pizzerien dominierten. Es werden Baulücken geschlossen und Wohnungen beworben mit der Lage<br />

im ‚In-Viertel Sendling‘. (...) Altbauten werden saniert und an Menschen vermietet, die sich das leisten können. Die<br />

anderen werden verdrängt.“ Zufall?<br />

1912: Die namensgebung // Casimir Funk, ein polnischer Biochemiker und Menschenfreund, erfindet 1912 die<br />

Vitamine. Zumindest erfindet er den Namen: zusammengesetzt aus lateinisch „Vita“ für Leben und die chemische<br />

Verbindung „Amin“. Im gleichen Jahr eröffnet die Großmarkthalle als Umschlagplatz für vitaminreiches Gemüse und<br />

Obst in München. Zufall?<br />

1912/2003: es wird enger // 2003 treibt mich ein lästiger, nicht enden wollender Husten zu meinem Hausarzt, der<br />

seine Praxis umweht von der freiheitlichen Großmarkt-Luft hat. Seine Diagnose: Rasselt wie zwei Schachteln Zigaretten<br />

werBemarke des Frucht-<br />

GrosshändLers // corneLio<br />

Joris, münchen, um 1920<br />

© münchner stadtmuseum<br />

pro Tag. Im Zuge selektiver Psycho-Wahrnehmung fällt mir bald darauf eine Veröffentlichung der Initiative „Nichtraucher<br />

in München“ (NiM) auf: „Inmitten von Obst- und Gemüsekisten qualmten die Händler.“ Man befürchtet eine<br />

„nachteilige Beeinflussung der Lebensmittel durch Rauchen“ und fordert: „Alle Mitglieder, die in der Großmarkthalle<br />

einkaufen: Informieren Sie die NIM über Ihre Rauch-Wahrnehmungen (Tag, Uhrzeit, Stand usw.)!“ Und 1912?<br />

Die Produktion von Zigaretten in Deutschland stieg von 60 Millionen in den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts auf<br />

11,5 Milliarden im Jahr 1912. Dabei rauchten 80 % aller deutschen Männer und 20 % aller Frauen. Seit ich neben der<br />

Großmarkthalle wohne, rauche ich wieder. Zufall?<br />

2002: eine erklärung // Wenn nach stadtläufiger Meinung der Schlachthof der Bauch Münchens ist und Sendling<br />

der Nabel der Stadt – ist dann die Großmarkthalle der Nabelflusen Münchens? 2002 erhält Karl Kruszelnicki von der<br />

Universität Sydney den IgNobelpreis für interdisziplinäre Forschung: „Warum, wie, bei wem und wie stark sammeln<br />

sich eigentlich Flusen im Bauchnabel?“ Und ich frage: Warum sammeln sich alle Flusen Sendlings ausgerechnet bei<br />

mir? Zufall?<br />

1961: fremde i // Der 30.Oktober 1961 ist ein historisches Datum: Ein Zug aus Istanbul bringt die ersten türkischen<br />

Arbeitnehmer nach München. Sie müssen sich in einem Bunker unter dem Hauptbahnhof sammeln, erhalten eine<br />

Arbeitsbescheinigung und werden auf bedürftige Arbeitgeber verteilt. Natürlich auch zum Großmarkt. Deren Nachkommen<br />

gehören wohl zu den Unternehmern, die laut Statistik heute fast ein Viertel der Arbeitsplätze in Sendling<br />

schaffen: im Großhandel im Schatten der Großmarkthalle.


10 curt // 100 JAHRE GROSSMARKTHALLE<br />

GrossmarkthaLLe münchen // 2011 // © danieL schvarcZ, münchen<br />

ca. 2000: fremde ii // Um das Jahr 2000 herum kommen weitere Zuwanderer mit einer Lieferung Zitrusfrüchte aus<br />

Südeuropa an: Mauereidechsen. Sie fühlen sich wohl in München, siedeln sich im Bereich der Großmarkthalle, des Südbahnhofs<br />

und des Viehhofs an, vermehren sich – und stehen in ganz Europa unter Artenschutz. Und bewirken, dass ab<br />

2003 laut Gesetz bei allen Veränderungen im Großmarkt-Areal ihre Reptilien-Belange berücksichtigt werden müssen.<br />

ab 2005: fremde iii // Nachbarn von mir starten eine Unterschriftenaktion gegen die geplante Moschee im Bermuda-<br />

Dreieck Gotzinger Platz. Die Bedenken der Anwohner: zu erwartende Parkplatzprobleme. Meine Antwort: Was gibts<br />

gegen einen potenziellen Märtyrer zu sagen, der keinen Parkplatz findet ... Zufall?<br />

zeitloser exkurs: stoffwechsel // Die Arbeit in den Großmarkthallen war schon immer hart und ist heute noch hart.<br />

Um 2 Uhr morgens ist Arbeitsbeginn. Abladen, schleppen, aufbauen, verkaufen. Um 7 Uhr öffnet die Gaststätte zur<br />

Großmarkthalle, die seit 100 Jahren die Handlanger vegetarischer Kost verköstigt. Eine Auswahl aus einer beliebigen<br />

Tages-Speisekarte: Kalbsbeuscherl, Ochsenbrust, Ochsenschwanzragout, Rahmhackbraten. Anfang 2010 beschließe<br />

ich, mich künftig vegetarisch zu ernähren. Zufall?<br />

2005: tafelfreuden // 2005 treten die Bestimmungen von Hartz IV in Kraft. Sie legen fest, was ein Mensch zum Nicht-<br />

Verhungern in unserer Konsumgesellschaft braucht. Ab 2005 meldet die Münchner Tafel, die ihren Sitz am Münchner<br />

Großmarkt hat und von den Händlern und Betreibern unterstützt wird, einen sprunghaften Anstieg der Bedürftigen<br />

in München. Heute versorgt die Tafel München 18.000 bedürftige Menschen mit der Hilfe von 400 ehrenamtlichen<br />

Helfern, 20 fest angestellten Mitarbeitern, 16 Lieferwagen. Sie verteilen jährlich rund 100 Tonnen Lebensmittel an<br />

Menschen, die neben uns wohnen. Zufall?<br />

<strong>2012</strong>: Die zukunft // Die Gebäudesubstanz der Großmarkthallen ist marode. Es regnet durch die Dächer, die Logistik<br />

des 100 Jahre alten Areals ist weder funktional noch wirtschaftlich für den modernen Großhandel geeignet, nach<br />

Ansicht der Städteplaner „zergliedert“ die Großmarkthalle das Viertel Sendling. Ein Lebensmittelkonzern will im süd-<br />

westlichen Teil des Areals ein – konkurrierendes – Logistikzentrum errichten. Eine Kommission soll bis Mitte <strong>2012</strong> ein<br />

Konzept zur „Zukunftssicherung“ der Großmarkthallen erarbeiten. Der Gedanke dahinter: „Nicht zuletzt wegen der<br />

Großmarkthalle war Sendling bislang ein unterbewertetes Viertel, das durch die anstehende Sanierung, Bebauung<br />

und Öffnung des riesigen Marktgeländes deutlich an Attraktivität gewinnen kann.“ Zufall?<br />

sommer 2002: Das erste mal // Im Sommer 2002 wollte ich bei einer Bekannten Eindruck schinden und ging mit ihr<br />

zum Tag der offenen Tür der Großmarkthalle – mein erster Besuch auf dem Gelände. Gegen 12.30 Uhr ließ sie mich<br />

vor einem Stapel Melonen in einer der Hallen stehen – nach einer zotigen Bemerkung von mir über die süß-prallen<br />

Früchte, leider hatte sie nicht die Größe dafür. Ich habe sie seitdem nie wieder gesehen. Scheiß Großmarkthalle, wären<br />

wir doch lieber ins Schlachthofviertel gegangen. Mein, unser Leben hätte anders verlaufen können ...<br />

täglich frisch! 100 Jahre münchner grossmarkthalle // ausstellung<br />

für alle, die alle anderen geschichten hinter der geschichte der münchner großmarkthalle wissen wollen:<br />

Das Münchner Stadtmuseum präsentiert eine äußerst kenntnisreiche und bis ins Detail liebevoll recherchierte<br />

Ausstellung von den Anfängen bis heute. Noch zu sehen bis zum 15. Juli <strong>2012</strong> im Münchner Stadtmuseum.<br />

31 Hektar Fläche, rund 400 Unternehmen, 3.000 Mitarbeiter, geschätzte 1,5 Milliarden Euro Jahresumsatz, Versorgungszentrale<br />

für rund 5 Millionen Menschen: Die Münchner Großmarkthalle ist eine effiziente Distributionsmaschine.<br />

Und den Münchnern weitgehend unbekannt, weil sie nur zugelassenen Kunden zugänglich ist. Die<br />

Ausstellung im Stadtmuseum bringt den Münchnern diese abgeschiedene Welt näher: mit einem Streifzug durch<br />

100 Jahre Geschichte, vielen Exponaten auch aus dem Alltagsleben. Sie erzählt von Händlern, Kunden, Erzeugern<br />

und vor allem von der Bedeutung der Großmarkthalle für die Entwicklung Münchens.


12 curt // DER VERGLEICH<br />

Alte sprache Neue sprache<br />

Ich nehme folgende Bekanntmachung am Schwarzen<br />

Brett in Augenschein und fühle mich postwendend eklatant<br />

enthusiasmiert: „Das Seminar Zeitreisen für Fortgeschrittene<br />

findet am vergangenen Sonnabend statt.“ Eine<br />

solch fabelhafte Flause könnte auf meinem meschuggen<br />

Mist gewachsen sein. Jene blitzgescheiten Eierköpfe treffen<br />

genau ins Schwarze. Verflixt und zugenäht, momentan<br />

geht doch jedwedes den Bach herunter. Das vermag ich<br />

mit Fug und Recht zu behaupten.<br />

Inmitten des Mesozoikums, als mein geleckter Großpapa<br />

gemeinsam mit mir, einem Dreikäsehoch von lästigem<br />

Lausbub, auf dem Rücken eines Dinosauriers im Sauseschritt<br />

zur Maloche auf dem Feld preschte – ja damals,<br />

da gab es noch Tugenden. Der Olle räsonierte: „Iss deinen<br />

Teller leer, sonst scheint morgen keinen Deut die Sonne!“<br />

Ich, der weiland einen Tacken im Oberstübchen besaß,<br />

nahm mir seine rüffelnde Bauernschläue gelinde zu Herzen.<br />

Aber was ist die heutige Moral von der Geschicht? Treibhauseffekt<br />

und adipöse Pennäler! Derweil fahren unsere<br />

werten Volkszertreter mit ihrem Kokolores den Karren<br />

an die Wand. A jour steuern wir in konstanter Marschroute<br />

gen Orkus, gleich törichter Ratten, die der sinkenden<br />

Schaluppe entgegenschwimmen.<br />

In puncto Frauenzimmer fügte sich obendrein alles um einiges<br />

pläsierlicher. Was Beziehungskisten angeht, leistete<br />

ich ehedem als neckischer Kavalier und gewiefter Sittenstrolch<br />

pompöse Pionierarbeit. Allmählich beschleicht mich<br />

jedoch frappantes Fracksausen. Völlig ausgeschlossen, dass<br />

ich mich schon zum alten Eisen zähle. Ich bin eine gesunde<br />

Mischung aus grün hinter den Ohren und jemandem, der<br />

gleichwohl etwas auf dem Kerbholz hat. Existiert in derartiger<br />

Form quasi nur bei saloppen Straßendirnen.<br />

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Wer zu früh<br />

kommt, den rügt die Gemahlin. Und wer auf den Hund<br />

gekommen ist, sollte schni-schna-schnappi unbedingt<br />

auf sein kostbares Gemächt achtgeben. Diesbezüglich<br />

bin ich in der Lage, en masse aus dem Nähkästchen<br />

zu plaudern. Nach drei Dekaden Ehejoch gestattet mir<br />

meine einstige Herzensdame und aktuell keifende Zimtzicke<br />

nur alle Jubeljahre Schäferstündchen. Wenn sie nicht<br />

mit offener Schnute auf der Chaiselongue schnarchen<br />

würde, gelänge mir gar kein goldener Schuss mehr.<br />

Zur Stunde befinde ich mich auf einer ausgedehnten<br />

Geschlechtsreise und mache Anstalten, jede sich mir<br />

bietende Opportunität resolut auszuschöpfen: blutjunger<br />

Mauerblümchensex, karitatives Beschlafen einer vorsintflutlichen<br />

Knutschkugel oder es einfach mal mit einem<br />

schnieken Schindluder zu treiben.<br />

„Bombe!“, so dachte ich bei mir, als ich so baaam, ganz<br />

plötzlich, meine Fake-Gun aus dem Mantel zog und<br />

damit die kühne Kassiererin an der Supermarktkasse<br />

triggerte. Mein Bankaccount hatte einen Upgrade dringend<br />

nötig.<br />

„Her mit der Knete, aber hurry up, baby!“<br />

teXt: christoPh Brandt // iLLus: karin teutsch teXt: martin emmerLinG<br />

Es flashte mich kurz, als ich mich so als sicken Kriminellen<br />

meine Forderung aufsagen hörte.<br />

Aber vom Feeling her hatte ich auch das Gefühl, dass<br />

das kaugummikauende Chick hinter mir mich übelst abfeierte.<br />

Hart nice – auf jeden hätte ich die bei Facebook<br />

geaddet!<br />

„So what?“, ich so ein bisschen aggro zu der lamen Lady<br />

an der Kasse.<br />

„Halloooo ...? So ein Überfall kurz vor Ladenschluss – geht<br />

ja wohl gaaar nicht!“ – ganz schön tough, das Babe, ey.<br />

DER VERGLEICH // curt 13<br />

Whatever. Wenig später, ich hatte die Tacken in die<br />

Tengelmann-Travelpussy gepackt, sprang ich mit Megaspeed<br />

aus dem Supermarkt. Dann der Crash – baaaam,<br />

voll der Bitchmove, Alder. „Aus dem Weg, Honey!“, rief<br />

ich dem getunten Toastie im Trainingsanzug zu.<br />

„Chill dich mal!“, sie so mit einer kinky Falte auf der<br />

Stirn. Dann stand sie wieder auf. Ich war so richtig on<br />

fire, hatte voll den Achselterror. Aber der Hike war fast<br />

geschafft. Ein krasser Turn über den vereisten Bürgersteig<br />

und, woooooh, Touchdown!<br />

Ich zückte den Schlüssel und scannte die Gegend rund<br />

um Weber-Max-Platz. Dann snakte ich easy in die Tiefgarage<br />

und ich dachte mit meinem Brain nur so: „Bombe,<br />

niemand hat mich bis hierhin angepisst. Jetzt mach Banane<br />

durchs Treppenhaus zu meinem Buddy ins Nest!“<br />

Oben angekommen, habe ich erst mal ganz nice ein paar<br />

Stunden gechillt, dann gings ab nach Malle.<br />

Auf sure, die Cops würden mich niemals ficken.


14 curt // MÜNCHNER DETAILS<br />

..<br />

uNser MuNcheN DAMAls uND heute<br />

aLte auFnahmen: wikiPedia // aktueLLe Fotos: achim schmidt // auswahL und BearBeitunG: michaeL denGLer<br />

sendLinGer tor // 19. Jahrhundert sendLinGer tor // <strong>2012</strong>


isartor // Zwischen 1890 und 1905<br />

residenZGarten // etwa 1914<br />

isartor // <strong>2012</strong><br />

residenZGarten // <strong>2012</strong>


18 curt // MÜNCHNER DETAILS<br />

witteLsBacherBrücke // 1900<br />

Bavaria // Zwischen 1890 und 1905 Bavaria // <strong>2012</strong> BahnsteiGhaLLen des hauPtBahnhoFs // um 1912<br />

BahnsteiGhaLLen des hauPtBahnhoFs // <strong>2012</strong><br />

witteLsBacherBrücke // <strong>2012</strong>


20 curt // MÜNCHNER DETAILS<br />

odeonsPLatZ mit FeLdherrnhaLLe und theatinerkirche // Zwischen 1860 uand 1890 odeonsPLatZ mit FeLdherrnhaLLe und theatinerkirche // <strong>2012</strong>


kauFinGerstrasse // BLick auF die Jesuitenkirche st. michaeL // 19. Jahrhun kauFinGerstrasse // BLick auF die Jesuitenkirche st. michaeL // <strong>2012</strong><br />

GeBsatteLBrücke // 1901 GeBsatteLBrücke // <strong>2012</strong>


24 curt // MÜNCHNER DETAILS<br />

marienPLatZ // sicht auF das aLte rathaus // Zwischen 1890 und 1905 marienPLatZ // sicht auF das aLte rathaus // <strong>2012</strong>


26 curt // MÜNCHNER DETAILS<br />

DAs glockeNbAch Ist tot<br />

lANg lebe DAs glockeNbAch!<br />

na toll! ich wohne in einer leiche! findet jedenfalls<br />

die redaktion. man sei sich einig, dass das glocken-<br />

bachviertel eigentlich tot ist, ließ man mich wissen.<br />

aha. trotzdem soll ich etwas darüber schreiben.<br />

nochmal: aha. tja, ist halt eine schöne leich’, in der<br />

ich mich seit fast 20 Jahren kuschelig eingerichtet<br />

habe. Damals war die isarvorstadt noch ein heruntergekommenes<br />

flittchen – grell geschminkte fassaden<br />

überdeckten dreckige löcher. letztere findet<br />

man heute kaum noch, dafür noch grellere fassaden,<br />

in denen sich die ganzen nerd-bebrillten Bionade-spießer<br />

samt ihrer dauerträchtigen muttertiere<br />

auf lactosefreier latte-macchiato-Jagd tummeln …<br />

ach, sorry, vergaß ja ganz, dass ich bittebittebitte<br />

auf gar keinen fall was über die gentrifizierung<br />

schreiben soll! über die regen sich sowieso meist<br />

die auf, die selbige vorantreiben.<br />

Also, noch mal von vorne, back to the roots. Zurück zum<br />

Flittchen, mit dem man sich so gut amüsieren konnte.<br />

Freddie Mercury hats getan und auch Albert Einstein<br />

und Rainer Werner Fassbinder sowieso – und dann gabs<br />

da noch einen gewissen Adolf Hitler. Ach, und Brad Pitt<br />

nicht zu vergessen. Letzterer ist in seiner Zeit, als er mit<br />

der Münchner Regisseurin Katja von Garnier liiert war,<br />

immer ins Makassar im Schlachthofviertel. Doch das ist<br />

nur eine der unwichtigeren Promi-Anekdoten. Einer der<br />

berühmtesten Gast-Isarvorstädter ließ es in den 1980ern<br />

richtig krachen: Queen-Sänger Freddie Mercury verliebte<br />

sich einst in einen Gastwirt und zog ins Viertel,<br />

genauer gesagt in die Hans-Sachs-Straße, wo er mit<br />

seiner Busenfreundin, der Schauspielerin Barbara Valentin,<br />

und willigem Partyvolk die Nacht zum Tag machte.<br />

1986 bescherte er München die „Mutter aller Partys“,<br />

wie es die BBC später nannte. Mercury feierte nämlich<br />

seinen 40. Geburtstag im Old Mrs. Henderson (heute<br />

das Paradiso) in der Müllerstraße. Alle Männer mussten<br />

entweder im Fummel oder als Lederkerl kommen, dazu<br />

grell geschminkt. Die Farbvorgaben: Schwarz und Weiß.<br />

Ebenfalls mit dabei: die skandalerprobten Musiker von<br />

Frankie Goes To Hollywood. Freddie Mercury filmte die<br />

wilde Geburtstagssause und bastelte später daraus das<br />

Video zu seinem Hit „Living on my own“. Die BBC boykottierte<br />

bis in die 90er das Video, Münchner Transen<br />

und Lederkerle waren einfach zu heftig für das britische<br />

Publikum. Wenn man es sich heute auf YouTube<br />

anschaut, denkt man sich höchstens: Goldig. Musikalischer<br />

Hinweis am Rande: Freddie Mercury und Queen<br />

nahmen ihre wichtigsten Gruppen- und Solo-Alben in<br />

München auf. Partytechnischer Hinweis am Rande: Häufiger<br />

Gast im Viertel war in jenen Jahren auch David<br />

Bowie, den seltsamerweise alle immer nur mit Berlin in<br />

Zusammenhang bringen.<br />

Freddie Mercury war aber kein Pionier. Kurz vor ihm hat<br />

Rainer Werner Fassbinder die Partytauglichkeit des Viertels<br />

unter Beweis gestellt. Auch er kam und blieb der<br />

Liebe wegen. Fassbinder verknallte sich in Armin, den<br />

hübschen Schankkellner in der Deutschen Eiche. Um ihm<br />

möglichst nahe sein zu können, mietete sich der Regisseur<br />

im Haus gegenüber eine Wohnung – ja, genau die,<br />

die später berühmt-berüchtigt wurde wegen ihrer beiden<br />

Badewannen, wobei nur die eine, die nicht-goldene, für<br />

die körperliche Grundreinigung gedacht war. Fassbinder<br />

machte die Eiche zu seinem Wohnzimmer, feierte hier<br />

die Bergfeste seine Filme, also die Halbzeit, wenn der<br />

Film halb fertig war. Und er drehte sogar einige Szenen<br />

in der Eiche. Aufmerksame Gäste erkennen sie z. B. in<br />

„Lili Marleen“ wieder. Ihn störte herzlich wenig, dass ihn<br />

die alte Wirtin hasste und immer, wenn er samt Anhang<br />

auftauchte, sich aus Protest mit ihren Stammgästen in<br />

den Keller verzog. Und die alte Wirtin störte herzlich<br />

wenig, dass nun Weltstars in ihrer Wirtschaft verkehrten.<br />

Künstler und große Namen kamen nämlich schon<br />

vorher. Curd Jürgens zum Beispiel mietete sich regelmäßig<br />

ein Zimmer im zugehörigen Hotel – das wegen der<br />

teXt: martin arZ // Fotos: harry Baer<br />

freDDy mercufy in Der Deutschen eiche // mitte Der 80er


28 curt // MÜNCHNER DETAILS<br />

Blumentapete „Rosenzimmer“ genannte –, um sich dort<br />

diskret mit Damen zu treffen. Donna Summer mietete<br />

sich regelmäßig ein, Maria Schell, Franz Beckenbauer …<br />

Die Gästeliste liest sich wie das Who is Who der Nachkriegszeit.<br />

Die meisten kamen wegen der legendären Faschingsfeiern<br />

und einige wegen der leichten Mädchen – jawohl,<br />

ihr Ahnungslosen, die Isarvorstadt war bis Anfang der<br />

1970er ein berüchtigtes Rotlichtviertel mit Stripschuppen,<br />

Bordellen und einem lebendigen Straßenstrich<br />

an der Müllerstraße, bis dann München im Zuge der<br />

Olympischen Spiele die Gehsteige hochklappte und verspießte.<br />

Viele kamen aber wegen der jungen hübschen<br />

Männer, meist Tänzer vom Gärtnerplatztheater, die die<br />

Eiche schon immer zum Treffpunkt der schwulen Subkultur<br />

gemacht haben. Ob das einer der Hauptgründe war,<br />

warum sich der größte Massenmörder der deutschen<br />

Geschichte regelmäßig hier aufhielt? Adolf Hitler hatte<br />

Anfang der 1920er-Jahre um die Ecke, in der Corneliusstraße<br />

12, sein Parteibüro eingerichtet und kam oft in<br />

die Eiche. Ob es für ihn, den Vegetarier, dort zwischen<br />

Schweinsbraten und Saurem Lüngerl wohl was Vernünftiges<br />

zu Essen gab? Er saß jedenfalls immer im „Vogeleck“,<br />

eine Ecke, in der über dem Tisch lauter Käfige mit<br />

Piepmätzen hingen. Vielleicht hat er ja die knackigen<br />

Burschen vom Theater angeschmachtet. Dass er schwul<br />

rainer Werner fassBinDer in Der Deutschen eiche // enDe Der 70er<br />

gewesen sein soll, ist nichts Neues und bestimmt nichts,<br />

worauf die Szene stolz wäre. Jedenfalls ließ Hitler seine<br />

ersten knackigen Jungs, seine Schlägertrupps, auf dem<br />

Gärtnerplatz das Marschieren üben. Völlig unbehelligt von<br />

den (zu einem Großteil jüdischen!) Viertelbewohnern.<br />

Apropos jüdisches Viertel: Die Isarvorstadt war es. Viele<br />

jüdische Unternehmer siedelten sich an. Darunter auch<br />

die Elektrofirma Einstein in der Adlzreiterstraße, die ein<br />

Onkel des berühmtesten Zungenraustreckers der Welt<br />

betrieb. Einige Jahre lebte auch Klein-Albert beim Onkel<br />

und ging ins Luitpoldgymnasium an der Müllerstraße, wo<br />

er mit einem künstlerisch begabten Burschen namens<br />

Franz Marc die Schulbank drückte. Hier steht heute der<br />

Turm des ehemaligen Heizkraftwerks, in dem die teuersten<br />

Wohnungen der Welt gebaut werden. Albert Einstein<br />

half seinem Onkel auch, das erste Bierzelt auf dem<br />

Oktoberfest mit elektrischem Licht auszustatten – Einstein<br />

erleuchtete also die Wiesn.<br />

Ja, so wars damals, als das Viertel noch nicht tot war.<br />

Vorbei und vergessen. Heute drängeln sich die Ballermann-Feierwütigen<br />

in der ehemaligen Huren- und<br />

Stricherbar Pimpernel … Okay, kein Wort mehr zur Gentrifizierung.<br />

Versprochen. Am besten bin ich eh nun still<br />

und kuschel mich in meine schöne Leich’. Und nicht vergessen:<br />

Totgesagte leben länger!<br />

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Illu: Valentin Plank


30 curt // KINO<br />

softporNos Vs. 3D<br />

WIe DIe ZeIteN<br />

..<br />

uND<br />

DAs kINo sIch ANDerN teXt: Julia fell // fotos: gaBriel filmtheater<br />

was haben das hippodrom, 70 lebende eisbären und 200 Personen aus afrika, china und Japan gemeinsam?<br />

alle wurden vom gleichen mann nach münchen gekarrt, ob der Gaudi und kurzweil: carl Gabriel, mingas<br />

inoffizieller „master of volksbelustigung“. der amüsement-avantgardist, dessen ehrgeiz und Größenwahn<br />

die isarmetropole bis heute prägen, hat der stadt außerdem das älteste kino der welt hinterlassen. das<br />

neue Gabriel Filmtheater in der dachauer straße wird <strong>2012</strong> sagenhafte 105 Jahre alt. wir sprachen mit kino-<br />

chefin alexandra Gmell (urenkelin von carl Gabriel) über Filmtheater gestern, heute und übermorgen.


32 curt // KINO<br />

carl gabriel war münchens emsigster entertainment-macher. als allererster führte er bewegte Bilder in münchen vor (1896), 1907 eröffnete er<br />

das Filmtheater „the american Bio-cie. – carl Gabriels theater lebender Bilder“. heute, 105 Jahre später, ist das „neue Gabriel“ das älteste<br />

durchgehend bespielte kino der welt.<br />

auf sein konto gehen auch zahlreiche wiesnattraktionen – über 40 Jahre lang sorgte er für neuerungen auf dem oktoberfest (hexenschaukel,<br />

teufelsrad, steilwand, riesenrad); er stellte außerdem das hippodromzelt und deutschlands erste achterbahn auf der theresienwiese auf<br />

und veranstaltete die umstrittenen „exotenshows“ (z. B. 1928 die „riesen-völkerschau“ mit 200 Personen aus afrika, china und Japan und<br />

1930 „die Lippennegerinnen“). daneben gründete er 1897 einen Berufsverband für schausteller, der sich bis heute für Fairness und gute<br />

arbeitsbedingungen für schausteller einsetzt (muenchner-schausteller-verein.de). Gabriel starb 1931 und ist auf dem ostfriedhof beerdigt.<br />

carl gabriel war wahrscheinlich münchens größter<br />

Vergnügungspionier. auf seinem grabstein steht<br />

„groß-schauunternehmer“. Wie war er so?<br />

aLeXandra: ich glaube, dass er sehr schwierig war.<br />

auf Fotos guckt er ja immer etwas düster drein. man<br />

musste wahrscheinlich auch ein bisschen schwein<br />

sein, um in den 20er-, 30er-Jahren events wie die<br />

völkerschauen zu veranstalten. aber er war auch<br />

sehr resolut und hatte viele gute ideen. außerdem<br />

hat er gerne mit menschen zusammengearbeitet.<br />

gabriel hatte einen treffsicheren instinkt für das,<br />

was beim Publikum ankommt. Was würde er heute<br />

als „next big thing“ in sachen unterhaltung sehen?<br />

aLeXandra: na ja, das mit dem treffsicheren<br />

instinkt stimmt nicht ganz – er war ja z. B. sehr skeptisch,<br />

ob sich der Farbfilm durchsetzen könnte. von<br />

dem her würde mich auch interessieren, ob er heute<br />

auf 3-d abfahren würde. aber ich glaube schon, er<br />

hätte da bestimmt spaß dran.<br />

Bilden filme einen zeitgeist ab oder formen sie ihn?<br />

aLeXandra: ich glaube beides. der Zeitgeist spiegelt<br />

sich in fast jedem Film natürlich ein bisschen<br />

wider, andererseits haben tolle Filme auch eine<br />

starke wirkung. in den 90er-Jahren „titanic“, die<br />

ganze „star wars“-reihe, „herr der ringe“ … oder<br />

ganz aktuell: der „twilight“-wahnsinn.<br />

Biss zum erbrechen …<br />

aLeXandra: Genau!<br />

ab den 70ern bekam kino in Deutschland starke<br />

konkurrenz durch das fernsehen. am meisten erfolg<br />

hatte man als kinobetreiber mit Pornos, deswegen<br />

orientierte sich dein Vater damals auch in<br />

diese richtung. Was hat dein urgroßvater denn<br />

dazu gesagt, dass in seinem lichtspielhaus plötzlich<br />

nackte tatsachen zu sehen waren?<br />

aLeXandra: der vater meines vaters hatte da<br />

keinen Bock drauf, aber mein vater hat damals<br />

gesagt: „das probieren wir!“ es waren ja auch<br />

keine Pornos, sondern „erotische Filme“; man hat<br />

nicht einmal einen nackten Busen gesehen. aber<br />

dieses Genre lief gut, das haben viele kinos gespielt.<br />

es ging ja auch ums Geschäft, und die richtung hat<br />

funktioniert. in den 70ern war auch eine gewisse<br />

aufbruchsstimmung in der Luft, da haben sich die<br />

Leute eben auch so etwas angeschaut. im Fernsehen<br />

konntest du softpornos damals nicht angucken,<br />

internet gabs auch nicht – da ist man halt ins kino<br />

gegangen.<br />

in den letzten 12 monaten haben drei münchner<br />

Programmkinos schließen müssen: das filmcasino,<br />

das atlantis und das tivoli mitte Januar …<br />

aLeXandra: Ja, sehr schade. damit geht münchen<br />

echt etwas verloren, gerade das tivoli – das lief ja<br />

auch mal echt gut. das mathäser hat da einen stein<br />

ins rollen gebracht. wenn neue kinos aufmachen,<br />

gibt es nicht automatisch mehr kinobesucher, sondern<br />

der kuchen teilt sich anders.<br />

Der gloria-Palast soll bald in ein edel-kino umgebaut<br />

werden, mit weniger sitzen, dafür aber z. B.<br />

getränke-service am Platz. Was hältst du davon?<br />

aLeXandra: Find ich heiß! Für das atlantis gibt es<br />

ähnliche Pläne, wobei ich den standort dafür nicht<br />

geeignet finde. Beim Gloria passt das zum Flair der<br />

Gegend. der münchner an sich gibt ja auch Geld für<br />

so etwas aus – ich glaube, das kann die stadt gut<br />

vertragen.<br />

Wie sieht kino in 20 Jahren aus?<br />

aLeXandra: an technischen neuerungen kommt<br />

bestimmt so einiges, z. B. rüttel- oder Geruchskino.<br />

3-d ohne Brille wäre auch ein taktisch kluger Zug<br />

der Filmindustrie. ich glaube, 3-d mit Brille wird sich<br />

auf dauer nicht durchsetzen – das gab es ja auch<br />

schon mal. auf der anderen seite gehts beim kino<br />

immer um den Filmgenuss und um das Gemeinschaftsgefühl.<br />

du willst ausgehen, dir ungestört<br />

einen Film anschauen, evtl. danach mit jemandem<br />

darüber sprechen. darum geht es beim kino seit<br />

über 100 Jahren und ich denke, das wird auch annähernd<br />

so bleiben. kino ist im Prinzip theater – und<br />

theater hat sich im Laufe der Zeit auch nicht viel<br />

verändert.


WAschdls<br />

grAntnockerl<br />

Der Ausbruch der schampusschlampen<br />

Weißwürste, lederhosen und das beruhigende rauschen der isar: münchen ist ein traum von einer stadt.<br />

aber weil münchen nicht münchen wäre ohne eine ordentliche Portion grant, lässt curt redakteur sebastian<br />

klug (bayerisch: „Waschdl“) an dieser stelle ab sofort in jeder ausgabe einmal so richtig den grantler raus<br />

und zeigt auf, was schief läuft in der landeshauptstadt. Diesmal im Visier: das kinosterben in münchen –<br />

und weshalb die saupreißn daran zumindest eine teilschuld tragen. teXt: seBastian kLuG // iLLu: meLanie castiLLo<br />

Man kann über Geld sagen, was man will, aber eines scheint sicher: Die Münchner mögen es – und das Geld mag die<br />

Münchner. Daran wäre im Grunde nichts auszusetzen, würde nicht mit dem vielen Geld noch ein weitaus schlimmeres<br />

Übel in die Stadt gespült werden: unreife Brunzkachen und präpotente Kniabiesla, größtenteils von Beruf Anwaltstochter<br />

oder Zahnarztsohn und aus Städten wie Düsseldorf, Darmstadt oder Hannover kommend – Städte, die wir in<br />

Bayern eher als Schimpfworte denn als geografische Bezeichnungen kennen.<br />

All das wäre auch nicht einmal halb so schlimm, würde sich dieser zuagroaßte Bodensatz in seinen eigenen Bereichen<br />

aufhalten – Lenbach-, Promenade- und Maximiliansplatz wurden zu dem Zweck ja bereits vor Jahrzehnten dekulturiert<br />

und dem Verfall freigegeben. Tun sie jedoch nicht. Damit sie „so rischdisch Münschen“ erleben können, brechen<br />

die Armani-Prinzen immer öfter aus ihrem Kaviarkäfig aus und führen ihre Schampusschlampen in „gewöhnliche“<br />

Kneipen, Wirtshäuser und Kinos.<br />

Und selbst das wiederum wäre nicht einmal halb so schlimm, würden sie nicht nach kürzester Zeit ihre wichtigste<br />

Waffe in die Hand nehmen, um all das, was sie eigentlich erleben wollten, also das „rischdige Münschen“, ihren Bedürfnissen<br />

anzupassen und so zu zerstören. Tun sie aber. Aktuellstes Beispiel: die Münchner Kinolandschaft.<br />

Den Anfang machte – und das noch voll und ganz im Rahmen des Tolerierbaren – die „Astor Cinema Lounge“ im<br />

Bayerischen Hof. Wenngleich das Wort „Lounge“ eines der unterschätztesten Brechmittel unserer Generation ist, hat<br />

das Kino mit Ticketpreisen von 18 Euro im Monetenghetto durchaus seine Daseinsberechtigung. Liberalitas Bavariae –<br />

a jeda, wia r’as mog. Wie so oft bleibt es jedoch nicht dabei: Ende Januar wurde öffentlich, dass der Münchner<br />

Gastronom Constantin Wahl (der uns bereits mit Perlen wie dem Pacha beglückte) in dem gerade in seinen Endzügen<br />

liegenden und Ende März schließenden Atlantis in der Schwanthaler Straße ein Premium-Kino eröffnen wolle<br />

– mit großen Sesseln, Champagner am Platz und exquisiten Häppchen. Er habe auch eine Genehmigung für einen<br />

Club, wolle jedoch die Räume in dem eigentlich eher schmutzig-verruchten Bahnhofsviertel<br />

weiterhin als Kino nutzen. Eine Woche später folgte dann die Nachricht, dass sich das Gloria<br />

am Stachus ebenfalls unter das sprichwörtliche Messer legt und den Nerzmantel überwirft:<br />

Die Betreibergesellschaft „Kinopolis“, die das Gloria gemeinsam mit dem unsäglichen mathäser<br />

seit 2007 betreibt (und passenderweise ihren Sitz in Darmstadt hat), hat nun entschieden, das<br />

Kino für rund 1,2 Millionen Euro zu sanieren, die Zahl der Sitzplätze zu halbieren und auf dem<br />

Balkon – wie könnte es anders sein? – eine exklusive Lounge einzurichten.<br />

Man könnte natürlich jetzt auf die Liberalitas Bavariae pochen und darauf, dass jeder hier machen könne,<br />

was er will. Man könnte auch meinen, dass die alten Säle sonst dicht machen und ersatzlos verschwinden würden.<br />

Man kann aber auch einfach mal all diese Argumente beiseite lassen und offen und ehrlich sagen: Ah geh weida!<br />

So ein Krampf! Und sich fragen: Wozu um alles in der Welt braucht München plötzlich ein ganzes Sortiment an<br />

elitären Premiumkinos? Haben wir überhaupt Platz für so was in unserer kleinen Stadt?<br />

Mehr Fußfreiheit im Kino? Gerne. Im Kino Schampus saufen? Mei, wenn’s sein muss. Aber ein Kino, auf dem ein<br />

inflationär gebrauchter Premium-Stempel prangt, das mit seinen überteuerten Preisen den zuagroßten Geldadel<br />

anzieht – und dabei auch noch bestehende, für unsere Münchner Kultur essenzielle Kinosäle zerstört?<br />

Das müssen wir verhindern. Irgendwann ist nämlich auch mal Schluss. Weil sonst ziehen wir mit<br />

dem X-cess, dem Bergwolf, der Südstadt und der Sehnsucht ins Kapitalisten-Slum am Maximiliansplatz,<br />

machen aus dem Künstlerhaus am Lenbachplatz ein freies Bürgerzentrum und<br />

veranstalten die Nachtflohmärkte ab sofort im Foyer des Bayerischen Hofs. Und dann, liebe<br />

Düsseldorfdarmstadthannoveraner, dann herrscht Krieg.<br />

Also, liebe Gäste aus dem außerbajuwarischen Ausland<br />

mit den zu dicken Geldbeuteln und den zu rosafarbenen<br />

Polohemden, wir machen das jetzt folgendermaßen:<br />

Gucci-T-Shirt aus, freundlich lächeln und rein ins Kino.<br />

Ganz normal. Ganz nett. Und wenn alles gut läuft,<br />

gibt man euch an der Theke ein 0,33er-Bier. Aber<br />

kein Becks, sondern ein Augustiner. Wir wollen es ja<br />

nicht übertreiben mit der Integrationsbereitschaft.<br />

WASCHDL GRANTNOCKERL // curt 35


36 curt // BERICHT<br />

stormy heather<br />

..<br />

Als MuNcheN leuchtete<br />

DIe golDeN tWeNtIes<br />

grazile Damen, umhüllt von federboas, in Begleitung ga-<br />

lanter Dandys, steigen unweit des künstlerhauses aus<br />

hochglanzpolierten oldtimern wie aus zeitmaschinen aus.<br />

Bohemiens, gigolos und charleston-ladys, alle waren sie<br />

gekommen, um bei der flüsterparty am 11. februar die<br />

roaring twenties nicht nur aufleben zu lassen, sondern<br />

diese in stilechter atmosphäre abseits des alltags zu leben.<br />

curt war dabei.<br />

Zur Zeit der Alkoholprohibition in den USA von 1919 bis 1933<br />

fanden die ausgelassensten Feiern in sogenannten Flüsterkneipen<br />

statt, die trotz Verbots dennoch den einen oder anderen hochprozentigen<br />

Tropfen ausschenkten. Ort und Zeitpunkt wurden<br />

ausschließlich durch Mundpropaganda weitergeflüstert … Man<br />

traf sich also zu einer Flüsterparty.<br />

Die Münchner Flüsterpartys sind zwar nicht ganz so geheim, aber<br />

mindestens so stilecht. Den beiden Veranstalterinnen Saskia Dürr<br />

und Stormy Heather geht es darum, einen mondänen Abend zu<br />

gestalten, der ihre Gäste auf eine stilvolle Zeitreise in die 20er-<br />

Jahre mitnimmt – natürlich in adäquater Umgebung. „Und da<br />

gibt es in München doch einige Schätze“, sagt Stormy Heather,<br />

die mit ihrer Show als funkelnder Stern am Münchner Burlesque-<br />

Himmel bekannt ist und für einen grandiosen Abschluss des<br />

Abends sorgt. Im Gespräch erzählt die Münchnerin, dass es die<br />

Mode und das Design waren, insbesondere das Art déco, die<br />

für sie die Faszination der 20er-Jahre darstellen. Der Grundstein<br />

dazu wurde während ihres Studiums in Miami Beach gelegt. Die<br />

Leidenschaft für das Burlesque hingegen ist für sie eine erotische<br />

Unterhaltung, ohne plump und platt zu sein. Dies macht auch<br />

die Kunst des Burlesque-Tanzes aus, erklärt Stormy Heather, bei<br />

dem der Weg das Ziel sei und es nicht darum ginge, möglichst<br />

schnell möglichst nackt zu sein. „Ich kann zum Beispiel mit dem<br />

Rücken zum Publikum den BH ausziehen und wenn ich mich<br />

umdrehe, halte ich einen Fächer oder Schirm vor mich. Wenn ich<br />

dann den Schirm lüfte, trage ich noch Mini-String und Pasties,<br />

bin also nie ganz nackt.“


38 curt // BERICHT<br />

Nicht weniger stürmisch ging es im München der Zwanzigerjahre zu.<br />

Zahlreiche Berühmtheiten, Künstler, Literaten und Exoten waren unter<br />

dem Dach der Stadt vereint, bevor die Nationalsozialisten die Überhand<br />

gewannen und die intellektuelle Szene aus München vertrieben.<br />

Von der sogenannten Schwabinger Boheme, welche vor allem konzentriert<br />

zwischen Maxvorstadt und Schwabing diskutierte, philosophierte<br />

und tüchtig feierte, ist heutzutage leider nur noch wenig zu<br />

sehen. Die anmutigen Jugendstilbauten wurden im Krieg zum größten<br />

Teil zerstört. Was hätten die Wände alles erzählen können, von ausschweifenden<br />

Feiern und hitzigen Diskussionen, in einer Zeit, in der<br />

Moral und Ethik an anderen Maßstäben gemessen wurden …<br />

So verhielt es sich mit dem „Café Stefanie“, das sich an der Ecke<br />

Theresienstraße/Amalienstraße befand und als einer der wichtigsten<br />

Treffpunkte der Szene galt. Thomas Mann ging hier ein und aus.<br />

Albert Langen, der Gründer des Satiremagazins „Simplicissimus“,<br />

welches auch schon mal wegen Majestätsbeleidigung beschlagnahmt<br />

wurde, war dagegen häufiger im gleichnamigen „Simplicissmus“ in<br />

der Türkenstraße, heute „Alter Simpl“, anzutreffen. Dieses Lokal war<br />

bei Studenten und Intellektuellen gleichermaßen beliebt, sodass es<br />

durchaus vorkam, dass man sich den Tisch mit Joachim Ringelnatz,<br />

dem dortigen „Hausdichter“, oder gar Frank Wedekind teilen musste.<br />

Neben Lenin, Trotzki oder Rainer Maria Rilke waren auch Paul Klee,<br />

Wassily Kandinsky und Franz Marc, Gründer der Künstlervereinigung<br />

„Der Blaue Reiter“, in den Goldenen Zwanzigern in München wohnhaft<br />

und sogar an der Akademie der bildenden Künste als Studenten<br />

eingeschrieben.<br />

Auch der Gründer des „Insel Verlags“, ein Bremer Jungverleger namens<br />

Alfred Heymel, pflegte in seiner Residenz in der Leopoldstraße 4 bei erlesenen<br />

Weinen über Pferderennen und künstlerische Ereignisse zu diskutieren<br />

oder fulminante Abendgesellschaften zu geben, bei denen sogar<br />

die weltberühmte Tänzerin Isadora Duncan zu Gast gewesen sein soll.<br />

Neben Häusern in der Ainmillerstraße ist auch dieser Prachtbau in der<br />

Leopoldstraße noch erhalten und beherbergt heute eine Versicherungsgesellschaft.<br />

Sollte der Wunsch aufkeimen, sich dem Charme und Flair<br />

der Zwanzigerjahre hinzugeben, empfehlen wir einen Spaziergang entlang<br />

der erhaltenen Schätze, um dann stilecht im Schelling Salon oder<br />

im „Alten Simpl“ auf einen Kaffee einzukehren ... oder gleich in eine<br />

Zeitmaschine zu steigen. Hinter vorgehaltener Hand sei hier der Ort der<br />

nächsten Flüsterparty weitergeflüstert: 21. Juni im hofbräukeller.<br />

teXt: marGarita sereda wiLdenauer // Fotos: christian voGeL<br />

Die besten<br />

ArtHouse Filme<br />

der Stadt.<br />

www.city-kinos.de


40 curt // Ö-TEAM ON TOUR<br />

teXt: Petra kirzenBerger // fotos: christian Vogel<br />

hopfeN uND MAlZ gott erhAlt’s!<br />

Das Ö-team (unser österreichisches Powerteam Petra und christian) begab sich auf<br />

historische spurensuche nach dem schmackhaften traditionsgebräu – in den ältesten<br />

gemäuern der münchner altstadt.<br />

eine historische Biertour sollte es werden. zugegeben: Wir haben die tour optimiert und<br />

den historischen teil etwas abgekürzt. Dies ist vor allem der winterlichen Witterung<br />

zuzuschreiben, die – Bergvolk hin oder her – so einen „ziaga“ (kneipentour) ungemütlich<br />

macht. aber – um den Bogen zum thema der ausgabe zu spannen – das alles<br />

hat etwas ziemlich zeitloses: schließlich sucht der mensch seit ewigkeiten den rausch.<br />

alkohol ist ein beliebtes mittel zur alltagsflucht. im Wein liegt Wahrheit – aber was<br />

hats mit dem Bier auf sich?<br />

Wir starten im „spöckmeier“ in der Rosenstraße. Obwohl das Wirtshaus bereits vor 500 Jahren<br />

urkundlich erwähnt, „im Krieg“ niedergebrannt und danach wieder aufgebaut wurde: Guten<br />

alten bayerischen Charme sucht man hier vergebens. „Hochwertig kaputtrenoviert“, lautet unser<br />

Urteil – helle Fichte statt dunklem Holz. Wir hau’n uns als erstes ein Hacker-Pschorr und ein<br />

Weißbier in die Figur. Das Pendant zum österreichischen „Seidl“ ist zur Freude des weiblichen<br />

Parts unseres Test-Duos auch im Land von Maß und Humpen zu finden: Bier im schwiegermutterfreundlichen<br />

0,3-l-Glas.<br />

Leider geißelt mich seit einigen Jahren eine Getreideallergie und der hierzulande allgegenwärtige<br />

Gerstensaft erfreut meinen Gaumen nur selten – wenn doch, so ist sowohl das Baucherl<br />

beleidigt als auch das Naserl verschnupft. Aber wir forcieren schließlich knallharten Journalismus<br />

und so pimpe ich meine Nase zu Beginn der Tour mit ordentlich Nasenspray. Biertrinken ist<br />

schließlich nix für Mädchen – das macht mir der zweite Teil des Ö-Teams, der (komische) Vogel,<br />

unmissverständlich klar.<br />

Die Speisekarte liest sich gut, aber noch ist der Durst schlimmer als Hunger und Heimweh. Weil<br />

wir so vogelwilde Typen sind, probieren wir todesmutig ein BiBi – eine Mischung aus Weißbier,<br />

Tonic Water und Aperol – das besser schmeckt als befürchtet. Doch da uns das Preis-Leistungs-<br />

Verhältnis weder beim Bitter-Bier noch beim Hellen überzeugt und der Kellner zum Schluss<br />

mit seinem Kollegen – dummerweise für uns hörbar – über unser Trinkgeld lästert (immerhin<br />

1,20 Euro), ziehen wir weiter. Nicht ohne unsere Beschwerden auf den bereitgestellten Kärtchen<br />

zu notieren. Was sind wir rebellisch heut!<br />

Unsere nächste Station ist das „Bier- und oktoberfestmuseum“, das sich im ältesten Bürgerhaus<br />

Münchens (um 1340) befindet. Schon beim Eintreten versöhnt uns das freundliche Lächeln<br />

der Kellnerin mit dem zuvor Erlebten, nein, ich behaupte sogar: mit der ganzen letzten Woche!<br />

Wir dürfen uns in aller Ruhe umsehen – wenngleich leider alle Tische reserviert sind. Das macht<br />

uns nicht viel aus – wir stellen uns an die Bar zu einer singenden Runde silbergrauer Herren und


42 curt // Ö-TEAM ON TOUR<br />

lassen uns ein dunkles Augustiner vom Fass schmecken. Man sitzt hier im Gewölbekeller mit<br />

Braukessel sehr gemütlich, die Atmosphäre ist urig, das Essen deftig und lecker und das Personal<br />

herzlich und freundlich. Vor allem mit Besuch von außerhalb lohnt sich ein Abstecher hierher:<br />

Das Museum bietet Führungen, Bierverkostungen, sogar Bierbraukurse. Den Durst vom Erklimmen<br />

der steilen Altmünchener Himmelsleiter löscht man anschließend mit einem der vier Biere<br />

vom Fass, die hier saisonal wechseln. Wir sind begeistert und malen in allen Bewertungskriterien<br />

dicke fette drei Punkte.<br />

Im „Dürnbräu“ – Station Nummer 3 – stehen gleich 4 Kellner Spalier als wir 2 dort reinrauschen.<br />

Wir nehmen an der langen Tafel in der Mitte Platz und bestellen ein Helles, das in einem<br />

urigen Krug mit Zinndeckel serviert wird. Dass es ein Spaten Bräu ist, merken wir sofort – und wir<br />

finden, dass es vom Fass durchaus trinkbar ist. Das Ambiente ist gediegen, der Service freundlich.<br />

Aber auf Dauer ist uns das Ganze dann doch zu bieder. Zudem wollen wir die am Nebentisch<br />

in gedämpftem Ton ausgetauschten Heimlichkeiten nicht mit unseren – intellektuell wie immer<br />

hochwertigen, aber eben ausgelassenen – Gesprächen stören. Und der Mann im zartgelben<br />

Angora-Pulli verrenkt seinen Kopf schon beinah unnatürlich, um uns trotz Dauerbeschallung von<br />

seinem Gegenüber zu verstehen.<br />

Also nix wie weg, ehe es peinlich wird. Wir retten uns – quasi – auf heimatlichen Boden: „hofer,<br />

der stadtwirt“ befindet sich in einem der ältesten Münchner Stadthäuser (gotischer Innenhof,<br />

Spindeltreppe, Himmelsleiter). Dort laben wir uns an hervorragendem bayrisch-österreichischen<br />

Essen, mäßig gutem Löwenbräu Bier und ausgezeichnetem Espresso – und fühlen uns in den<br />

liebevoll und originell gestalteten Gasträumen richtig wohl. Unser Kellner erinnert a bisserl an<br />

Wien – jede Regel wahrend, offensichtlich unverschämt, aber humorig – und eben deshalb<br />

charmant. Ich male – nicht nur aus Heimweh – wieder fleißig Knödel aufs Zetterl.<br />

Nachdem wir im „Weißen Bräuhaus“ keinen Platz bekommen, beschließen wir, das Naheliegene<br />

und zugleich sicherlich Letzte für heute Abend zu tun: die „augustiner halle“ ansteuern.<br />

Den schönen Muschelsaal im hinteren Bereich, der 1897 von Emanuel von Seidl entworfen<br />

wurde, beachten wir kaum. Interessanter erscheint uns schon, welche Schnapserl es auf der<br />

Karte gibt. Nach der ersten Halben schwenken die Gesprächsthemen immer mehr von Dienstlich<br />

auf Privat, der Dialekt wird ausgeprägter und unser Blick aufs Drumherum gnadenloser.<br />

Einen Schnitt zu trinken lehnen wir ab – das ist nix für uns Ösis. Bei uns heißt das Pfiff (sprich:<br />

Pilsglas) oder Fluchtachterl (weil nach vielen Bier noch schnell ein Glas Wein).<br />

Nach etlichen „Scheidebechern“ – natürlich ist nun jedes Bier das Letzte – machen wir uns wieder<br />

auf in die kalte Nacht. Nicht jedoch, ohne vorher ein Zitat von Benjamin Franklin für gut und richtig<br />

zu befinden: „Bier ist der Beweis dafür, dass Gott uns liebt und will, dass wir glücklich sind.“<br />

alle historischen fakten sind dem „Bier-mini“ zu entnehmen, der im Volk Verlag erschien<br />

und uns als inspiration zu dieser tour diente. Dort findet man die komplette tour durch die<br />

altstadt sowie viele interessante infos rund ums Bier und dessen geschichte in münchen.


44 curt // BERICHT<br />

„hoffNuNg WAr NIcht VerboteN.“<br />

VerloreNe JugeND<br />

abba naor ist 82 Jahre alt. ein Wunder, denn er überlebte die Vergangenheit. er überlebte 3 Jahre ghetto<br />

in kaunas und die konzentrationslager von stutthof und Dachau. und er kam zurück. ins ludwig-thomahaus<br />

in Dachau, um als einer der letzten überlebenden über die zukunft zu sprechen. teXt & Fotos: christian GretZ<br />

Der kleine Mann im dunklen Anzug erinnert mich sehr an meinen Opa. Das wird mir spätestens aber bei diesem Satz<br />

klar: „Ich sage immer ich bin der Sohn eines Grafen. Mein Vater war nämlich Fotograf.“ Abba Naor hat jedoch nicht<br />

nur seinen brillanten Humor, sondern auch äußerliche Merkmale und das hohe Alter mit meinem Opa gemein. Doch<br />

so ähnlich die Herren in den letzten Jahrzehnten ihres Lebens auf mich wirken, so unterschiedlich verlief ihre Kindheit<br />

und Jugend.<br />

Während mein Opa, in militärisch organisierten staatlichen Jugendgruppen mit Propaganda zugeschüttet und noch<br />

vor seiner Volljährigkeit auf einen Einsatz an der Kriegsfront vorbereitet wurde, begann einige tausend Kilometer weiter<br />

östlich nach einer wohlbehüteten Kindheit in der litauischen Stadt Kaunas für Abba Naor der Alltag im Ghetto.<br />

Und doch verbindet beide ein untrennbares Schicksal: Beide verloren Familienmitglieder und die eigene Jugend durch<br />

das Schreckensregime der Nazis: mein Opa an der Kriegsfront, Abba Naor im Ghetto und in Konzentrationslagern.<br />

„ich hatte eine schöne, aber kurze kindheit.“<br />

Im Ghetto beginnt seine Geschichte. Eine wahre Geschichte, die Geschichte seines Lebens während der NS-Diktatur.<br />

Er war 13 Jahre alt, als im Sommer 1941, kurz nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Kaunas, alle Juden<br />

in ein Ghetto umziehen müssen. „Das Leben im Ghetto war kein Picknick, aber wir haben viel gelernt“, sagt Abba<br />

Naor mit ruhiger, fester Stimme. „Gelernt, was Leben bedeutet, was es bedeutet, Freunde zu haben.“<br />

Während beide Eltern von früh bis spät Arbeiten für die Besatzer erledigen mussten, passte Abba auf seinen kleinen<br />

Bruder auf. „Wir durften nicht zur Schule gehen …“ Und als alle Gäste im Saal mit bedrückter Miene den nächsten<br />

erschütternden Fakt des Zeitzeugen erwarten, schafft dieser es, auf unnachahmliche Weise vielen ein Schmunzeln<br />

auf die Lippen zu zaubern: „Damit konnte ich leben.“<br />

Rückblickend auf die Stunden mit seinen zwei Brüdern während der Jahre im Ghetto sagt er: „Wir waren Kinder<br />

und haben gemacht, was Kinder eben so machen. Natürlich hatten wir auch Flausen im Kopf.“ Wie sehr sich diese<br />

Kindheit von einer idealen Kindheit und Jugend unterschied, wird jedoch schon im nächsten Satz wieder deutlich:


46 curt // BERICHT<br />

„Hunger war ein ständiger Begleiter, aber die Angst war fast noch schlimmer.“ Es gab viel zu wenig zu essen im Ghetto<br />

und das Einkaufen außerhalb des Ghettos war jedem unter Androhung der Todesstrafe verboten. Die Erwachsenen<br />

dachten, es wäre eine gute Idee, die Kinder zum Einkaufen zu schicken. Zum einen, weil sie bessere Chancen hatten,<br />

von den Verkäufern Ware zu bekommen, und zum anderen, weil sie damit rechneten, dass die SS ihre grausamen<br />

Strafen nicht bei Kindern anwenden würde, falls sie erwischt wurden. Ein Irrtum.<br />

26 Kinder wurden in Kaunas erschossen, weil sie sich des „Verbrechens“ schuldig machten, Essen zu kaufen. Unter<br />

ihnen war auch Abbas älterer Bruder Chaim: Er war noch keine fünfzehn Jahre alt, als er hingerichtet wurde.<br />

Für seinen kleinen Bruder bauten die Eltern ein Versteck im Kachelofen, in dem dieser oft stundenlang still sitzen<br />

musste. Eine unglaubliche Leistung für ein Kind im Kindergartenalter. Mit diesem Beispiel veranschaulicht Abba Naor,<br />

wie schnell die Kinder erwachsen wurden. Wie schnell selbst die Jüngsten den Ernst der Lage begriffen. „Das Einzige,<br />

was erlaubt war, war hoffen. Hoffnung war nicht verboten.“<br />

„Das Schlimmste waren die Selektionen“, berichtet er weiter. Es war dabei von Umsiedlung die Rede, aber „wir<br />

wussten, dass ,Selektion‘ Mord bedeutete.“ Bei einer dieser Selektionen sah Abba Naor am 26. April 1944 seine<br />

Mutter und seinen kleinen Bruder zum letzen Mal. Sie wurden vom KZ Stutthof bei Danzig, wohin die Familie nach<br />

der Auflösung des Ghettos von Kaunas gebracht wurde, nach Auschwitz-Birkenau transportiert.<br />

Auch Vater und Sohn wurden getrennt. Abba kam nach Utting, wo er in einem Arbeitslager mit etwa 500 anderen<br />

Gefangenen inhaftiert war. Über die Zeit dort scherzt er: „Mein Kindheitstraum ging in Erfüllung. Ich durfte Lokomotivführer<br />

werden.“ Mit einer Diesellok musste er Gegenstände 30 Kilometer weit über die bayerischen Felder am<br />

Ammersee transportieren.<br />

Das Essen war auch hier bei Weitem nicht ausreichend für die Gefangenen, die täglich harte körperliche Arbeit verrichten<br />

mussten und auch bei extremer Kälte nichts als ihre Häftlingskleidung und einfache Schuhe trugen. „Man<br />

bekam um 10 Uhr eine Suppe, abends ein Stück Brot, manchmal ein kleines Stück Käse.“<br />

„Wir haben auch gelernt aufzupassen. Aufzupassen auf die Aufpasser.“ Und in seiner unnachahmliche Art wirft<br />

Abba Naor auch einen Blick zurück auf die hygienischen Verhältnisse während der Zeit im Arbeitslager: „Hätten wir<br />

die Pyjamas ausgezogen, die wären von alleine gelaufen, so viele Viecher hatten die drin.“<br />

„das war der größte Fehler meines Lebens.“<br />

aBBa naor<br />

Beim dachauer ZeitZeuGen-<br />

GesPräch im Januar <strong>2012</strong><br />

Foto: kZ-Gedenkstätte dachau<br />

Da er seinen Vater dort vermutete und ihn wiedersehen wollte, meldete sich Abba Naor freiwillig für einen Einsatz<br />

in Kaufering, wo sich eines der härtesten und mörderischsten Außenlager des Konzentrationslagers Dachau befand.<br />

„Ich ging freiwillig nach Kaufering. Das war der größte Fehler meines Lebens. Dort gab es keine Diesellokomotive.<br />

Man musste in 12-Stunden-Schichten Zementsäcke schleppen.“<br />

Vom Geschehen an der Kriegsfront bekamen die Gefangenen natürlich keine Neuigkeiten: „Wir wussten nicht, dass<br />

der Krieg zu Ende ging. Wir wussten, dass es mit uns zu Ende ging. Die Leichen stapelten sich.“<br />

Abba Naor hat bereits über eine Stunde gesprochen. Bis zu diesem Zeitpunkt sehr gefasst, souverän und sogar humorvoll.<br />

Doch zum ersten und einzigen Mal an diesem Abend lässt das Gesicht des älteren Herrn einen Ansatz von<br />

Fassungslosigkeit erkennen. „Ich frage mich noch heute: Warum hat man uns verhungern lassen, wenn man so<br />

dringend Arbeitskräfte brauchte?“<br />

Auch Abba Naor wäre in Kaufering fast zu Tode geschunden worden. Die näher rückende Frontlinie veranlasste die SS<br />

im April 1945 jedoch, die Arbeitslager zu räumen und die versklavten Menschen, die sich in katastrophalem gesundheitlichen<br />

Zustand befanden, zu sogenannten Todesmärschen in Richtung der bayerischen Alpen zu zwingen.<br />

„Einen Tag vor der Befreiung kamen wir an einem toten Pferd vorbei, das am Wegesrand lag. Die Leute versuchten,<br />

mit bloßen Händen Fleisch abzureißen, und wurden dafür von den Wachmännern erschossen.“ Die Gefangen hatten<br />

keinen Kontakt zur Zivilbevölkerung.„Frauen aus einem Dorf kamen und wollten uns Brot und Wasser geben, die<br />

wurden von den Wachmännern verjagt.“<br />

Auf einem dieser Märsche werden die Gefangenen, unter denen sich Abba Naor befindet, schließlich von amerikanischen<br />

Soldaten befreit und er kommt zunächst in ein Auffanglager, von dem er folgende Anekdote erzählt: „Mein<br />

Beginn als freier Mensch! Ich hab mich umgekleidet …“ Er pausiert kurz: „In deutsche Militärkleidung. Und mir wurde<br />

gesagt, ich soll die sofort ausziehen, wenn ich überleben will.“<br />

infos zum autor christian gretz // er interessiert sich nicht nur Für die deutsche Geschichte, sondern insBesondere Für die<br />

historie münchens. stadtFührunGen mit ihm GiBts unter noBullshittours.com


48 curt // ZEIT<br />

die 5-vor-12-uhr zum ausschneiden und panik verbreiten<br />

Ist Dein leben 2.0 entspannt?<br />

Jetzt mal ehrlich, kommst du mit deiner zeit hin? Dein tag hat genau wie bei allen<br />

anderen 24 stunden, insofern dürfte da nicht so ein großer unterschied sein. und doch<br />

gibt es menschen, die völlig entspannt durch dieses leben wandeln, fast wie kinder.<br />

Denn als kind, da hatten wir ja auch noch alle zeit der Welt, waren scheinbar zeitlos bei<br />

allem, was wir getan haben. zumindest solange uns der alltag mit schule, aufgaben<br />

und später dann der Beruf mit vielen terminen nicht eingeholt hatte.<br />

Heute sind die Inseln der freien Zeit meist teuer erkauft, als Urlaub in einem fernen Land oder<br />

zwischen zwei Terminen. Doch dann fängt er uns schnell wieder ein, der Alltag mit Handyklingeln,<br />

SMS, E-<strong>Mai</strong>ls und Kinderwünschen, Anforderungen der Kollegen, der Eltern, des Partners oder<br />

von wem auch immer. Nur wir selbst bleiben zu oft auf der Strecke.<br />

Not tut ein neuer Umgang mit der Zeit! Doch was kannst du tun, insbesondere dann, wenn du<br />

chronisch zu wenig Zeit hast? Die Japaner haben angeblich einen passenden Spruch: „Wenn<br />

Du zu spät kommst, dann gehe nochmal um den Block.“ Aber dann komme ich ja noch später<br />

zu dem wichtigen Kundentermin, denkst du jetzt vielleicht? Stimmt! Und du gewinnst Zeit zum<br />

Nachdenken. Meine These ist, dass Menschen, die schlecht mit ihrer Zeit umgehen können, keine<br />

klaren Ziele für ihr Leben haben. Sie wissen nicht, wo sie hinwollen und daher können sie nicht<br />

entscheiden, was wichtig ist für ihr Leben und was nicht. Doch genau diese Unterscheidung<br />

könnte die Ruhe zurück in den Alltag bringen, die so dringend ersehnt wird. Nun mal langsam:<br />

Erst sollte klar werden, was dein Ziel ist. Das große Lebensziel. Warum lebst du auf diesem Planeten<br />

zu dieser Zeit? Welche Bedeutung gibst du deinem Leben?<br />

Erstaunlich ist, dass die meisten Menschen so leben, als hätten sie noch ein Leben sozusagen im<br />

Kofferraum, ein Ersatzleben. Als wäre ihnen völlig klar, dass das, was sie jeden Tag tun, nicht das<br />

ist, was sie wirklich machen möchten. Und als würden sie auf die Erlaubnis warten, dass sie nun<br />

endlich Leben 2.0 beginnen dürfen. Insofern darf sie erlaubt sein, die Frage: Wie ist dein Leben in<br />

Richtig? Nicht fremdbestimmt durch die vielen anderen Menschen, die alles besser wissen, was<br />

für dich gut ist. Nein, dein Leben, das Leben deiner Träume.<br />

Und von da aus näherst du dich dann allmählich dem Alltag. Genauer der Frage, welche Bedeutung<br />

du dem aktuellen Lebensabschnitt geben willst. Du kannst nicht nicht Bedeutung geben,<br />

denn alles, was du jeden Tag tust, ist, Zeit für etwas einzusetzen. Und damit gibst du der Zeit<br />

und zugleich deinem Leben eine bestimmte Bedeutung. Ist es wichtig, was du gerade tust? Hat<br />

es eine entsprechende Bedeutung für dich oder für einen anderen Menschen, dem du damit<br />

dienst? Sinnvoll oder sinnlos, voller positiver Bedeutung oder völlig belanglos? Und selbst wenn<br />

es belanglos wäre, fühlt es sich gut an? Denn wenn du dich dabei gut fühlst, dann hast du diese<br />

Zeit bestmöglich genutzt. Und dann wird dein Leben Schritt für Schritt fröhlicher, erfüllter und<br />

zugleich auch entspannter. Und das war ja das Ziel von Leben 2.0, oder?<br />

üBer Den autor: marc a. PLetZer ist nLP master-trainer und Leitet Gemeinsam mit seiner Frau wieBke<br />

Lüth eines der Grössten nLP-institute in euroPa, die Fresh-academy. weitere inFormationen GiBt es<br />

auch unter fresh-acaDemy.De. dort GiBt es auch einen kostenLosen wöchentLichen Podcast.<br />

teXt: marc a. PLetZer // iLLu: marius rohne


..<br />

zeit fur musik


52 curt // MUSIK<br />

deichkind leider geil<br />

hier wurde nicht lang geschnackt, sondern auf den auslöser gedrückt. Die Jungs von Deichkind schauten<br />

nicht schlecht, als wir beim interviewtermin gar nicht mit ihnen reden, sondern lieber die nordischen<br />

köppe vor der kamera haben wollten. mit ihrem aktuellen album „Befehl von ganz unten“ sind Deichkind<br />

seit anfang märz auf Deutschlandtour. Das konzert in münchen am 17. märz im zenith präsentieren wir<br />

natürlich – und verlosen neben 3 x 2 tickets auch 1 x crowdsurfing im schlauchboot. kein scheiß! alle infos<br />

auf curt.de! fotos: michael Dengler mit suPerassistent moritz eBeling


54 curt // MUSIK<br />

..<br />

curt prasentiert einiges<br />

..<br />

Marz<br />

03 kettcar // kesselhaus<br />

17 DeichkinD // zenith<br />

18 tinDersticks // muffathalle<br />

21 imaginary cities // ampere<br />

23-25 frameWorks festiVal // mug im einstein (ehem. „t-u-b-e“)<br />

25 taliB kWeli // muffathalle<br />

26 mayBesheWill // ampere<br />

28 Ólafur arnalDs // muffathalle<br />

30 Wor(l)D connects Vol. 1 // global hiphop-album release Party // ampere<br />

30 Wrongkong // Backstage halle<br />

april<br />

01 soko // ampere<br />

16 olli schulz – sos tour <strong>2012</strong> // muffathalle<br />

18 Dan mangan // feierwerk, hansa 39<br />

22 great lake sWimmers // kultur-schranne, Dachau<br />

mai<br />

07 t. c. Boyle „Wenn Das schlachten VorBei ist“ – lesung // muffathalle<br />

13 the Black seeDs // ampere<br />

14 lemonheaDs // freiheiz<br />

20 John k samson - ProVincial // ampere<br />

21 immanu el // ampere<br />

zu allen events verlosen wir 3 x 2 karten! alle Verlosungen und weitere infos gibts auf curt.de!


56 curt // MUSIK<br />

..<br />

curt hort<br />

neues quartaL, neue musik -– oder einFach nur dauerBrenner. das LäuFt in der redaktion.<br />

Childish Gambino: CamP // reLease: 02. märZ // LaBeL: cooPerative music<br />

eigentlich ist donald Glover in den usa als schauspieler bekannt, doch seine talente<br />

sind vielfältig: seit Längerem ist rap eine seiner Leidenschaften, die er mit der veröffentlichung<br />

von „camp“ unter seinem mc-alter-ego childish Gambino erstmalig<br />

ernsthaft konkretisiert. ernst geht es mit themen wie selbstfindung oder rassismus<br />

auch auf seinem ersten studioalbum zu, allerdings weniger auf die weinerliche art.<br />

childish Gambino spricht über erlebnisse auf dem weg zum ruhm und zeigt, was<br />

im rap neben karren und cash noch alles möglich ist. teXt: Patrick caValeiro<br />

bETh JEans hoUGhTon & ThE hooVEs oF dEsTinY: YoURs TRUlY, CEllo-<br />

PhanE nosE // reLease: Bereits erschienen // LaBeL: mute records<br />

dieses debüt ist ein Feuerwerk der quirligkeit. der klare Gesang von Beth Jeans<br />

houghton schleicht sich feenhaft an. doch noch bevor der hörer in traumwelten<br />

versinkt, bricht der Beelzebub hervor. es klingt wie psychedelischer Folk auf speed<br />

mit orchesterbegleitung und chorälen. Bei all dem schwingt eine unvergleichliche<br />

Lebensfreude mit, der texte über das sabotieren von Beziehungen entgegengesetzt<br />

werden. nicht etwa, weil hier eine heulboje am werk ist, sondern weil das<br />

auf und ab des Lebens mit euphorischem kampfgeist gefeiert wird. extrem weird<br />

und extrem schön zugleich. teXt: Janine anDert<br />

anZeiGe


58 curt // MUSIK<br />

fIVA uND DAs phANtoM orchester<br />

ein kalter nachmittag in münchen. ich treffe mich auf einen tee mit netten<br />

menschen im cafe kosmos, um über neuigkeiten zu plaudern. mit mir dort:<br />

fiva mc, Paul reno (ex-emil Bulls) und rüde (sportfreunde) samt neuem<br />

album. interview und Fotos: michaeL denGLer<br />

In den letzten zehn Jahren brachte Nina „Fiva“ Sonnenberg drei Alben auf den<br />

Markt, war mit MC Rene und Fettes Brot auf Tour, heimste unzählige Poetry-Slam-<br />

Preise ein, gründete ein Plattenlabel, moderierte den Zündfunk auf Bayern 2, hatte<br />

eine eigene Sendung auf on3, veröffentlichte ein Buch, arbeitete mit der Kieler<br />

Oper zusammen an „Das Nibelungenlied“, ist seit 2011 Moderatorin der Grimme-<br />

Preis nominierten Sendung „Der Marker“ auf zdf.kultur und „Fiva’s Ponyhof“ auf<br />

FM4. Und weil das noch nicht genug war, produzierte sie mit Paul und Rüde ihr<br />

viertes Album „Die Stadt gehört wieder mir“ – mit Orchester, versteht sich.<br />

Wie schaffst du das alles?<br />

FIVA: Zeitlich?<br />

nervlich.<br />

FIVA: Also, das alles könnte ich nicht machen …<br />

PAUL: Ohne Assistenten wie mir!<br />

FIVA: Das stimmt. Ein Glück, dass ich Menschen wie Paul und Rüde um mich<br />

habe, die Vollblutmusiker sind, sich mit allem auskennen. Ich bin ja keine Musikerin,<br />

ich bin Texterin.<br />

Die erste singleauskopplung trägt denselben titel wie das album: „Die<br />

stadt gehört wieder mir“. ein statement?<br />

FIVA: Na ja, es ist nicht so eine Rap-„Ey Leude, ich bin wieder da“-Nummer. Es<br />

geht um den Gedanken nach einer Trennung, wenn man z. B. im früher gemeinsamen<br />

Café sitzt und sich denkt: „Die Stadt gehört wieder mir – und mir ist<br />

scheißegal, dass wir hier zusammen waren!“<br />

ihr nennt euch Phantom orchester. Wie kam das?<br />

PAUL: Rüde und ich haben schon knapp ein halbes Jahr Beats zusammengeschraubt,<br />

bevor ich Nina überhaupt kennenlernte. Ich war also für sie das<br />

Phantom im Produktionsteam. Bei der ersten Aufnahmesession in Rüdes Keller<br />

sagte Nina dann: „Du bist Paul Phantom?“<br />

FIVA: So wurde aus einem Scherz nach zwei Jahren Arbeit das Phantom Orchester<br />

geboren.


60 curt // MUSIK<br />

Paul, wie lief die musikalische Produktion zwischen dir und rüde?<br />

PAUL: Wenn man mit einem Kerl wie Rüdiger zusammenarbeitet, ist es einfach Wahnsinn, da er kompositionstechnisch<br />

unglaublich viel auf dem Kasten hat. Zusätzlich bringt er eine große Infrastruktur mit.<br />

Normal ist: „Streicher wären schon geil. Na ja, programmieren wir sie.“ Und beim Rüdiger ist es einfach:<br />

Zack – Streicher sind da.<br />

Bisher stand bei dir immer der text im Vordergrund. hattest du sorge, dass was von deinem stil<br />

verloren geht?<br />

FIVA: Überhaupt nicht. Ich hatte von Anfang an vollstes Vertrauen. Die beiden wussten, dass es mir saumäßig<br />

auf die Texte ankommt, und das ist ja auch die Stärke von Rapmusik. Natürlich haben wir in zwei Jahren<br />

Produktionszeit viel umgeschmissen und geredet, aber unsere Basis war immer klar.<br />

PAUL: Normalerweise wird der Text bei einem Künstler ein wenig stiefmütterlich behandelt. Bei Nina war<br />

jedoch klar, dass man sich als Musiker und Produzent anstrengen muss, um auf das Level zu kommen, das<br />

sie mit ihren Texten vorgibt. Man kommt nicht oft mit Künstlern zusammen, die textlich auf einem so hohen<br />

Niveau arbeiten.<br />

auf dem fm4-fest habt ihr gerade das zweite mal zusammen live gespielt. Wie nervös ist man,<br />

plötzlich vor einem orchester zu stehen?<br />

FIVA: Unfassbar nervös! War einer der wenigen Momente, als ich dachte: „Was machste denn hier? Spinnste?!<br />

Geh nach Hause!“ Kann man aber erst recht nicht, wenn man so viele Leute dabei hat. Jetzt freue ich mich<br />

einfach auf die Tour. Wir spielen viele Festivals. Das wird so geil!<br />

Was ist für dich das spannendste am Projekt „fiva & das Phantom orchester“?<br />

FIVA: Dass ich mich in die Hände von zwei Produzenten begeben habe, die eigentlich überhaupt nicht aus<br />

dem Hip-Hop kommen. Und der Schritt, mit Live-Musikern zu arbeiten. Und der Moment, als wir tatsächlich<br />

mit den Streichern das aufgenommen haben, was Paul, Rüde und ich im Keller zusammengekloppt haben.<br />

Du gehst dann nach Hause und denkst dir: „Mei, natürlich willste, dass alle das Album hören und kaufen.<br />

Aber das war schon so ein Meilenstein – das reicht jetzt auch.“<br />

noch einen monat bis zur tour. Wie ist die stimmung?<br />

FIVA: Rüde sagt immer so schön: „Man steht morgens auf und hat schon ein schlechtes Gewissen.“ Es gibt<br />

noch so viel zu tun. Ich bin die ganze Zeit zwischen Lachen und Umfallen.<br />

Wenn ihr eine zeitmaschine hättet, in welche zeit würdet ihr reisen?<br />

PAUL: Ich bin ein Kind der 70er-Jahre. Obwohl ich glaube, dass für den Durchschnittsmenschen die 70er gar<br />

keine so aufregende Zeit waren. Es war schon eine ziemlich spießige und staubige Zeit, aber kulturell ist viel<br />

passiert, was heute Wert hat. Mit dem Anfang der Popmusik fühle ich mich auch musikalisch dort sehr wohl.<br />

FIVA: Ich wäre gerne von Anfang an dabei gewesen. 1999 habe ich begonnen zu rappen, da war man<br />

genau in der Sparte, wo MTV und VIVA nicht mehr cool waren. Ich würde schon gerne sagen: „Ich war<br />

dabei, als das erste Soundsystem aufgelegt hat.“ Ich hab ja auch alle Originalplatten – aber eben zehn Jahre<br />

später gekauft.<br />

Wir machen den fehler nicht und haben die Platte schon im regal. um von anfang an dabei zu sein.<br />

fiVa & Das Phantom orchester sPielen am 27. märz im atomic cafe // „die stadt Gehört wieder mir“ von<br />

Fiva & das Phantom orchester, reZi und video auF curt.de.


62 curt // MUSIK<br />

sputNIk sprINg breAk<br />

festIVAl-IDylle Auf Der hAlbINsel pouch<br />

früher stand der muldenstausee-ortsteil Pouch im<br />

landkreis anhalt-Bitterfeld zwischen leipzig und<br />

Dessau vor allem für faltboote. Die „Poucher Boote<br />

gmbh“ war unter anderem für den in DDr-zeiten<br />

kultigen reise-zweier „rz 85“ verantwortlich. einer<br />

kurzen krise nach der Wende folgte der auf-<br />

schwung, heute gibt es neben den klassischen falt-<br />

booten auch neue modelle. Der auf einer halbinsel<br />

liegende ortsteil bietet viel Platz zum Bootebauen,<br />

ende der 1990er-Jahre entstand hier mit einer<br />

fläche von 60 Quadratkilometern das weltweit<br />

größte landschaftskunstprojekt (landschaftspark<br />

goitzsche). teXt: david Lodhi // Foto: stePhan FLad<br />

Umso erstaunlicher, dass mit dem Sputnik Spring Break<br />

auf diesem malerischen Flecken Ostdeutschlands 2008<br />

ein weiterer Wirtschaftsfaktor hinzukam, der aus dem<br />

Jahresplan der Region inzwischen nicht mehr wegzudenken<br />

ist. Präsentiert vom Jugendkulturradio des MDR,<br />

wurde vor fünf Jahren mit Auftritten von unter anderem<br />

<strong>Digitalism</strong>, Deichkind, Moonbootica und Wir sind Helden<br />

erstmals unter Beweis gestellt, dass ländliche Tradition<br />

und kulturelle Moderne durchaus unter einen Hut zu<br />

bringen sind.<br />

Vom 25. bis <strong>28.</strong> <strong>Mai</strong> feiert das Festival fünften Geburtstag<br />

und schreibt damit ein weiteres Kapitel seiner Erfolgsgeschichte.<br />

Ein Blick auf das Programm unterstreicht das:<br />

Deichkind sind wieder da. Dem ersten frischen Lebenszeichen<br />

„Bück Dich hoch“ folgte der Langspieler „Befehl<br />

von ganz unten“. Message und Erfolg geben sich dabei<br />

die Klinke: „Leider geil“. Der <strong>Rostock</strong>er Hip-Hoper Marteria<br />

(aka Marsimoto) distanziert sich immer wieder<br />

gerne öffentlich von seinem musikalischen Genre, das<br />

ihm oftmals nicht nur zu anti-schwul ist. Word! Und gut,<br />

dass der Mann nicht Fußballer, sondern Rapper geworden<br />

ist, und immer häufiger auf den großen Bühnen<br />

zeigt, wo es langgeht in puncto Niveau. Ebenfalls raus<br />

aus dem Jugendzentrum und das im Schnelldurchlauf<br />

geht es nun für die fünf Herrschaften von Kraftklub,<br />

deren Debütalbum „Mit K“ Platz 1 der Charts enterte<br />

und die Band zum geliebten Sprachrohr ihrer eigenen<br />

Generation macht. Irgendwo zwischen Über-Ironisierung<br />

und Entgleisung in Spannend.<br />

Außerdem sind bisher bestätigt: Anthony Rother, Boris<br />

Dlugosch, Fritz Kalkbrenner, <strong>Jennifer</strong> <strong>Rostock</strong>, Lexy &<br />

K-Paul, Mia., Ostblockschlampen, Sascha Braemer, Turntablerocker,<br />

WassBass, <strong>Digitalism</strong>.<br />

sPutnik sPrinG Break FestivaL // 25. Bis <strong>28.</strong> mai // Pouch // sPutnik.de/sPrinGBreak // kartenVerlosung auf curt.De


64 curt // MUSIK<br />

eVeryDAy hIstory INDIe-rock<br />

alles begann vor gerade mal zwei Jahren. Vier Jungs<br />

aus rosenheim taten sich zu einer Band zusammen,<br />

tauften sich everyday history, rotzten fünf<br />

songs auf eine eP namens „music to the fore“ und<br />

schickten sie zu achim Bogdahns zündfunksendung<br />

„montagsdemo“. teXt: michaeLa neukirch<br />

In der Jury saßen Sänger Thees Uhlmann und Musikexpress-Redakteur<br />

Josef Winkler – und beide verloren sich<br />

in übereuphorischen Lobreden. Kostprobe Uhlmann:<br />

„Man freut sich, dass ein Gitarrist dagesessen ist und<br />

sich das ausgedacht hat. Wenn diese Band aus Amerika<br />

und bei Sub Pop gesigned wäre, dann wären die schon<br />

das neue große Ding.“ Nachtrag Winkler: „Zeitlos guter<br />

Indie-Rock.“ Und Fazit Bogdahn? „Erinnert an Grunge,<br />

als Grunge noch Grunge war.“ Die Zauberformel: eine<br />

traumhaft eingängige Melodie, die perfekte Mischung<br />

aus Laut und Leise, oder „Silks and Satins“ wie die<br />

Newcomer ihre Mitsumm-Ode an die erste große Liebe<br />

nannten.<br />

Beinahe ein Jahr liegt der Lobesreigen nun zurück.<br />

Everyday History sind noch immer erst Anfang zwanzig<br />

und ausgebildete Musiker, die von Klavier bis Jazzgitarre<br />

alles können. Will man wissen, was für einen Sound<br />

sie produzieren, heißt es bei Facebook: klassisch-elektronischer<br />

Indiemetalblues. „Wir haben keinen Bock auf<br />

dieses ‚Wir sind so anders‘. Das sagt doch jede zweite<br />

Band über sich“, erklärt Simon Staudigl, Sänger und<br />

Gitarrist. Wer viel Potenzial hat, muss sich nicht eingrenzen:<br />

Nirvana beeinflussen genauso wie Radiohead,<br />

Dire Straits oder eben Tomte. Und was junge Menschen<br />

sonst noch alles beeinflusst. Auffallend reif klingen sie<br />

jedenfalls; Un-Rosenheim möchte man sagen. Das gute<br />

Englisch, die flüssige Aussprache – beispielsweise von<br />

lyrischen Alltagsmythen wie „It’s my routine to eat little<br />

children’s hands“, gebettet in eine Unschuldsnummer,<br />

ein Wiegenlied. „Der Song – das kann man mit gutem<br />

Gewissen sagen –, der ist sozialkritisch. Und ich hasse<br />

das Wort sozialkritisch“, kommentiert Simon. Der Song<br />

„Radioactive Bareness“ findet sich auf ihrer gerade<br />

erst fertig gewordenen zweiten EP „The Last 5 Steps<br />

Towards The Sea“. Eins von fünf fabelhaft-poppigen<br />

Beispielen für Planlos-Loslaufen-ist-nicht.<br />

Und angekommen im Jahr <strong>2012</strong> sind sie auch: Effektgeräte,<br />

Loops, Sound-Zerstückelungen – alles da –, aber<br />

eine reine Synthie-Pop-Band wollen Everyday History<br />

nicht sein. Müssen sie ja auch nicht. Aber was steht<br />

dann auf dem Plan? „Durch das Medium Internet nimmt<br />

der Musiker eine neue Rolle ein, wenn er Menschen erreichen<br />

will. Er muss mehr auf seine Live-Shows schauen.<br />

Die Bühne ist Kunst und dafür brauchst du Künstler.<br />

Also, mehr live spielen und besser werden“, so Simon.<br />

suBtile ramPensau-ankünDigungen, auf Die Wir uns sehr freuen:<br />

am 17. märZ aB ca. 19 uhr sPieLen simon, dominik, seBastian und matthias ein akustik-seit während unserer curt<br />

münchen aussteLLunG im FarBenLaden // retrosPektive „70PLuseins“ // eintritt Frei // die GaLerie schLiesst um 22 uhr.<br />

INFOS & TICKETS:<br />

und bei CTS-Eventim<br />

25.–<strong>28.</strong><br />

<strong>Mai</strong><br />

201 2<br />

<strong>DEICHKIND</strong>, <strong>MIA</strong>.<br />

<strong>Digitalism</strong>, <strong>Jennifer</strong> <strong>Rostock</strong>, Kraftklub,<br />

Fritz Kalkbrenner , Lexy & K-Paul<br />

Marteria, The Koletzkis, Turntablerocker, Moguai , Moonbootica ,<br />

Boris Dlugosch, Anthony Rother , Tiefschwarz, Timo Maas, Sascha Braemer,<br />

Felix Kröcher, Daniel Bortz, Gunjah, Captain Capa, WassBass, Pitchtuner, Disco Dice,<br />

Ostblockschlampen, Malente vs. Breakfastklub, Stereo Express, Marcapasos & Janosh,<br />

Divinity, Reche & Recall, Louis Garcia, Hartmut Kiss feat. Seth Schwarz, Ron Flatter, Ipunk,<br />

Golden Toys, Beens, Zahni vs. Schrempf, Raumakustik, Stereofunk, Bassraketen,<br />

Compact Grey, Foss & Stoxx, Panik Pop, Aikoon, Vortex, u. v. m.<br />

PRÄSENTIERT


66 curt // MUSIK<br />

bAllooN pIlot<br />

eNDlIIch erWAchseN<br />

Die münchner Band Balloon Pilot bringt nach<br />

13 Jahren ihr Debütalbum auf den markt – und<br />

beweist, dass sich jeder tag des Wartens gelohnt<br />

hat. teXt: seBastian kLuG // ameLie-antoinette teGtmeyer<br />

Mein Kumpel Tom und ich saßen in meinem alten Mazda<br />

und blickten von der Degerndorfer Höhe aus auf den vor<br />

uns liegenden Starnberger See. Gerade hatten wir uns<br />

noch über Musik, Frauen, Eistee und Amerika unterhalten<br />

und standen nun vor der Entscheidung, ob wir links<br />

oder rechts herum fahren sollten, um in den Tutzinger<br />

Keller auf der anderen Seeseite zu gelangen. Wir fuhren<br />

rechts herum – und kamen gerade noch pünktlich an,<br />

um das erste Konzert einer Band zu hören, die in diesen<br />

Tagen in aller Munde ist: Balloon Pilot.<br />

Die Band, die da im Sommer 1999 auf der Bühne stand,<br />

hatte an diesem Abend weder einen Namen noch eigene<br />

Songs – und rockte ihr Publikum stattdessen vornehmlich<br />

mit Ska-lastigen Songs von Sublime und dem verschrobenen<br />

Repertoire der legendären Cake in Grund<br />

und Boden. Gegründet hatten sie sich für diesen einen<br />

Abend, die eines gemeinsamen Freundes. Und weil ihr<br />

45-minütiges Programm recht kurz war, spielten sie es<br />

nach einer einstündigen Pause einfach noch einmal.<br />

Fast 13 Jahre später steht eine vollkommen veränderte<br />

Band vor ihrem Publikum. Aus den einst jungen Wilden<br />

sind stille, selbstbewusste Männer geworden, die mit<br />

beiden Beinen zufrieden durch das Leben springen,<br />

anstatt nur fest darin zu stehen: Bassist Benjamin<br />

Schäfer und Drummer Andreas Haberl sind ihrer Leidenschaft<br />

konsequent gefolgt und Musiker geworden – sie<br />

touren mit Bands wie dem Andromeda Mega Express<br />

Orchestra, The Notwist, Jersey oder ihren Jazzprojekten<br />

max.bab und Das Rote Gras durch die ganze Welt. Keyboarder<br />

Tobias Haberl ist Designer, Gitarrist Radi Radojewski<br />

Mathelehrer. Und Sänger, Gitarrist und Songwriter<br />

Matze Brustmann ist einfach Matze: Er macht Musik,<br />

fährt im Winter Ski auf höchstem und im Sommer Kajak<br />

auf Weltklasseniveau – und verdient sich das Geld zum<br />

Leben in einem Geschäft für Outdoorkleidung.<br />

In den 13 Jahren zwischen dem Gründungskonzert am<br />

Starnberger See und dem Release ihres selbstbetitelten<br />

Debütalbums im Februar <strong>2012</strong> ist viel passiert: Da ein<br />

Name hermusste, blätterte Schlagzeuger Andi kurzerhand<br />

in seinem Spanischbuch und holte das Wort Los<br />

Burritos heraus. Und weil sich eine ernstzunehmende<br />

Band nicht von Coverversionen allein ernähren kann,<br />

kamen immer mehr eigene Songs zum Vorschein, die die<br />

Band 2001 auf ein Album mit dem Titel „Rain is liquid<br />

sunshine“ presste: Knarzende und krachende Gitarren,<br />

tanzbare Beats und dazwischen eine Ballade für zwei<br />

verstorbene Freunde, von denen einer eben jener Tom<br />

war, der zwei Jahre zuvor noch das Geburtskonzert der<br />

Band miterlebt hatte.<br />

Die Ska-Szene lag ihnen daraufhin förmlich zu Füßen –<br />

doch anstatt auf Nummer sicher zu gehen und sich mit<br />

einer fröhlich hüpfenden Menschenmenge vor der Bühne<br />

zufrieden zu geben, machten die fünf „Eselchen“ (denn<br />

das, so hatte der Andi mittlerweile herausgefunden,<br />

bedeutete ihr Bandname) eine Kehrtwende und gingen<br />

in eine immer verspieltere elektronische Richtung. Das<br />

Ergebnis: das zweite Los-Burritos-Album „On our way to<br />

meet the sun“, 2004 in den Münchner Portmanteau Studios<br />

produziert und von den beiden Münchner Soundtüftlern<br />

Greulix Schrank und Christian Heiß mit teilweise<br />

düsteren, meist melancholischen und durchweg eigenwilligen<br />

Klängen unterfüttert.<br />

Die Reaktionen im Publikum waren geteilt: Einige Fans<br />

kamen mit der Abkehr vom fröhlichen Partysound überhaupt<br />

nicht klar und saßen bei den Konzerten konsterniert<br />

in der Ecke – andere dagegen feierten die frischen,<br />

getragenen Breitwandsounds, die der Band zudem auch<br />

immer mehr neue Fans vor die Bühne spülte.<br />

Parallel zu der gemeinsamen Arbeit mit der Band arbeitete<br />

Matze Brustmann in seinem Wohnzimmer sowohl<br />

an eigenen Songs als auch an einer perfektionierten<br />

Aufnahmetechnik, um diesen Songs den passenden<br />

Klang verpassen zu können. Stück für Stück stellte er die<br />

Stücke seinen Bandkollegen vor. Jeder einzelne war eine


68 curt // MUSIK<br />

musikalische Perle, passte jedoch so gar nicht zu dem<br />

bisherigen Sound und Image der Los Burritos. Mit anderen<br />

Musikern als mit diesen wollte Matze seine Songs<br />

aber auch nicht spielen – weshalb man sich entschied,<br />

einen langsamen Übergang zu einer neuen Bandidentität<br />

zu wagen. Der Name für die traumhaft dahingleitende,<br />

kraftvolle und zugleich fragile Musik: Balloon Pilot.<br />

Und dann ging im letzten Sommer plötzlich alles recht<br />

schnell: Filmmusikkomponist Gerd Baumann und Kulturpionier<br />

Till Hoffmann hatten gerade gemeinsam mit der<br />

FCB-Legende Mehmet Scholl ein Plattenlabel gegründet<br />

und von Balloon Pilot gehört. Alle drei zeigten sich schwer<br />

beeindruckt von der Präsenz der Band und der Intensität<br />

der Songs (was an ein Wunder grenzt, da sich Fußballfan<br />

Radi dank der Anwesenheit seines einstigen Idols<br />

Mehmet Scholl nur schwer auf etwas anderes als ein seeliges<br />

Lächeln konzentrieren konnte) und boten ihnen nach<br />

einem Konzert im vergangenen Sommer an, das Album<br />

auf ihrem Label Millaphon Records zu veröffentlichen.<br />

Balloon-Pilot.De<br />

Eine Bauchentscheidung, die sich auszahlen dürfte. Was<br />

dabei nämlich herausgekommen ist und Mitte Februar<br />

der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, ist nicht weniger als<br />

ein kleiner Schatz: Wo andere Bands einem ihre Musik<br />

vor die Stirn klatschen, in die Beine pumpen oder in den<br />

Magen pressen, tropft Matze Brustmann seine Musik<br />

dem Hörer wie ein edles Öl auf den Nacken, wo sie dann<br />

vom Rest der Band sanft einmassiert wird. Schwirrende<br />

Gitarren, ein leise säuselndes Wurlitzer-Piano, ein in<br />

sich ruhender Bass und das unglaublich geschmackvollzurückhaltende<br />

Spiel von Andi Haberl unterfüttern die<br />

sowieso schon großartigen Songs wie das treibende<br />

„Prudence“ oder das melancholische „Blame it on the<br />

rain“ mit genügend Energie, um über all die alltäglichen<br />

Sorgen, den Stress und den Ärger hinwegzufliegen<br />

und nichts zu hinterlassen als ein warmes Gefühl in der<br />

Magengegend.<br />

Ein Debüt, das erst nach 13 Jahren veröffentlicht wird, ist<br />

eben etwas ganz Besonderes.<br />

Nachtflohmarkt * nachtkonsum.com<br />

3 Euro: Geselligkeit & Livemusik * Trinken & Trödel<br />

München Ostbahnhof * Tonhalle<br />

Standbuchung unter: nachtkonsum.com<br />

umwerk<br />

kalaydo.de<br />

das regionale Findernet


70 curt // MUSIK<br />

All‘s Well thAt eNDs Well<br />

Die kalte luft in münchen lässt die lungen schmer-<br />

zen. ich bin froh, endlich in den beheizten räumen<br />

der kammerspiele zu stehen. ein hausmusikabend<br />

von den gebrüdern Well erwartet mich und die<br />

knapp 200 Besucher, die noch eine karte ergat-<br />

tern konnten. Die uraufführung wäre eigentlich<br />

erst in zwei tagen, aber wir kommen schon jetzt<br />

in den genuss der bayerischen großfamilie aus<br />

günzlhofen. und als ob dieser musikalische humo-<br />

ristenhaufen die lachmuskeln nicht schon genug<br />

beansprucht, haben regisseur franz Wittenbrink<br />

und der Well-clan noch das münchner urgestein<br />

gerhardt Polt engagiert.<br />

Die älteren Semester werden sich noch an den ersten<br />

Bühnenauftritt der Biermösl Blosn vor dreißig Jahren<br />

erinnern. Vor siebenunddreißig Jahren gab Gerhard Polt<br />

in der Münchner „Kleinen Freiheit“ sein Bühnendebüt.<br />

Und jetzt ist auf einmal Schluss für die bayrische Beerenmoos<br />

Boygroup? Wie schnell sind drei Jahrzehnte doch<br />

ins Land gezogen … Wer hat an der Uhr gedreht?<br />

Wer hat eigentlich bestimmt, wie schnell Zeit vergehen<br />

darf? Wer hat bestimmt, wie lange eine Minute dauert?<br />

Eine Sekunde? Warum vergeht die Zeit mal wie im Flug,<br />

um sich dann wieder bis in alle Ewigkeit hinzuziehen?<br />

Robert Levine zitiert in seinem Buch „Eine Landkarte<br />

der Zeit“ (Piper Verlag, 2003) eine Stellungnahme von<br />

Irving Hoch, der sagt, dass die Geschwindigkeit der Zeit<br />

abhängig sei von dem Entwicklungsstand seiner Wirt-<br />

Wellkueren.De<br />

schaft. Wortwörtlich schreibt der Autor: „Wenn eine<br />

Stadt wächst, steigt auch der Wert der Zeit ihrer Einwohner<br />

parallel zu den steigenden Löhnen und Lebenshaltungskosten<br />

der Stadt, so dass ein wirtschaftlicher<br />

Umgang mit der Zeit wichtiger und das Leben insgesamt<br />

schneller und hektischer wird.“<br />

Ich für meinen Teil habe genug von diesem Wissenschaftsgequatsche,<br />

wo man erstmal fünf Minuten<br />

überlegen muss, bevor man eine Zeile versteht! Davon<br />

hatte ich in der Schule bereits genug. Ich halte es lieber<br />

mit Shakespeare, der die ganze Sache einfach auf den<br />

Punkt bringt: „Die Zeit vergeht bei verschiedenen Menschen<br />

verschieden schnell.“ So einfach ist das!? Und<br />

wir Münchner haben uns für die Zeit jedenfalls den<br />

schönsten Platz rausgesucht.<br />

Wie viele Stunden vergehen oder wie die Uhr funktioniert<br />

– sei’s drum! Wichtig ist, dass wir uns immer wieder<br />

bewusst machen, wie schön diese Stadt ist, mit all ihren<br />

dunklen Ecken, versteckten Perlen und stillen Momenten.<br />

Die Momente, in denen wir glücklich sind, die Stunden<br />

die wir mit Freunden verbringen – das ist doch am Ende<br />

die Zeit, die zählt! Genießt die Minuten, die Stunden<br />

und Tage. Genießt die Zeit. Einfach so. Prost.<br />

curt empfiehlt über das Leben und die Zeit zu sinnieren<br />

oder sich einen Hausmusik-Abend „Fein sein, beinander<br />

bleibn“ der Well-Familie zu geben. Kann auch helfen.<br />

teXt: kiLian schwaiGer // Foto: michaeL denGLer<br />

aLLe hausmusikaBend-termine: muenchner-kammersPieLe.de // kartenverLosunG Für den 10. mai GiBts aB aPriL auF curt.de<br />

helge schNeIDer Auf tour<br />

Hier könnte ein Interview mit Helge Schneider stehen,<br />

allerdings meinte sein Tourberater Till Oellerking, er<br />

würde sich gar erst nicht trauen, Helge danach zu fragen,<br />

er würde ohnehin schon während der Tour so viel rumnölen.<br />

Schade Schokolade ... aber wir können Helge deswegen<br />

ohnehin nicht böse sein. Foto: michaeL denGLer<br />

curt Verlost 2 x 2 karten für helge schneiDer im circus krone am 17. mai // die verLosunG Findet ihr aB aPriL auF curt.de


72 curt // LESESTÜCKE<br />

..<br />

curt prAseNtIert t.c. boyle<br />

großer aufschrei in der redaktion: autor thomas coraghessan Boyle kommt nach münchen und liest aus<br />

seinem aktuellen roman „Wenn das schlachten vorbei ist“.<br />

Der Schriftsteller hat bereits mit vielen anderen Werken wie Dr. Sex, Drop City, World’s End, Grün ist die Hoffnung,<br />

Wassermusik – um nur einige zu nennen – begeistert und wir können es kaum erwarten, den Meister am 7. <strong>Mai</strong> live<br />

in der Muffathalle zu erleben. Macht euch auf einen tollen Abend gefasst, denn T.C. Boyle gehört zu den wenigen<br />

Autoren, die regelmäßig auf Tour gehen. Über seine Auftritte sagt er, dass er seinem Publikum eine wirklich gute<br />

Show liefern wolle. Wer sich vorab ins Thema einlesen möchte: Auf curt.de gibts eine ausführliche Rezension über<br />

T.C. Boyles apokalyptischen Roman „Wenn das Schlachten vorbei ist“, der von der Ausbeutung der Natur durch den<br />

Menschen handelt. Wir verlosen online 3 Bücher und 3x2 Karten für die Lesung! teXt: andreea huLa<br />

curt Präsentiert: t.c. Boyle // LesunG // 07. mai // muFFathaLLe // 3x2 karten + das neue Buch auF curt.de Gewinnen!<br />

Der münchnerischste aller münchner: Die Biographie des radikalen Querdenkers, Wortkünstlers, Musikers, Film-<br />

pioniers und unnachgiebigen Außenseiters Karl Valentin ist geprägt von Höhen und Tiefen, bizarren Ereignissen und<br />

bemerkenswerten Besonderheiten. 19 Künstler der Münchner Comic Vereinigung „Comicaze“ haben sich auf die<br />

Spuren der Person Valentin Ludwig Fey begeben und dessen Lebensweg in ganz unterschiedlicher Herangehensweise<br />

zu Papier gebracht. Daraus ist ein Buch im Münchner Volk Verlag entstanden. Auf volkverlag.de erhältlich.<br />

curt Verlost 3 eXemPlare // einFach e-maiL an ichwiLLGewinnen@curt.de mit BetreFF „semmmeLknödeLLL“ // vieL GLück!


74 curt // MÜNCHNER DETAILS<br />

luc<br />

uND DIe<br />

seeNotfAckel teXt:<br />

caliPPo schmutz // fotos: seBastian hofer<br />

Das diffuse Licht war auf<br />

einmal grell geworden.<br />

Der Wirt sammelte die<br />

wenigen Scherben des<br />

Abends mit der Hand auf,<br />

die Besucher verließen<br />

das Lokal. Auch der süße,<br />

spitze Kirschmund, den<br />

Luc so gern geküsst hätte,<br />

war mit spitzer Zunge<br />

einfach so verschwunden.<br />

Also lief Luc ganz für sich<br />

allein durch die noch viel<br />

zu junge Nacht. Durch<br />

Schwabing über den<br />

Lehel nach Haidhausen.<br />

Niemand sollte ihm auf<br />

diesem Weg begegnen,<br />

keinen Mucks sollte die<br />

Stadt mehr von sich geben.<br />

Nirgends mehr ein<br />

kurioser Laden, aus dem<br />

ausgelassenes Gelächter<br />

nach draußen schepperte.<br />

Kein Erdbeermund, nicht<br />

die Spur einer unbändigen<br />

Antilope, keine klugen<br />

Wilden waren mehr<br />

unterwegs. Die Straßen<br />

waren tot. Die Laternen,<br />

die im Wind pendelten,<br />

leuchteten nurmehr für<br />

Luc. Seine nackten Füße<br />

schmerzten auf den kalten<br />

Kieselsteinen.<br />

„Dabei ist die Nacht doch<br />

viel zu jung“, dachte das


76 curt // MÜNCHNER DETAILS<br />

Männlein im Bademantel<br />

ganz bei sich und stützte<br />

sich an eine der glatt gemachten<br />

Hausfassaden<br />

Münchens. Da entdeckte<br />

er zu seinen Füßen ein<br />

kleines Türchen, in die<br />

Fassade gefasst, nur ein<br />

Stück über dem Asphalt.<br />

Luc ergriff die winzige<br />

Klinke und setzte vorsichtig<br />

einen Fuß über die<br />

Schwelle. Dann stürzte er<br />

Hals über Kopf in die Tiefe.<br />

Die düsteren Katakomben<br />

Haidhausens, in denen vor<br />

langer Zeit noch Bier gekühlt<br />

wurde, waren mittlerweile<br />

zubetoniert. Kaum<br />

ein Schlupfloch führte<br />

noch zu dem zwielichtigen<br />

Markt, auf dem so allerhand<br />

angeboten wurde.<br />

Luc handelte kurz entschlossen<br />

und zückte den<br />

Geldbeutel aus der Seitentasche<br />

des Bademantels.<br />

Er nickte dem Händler<br />

zu. Sein ölverschmiertes<br />

Lächeln flackerte im Kerzenlicht<br />

auf. Dann reichte<br />

er Luc eine Leuchtfackel,<br />

wie sie im Notfall auf hoher<br />

See gebraucht wird.<br />

Doch noch entließ der alte<br />

Händler die Seenotfackel<br />

nicht ganz aus seinen<br />

Händen. Er begann aus<br />

einer längst vergangenen<br />

Zeit zu erzählen:<br />

„Das glückliche Temperament<br />

der Stadt, dieses<br />

erdhafte, naturnahe, sinnliche,<br />

pralle, stolze Wesen<br />

des Bajuwarentums,<br />

vereinigte sich mit den<br />

wahlverwandten Eigenschaften<br />

der hierher verpflanzten<br />

Künstlerjugend<br />

zum glücklichsten Bund.<br />

Es waren die Feste der<br />

Schönheit, der Sinnenfreude,<br />

der Jugend, des<br />

Talents. Mannigfaltigkeit,<br />

Farbseligkeit, und zuletzt<br />

nicht auch Komik, wo das<br />

Auge verweilte (Zitat Max<br />

Halbe).<br />

„Was ist nur daraus geworden,<br />

wie sehr ist unsere<br />

schöne Stadt verkommen?“,<br />

sinnierte der alte<br />

Mann weiter. „Wie schön<br />

war es, die rauschhaften<br />

Auswüchse dieser Bewegung<br />

mitzuerleben. Eine<br />

Münchner Bewegung, die<br />

eine Welt des seelenmordenden<br />

Fortschritts ablehnte.<br />

Sie wies nicht nach<br />

vorwärts, sondern zurück<br />

auf die mächtigen,


78 curt // MÜNCHNER DETAILS<br />

urewigen Wurzeln alles<br />

wahren Lebens, denn alles<br />

Heutige ist ohne Wurzeln.“<br />

(Zitat von Franziska<br />

zu Reventlow)<br />

„Luc, entzünde diese Fakkel<br />

und die sinnliche, komische,<br />

bunte Toleranz<br />

wird wieder in diese<br />

Straßen zurückkehren!“<br />

Luc kletterte über eine<br />

kleine Stiege wieder ins<br />

Freie, um sogleich die<br />

Reißleine der Notfackel zu<br />

ziehen. Ein kurzer Knall<br />

und schon leuchtete der<br />

Feuerschein im grellen Rot<br />

und überschwemmte das<br />

Schwarz der tiefen Nacht.<br />

Fassaden flimmerten rot,<br />

so wie die Bäume in den<br />

Parkanlagen zu leuchten<br />

begannen. In den Lokalen,<br />

an denen Luc mit ausgestrecktem<br />

Arm vorbeistelzte,<br />

erwachte neues<br />

Leben.<br />

Stammtische flammten in<br />

leidenschaftlichen Streitereien<br />

über die schönen<br />

Dinge auf. Musik ertönte.<br />

Und so sprangen auch<br />

die langbeinigen Gazellen<br />

aus den Hauseingängen<br />

zurück aufs Parkett. Ein<br />

Himbeermund machte sich<br />

daran, Luc zu verführen,<br />

doch eine Horde lustiger<br />

Wilder kam dazwischen<br />

und schleppte die beiden<br />

auf eine Maskerade.<br />

Porsche Cayennes entzündeten<br />

sich wie von<br />

selbst und das allgemeine<br />

Juchzen auf den Straßen<br />

wurde nur dann für einen<br />

Augenblick übertönt,<br />

wenn die Autos wie riesige<br />

Chinaböller in die Luft<br />

flogen. Die Fackel strahlte<br />

und die Gesichter auch.<br />

Aber nur noch ein bisschen.<br />

Denn dann erlosch das<br />

rote Feuer. Und sogleich<br />

dröhnte ein trauriges<br />

Raunen durch die Viertel.<br />

Luc betrachtete den<br />

noch glühenden Docht<br />

seiner Fackel. Der schöne<br />

Rausch war vorbei. Wie<br />

sehr hatten sich die Ausgehungerten<br />

und Sehnsüchtigen<br />

an ihm vergnügt.<br />

Noch klarer wurde<br />

ihnen nun, was dieser<br />

Stadt verlorengegangen<br />

war. Doch das wollte die<br />

Horde der wilden Klugen<br />

nicht ertragen. Und um<br />

Luc herum flogen schon<br />

die ersten Fäuste.


80 curt // CURT STELLT VOR<br />

..<br />

MAxIMIlIAN bruckNer rolleNWechsel<br />

theater, fernsehen, kino – was macht ein schauspieler, der bereits alle medien durch hat? richtig,<br />

er wechselt die seiten und führt regie. Wie sich das anfühlt, erzählt maximilian Brückner, der im<br />

februar am Volkstheater münchen mit dem stück „magdalena“ sein regiedebüt gab.<br />

Bisher kannte man dich vor allem aus dem fern-<br />

sehen oder von der kinoleinwand. Jetzt führst<br />

du zum ersten mal selbst regie …<br />

MAXIMILIAN: Ich habe schon vor Jahren einmal<br />

Regie geführt, damals noch in unserem Dorf. Das<br />

hat mir wahnsinnig Spaß gemacht. Da hat sich bei<br />

mir der Gedanke geregt, dass ich das gern irgendwann<br />

wieder machen würde. Und jetzt dachte ich<br />

mir, wäre der Zeitpunkt gut, mir das zuzutrauen.<br />

Man muss es ja mal probieren. Kann ich das? Macht<br />

mir das überhaupt Spaß?<br />

hört sich an, als wärst du etwas nervös.<br />

MAXIMILIAN: Selbstverständlich! Wäre auch schlimm,<br />

wenn es nicht so wäre. Es gibt schließlich kein<br />

Rezept dafür, wie man das richtig macht – weder als<br />

Regisseur noch als Schauspieler. Ob es bei mir wirklich<br />

hinhaut, weiß ich daher natürlich noch nicht. Es<br />

ist aber toll, dass ich am Münchner Volkstheater<br />

zumindest die Möglichkeit bekommen habe, das<br />

auszuprobieren.<br />

War es deine idee, das stück hier aufzuführen?<br />

MAXIMILIAN: Das Volkstheater ist einfach mein<br />

Haus. Ich gehöre zwar nicht zum Ensemble, habe<br />

hier aber schon sehr lange gespielt. Deswegen war<br />

für mich klar, auch hier aufzuführen. Ich habe mich<br />

dann mit Christian Stückl, dem Intendanten, unterhalten.<br />

Und am Ende hat er mir wirklich die Chance<br />

gegeben. Der ist sehr mutig und versucht immer<br />

wieder was Neues. Das ist das Tolle hier an dem<br />

Theater!<br />

ist es denn als regisseur von Vorteil, vorher<br />

schauspieler gewesen zu sein?<br />

MAXIMILIAN: Es ist schon gut, wenn man das Theater<br />

kennt und weiß, wie Proben ablaufen. Was halt<br />

neu ist, sind die ganzen Sachen, um die man sich als<br />

Schauspieler nicht kümmern muss. Das Einleuchten<br />

zum Beispiel. Vorher musste ich mich nur um meine<br />

Figur kümmern. Jetzt muss ich das Ganze im Überblick<br />

behalten und habe die Gesamtverantwortung.<br />

Ich muss ja die Geschichte und die Schauspieler<br />

führen, von denen jeder verschieden ist. Und das ist<br />

schon eine Herausforderung.<br />

zumindest sollte es als ehemaliger schauspieler<br />

aber einfacher sein, sich in seine schauspieler<br />

hineinzuversetzen, oder?<br />

MAXIMILIAN: Das schon, ja. Aber das kann auch ein<br />

Nachteil sein, weil du als Regisseur auch abstrahieren<br />

können musst. Ob es jetzt bei mir ein Vorteil<br />

oder ein Nachteil sein wird, dass ich Schauspieler<br />

bin, weiß ich noch nicht. Ich glaube, das ist bei<br />

jedem anders.<br />

Dein regiedebüt gibst du ja mit „magdalena“<br />

von ludwig thoma. Warum hast du dir ausgerechnet<br />

dieses stück ausgesucht?<br />

MAXIMILIAN: Ich habe ja vorhin erzählt, dass ich vor<br />

Jahren schon einmal bei mir im Dorf Regie geführt<br />

habe. Und das war damals auch schon „Magdalena“<br />

gewesen. Deswegen hatte ich hier schon Erfahrungen<br />

gesammelt. Außerdem ist es ja ein bayerisches<br />

Stück. Damit ist es mir näher und es hat mit dem<br />

Dorf zu tun, aus dem ich komme. Das waren so<br />

meine Überlegungen.<br />

„magdalena“ ist jetzt aber schon etwas älter.<br />

Die uraufführung war 1912, also vor genau 100<br />

Jahren. Wie holst du das stück in unsere zeit,<br />

damit es auch in der gegenwart funktioniert?<br />

MAXIMILIAN: Wir haben es fast 1:1 übernehmen<br />

können, denn die Strukturen sind ja alle noch die<br />

teXt: oLiver armknecht // Fotos: christian voGeL


82 curt // THEATER<br />

gleichen. Ob es jetzt Religion, Hautfarbe oder Sexualität<br />

ist: Wenn jemand anders ist, wird er ausgegrenzt. Ich<br />

finde daher, dass sich die Leute in den 100 Jahren gar<br />

nicht so viel verändert haben und das Stück noch genauso<br />

relevant ist. Aber natürlich habe ich mir schon überlegt,<br />

wie wir „Magdalena“ für unsere Zeit noch stärker<br />

machen können.<br />

Also war meine Idee, aus der Hauptfigur einen Mann zu<br />

machen. Denn Männerprostitution ist noch mal ein ganz<br />

anderes Tabuthema, über das man bis heute kaum redet<br />

und mit dem viele nicht umgehen können. Außerdem<br />

macht es den Konflikt zwischen dem Vater und der<br />

Hauptfigur noch stärker. Und das ist ja ein ganz zentrales<br />

Thema innerhalb des Stückes.<br />

ihr habt aus der figur, die dem stück seinen namen<br />

gegeben hat, einen mann gemacht? funktioniert<br />

der titel „magdalena“ dann überhaupt noch?<br />

MAXIMILIAN: Keine Sorge, wir haben uns natürlich<br />

unsere Gedanken gemacht und das Stück so gebaut,<br />

dass er keinen Namen braucht. So wie wir das Stück aufführen,<br />

sollte es tatsächlich funktionieren. Hoffe ich.<br />

hast du denn schon Pläne für die zeit danach?<br />

könntest du dir vorstellen, regelmäßig regie zu<br />

führen?<br />

MAXIMILIAN: Immer langsam. Erst einmal muss ich das<br />

hier über die Bühne bringen und schauen, ob es funktioniert.<br />

Ob die Leute das Stück überhaupt sehen wollen.<br />

Und das kann am Ende nur das Publikum entscheiden.<br />

kurz und knapp<br />

maximilian Brückner wurde 1979 in münchen geboren. nach seinem schauspielstudium<br />

an der otto Falckenberg schule in münchen trat er regelmäßig am münchner<br />

volkstheater auf, unter anderem als Boandlkramer in „der Brandner kaspar und das<br />

ewig‘ Leben“. neben seinen theaterrollen ist er vor allem aus dem Fernsehen bekannt,<br />

wo er in sieben tatort-Folgen in die rolle von kommissar Franz kappl schlüpfte.<br />

außerdem spielte Brückner in mehreren kinofilmen mit, war dort zuletzt an der seite<br />

von matthias schweighöfer in „rubbeldiekatz“ sowie in einer kleinen rolle in steven<br />

spielbergs „Gefährten“ zu sehen.<br />

magDalena Von luDWig thoma // reGie: maXimiLian Brückner // termine im münchner voLkstheater:<br />

3. / 17. / 18. märZ / 4. aPriL // 19.30 uhr // muenchner-voLkstheater.de<br />

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84 curt // DER WEINBRANDT RÄT<br />

Wein-Zeitreise<br />

seit jeher versuchen die menschen, ihre nahrungsmittel dauerhaft haltbar<br />

zu machen. schließlich sichert das Vorräte in harten zeiten der entbehrung.<br />

Dieser tage liest der weinbrandt – selbst ein lebendes fossil – häufiger über<br />

genießbare gewürzgurken im glas von 1928, schweineschmalz-care-Pakete,<br />

die man nach dem zweiten Weltkrieg in millionenfacher ausführung frei in<br />

West-Deutschland verteilte und die jetzt knickerigen friedhofsverweigerern<br />

die existenz sichern oder Polarforschern, die mitte des 19. Jahrhunderts statt<br />

durch die klirrende kälte noch von einer Bleivergiftung ihrer minderwertigen<br />

konservendosenverpflegung dahingerafft wurden. aber wie ist es eigentlich<br />

um die Wein-Widerstandsfähigkeit bestellt? teXt: christoPh Brandt<br />

Ständig neue archäologische Funde lassen die Trophäe des altertümlichsten Rebsafts<br />

der Menschheitsgeschichte um den gesamten Globus wandern. Aktuell dürfen sich die<br />

Chinesen mit jenem kulturhistorisch prestigeträchtigen Preis schmücken. Nach Ausgrabungen<br />

in der Provinz Henan kam man zur Überzeugung, dass die dortige Bevölkerung<br />

bereits vor über 9.000 Jahren die Methoden zur Weinerzeugung kannte.<br />

2010 fanden Taucher vor den finnischen Aland-Inseln in einem Schiffswrack edle<br />

Fracht: Champagner, Jahrgang 1780, vollends intakt und durch das kaum salzhaltige<br />

und konstant 4 Grad kalte Ostseewasser optimal konserviert. Bei einer Auktion zahlte<br />

ein Connaisseur 30.000 Euro für eine einzige Flasche dieser kulinarischen Kostbarkeit.<br />

In unseren Landen kann man auch die eine oder andere Wein-Rarität aufspüren, die<br />

aus weiter Vergangenheit herrührt. In Speyer steht eine Pulle, die um etwa 300 nach<br />

Christus als Beigabe in einen römischen Steinsarkophag gelegt wurde. Die gelb-grünliche<br />

Flüssigkeit ist vom mikrobiologischen Aspekt her keineswegs verdorben, sie dürfte<br />

aber sogar dem weinbrandt keine Freude mehr bereiten. Obwohl er stetig die Meinung<br />

vertritt: Je oller die Frucht, desto süßer ihr Saft.<br />

Der wohl älteste noch trinkbare Wein der Welt lagert in einem legendären Fass im<br />

Bremer Ratskeller. Der sogenannte Rüdesheimer Apostelwein stammt von 1727 und<br />

schmeckt nach halbtrockenem Sherry, Kaffee und Leder. Eine 2000 abgefüllte 0,375-<br />

Literflasche erbrachte 6.500 Euro bei Christie’s.<br />

Manche Menschen werden im Gegensatz zu Wein zwar alt, aber selten reif. Der siebengescheite<br />

weinbrandt, der sich liebend gerne mit Auslaufmodellen amüsiert und<br />

darauf schwört, dass man Segeln nur auf in die Jahre gekommenen Fregatten lernt,<br />

rät: Gereifte Weine sind wie eine betagte Dame – zurückhaltend, unbeständig und<br />

selten zufriedenzustellen. Wann immer man sie anbricht, riskiert man, enttäuscht zu<br />

werden. Sind sie jedoch in Form – und das sind sie bei guter Pflege meistens – ach,<br />

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14.–20.3.<strong>2012</strong>


curt im Ausland DubAI<br />

Wie ich einmal eine Woche in Dubai versucht habe, eine Burka zu kaufen, und stattdessen nur das beste<br />

foto meiner karriere bekam. teXt und Fotos: Jan rasmus voss<br />

IM AUSLAND // curt 87


Dubai, als Reiseziel, ist am schönsten, wenn man es kurz vor dem Abflug durch Mallorca ersetzt. Ich musste aus<br />

geschäftlichen Gründen aber hin: Ein guter Freund heuerte mich im Namen eines großen Pharmakonzerns als Kameramann<br />

an. Es war Dezember und ich war zu diesem Zeitpunkt gerade in Südafrika Weine probieren, weil ich so ein<br />

geiler Typ bin. Letztendlich hat mich dann die Aussicht auf Geld doch dazu bewegt, für eine Woche in die Wüste zu<br />

fliegen. Und die Aussicht auf Geld ist auch der Grund, warum alle anderen dort sind. Inder, Philippiner und Afrikaner<br />

bauen die Hotel-Wolkenkratzer in die Wüste, an deren Hotelbars dann die osteuropäischen Edelnutten darauf<br />

warten, dass reiche Westeuropäer anbeißen und vielleicht sogar auch mal ein Saudi.<br />

Als ich in Dubai ankomme, sind die Saudis allerdings voll damit ausgelastet, ihren 40. Jahrestag zu feiern. Überall die<br />

Köpfe der Scheichs: auf den Cornflakes, dem Taxi, der McDonalds Serviette und auch auf der 200 m hohen Fassade<br />

meines 5-Sterne-Hotels. „Sauber!“, denke ich mir und verspüre Bewunderung für die Herren mit den modernen<br />

Bärten und dem Perlweiss Lächeln. Wie auf dem Poster von Reservoir Dogs laufen sie einer sicheren Zukunft entgegen,<br />

die sie in klimatisierten Shopping Malls verbringen werden. Schön.<br />

Freunde in Kapstadt hatten mir mit kosmopolitischer Selbstgefälligkeit beschrieben, dass die Hotelzimmer in Dubai<br />

gerne mal etwas luxuriöser ausfallen („Du, in Dubai ist alles total luxuriös.“), aber als ich dann in meiner 120-qm-Suite<br />

stehe und dem Pagen 5 Euro gebe, weil er meinen Duty-free-Wein so schön in das dafür vorgesehene Weinregal<br />

gelegt hat, muss ich doch kurz schlucken. Ich habe auf beiden Toiletten Telefone und zwei Flachbild-Fernsehgeräte,<br />

deren Fernbedienungen in Leder-Etuis eingefasst sind, damit sie besser in der Hand liegen. Die Sender sind sauber<br />

sortiert. Es gibt 25 Kanäle, auf denen Fußball und Kamel-Rennen gezeigt werden, und dann ARD und ZDF, für die hier<br />

bestimmt keiner GEZ zahlt. Ich klappe meinen Laptop auf, um ein Gerücht zu klären, und tatsächlich: YouPorn funktioniert<br />

nicht, genauso wie jede andere Seite, die eventuell anstößig sein könnte. Zum Glück onaniere ich nie, weshalb<br />

mir diese Erkenntnis nur eine leichtes Schulterzucken abverlangt. Ich schaue gleichgültig aus dem Fenster und blicke<br />

auf eine 13-spurige Autobahn, auf der der Verkehr in beiden Richtungen steht. Zum Glück sind die nächsten 5 Spuren<br />

schon in Arbeit (Inder). Benommenheit und Heimweh stellt sich ein.<br />

Bis zum Abendessen will ich mir noch ein bisschen die Beine vertreten, was mir der Concierge allerdings ausredet:<br />

„No walking, Sir. Too hot!“ Stattdessen nehme ich die U-Bahn und steige in einen Wagen voller Frauen. „Geil“,<br />

denke ich, „wer braucht YouPorn bei so vielen Frauen?“ – bis mich die Security forsch darauf hinweist, dass ich in<br />

den Männer-Wagen muss, wo ich mich zwischen schwitzende Arbeiter quetsche. Die letzten Meter zur Shopping Mall<br />

will ich dann doch zu Fuß laufen und schlürfe bald zombie-like mit anderen Touristen im Kreis, auf der Suche nach<br />

dem Eingang. Die größte Shopping Mall der Welt hat nämlich keinen Personen-Eingang. Man muss schon mit dem<br />

Auto kommen. Irgendwie schaffe ich es dann durch die Tiefgarage und laufe an Aquarium, Skating Ring und Skihalle<br />

vorbei zu H&M, wo ich mir ein Hemd für den doppelten Preis kaufe. In Dubai ist nämlich nichts billig, außer Benzin.<br />

Völlig abgekämpft und mit Klimaanlagen-Kopfweh nehme ich ein Taxi zurück ins Hotel (2 Euro) und lege mich an den<br />

Pool. Das Paulaner Bier (9 Euro) lasse ich zurückgehen, weil es sauer geworden ist und sich der Geschmack mit dem<br />

Mango-Tabak meiner Wasserpfeife (12 Euro) beißt. Der Schrank von einem Mann, der meine Pfeife sowohl an- als<br />

auch alle 10 Minuten zwischenraucht, hat eine Stimme wie Martin Semmelrogge, gesprochen durch die Maske von<br />

Darth Vader. Es gibt in diesem Land offensichtlich irgendwo eine Mutter, die ihrer besten Freundin am Telefon stolz<br />

erklärt: „Du, der Ahmet, der ist jetzt Pfeifen-Anraucher im Ritz Carlton.“ Und die Freundin wird antworten: „Ach, der<br />

Ahmet, der war früher schon immer so ein kleiner Paffer, hi hi. Super! Gratuliere!“ Über gesundheitliche Risiken wird<br />

wahrscheinlich nicht geredet, aber in der Wüste will man eh nicht alt werden.<br />

Mittlerweile ist mein Kumpel aus Deutschland eingetroffen, der nur ein Bad in seiner Suite hat, dafür aber einen<br />

Sessel mehr und einen Obstkorb. Vor dem Abendessen gehen wir auf den Burj Khalifa, von dem ich sicher bin, dass<br />

ihn der Kalif nur so hoch gebaut hat (830 m), in der Hoffnung, irgendwo ein ausländisches Netz zu bekommen, über<br />

das dann wieder YouPorn funktioniert. Es scheint nicht geklappt zu haben, denn 90 % der Wohnungen stehen leer.<br />

Man kann von hier oben allerdings sogar 14-spurige Autobahnen sehen (Stau). Wir treffen uns mit unseren Kunden bei<br />

IM AUSLAND // curt 89


einem Edel-Italiener, von dessen Terrasse aus man den größten Springbrunnen der Welt sehen kann, bzw. von ihm kom-<br />

plett erschlagen wird. Alle 15 Minuten donnert Zucchero oder Enya ohne Vorwarnung aus gefühlten 100.000 Boxen,<br />

sodass einem die Salami-Pizza (20 Euro) schon mal in die Luftröhre rutscht. Immerhin hat der Italiener, im Vergleich zu<br />

fast allen anderen Restaurants, eine Alkohol-Lizenz, was bedeutet, dass ich mir theoretisch ein Glas billigen Chianti für<br />

15 Euro bestellen könnte. Da unsere netten Kunden zahlen, will ich aber nicht den Eindruck erwecken, ich hätte ein<br />

Alkohol-Problem, und trinke stattdessen später alleine, beim Kamelrennen im Fernsehen, meinen Duty-free-Wein leer.<br />

Apropos Alkoholproblem: In Dubai hat man das auf jeden Fall, denn man kann einfach keinen kaufen. Nach unserem<br />

ersten Arbeitstag habe ich von so viel Wüstensand und Auto-Stau-Feinstaub einen Brand in der Kehle, den nur<br />

kaltes Bier löschen kann und muss. Zu den Edelnutten in die Hotel-Lobby möchte bzw. traue ich mich nicht und<br />

gehe deshalb zu einem kleinen Kiosk, der rund 60 Sorten alkoholfreies Bier in den Regalen hat. Ich sage (natürlich in<br />

butterweichem Englisch): „Guter Mann! Wenn es einen Gott gibt auf dieser Welt, würde er dich bestimmt königlich<br />

belohnen (nie wieder Dubai), wenn du neben deiner reichen Auswahl an alkoholfreien Getränken für einen durstigen<br />

Reisenden wie mich ein Bier MIT Alkohol hinter deinem Tresen verstecken würdest.“ Er sagt: „Nein, das habe ich<br />

nicht, aber geh mal da hinter und dann rechts und dann hinter dem Haus in die Tür, über der das kleine Schild hängt,<br />

auf dem ,Pub‘ steht. Drinky, drinky, Sir!“ Und tatsächlich stehe ich plötzlich in einem Irischen Pub, komplett mit alter<br />

Theke, zahlreichen Zapfhähnen, an denen Kondenswasser perlt, und dicken Iren, die frittierte Sachen essen und sich<br />

danach die Fettfinger lecken, die fetten Iren. Zum Thema Fett möchte ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen,<br />

dass in Dubai prozentual die meisten Diabetiker leben, weil es so viel Fast Food gibt und keiner Lust hat, bei 45 Grad<br />

im Schatten Pilates zu machen. Jedenfalls habe ich den Tresen beim Iren jeden Abend besucht und mich gefreut, dass<br />

ein ordentliches Bier hier nur schlappe 7 Euro kostet.<br />

Um unser Filmprojekt optisch aufzuwerten, sind wir viel zu Fuß mit der Kamera unterwegs und versöhnen uns auf<br />

diesem Weg sogar ein bisschen mit dieser Stadt, die eigentlich nicht sein darf. Wenn man für ein paar Cent frisches<br />

Fladenbrot direkt aus dem Ofen bekommt und dieses dann in schön verzierten Humus tunkt, vielleicht sogar noch<br />

Minztee dazu, dann hat man schon mal für ein paar Minuten das Gefühl, so authentisch arabisch unterwegs zu sein ...<br />

wie z. B. in Kreuzberg. Und je billiger und weiter weg wir von den Hotels und Shopping Centern kommen, desto<br />

mehr Spaß haben wir. Und so machen es die hart arbeitenden Inder übrigens auch. Die gehen an ihrem freien Tag<br />

an den Touristen-Strand, setzen sich auf eine kleine Mauer und schauen aus der Ferne westliche Pauschalurlauber<br />

an, die im Bikini im Brackwasser baden, was aufgrund der ganzen künstlichen Palmen und Inseln mehr oder weniger<br />

steht. Von hier aus hat man aber einen herrlichen Blick auf die Skyline der leer stehenden Wolkenkratzer und hier<br />

ist es auch, wo ich zu dem besten Foto meines Lebens komme. Während ich den Indern zuschaue, die den badenden<br />

Mädels zuschauen, setzt sich eine Katze vor mich hin und leckt, völlig unbeeindruckt vom architektonischen<br />

Größenwahn Dubais, ihr eigenes Arschloch. In diesem kleinen Moment ziehe ich Ruhe aus der Gewissheit, dass diese<br />

ganze Wüsten-Disneyland-Seifenblase ganz bestimmt noch während meiner Lebenszeit platzen wird (z. B. Öl alle) und<br />

ich dann die Reservoir-Dogs-Perlweiss-Lächeln-Fahne in der linken und ein kühles Bier (1 Euro) in der rechten Hand<br />

wedele ... so wie ein König … oder Kalif!<br />

Ungern möchte ich diesen kleinen Erfahrungsbericht allerdings mit einem negativen Gefühl beenden und noch<br />

schnell was über den schönsten Teil Dubais berichten: die Wüste. Dort haben wir aufgrund des schönen Rahmenprogramms<br />

unserer Arbeitgeber die letzte Nacht verbracht. In einem Konvoi Allrad-Jeeps wird man in eine kleine Oase<br />

gebracht, wo schön gegrillt, gebauchtanzt und geraucht wird. Man bekommt einen Schlafsack und darf vor dem<br />

Zu-Bett-Gehen noch mal ein bisschen durch die Nacht wandern. Es ist kühl, der Sand ist angenehm weich zwischen<br />

den Zehen, die Sterne leuchten und man hört absolut nichts. Und wegen diesem Moment bin ich so dankbar, dass<br />

ich nach Dubai durfte, denn die Wüste, das Dubai, wie es sein sollte, ist wunderschön. Und während das halbe Camp<br />

die Nacht vor Euphorie und harter Matratzen kein Auge zubekommt, nehme ich eine halbe Schlaftablette und döse<br />

zufrieden mit dem Gedanken ein, dass mein Handy-Hintergrund jetzt eine Katze zeigt, die ihr Arschloch leckt, vor<br />

dem größten Haus der Welt, im Jahre <strong>2012</strong>.<br />

IM AUSLAND // curt 91


92 curt // SELBSTVERSUCH<br />

einmal die Zukunft, bitte!<br />

ob mit Pendel, karten oder kristallkugeln bewaffnet – übersinnliche<br />

medien mit engelskontakten und Blick in die sterne findet man im<br />

internet wie sand am meer. aber wer hat wirklich was drauf? Was<br />

bringt die zukunft? Wer kann mir sagen, was morgen passieren wird?<br />

curt testet hellseher. teXt: meLanie castiLLo // iLLus: vaLentin PLank<br />

Lottozahlen-Vorhersagen fallen schon mal raus, wie ich bei meinem ersten Gespräch mit Hellseherin<br />

Rita feststellen muss. Die 46-Jährige kann zwar mit meinen Ahnen reden, aber ob Bayern München<br />

Meister wird, kann sie so pauschal nicht ausmachen. „Sollen wir das auspendeln?“, höre ich durchs<br />

Telefon. Och nö, lass mal. Hellseher Dieter arbeitet bei hellsehen-am-telefon.de und erklärt, dass meine<br />

Fragen von Herzen kommen und persönlich sein müssen. Nur so würde der Energiekreislauf besser<br />

fließen und er mehr sehen können. Auf Wunsch könne er auch die Meinung eines vertrauten Tieres<br />

zurate ziehen. Bei Dieters Kollegen, Avatar Klaus, lasse ich mich erstmal von sämtlichen Flüchen reinigen.<br />

Es läge alles an meiner Einstellung, für die ich aber nichts könne, weil ich in meinem früheren<br />

Leben vermutlich Opfer eines bösen Rituals gewesen sei, das sich nun im Hier und Jetzt auf mein Karma<br />

auswirke. Avatar Klaus löst meine negativen Energieblockaden innerhalb von 11 Minuten. Bei 1,49 Euro<br />

pro Minute fast schon ein Schnäppchen. Die Zukunft kann kommen. Aber wie wird sie denn nun?<br />

Auf stretago.de wird mir in Sachen Vorhersagen 100 % Seriosität versprochen. Ich lande bei Diplom-<br />

Astrologin Visiona. Als Channel-Medium weiß sie bereits nach einem kurzen „Hallo“ von mir, dass ich<br />

temperamentvoll und extrovertiert bin. Sie ahnt eine Verbindung zu einem Medium, dessen Anwesenheit<br />

sie deutlich spürt. Wie durch Geisterhand höre ich mich das Wort „curt“ sagen. Bingo! Ob ich denn wissen wolle,<br />

ob es curt in naher Zukunft in meinem Leben noch geben werde. Ich kann mein Glück kaum fassen, in diesem Augenblick<br />

startet die Happy Hour „Hear your time“ zum halben Minutenpreis. Das muss ein Zeichen sein!<br />

Nach ein paar Minuten Konzentration ist die Verbindung zu meinem Unterbewusstsein hergestellt.<br />

„Das Pendel nimmt die Schwingungen auf und übersetzt diese in sichtbare Bewegungen“,<br />

erklärt Visiona. Die Spannung steigt. Das Pendel sagt an, Visiona spricht: Eine diffuse Beziehung,<br />

intensiv, wechselhaft, energetisch ... Das passt gut, mein Horoskop von letztem Monat hatte<br />

auch so etwas Ähnliches prophezeit: Halten Sie die Augen offen – es kann alles passieren!<br />

Nach diversen Online-Kristallkugel-Orakeln, Kaffeesatz-Lesen und Traumdeutungen fasse ich<br />

zusammen: Mein Leben ist unglaublich spannend und ich bin ziemlich super.<br />

Ich beschließe, jemanden face to face mit meiner Zukunft und curt zu konfrontieren. Meine Wahl fällt auf die<br />

Münchner Schamanin Silvia Röder. Sie ist gebürtige Münchnerin, bietet individual-psychologische Beratung und<br />

Heilung, schamanische Heilreisen und Kartenlegen an. Als Juristin bekommt ihre Kombination aus den Heilmethoden<br />

noch mal einen ganz besonderen Dreh. Für mich wird sie Tarotkarten legen. Sie empfängt mich in<br />

ihrer Wohnung in Fürstenried West. Kein Hokuspokus, kein Hexenhut, kein Abracadabra. Frau Röder scheint<br />

mir eine äußerst umgängliche Person zu sein, die die beste Freundin meiner Mutter sein könnte. Im Hintergrund<br />

kräht Rod Stewart aus den Boxen. Bevor es losgeht, werde ich in die Basics eingewiesen: der Zugang zum universellen<br />

Bewusstsein, das morphoenergetische Feld, die systemische Aufstellung und Bestellungen beim Universum.<br />

Bestellung? Sehr schön, ein Bier, bitte!<br />

Frau Röder mischt die Karten und fächert sie auf dem Tisch auf. Ich stelle meine Fragen laut,<br />

ziehe jeweils eine Karte und decke sie auf. Erfolg, Reichtum, Liebe. War das jetzt Glück oder<br />

sind diese Karten wirklich für mich bestimmt? Viel mehr als die Interpretation der Karten zieht<br />

mich Frau Röder durch ihre sympathische Art in ihren Bann, wie sie mit meinen Fragen umgeht,<br />

genauer nachfragt, mich von einem außenstehenden Standpunkt reflektiert und gutes Einfühlungsvermögen<br />

zeigt. Die Karten liegen da und wir reden über alles Mögliche. Über ihre Kindheit in<br />

Sendling, über Politik, über Eigenverantwortung im Leben. Ich gehe bestärkt aus den vier Stunden mit Frau Röder nach<br />

Hause. Karten hin oder her – Untergang, Armut und Hass wären an diesem Abend so oder so keine Option gewesen.<br />

Nicht für mich, nicht für curt. So schauts nämlich aus. Zukunft, egal, wie du wirst, ich bin da und freue mich auf dich!<br />

vieLen dank an siLvia röder // aLLe inFos Zu ihr Findet ihr unter münchner-schamanin.de


das impressum der zukunft. ja, pfiadi gott!<br />

Die curt redaktion<br />

GeschäFtsFührunG curt media GmBh<br />

Stefan Neukam. steff@curt.de<br />

GestaLtunG und cvd curt münchen<br />

Melanie Castillo. mel@curt.de<br />

onLine-redaktion. schLussredaktion.<br />

Andreea Hula. andreea@curt.de<br />

cheFredaktion curt nürnBerG.<br />

Reinhard Lamprecht. lampe@curt.de<br />

check vor druck<br />

Christian „Palito de pescado“<br />

druck<br />

Kastner & Callwey Medien GmbH<br />

Lektorat<br />

Mirjam Karasek<br />

hier bekommt ihr curt<br />

Südstadt // City Kino // Café Kosmos // Café am Hochhaus // Bergwolf // 59:1 // Trachtenvogl // Substanz //<br />

Münchner Volkstheater // Feierwerk // Backstage // Valentin Stüberl // Deutsche POP Akademie // Muffathalle //<br />

Corleone // Zentraler Hochschulsport (ZHS) ...<br />

curt magazin münchen<br />

curt Media GmbH<br />

Geschäftsführer: Stefan Neukam (ViSdP)<br />

Widenmayerstr. 38, 80538 München<br />

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an dieser ausGaBe haBen mitGewirkt:<br />

Andreea Hula, Melanie Castillo, Christoph Brandt,<br />

Michael Dengler, Martin Emmerling, Sebastian Klug,<br />

Christian Vogel, Sebastian Hofer, Thomas Karpati,<br />

Jan Voss, Achim Schmidt, Valentin Plank, Margarita<br />

Sereda-Wildenauer, Petra Kirzenberger, Verena Vötter,<br />

Bob Pfaffenzeller, Julia Fell, Michaela Neukirch, Max<br />

Brudi, Oliver Armknecht, Amelie-Antoinette Tegtmeyer,<br />

Angela Sandweger, Karin Teutsch, John Holl, Melanie<br />

Leyendecker (Mel Zwo), Martin Arz, David Lodhi, Marius<br />

Rohne, Kilian Schwaiger, Marc Pletzer, Christian Gretz<br />

mitarBeiter des ausGaBe<br />

Die Zeitmaschine<br />

sonG der ausGaBe<br />

Cascandy – Escape Escape<br />

IMPRESSUM // curt 95<br />

um Zu Lachen, muss man daBei Gewesen sein<br />

Sebastian: „Alter, Deine Mudda baut ne Zeitmaschine!“<br />

curt Nr. 72 erscheint Anfang juni <strong>2012</strong>.<br />

kommentare, kritik, und Infos gerne an muenchen@curt.de<br />

Ein Nachdruck der Texte oder<br />

Fotos in curt – auch im Internet<br />

– ist nur mit schriftlicher<br />

Genehmigung gestattet. Für<br />

unverlangt eingesandtes Textund<br />

Bildmaterial wird keine<br />

Haftung übernommen.


96 curt // HINTEN RAUS<br />

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KARTEN 089.5 23 46 55 ODER MÜNCHENTICKET 089.54 81 81 81

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