Beispiele Teil 3 - Bayerischer Industrieverband Steine und Erden eV
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BiolOpe<br />
Abb.1: Gesamtübersicht der Auskiesung östlich der Fulda ein Jahr vor Eröffnung der B<strong>und</strong>esgartenschau Kassel 1981. 1m<br />
Vordergr<strong>und</strong> das Erholungsgelände mit Blickrichtung aufden naturhaften Seeteil <strong>und</strong> die Stadt Kassel. Foto: W Weseman.n<br />
Abb.2: 17Jahre spliter! Foto: H. Biewer<br />
271
<strong>Beispiele</strong><br />
Garstadt<br />
Vorbemerkungen<br />
Das Bayernwerk errichtete unmittelbar angrenzend<br />
an das Landschaftsschutzgebiet "Alter Main" das<br />
Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. Dieses Altwa ser<br />
ist als Bruthabitat für eine Reihe im Bestand gefährdeter<br />
Vogelarten bekannt (BANDORF, LAUBE <br />
DER 1982). Deshalb wurde das Bayernwerk im<br />
ersten atornrechtlichen <strong>Teil</strong>genehmigungsbescheid<br />
vom 21. 6. 1974 verpflichtet, "land chaft pflegerische<br />
Maßnahmen zur Verhinderung oder zum Ausgleich<br />
der mit dem Vorhaben verb<strong>und</strong>enen Land chaftsschäden"<br />
zu treffen. Auf Vor cWag de ehrenamtlichen<br />
aturschutzbeauftragten am Landratsamt<br />
Schweinfurt, W. SCHAFFNER <strong>und</strong> des Naturschutzbeirate<br />
beim Landrat amt hat das Bayernwerk etwa<br />
1,5 km üdlich des "Alten Mains" eine 25 ha große<br />
Aussandungsfläche gekauft. Die Flächen wurden der<br />
Gemeinde Bergrheinfeld übereignet.<br />
'-------'--........' 200 m<br />
Abb. 1: Die Baggerseen 1-6 zwischen Garstadter Holz<strong>und</strong><br />
Bananensee sollen als ökologische Ausgleichsfläche<br />
dienen; ungünstige Strukturen durch isolierte Wasserflächen<br />
<strong>und</strong> hohe Dämme. Die Abbildung wurde nach einer Luftaufnahme<br />
vom Oktober 1979 gezeichnet.<br />
Ausgangslage<br />
Ende 1978 wurde die Kiesausbeutung abgeschlossen.<br />
Die künftige ökologi che Au gleichsfläche bestand<br />
au 6 Baggerseen mit insgesamt 16 ha Wasserfläche<br />
<strong>und</strong> 9 ha Uferböschungen. Das Gebiet liegt<br />
auf der iederterra e de Maintales unmittelbar<br />
anschließend an einen etwa 50 ha großen Hartholzauerest,<br />
dem SG Garstadter Holz, etwa 5 km südlich<br />
Schweinfurt. Die Baggerseen wurden von Sportanglern<br />
befischt <strong>und</strong> mit Karpfen Schleien <strong>und</strong><br />
Hechten besetzt. Da sich Sportfischerei <strong>und</strong> Vogelschutz<br />
auf gleicher Fläche ausschließen (ERLIN<br />
GER; REICHHOLF 1974) hat das Bayernwerk das<br />
272<br />
Angelrecht gekauft. Die Baggerseen werden nicht<br />
mehr befischt. Für die ökologische Ausgleichsfläche<br />
wurde ein Landschaftsplan erstellt, der bis zu 40<br />
Meter breite Flachwasserzonen vor ah. Die Böschungen<br />
wurden nach diesem Landschaft plan vollständig<br />
mit Büschen <strong>und</strong> Bäumen bepflanzt. Leider<br />
wurden die im Landschaftsplan vorgeschriebenen<br />
Flachwasserzonen nicht angelegt, ie wie en im<br />
Durchschnitt höchstens einen Meter Breite auf.<br />
Die beginnende Sukzession in Verbindung mit den<br />
Gehölzanpflanzungen führten dazu, daß die 25 ha<br />
große Materialentnahmestelle keine für den Flußregenpfeifer<br />
nutzbaren Kiesflächen aufwies. Die<br />
Strukturverhältni se waren für eine ökologische<br />
Au gleich fläche mit Schwerpunkt Vogelschutz sehr<br />
ungünstig (Abb. 1). 1979 brüteten höchstens 10 Arten<br />
im Gebiet. Diese unbefriedigende Situation veranlaßten<br />
die Ornithologische Arbeitsgemein chaft<br />
Unterfranken Region 3 <strong>und</strong> da In titut für Vogelk<strong>und</strong>e,<br />
Vorschläge zu einer Umgestaltung der Ausgleichsfläche<br />
zu erarbeiten.<br />
Gestaltungsmaßnahmen<br />
Die durch hohe, steile Dämme voneinander i olierten<br />
ech Bagger een wurden zu einer großen Wasserfläche<br />
verb<strong>und</strong>en. Die aus humusfreiem Unterboden<br />
geschütteten Dämme wurden abgeflacht <strong>und</strong><br />
an mehreren Stellen ganz abgebaggert. Das Material<br />
Abb. 2: Obersicht zur Lage des Naturschutzgebietes" Vogelschutzgebiet<br />
Garstadt" <strong>und</strong> der angrenzenden Schutzgebiete.<br />
Stand: fuli 1988.
Abb.3: Vogelschutzgebiet<br />
Garstadt nach den<br />
Gestaltungsmaßnahmen<br />
durch das Institut<br />
fiir Vogelk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> die<br />
Ornithologische ArbeitsgemeinschaftUnterfranken,<br />
Region 3.<br />
Foto: H. Ranftl, 1980<br />
Abb.4: Nalllrschutzgebiet<br />
.. Vogelschutzgebiet<br />
Garstadt", 1994.<br />
Foto: H. Bunsen<br />
Abb.5: E ist kaum zu<br />
fassen: Wo früher Gurkenfelder<br />
waren, findet<br />
sich jetzt ein aturschlllzgebiet<br />
mit Wasserflächen<br />
<strong>und</strong> Röhrichten.<br />
Foto: <strong>Bayerischer</strong> <strong>Industrieverband</strong><br />
<strong>Steine</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Erden</strong> e. v., 1997<br />
BiolOpe<br />
273
<strong>Beispiele</strong><br />
wurde mit einem Schürfkübelbagger in die meist nur<br />
1,5 m tiefen Bagger een geworfen. Durch diese Arbeiten<br />
entstanden zahlreiche Inseln <strong>und</strong> Halbin ein<br />
<strong>und</strong> 20-30 m breite Verbindungen zwi chen den<br />
sechs Baggerseen (Abb. 2). eu angelegte Kie <br />
flächen <strong>und</strong> Humusdeponien oberhalb der HHW<br />
Linie boten potentielle Brutplätze für Flußregenpfeifer,<br />
Eisvogel <strong>und</strong> Uferschwalbe.<br />
Die ökologi che Ausgleichsfläche auf der iederterrasse<br />
wird bei Hochwasser vom Main überschwemmt.<br />
Das Hochwasser kann aus den Flächen<br />
nicht ablaufen. Der Einbau eines Rohres (40 cm 0)<br />
sorgt für zügige Ableitung des Hochwassers zum<br />
Main.<br />
Da Bayernwerk (40000,- DM), die Zoologische<br />
Gesellschaft FrankfurtlMain (12000,- DM Konto<br />
Hilfe für die bedrohte Tierwelt) <strong>und</strong> das Bayerische<br />
Landesamt für Umweltschutz (2500,- DM) finanzierten<br />
diese zusätzlichen Baurnaßnahmen.<br />
Ergebnis<br />
Die geringfügigen Störungen im Gebiet in Verbindung<br />
mit der Umgestaltung förderten die Attraktivität<br />
der Flächen als Rückzugsgebiet für zahlreiche<br />
Tierarten. So nutzten z. B. bis 31. 12. 1982 176 Vogelarten<br />
die 25 ha als Brut-, ahrungs-, Rast- <strong>und</strong> Mauserhabitat.<br />
Der Artenreichtum war Anlaß für da<br />
Landratsamt Schweinfurt, die ökologische Ausgleichsfläche<br />
1982 al Landschaftsschutzgebiet "Vogelschutzgebiet<br />
Gar tadt' zu sichern (RANFfL;<br />
BANDORF; SCHÖDEL 1983).<br />
Weitere EntwickLung des Gebietes<br />
Der beeindruckende Erfolg motivierte das Landratsamt,<br />
das 25 ha große LSG "Vogelschutzgebiet Garstadt"<br />
durch Ankauf benachbarter Baggerseen <strong>und</strong><br />
die Eingliederung neu entstandener Gr<strong>und</strong>wasseraufscWüsse<br />
zu erweitern. 1987 erfolgte die UnterschutzsteIlung<br />
des auf 50 ha erweiterten Gebietes als<br />
NSG <strong>und</strong> die Sicherung der südlich angrenzenden<br />
Flächen "Im Kies <strong>und</strong> Unterer Unkenbach" al LSG.<br />
1994 wurden die östlich angrenzenden Flächen als<br />
LSG einstweilig sichergestellt (Abb. 3).<br />
Im 50 ha großen SG "Vogelschutzgebiet Gar tadt"<br />
wurden bis ein chließlich 1997 230 Vogelarten nachgewiesen,<br />
davon brüteten über 80 Arten im Gebiet.<br />
Da bedeutet, daß knapp 50% aller seit 1950 in Bayern<br />
als regelmäßige Brutvögel festgestellten Arten<br />
(BEZZEL 1994) im SG nachgewiesen werden<br />
konnten. Diese Artenfülle ist nur möglich, weil das<br />
Gebiet enormen Strukturreichtum aufweist (Abb. 4)<br />
<strong>und</strong> Störungen durch konsequente Überwachung<br />
ausgeschlossen werden. Die SG-Verordnung verbietet<br />
u. a. Jagd, Fischerei, Bade- <strong>und</strong> Bootsbetrieb,<br />
Betreten der Flächen außerhalb gekennzeichneter<br />
Wege <strong>und</strong> Manöver.<br />
Die kursorisch dargestellte Entwicklung des Gebietes<br />
war nur möglich durch das außergewöhnliche<br />
Engagement von Herrn Herbert Bunsen, Regie-<br />
274<br />
rungsdirektor am Landrat amt Schweinfurt. Er erreichte<br />
unter unendlichen Mühen <strong>und</strong> mit zähem<br />
Verhandlungsge chick die Zustimmung der vielen<br />
Gr<strong>und</strong>stückseigentümer, Landwirte, Jäger, Angler.<br />
der Kiesfirmen, der Gemeinden, des Landrates <strong>und</strong><br />
de Kreistages. An den Kosten für den Ankauf der<br />
Flächen <strong>und</strong> Angelrechte sowie der Ge taltung <br />
maßnahmen (in gesamt ca. 3 Millionen DM) beteiligten<br />
ich der Landkrei Schweinfurt, das Bayer.<br />
Staatsrninisterium für Landesentwicklung <strong>und</strong> Umweltfragen,<br />
der Bayer. aturschutzfonds, die Bayernwerk<br />
AG, der WWF, die Zoologische Gesellschaft<br />
FrankfurtlMain <strong>und</strong> die Firma Beuerlein, Gaibach.<br />
Die beteiligten Gemeinden Grafenrheinfeld, Röthlein,<br />
Waigolshausen <strong>und</strong> insbesondere Bergrheinfeld<br />
haben zusätzlich gemeindeeigene Gr<strong>und</strong>stücke<br />
ko tenlos zur Verfügung gestellt.<br />
Literatur<br />
BA DORF. H., LA BE DER. H.. 1982: Die Vogelwelt zwischen<br />
Steigerwald <strong>und</strong> Rhön. 2. Bd.. Lande b<strong>und</strong> für Vogelschutz<br />
in Bayern, HiJpoltstein.<br />
BEZZEL. E .. 1994: Die Vögel Bayern. Garmi eber vogelkdl.<br />
Ber. 23. 1---{j5.<br />
ERL GER. G.. REICHHOLF, J.. 1974: Störungen durch Angler<br />
in Wasservogel chutzgebieten. atur <strong>und</strong> Landschaft 49,<br />
229-300.<br />
RANFfL. H., BANDORF, H., S HÖDEL. H.. 19 3: Kiesgruben<br />
aJ Leben raum: Vogel chutzgebiet Garstadt. Landkreis<br />
Schweinfurt. Ber. Dt eh. Sekt. Int. Rat Vogelschutz 23. 57---{j6.<br />
WEI ZIERL. W., 1976: Land chaft pflegerische Begleitplanung<br />
Kernkraftwerk Grafenrbeinfeld/Bayernwerk AG. Ingolstadt.<br />
Jastorf<br />
Der Jastorfer See entstand als Bodenentnahme für<br />
den Elbe-Seitenkanal in den Jahren 1974-1976. Er<br />
liegt zwischen Uelzen <strong>und</strong> Bad Bevensen <strong>und</strong> hat<br />
eine Größe von ca. 15 ha. Im Zuge der PIanfeststellung<br />
wurde als spätere Nutzung der Grube je zur<br />
Hälfte Naturschutz <strong>und</strong> Erholung vorgesehen. Mit<br />
der Planung wurde das iedersächsische Landesverwaltungsamt,<br />
Dezernat aturschutz, Landschaftspflege,<br />
Vogelschutz beauftragt.<br />
Um die beiden utzungen voneinander zu trennen,<br />
wurden in der Planung eine bumerangähnliche Getalt<br />
des See <strong>und</strong> eine Bodenrippe etwas unter der<br />
Höbe de späteren Was erspiegels zwi chen den beiden<br />
Seehälften vorgesehen.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der ebennutzung Erholung (Baden), der<br />
angrenzenden landwirtschaftlichen utzflächen, des<br />
au anlehmigen Sanden bestehenden Bodensubtrats<br />
<strong>und</strong> des vorhandenen Zuflusses aus landwirtschaftlich<br />
genutztem Gebiet (ein kleiner Bach von<br />
50 cm SoWbreite <strong>und</strong> maximal 20 cm Wassertiefe)<br />
konnte man davon au gehen, daß sich im See auf<br />
Dauer kein oligotropher Zustand erhalten ließ. Daher<br />
sah die Planung eine Gestaltung des Sees al<br />
Brutgebiet für Sumpf- <strong>und</strong> Wasservögel vor.<br />
Folgende Voraussetzungen begünstigten die Verwirklichung:<br />
Da der See einen Zulauf hat, konnte die<br />
gewünschte Wasserspiegeihöhe durch einen Über-
Abb.]: Bodenentnahme JastOlj im Winter 1975/76. Fluten<br />
des Abbaus. Foto: H-J. Dahl<br />
Abb. 3: In den folgenden vier Jahren hat sich aus dem<br />
Rohrkolben-Pionierstadium das gewünschte Röhricht aus<br />
Schilf (Phragmites communis) entwickelt. Die gepflanzten<br />
Gehölze, Weiden <strong>und</strong> Schwarzerlen, schirmen den Sicherungsgraben<br />
ab <strong>und</strong> binden den See in die Landschaft ein.<br />
Foto: H-l Dahl<br />
lauf festgelegt werden. Als zukünftige Wasserspiegelhöhe<br />
wurde der Frühjahrswasserstand eines angrenzenden<br />
Erlenbruches festgelegt, der vor Beginn<br />
der Arbeiten eingemessen wurde. In die Abbauflächen<br />
konnten ca. 500000 m 3 Material eingebracht<br />
werden, das von der Trasse des Elbe-Seitenkanal<br />
stammte <strong>und</strong> als Humus <strong>und</strong> Schluff für die Biotopgestaltung<br />
bestens geeignet war. Zudem wurde der<br />
Wasserspiegel während der Arbeiten um ca. 2 m abgesenkt,<br />
so daß dieses Material optimal eingebracht<br />
werden konnte.<br />
Bei der Gestaltung standen drei wesentliche Gedanken<br />
im Vordergr<strong>und</strong>: Als Nahrungsbiotop wurden<br />
große Flächen durch Bodeneintrag auf eine spätere<br />
Biotope<br />
Abb. 2: Im Juli 1976 hat sich das" Waschbrett" bereits mit<br />
Breitblättrigem Rohrkolben (Typha latifolia) besiedelt. Im<br />
Vordergr<strong>und</strong> ist der Sicherungsgraben noch gut zu sehen.<br />
Foto: H-J. Dahl<br />
Abb. 4: Inzwischen ist der Jastorfer See vom Kanaldamm<br />
her nur noch im Winter einsehbar, wie das Bild aus dem<br />
Jahre ]993 zeigt. Foto: H-J. Dahl<br />
Wassertiefe von 2-3 m gebracht. Ziel: offene Flachwasserzonen<br />
im sonst bis ca. 10 m tiefen See. Als<br />
Brutbiotop wurde auf einem <strong>Teil</strong> dieser o. g. Flächen<br />
nährstoffreiches humoses Material so deponiert, daß<br />
ein "Waschbrett" mit einer Höhe zwischen 0,1 m<br />
über <strong>und</strong> 1,0 m unter dem späteren Wasserspiegel<br />
entstand, mit dem Ziel, dichte Röhrichtbestände bis<br />
ca. 0,5 m Wassertiefe als Brutbiotop, <strong>und</strong> einschwimmbare<br />
lichte Röhrichtbestände bei größeren<br />
Wassertiefen zu schaffen. Zum Schutz vor Störungen<br />
im Brutbiotop durch Spaziergänger <strong>und</strong> H<strong>und</strong>e<br />
wurde am Rande des Sees ein Graben von ca. 1,5 m<br />
Wassertiefe <strong>und</strong> ca. 8 m Breite belassen bzw. ausgehoben,<br />
so daß das Röhricht nun vom Ufer abge-<br />
275
<strong>Beispiele</strong><br />
setzt war. Gute Beobachtungsmöglichkeiten ergeben<br />
sich vom Kanaldamm, der hier in 14 m Höhe am See<br />
vorbeigeführt wird.<br />
Die Gestaltung des Jastorfer Sees wurde ein voller<br />
Erfolg (s. Abb. 1 <strong>und</strong> 2): Obwohl keine Röhrichte<br />
<strong>und</strong> Wasserpflanzen gepflanzt wurden, entwickelten<br />
sich bereits im 1. Sommer auf den vorgesehenen<br />
Röhrichtflächen dichte Bestände des Breitblättrigen<br />
Rohrkolbens, die Flachwasserzonen wurden von<br />
Chara-Arten besiedelt. Seit 1978, der 3. Vegetationsperiode,<br />
begann die gewünschte Umstellung: Die<br />
Pioniervegetation wurde mit der Zeit von Schilf bei<br />
den Röhrichten <strong>und</strong> von Laichkrautarten, Wasserpest<br />
<strong>und</strong> Tausendblatt bei den Wasserpflanzen ersetzt<br />
(s. Abb. 3).<br />
Auch die erhofften Vogelarten stellten sich ein. Bereits<br />
im 2. Sommer brüteten hier zwei Paare Drosselrohrsänger,<br />
fünf Paare Haubentaucher <strong>und</strong> ein Paar<br />
Rohrweihen. Im Winter rasten hier u. a. Kormoran,<br />
Krähenscharbe, Singschwan, Kolbenente, Eistaucher<br />
<strong>und</strong> andere seltene Arten.<br />
1977 verzichtete die Gemeinde auf die In-Nutzung<br />
Nahme als Badesee, so daß auch diese Seehälfte<br />
nach Naturschutzgesichtspunkten nachgestaltet werden<br />
konnte.<br />
Der Jastorfer See wurde mit Verordnung vom<br />
19. 10. 1977 als Naturschutzgebiet ausgewiesen <strong>und</strong><br />
unterliegt seither der Eigenentwicklung ohne jegliche<br />
lenkende <strong>und</strong> pflegende Maßnahmen. Inzwischen<br />
ist der Jastorfer See kaum noch einsehbar<br />
(s. Abb. 4). Deshalb wurde für Einheimische sowie<br />
Wanderer <strong>und</strong> Radler aus dem benachbarten Bad<br />
Bevensen an der Ortslage Jastorf ein Aussichtsturm<br />
errichtet, von dem man einen hervorragenden Blick<br />
auf den See hat.<br />
Puch<br />
Das Abbaugebiet liegt unmittelbar an der Grenze<br />
der Naturräume Münchener Ebene <strong>und</strong> Fürstenfeldbrucker<br />
Hügelland, etwa 500 m vom westlichen<br />
Stadtrand Fürstenfeldbrucks <strong>und</strong> der B<strong>und</strong>esstraße<br />
B 471 entfernt.<br />
Einem bewaldeten Rißmoränenzug, der sich von<br />
Südwesten nach Nordosten erstreckt, ist ein ca. 2 km<br />
breites Schotterfeld des Hochwürmglazials vorgelagert,<br />
das in mehreren Terrassenstufen zur Amper<br />
abfällt.<br />
Das Abbaugebiet umfaßt im derzeitigen Planungsumgriff<br />
ca. 33,7 ha <strong>und</strong> ist <strong>Teil</strong> der im Regionalplan<br />
der Region München als Vorrangfläche 605 (Kies<br />
<strong>und</strong> Sand) dargestellten Ausweisung.<br />
Seit 1966 baut die Firma Stockinger hier Kies ab. Die<br />
Kiesgewinnung erfolgte anfangs nur im Trockenabbau,<br />
seit 1985 auch im Naßabbau.<br />
Die Firma Stockinger ließ in den Jahren 1987 bis 1989<br />
auf den geplanten Erweiterungsflächen im Norden<br />
<strong>und</strong> Westen umfangreiche Kieslagerstättenerk<strong>und</strong>ungen<br />
durchführen, so daß ein recht genaues Bild<br />
über die örtlichen Untergr<strong>und</strong>verhältnisse vorliegt.<br />
276<br />
Die Tertiäroberkante, die die Gr<strong>und</strong>wassersohlschicht<br />
<strong>und</strong> die Basis der Lagerstätte bildet, liegt ca.<br />
20 m unter der Geländeoberkante, steigt aber im<br />
Nordteil des Abbaugebietes bis knapp unter die<br />
Geländeoberkante an.<br />
Ein durch die Abbautätigkeit in den vergangenen<br />
Jahren bereits teilweise freigelegter Nagelfluhkörper<br />
im Norden des Abbaugebietes stellt eine weitere ört<br />
Ijche Besonderheit dar. Die Ausdehnung der Nagelfluhbank<br />
konnte ebenfalls durch geoelektrische Tiefensondierungen<br />
kartiert werden.<br />
Der Abbau soLI im Gr<strong>und</strong>wasser bis 2 m über Tertiäroberkante<br />
vorgenommen werden, oberhalb des<br />
höchsten Gr<strong>und</strong>wasserspiegels (ca. 12 munter<br />
Geländeoberkante) soLI die ansteigende Tertiäroberkante<br />
ebenso freigelegt werden wie die Nagelfluhbank<br />
im Norden.<br />
Als Folgefunktion wird seit Beginn der achtziger<br />
Jahre ausschließlich das Ziel "Arten- <strong>und</strong> Biotopschutz"<br />
verfolgt. Die Renaturierungserfolge der<br />
Firma Stockinger wurden bereits 1986 im landesweiten<br />
Wettbewerb "Lebensraum naturnahe Gewässer"<br />
des Bayerischen Landesverbandes für Gartenbau<br />
<strong>und</strong> Landschaftspflege ausgezeichnet.<br />
Im Zuge der Renaturierung sollen vorrangig nährtoffarme<br />
<strong>und</strong> reliefgeprägte Lebensräume (Steilwände<br />
<strong>und</strong> -böschungen im anstehenden Material),<br />
die beim Abbau entstehen, erhalten werden. Diese<br />
Standorte sind in unserer intensiv genutzten Landschaft<br />
immer seltener zu finden <strong>und</strong> haben herausragende<br />
Bedeutung als Lebensraum für bedrohte Tier<strong>und</strong><br />
Pflanzenarten.<br />
Umfangreiche Flachwasserzonen <strong>und</strong> Rohbodenstandorte<br />
bieten zusätzliche Voraussetzungen für ein<br />
breites Spektrum an natürlichen Sukzessionsabläufen.<br />
Auf den durch Abraumschüttung flacher ausgebildeten<br />
Böschungsabschnitten sollen standortgerechte<br />
Laubwaldbestände aufgeforstet werden.<br />
Die Artenzusammensetzung der Aufforstungsflächen<br />
soll sich weitgehend an den Waldgesellschaften<br />
der potentiell natürlichen Vegetation (WaIdlabkraut-Eichen-Hainbuchen-Wald<br />
<strong>und</strong> Liguster-Schlehen-Gebüsch)<br />
orientieren.<br />
Die nach Rekultivierungsplan verbleibenden Steilböschungen<br />
in anstehendem Material (Kies, Sand)<br />
die freigelegte Nagelfluhbank <strong>und</strong> die verbleibende,<br />
freigelegte Tertiäroberkante dürfen nicht mit Abraum<br />
oder gar Oberboden angedeckt werden, da<br />
hier die im Zuge der Abbautätigkeit entstehenden<br />
nährstoffarmen Standorte unbedingt als solche<br />
erhalten werden sollen.<br />
An den Steilböschungen werden durch zusätzlichen<br />
Materialabtrag am Böschungsfuß bereichsweise<br />
Steilwände erstellt. Vorrangig sind dabei Bereiche<br />
der bis zu 4 m mächtigen sandigen Zwischenschicht<br />
einzubeziehen, da somit potentielle Brutplätze für<br />
die vorhandene Uferschwalbenkolonie geschaffen<br />
werden können.<br />
Die Steilwände <strong>und</strong> -böschungen <strong>und</strong> besonders die
<strong>Beispiele</strong><br />
Bildtafel, Text aufder nebenstehenden Seite.<br />
278
das gesamte Abbaugebiet der natürlichen Sukzession<br />
überla sen bleiben solle. Diese setzte auch rasch<br />
ein, als die abbaubedingten Bodenbewegungen aufhörten.<br />
Die ersten angeflogenen Erlen ämlinge sind<br />
im Sommer 1981, al 0 drei Jahre nach Abbauende,<br />
schon zu erkennen (Abb. 2).<br />
Ohne Konkurrenz durch andere Pflanzen <strong>und</strong> ohne<br />
Beschattung durch hohe Bäume schießen die Erlen<br />
rasch in die Höhe. Genau ein Jahr später, im Sommer<br />
1982, entstand die Aufnahme, die das jährliche<br />
Wachstum zeigt (Abb. 3). In diesem Jahr wurde auch<br />
für den Baggersee <strong>und</strong> den daran angrenzenden Biotopkomplex<br />
aus Fi chteich <strong>und</strong> Schilfgebieten ein<br />
Betretungsverbot für die Zeit vom 1. April bis 15.<br />
Augu t eines jeden Jahres erlas en, um der überau<br />
artenreichen Vogelwelt dieses Gebietes eine ungestörte<br />
Brut <strong>und</strong> Jungenaufzucht zu ermöglichen.<br />
Hinter der Kiesgrube, die nun schon einige Jahre<br />
ihrer eigenen Entwicklung überla en geblieben ist,<br />
befand sich noch ein kleine Abbaugebiet mit geringer<br />
Kiesmächtigkeit <strong>und</strong> -qualität. Von dort wurde<br />
von Zeit zu Zeit auf dem Förderband Rohkies ins<br />
Werk transportiert. 1983 ging auch dieser Abbau zu<br />
Ende, somit konnte im Winter 1983/84 das Förderband<br />
abgebaut werden. Im gleichen Winter wurden<br />
auch Umgestaltungsmaßnahmen erforderlich:<br />
- Die Uferbereiche sollten wenig tens im hinteren<br />
<strong>Teil</strong> des Bagger ees vielfältiger strukturiert werden.<br />
Eine entsprechende Umgestaltung im vorderen<br />
Bereich war nicht durchzu etzen, da der Abbauunternehmer<br />
um seinen guten Ruf besorgt war<br />
<strong>und</strong> fürchtete, in den Augen der Öffentlichkeit als<br />
Schlamperer angesehen zu werden.<br />
- Gleichzeitig wurde es erforderlich, gestalterische<br />
Veränderungen vorzunehmen, um die utzung<br />
de Gelände durch Motocros -Fahrer zu verhindern.<br />
Die beiden Zufahrten wurden durch einen<br />
Wall mit wassergefülltem Graben unpassierbar<br />
Bi/dcafel: Aufnahme Winter 1977/78: Endphase des Kiesabbaus<br />
bei abgesenktem Gr<strong>und</strong>wasser (J). Aufnahme Juni<br />
1981: 3 Jahre nach Beendigung des Abbaus; der Baggersee<br />
ist gefüllt, die erSlen angeflogenen Erlensämlinge sind bereits<br />
zu erkennen (2). Aufnahme Juni 1982: Genau ein Jahr<br />
späler, die Erlen setzen sich bereits durch (3). Aufnahme Februar<br />
1984: 2 Jahre danach: Das Förderband iST weirgehend<br />
abgebaut. Ein Bagger haT in den letzten Wochen zuvor gestalterische<br />
Verbesserungen aLlch im Bereich des früheren<br />
Förderbandes durchgeführt. Die Zufahrt- aufBild 2 gut zu<br />
erkennen - mußte weggebaggert werden, da sie nicht mehr<br />
benötigT wurde <strong>und</strong> nur Motocross-Fahrer animiene, in dem<br />
GebieT zu trainieren. Die beiden frischen Erdwälle hinter<br />
den Erlen werden durch einen Wassergraben getrennt (4).<br />
Aufn·ahme Winter 1985/86: Ein Jahr später: Die Erlen sind<br />
kräftig gewachsen, der Baggersee ist selbst im Winter von<br />
die er Stelle aus kaum noch zu sehen (5). Aufnahme Februar<br />
1993: Der Baggersee wird durch die hohen Erlen völlig<br />
verdeckt. Es ist kaum vorstellbar, daß sich hier noch vor<br />
JO Jahren eine Förderbandstraße befand LInd außer einigen<br />
wenigen Baggereinsätzen nichts" rekultiviert", nichts gesät<br />
<strong>und</strong> nicht gepflanzt wurde (6). Fotos: L. Eicke<br />
Biotope<br />
gemacht. Der Erdwall ist hinter den Erlen noch zu<br />
erkennen (Abb. 4, Februar 1984). Die ehemalige<br />
Förderband traße wurde durch Ausbaggern mit<br />
Was erflächen angereichert <strong>und</strong> in der Strukturvielfalt<br />
verbessert.<br />
Ein Jahr danach sind die Erlen so groß <strong>und</strong> dicht, daß<br />
man selbst im Winter 1985/86 den Baggersee vom<br />
Foto-Standort kaum noch sehen kann (Abb. 5).<br />
7 Jahre päter ind au den ehemals zaghaften Erlensämlingen<br />
tattliche Bäume geworden, die nun, im<br />
Februar 1993, den Blick auf den dahinterliegenden<br />
Bagger ee völlig verdecken. Es ist kaum vorstellbar,<br />
daß ich hier noch vor 10 Jahren eine Förderbandstraße<br />
befand <strong>und</strong> daß außer einigen wenigen Baggerein<br />
ätzen nichts ,rekultiviert", nichts ange ät<br />
oder angepflanzt wurde (Abb. 6).<br />
Die Sukzession wurde zweifellos dadurch beschleunigt,<br />
daß sich gerade in der Umgebung der Bandstraße<br />
viel Feinmaterial auf beiden Seiten des Förderbande<br />
ge ammelt hat, das nähr toffreicher <strong>und</strong><br />
für eine rasche Vegetation entwicklung mit Schilf,<br />
Rohrkolben <strong>und</strong> Erlen günstiger ist als der humusfreie<br />
Kiesrohboden anderer Böschungen.<br />
Andererseit hat die erheblich langsamere Vegetationsentwicklung<br />
auf offenen kiesig-sandigen Rohböden<br />
den Vorteil, daß unbewachsene Rohbodenflächen<br />
für die Pionierarten länger zur Verfügung<br />
stehen, daß Sonnenlicht <strong>und</strong> damit auch die Erwärmung<br />
direkt auf die Bodenoberfläche gelangt <strong>und</strong><br />
dort den lichthungrigen <strong>und</strong> wärmeliebenden Insekten<br />
(z. B. verschiedene Spinnenarten, Sandlaufkäfer,<br />
Ödlandschrecke u. v. a.) zugute kommt.<br />
Vienenburger Kiesteiche<br />
Die "Vienenburger Kiesteiche" liegen in der Okeraue<br />
zwischen Go lar <strong>und</strong> Vienenburg. Als mit der<br />
Fertigstellung der Okertalsperre 1956 die Überchwemmungen<br />
der Aue weitgehend unterb<strong>und</strong>en<br />
wurden, begann hier die Kiesgewinnung. Aufgr<strong>und</strong><br />
de für norddeutsche Verhältnisse starken Talgefälles<br />
(2%) erfolgte der Abbau in <strong>Teil</strong>ab chnitten, so<br />
daß Baggerweiher unterschiedlicher Größe (ca.<br />
3-10 ha) mit unter chiedlichen Wasserspiegelhöhen<br />
entstanden. Der gewonnene Kies wurde vor Ort gewaschen.<br />
Drei der Weiher wurden nacheinander als<br />
Sedimentationsteiche für da Spülwasser genutzt,<br />
wobei ihre spätere Rekultivierung zu landwirtschaftlichen<br />
Nutzflächen vorgesehen war.<br />
Das Gebiet der Sedimentationsteiche (ca. 25 ha<br />
groß) erhielt chon bald eine große ornithologische<br />
Bedeutung (ZANG 1977), zunächst als Rast-, päter,<br />
nach Entwicklung der ersten Röhrichte, auch als<br />
Brutgebiet für Wat- <strong>und</strong> Wasservögel. 185 Vogelarten<br />
wurden hier beobachtet, wobei 74 Arten als regelmäßige<br />
Durchzügler oder Wintergäste zu bezeichnen<br />
sind, die die Schlammbänke, Kiesflächen, Rohrkolbenbestände<br />
zum Ausruhen, zum Übernachten,<br />
vor allem aber zur Nahrungsaufnahme nutzen, um<br />
Kräfte für den Weiterflug zu sammeln. Häufige Rast-<br />
279
<strong>Beispiele</strong><br />
Abb.1: Die Schürjkübelraupe im Einsatz bei der BiolOpgestaltung.<br />
Kein anderes Gerät könnte hier noch arbeiten.<br />
Abb.3: Ein <strong>Teil</strong> der Inselwelt zu Beginn der Sukzession im<br />
Jahre ]977.<br />
Abb. 5: Fünf Jahre später ist bereits die nächste Entwicklungsphase<br />
vorzufinden: Sträucher <strong>und</strong> Bäume.<br />
Abb. 1-6 Foto: H.-J. Dahl<br />
280<br />
Abb. 2: Der grob planiene Standon im Sicherungsgraben<br />
als Betretungshindemis kurz nach der Fertigstellung.<br />
Abb. 4: Die Inselwelt hat sich spontan begrünt. Es ist unschwer<br />
nachvollziehbar, daß die Entwicklung auf nassen<br />
Standorten nur wenig Zeit in Anspruch nimmt.<br />
Abb. 6: Aufgl"Llnd der gestalteten Reliefunlerschiede enlwickelten<br />
sich unter <strong>und</strong> neben den Gehölzen Seggen, vor<br />
allem Rispen ( Seggen, z.B. Carex paniculata) <strong>und</strong> blütenreiche<br />
Hoch lauden enllong der Gräben.
vögel sind Stock-, Krick-, Reiher-, Tafelente, Höckerschwan,<br />
Bläßhuhn <strong>und</strong> Zwergtaucher owie Bekassine,<br />
Kampfläufer, Alpen trandläufer, Sandregenpfeifer,<br />
Waldwasserläufer, Dunkler Wasserläufer. Bei<br />
auslaufender Beschickung mit Spülwasser entwickelten<br />
sich Röhrichte, vor allem aus Breitblättrigem<br />
Rohrkolben (Typha latifolia), später auch kleinflächig<br />
aus Teichbinse (Schoenoplectu lacustris) <strong>und</strong><br />
Schilf (Phragmites communis) sowie Großseggenbestände<br />
aus Rispensegge (Carex paniculata), päter<br />
aus Flatterbinse (Juncus effu u ) <strong>und</strong> Grauem Reitgras<br />
(Calamagrostis canescen ), in die die ersten<br />
Gehölze einwandern, vor allem Aschweide (Salix<br />
cinerea), Korbweide (S. viminali ), Birke (Betula<br />
pendula), Faulbaum (Rhamnus frangula) <strong>und</strong><br />
Schwarzerle (AInus glutinosa). In diesen Vegetationsbeständen<br />
brüten vor allem Sumpfrohrsänger,<br />
Rohrammer, Bläßhuhn, Feldschwirl, aber auch<br />
Teichrohrsänger, Stockente, Tafelente, Haubentaucher,<br />
Zwergtaucher, Wasserralle, Krickente, daneben<br />
finden wir auf den offenen Schlammflächen auch<br />
den Kiebitz <strong>und</strong> den Flußregenpfeifer.<br />
1977 waren die drei Baggerweiher zugespült, <strong>und</strong> es<br />
ollten die Rekultivierungsarbeiten beginnen. Dem<br />
stand jedoch der Wunsch örtlicher aturschutzorganisationen<br />
entgegen, hier ein Schutzgebiet für Wat<strong>und</strong><br />
Wasservögel zu chaffen. Dahingehend einigten<br />
sich chließlich auch Abbauunternehmen, Gr<strong>und</strong>eigentümer<br />
<strong>und</strong> aturschutzbehörde.<br />
Spülflächen bringen für den aturschutz besondere<br />
Probleme mit sich: Solange ge pült wird, sind die<br />
Flächen hervorragende Biotope für Wat- <strong>und</strong> Wasservögel,<br />
die hier offene Schlammflächen vorfinden,<br />
wie sie ehemals für die Unterläufe unserer großen<br />
Flüsse charakteristisch waren. Diese Flächen sind al<br />
Betriebsflächen privatrechtlich vor Störungen geschützt.<br />
Wird die Spülung eingesteUt, hat die betreibende<br />
Firma in der Regel kein Interesse mehr an<br />
diesen Flächen <strong>und</strong> ein öffentlich-rechtlicher Schutz<br />
z. B. als Naturschutzgebiet wird vordringlich. Die<br />
Spülflächen verändern jedoch ihren Charakter. Da<br />
nun kein neues Material <strong>und</strong> kein Wa ser mehr zugeführt<br />
werden, wachsen die Flächen schnell mit Röhrichten<br />
zu, die als Biotop für RaUen, Rohrsänger,<br />
Bartmeise <strong>und</strong> Rohrweihe eine große Bedeutung bekommen<br />
können. Die Flächen trocknen jedoch mit<br />
der Zeit aus, <strong>und</strong> die Röhrichte degenerieren zu<br />
Reitgra - <strong>und</strong> Aschweidenbeständen, die dann lediglich<br />
noch für Rohrammer, Laub änger <strong>und</strong> Fasan intere<br />
ant ind. Diese Flächenqualität ist dann zumei<br />
t nicht mehr schutzwürdig. Die Flächenentwicklung<br />
zwi chen der 1. Phase (offene Wasser- <strong>und</strong><br />
Schlammflächen) <strong>und</strong> der 2. Pha e (geschlo sene<br />
Röhrichtbestände) sollte de halb im Interesse des<br />
Biotopschutzes möglichst lange aufgehalten werden.<br />
Die Naturschutzplanung sah daher vor:<br />
- Erhaltung bzw. Neuschaffung von freien Flachwasserzonen<br />
als Nahrungsbiotop für Wat- <strong>und</strong><br />
Wa servögel<br />
MehrfacllllUlZLlllg<br />
- <strong>Teil</strong>ung der geschlossenen Röhrichtbestände in<br />
einzelne Inselkomplexe durch Gräben zur Optimierung<br />
der Brutbiotope<br />
- Trennung der Röhrichtflächen vom Land durch<br />
einen Randgraben zur Sicherung der Brutbiotope.<br />
Damit Röhricht- <strong>und</strong> Flachwa erflächen den richtigen<br />
Was erstand erhielten, wurde Druckwasser der<br />
Oker oberhalb gefangen <strong>und</strong> dem Gebiet durch<br />
Rohrleitungen zugeführt. Die Arbeiten wurden Ende<br />
1977 vor allem mit Hilfe einer Schürfkübelraupe (s. a.<br />
Abb.) durchgeführt, die im ca. 25 ha großen Gebiet<br />
3 Wochen im Einsatz war. Das Gebiet wurde als<br />
"Vienenburger Kiesteiche" mit Verordnung vom<br />
10.10.1979 als aturschutzgebiet ausgewiesen.<br />
Literatur<br />
DAHL. H.-J.. 1979: Schaffung von Feuchtgebieten. dargestellt an<br />
<strong>Beispiele</strong>n. Landestagungen (5), 19-24, Hrsg. LÖLF NRW,<br />
Recklinghausen.<br />
ZANG, H., KU ZE. P., 1992: 3. Bericht zur Vogelwelt der .,Vienenburger<br />
Kie teiche" E Goslar. Mit!. aturwiss. Ver. Goslar<br />
(3),171-181. Hornburg<br />
ZA G, H.. 1977: Die Vogelwelt der Kiesteiche im Steinfeld E<br />
Go lar. 125 Jahre aturwissenschaftl. Verein Go lar.<br />
S. 135-157. Go lar.<br />
Mehrfachnutzung<br />
Alt- euötting<br />
Der Betrieb findet ich auf einer iederterrasse im<br />
Inntal zwi chen Alt- <strong>und</strong> euötting. 1948 wurde mit<br />
dem Abbau begonnen <strong>und</strong> gleichzeitig ein Kieswerk<br />
errichtet, da e ich bei dem anstehenden Schotter<br />
um hervorragende Kie e aus der Würmeiszeit handelt,<br />
die aufbereitet als Betonzu chlagstoff Verwendung<br />
finden. Die Förderung <strong>und</strong> der Verkauf von<br />
Grubenkies haben in diesem Betrieb immer nur eine<br />
untergeordnete RoUe gespielt.<br />
Das Werk stand unverändert bis 1992 am seiben<br />
Platz. Zwischenzeitlich wurde im Westteil der Grube<br />
ein neue Werk errichtet, da 37 ha abgebaut waren.<br />
Bei einer Abbauhöhe von 18 m Trockenabbau konnten<br />
etwa 6,5 Mio m 3 gefördert werden. Die ehedem<br />
vorhandene Terrassenkante wurde zurückverlegt an<br />
den Straßenverlauf, ander au gedrückt: der Abbau<br />
der iederterrasse hat zur Erweiterung des Talraume<br />
geführt.<br />
Das Gebiet liegt zwischenzeitlich äußerst verkehr <br />
günstig: 1960 konnte das Abbaugelände an die B 12<br />
angeschlossen werden. Damit ist eine problemlose<br />
überörtliche Verkehrsanbindung gewährleistet.<br />
Der Regionalplan für die Region Südostoberbayem<br />
sieht die Fortsetzung des Abbaus nach Westen vor.<br />
Das Gewerbegebiet kann problemlo in dieser Richtung<br />
erweitert werden.<br />
Dieser Abbauschwerpunkt exi tiert nunmehr fast<br />
50 Jahre, er hat den Städten Altötting <strong>und</strong> Neuötting<br />
neue Wirtschaftskraft verliehen. Er kann jederzeit<br />
um den doppelten Zeitraum verlängert werden.<br />
281
<strong>Beispiele</strong><br />
282<br />
Abb. I: Der Beginn<br />
des Kiesabbaus 1948<br />
aufder Niedenerrasse<br />
im Inntal zwischen Alt<strong>und</strong><br />
Neuötting.<br />
Foto: F Zumüller<br />
Abb. 2: Die Abbaufläche hat sich bis zum Jahre 1959<br />
geweitet. Foto: F Zumüller<br />
Abb. 3: 1m Jahre 1997 ist der Abbau weit fortgeschrilten.<br />
Die Terrassenkame wurde zurückverlegt an die B 12, große<br />
<strong>Teil</strong>e des Grubengeländes werden als Gewerbegebiet genUlzt.<br />
Das alte Kieswerk wurde abgerissen <strong>und</strong> dL/rch ein<br />
neues ersetzt. Die Abbaurichtung schreitet nach Westen fort.<br />
Am Abbauschwerpunkt Alt-Neuölling kann noch viele<br />
Jahrzehnte weitergefördert werden. Foto: M. Prugger
Bürgstadt<br />
Das Kieswerk Bürgstadt i t wichtigster Lieferant für<br />
Zuschlagstoffe für die Bauwirtschaft im Maintal,<br />
Odenwald <strong>und</strong> Spessart. 1935 wurde der Abbau begonnen.<br />
Die gesamte Abbaufläche er treckt sich<br />
über 100 ha, davon stehen noch einige wenige Restflächen<br />
zum Abbau an. Es wurden in 60 Jahren ca. 25<br />
Mio. t Sand <strong>und</strong> Kie für die Bauwirtschaft gefördert.<br />
Zusätzlich wurden die Aufbereitungsanlagen in<br />
Abb.1: Das Bild zeigt den Zustand der Kiesgrube in Bürgstadt<br />
in der Zeit zwischen 1945 <strong>und</strong> 1950. Man sieht im Vordergr<strong>und</strong><br />
den Main mit der Schiffsanlegestelle, die Grube<br />
mit den Betriebsanlagen <strong>und</strong> den künftigen Lagerstältenbereich,<br />
der sehr stark parzelliert ist (Unterfranken gehörte zu<br />
den Realteilungsgebieten). Zum Main hin gibt es keinen Auwald,<br />
die Bäume beschränken sich aufden Streuobstanbau.<br />
Foto: Firma Weber, Miltenberg<br />
Mehrfachllll1:u/lg<br />
Bürgstadt über die Schiffahrts traße Main mit<br />
Grubenkies aus den nahegelegenen Gruben in<br />
Kirschfurt <strong>und</strong> in Freudenberg ver orgt.<br />
Bei der Rekultivierung wurden Flächen im ordteil<br />
zu Biotopschutzzwecken gestaltet <strong>und</strong> renaturiert.<br />
Zwischenzeitlich ist dieser Bereich rechtskräftig als<br />
aturschutzgebiet ausgewiesen. Im mittleren <strong>Teil</strong>,<br />
der als Industriegebiet au gewie en ist, findet sich<br />
das Kie werk <strong>und</strong> weitere Industriebetriebe. Der<br />
südliche <strong>Teil</strong> wurde zum Sportzentrum für die Gemeinde<br />
Bürg tadt gestaltet: Fußballplatz, Sportanlage,<br />
Schießanlage.<br />
Zum Abbau kam eine Flußterrasse, deren Terras en-<br />
Abb.2: 1961 gab es längst neben dem Kieswerk Miltenberger<br />
Industriewerk P. & B. Weber auch die Firma Mikro<br />
Technik, der Beginn des späteren neuen Industriegebietes.<br />
Foto: H. Bertram, München-Riem<br />
Abb.3: Das Luftbild von 1962 gibt einen Überblick über den noch auszuformendenAbbauschwerpunkt Bürgstadt. Damals<br />
ahnte noch keiner die späteren Umrisse. Sie wurden nachtriiglich ins Bild eingetragen. Man sieht sehr schön die ehemalige<br />
Trockenbaggerung im Bereich der Werksanlagen <strong>und</strong> die Naßbaggerungen, die heLlle noch als Absetzbecken genutzt werden<br />
(Fa. Weber).<br />
283
<strong>Beispiele</strong><br />
Abb.4: 1992 waren große <strong>Teil</strong>e des Absetzbeckens mit den bei der Sand- <strong>und</strong> Kieswäsche angefallenen Schlämmen verfüllt,<br />
im Bereich de Kieswerkes wachsen bereits Baumweiden, es folgen Weidengebiische (Abb. 5, Foto: Fa. Weber), Röhrichte<br />
(Abb. 6), an der Grenze zwischen den Röhrichten hin zum offenen Absetzbecken leuchtet blau ein Blütensaul11 der Veronica<br />
(Veronica beccabunga) <strong>und</strong> auf der offenen Schlammfläche siedeln bereits einzelne Weiden (Abb. 7, Foto: <strong>Bayerischer</strong><br />
fndustrieverband <strong>Steine</strong> <strong>und</strong> <strong>Erden</strong> e. v.).<br />
284
Mehrfacl1l1l11ZLlIlg<br />
Abb. 8: Das Luftbild zeigt die Miltenberger Industriewerke im Vordergr<strong>und</strong>, das neue Industriegebiet, den derzeitigen<br />
Grubenbetrieb <strong>und</strong> im Hintergr<strong>und</strong> den südlichen <strong>Teil</strong> der zum Sportzentrum fiir die Gemeinde Bürgstadt gestaltetlVurde:<br />
Fußballplatz, Tennisplätze, Bouleanlage, Schießanlage. Foto: Fa. Weber<br />
rand an den Bereich der Staatsstraße zurückgelegt<br />
wurde. Das Gelände ist hervorragend ausgeformt<br />
<strong>und</strong> steht mit den genannten Folgefunktionen Biotopschutz<br />
<strong>und</strong> Sportstätten der Allgemeinheit <strong>und</strong><br />
als Industriegebiet der Wirtschaft zur Nutzung voll<br />
zur Verfügung.<br />
Das Beispiel des Abbauschwerpunkte Bürgstadt<br />
zeigt deutlich, wieviel Mühe es macht, einen Abbauschwerpunkt<br />
auszuformen. Dazu braucht es in<br />
der Unternehmensführung klare Zielvorstellungen<br />
<strong>und</strong> Konzepte, die den Weg in die Zukunft nicht verbauen.<br />
Es zeigt aber auch, was Positives geschaffen<br />
werden kann. Früher gab es im Mainvorland keinen<br />
Auwald. Es gab keine Flächen, die der atur über-<br />
lassen waren. Die Gegend war landschaftlich äußerst<br />
intensiv genutzt. Mit der Industrialisierung gab es<br />
neue Arbeit plätze, die landschaftlichen Flächen hatten<br />
für den Lebensunterhalt der Menschen nicht<br />
mehr den Stellenwert wie ein t. In Anbetracht der<br />
großen Entnahmemengen hat sich gerade die Schiffverlade<br />
telle am Main positiv au gewirkt. Viele<br />
Transporte konnten so von der Straße ferngehalten<br />
werden. Im Gegensatz zu der sogenannten "Zerlöcherung"<br />
der Land chaft ist dieser großflächige geordnete<br />
Abbau auch beispielhaft in einer Folgenutzung<br />
mit wertvollen Freiräumen für die atur. industriellen<br />
Nutzflächen <strong>und</strong> einer weiträumigen Sportarena.<br />
285