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GEnETIScHE ERFASSunG DES BRAunBÄREn In BuLGARIEn

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aus den ProJekten | BUlgArieN<br />

<strong>GEnETIScHE</strong> <strong>ERFASSunG</strong><br />

<strong>DES</strong> BRAunBÄREn <strong>In</strong> <strong>BuLGARIEn</strong><br />

in Zusammenarbeit mit der ZgF werden seit einem Jahr im Labor für Wildtiergenetik des Forschungsinstituts senckenberg kot- und<br />

Haarproben von braunbären in bulgarien untersucht. ein tödlicher bärenangriff im süden des Landes und die nachfolgende diskussion<br />

um den abschuss von bären zeigen, dass die erforschung und der schutz der braunbären auf dem balkan dringlicher sind denn je.<br />

Von christiane Frosch und carsten nowak<br />

<strong>In</strong> weiten Teilen Mittel- und Westeuropas wurden Braunbären<br />

bereits vor Jahrhunderten durch menschliche<br />

Nachstellung ausgerottet. Für die Erhaltung der wenigen<br />

Reliktpopulationen wird ein teils hoher Schutzaufwand<br />

betrieben. <strong>In</strong> einigen Gebirgsregionen Osteuropas<br />

hingegen sind noch größere Bärenbestände erhalten geblieben,<br />

aber über genaue Populationsgrößen und Bestandsentwicklungen<br />

ist oft nur wenig bekannt. Dies<br />

könnte sich in der Zukunft als folgenreicher Fehler erweisen,<br />

bilden die Vorkommen in Osteuropa doch ein<br />

wertvolles genetisches Reservoir für die Sicherung des<br />

langfristigen Überlebens der Art.<br />

Bulgarien etwa beherbergt mit geschätzten 600 bis 800<br />

<strong>In</strong>dividuen eine der größten Braunbärenpopulationen<br />

Europas. Genaue Angaben zur Bestandsgröße dieser Population<br />

liegen jedoch nicht vor. Braunbären in Bulgarien<br />

sind insbesondere durch die Fragmentierung ihrer<br />

Lebensräume, die zunehmende Bevölkerung, Tourismus<br />

und durch illegale Bejagung gefährdet. Wissenschaftliche<br />

Studien über grundlegende Fragen bezüglich Bestandsgröße,<br />

Wanderkorridoren und genetischer Variabilität<br />

sind daher nötig, um nachhaltige Schutzmaßnahmen einleiten<br />

zu können. Um wichtige Erkenntnisse über die<br />

Bärenbestände auf dem Balkan zu gewinnen und somit<br />

der braunbär (Ursus arctos). Bulgarien beherbergt mit geschätzten 600 bis 800 tieren eine der größten Braunbärenpopulationen in europa.<br />

16 ZgF goriLLa | AUSgABe 2/2011<br />

Foto: Okapia/imagebroker/Bernd Zoller


Foto: Senckenberg<br />

spurensuche. christiane Frosch gewinnt aus den Haaren eines Braunbären<br />

dessen DNA für den genetischen Fingerabdruck. So lässt sich<br />

klären, ob dieses tier tatsächlich einen Menschen angegriffen hat.<br />

Grundlagen für ihre langfristige Erhaltung zu schaffen,<br />

kooperiert die Zoologische Gesellschaft Frankfurt mit<br />

dem Forschungsinstitut Senckenberg. Im Rahmen dieser<br />

Kooperation wird auf eine Methode zurückgegriffen, die<br />

in der Wildtierforschung eine immer wichtigere Rolle einnimmt.<br />

Über molekulargenetische Analysen von im Freiland<br />

gesammelten Kot- und Haarproben sollen wichtige<br />

Basisdaten zu Bestandsgrößen, der Lage von Wanderkorridoren<br />

und der genetischen Isolation einzelner Populationen<br />

gewonnen werden.<br />

Die Analyse von „nicht-invasiv“ gesammeltem Probenmaterial,<br />

wie Kot- und Haarproben, hat zahlreiche Vorteile<br />

gegenüber herkömmlich angewandten Methoden.<br />

So werden die Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum<br />

ZgF goriLLa | AUSgABe 2/2011<br />

GLoSSAR:<br />

WILDTIERGEnETIK<br />

aus den ProJekten | BUlgArieN<br />

Genetisches Monitoring: systematische Erfassung von<br />

<strong>In</strong>dividuen durch das Auswerten von genetischen<br />

Profilen. Durch eine regelmäßige Beprobung können<br />

so Bestandsgrößen abgeschätzt werden. Über wiederholte<br />

Probennahme werden zeitliche Populationstrends<br />

erfasst.<br />

nicht-invasive Probennahme: DNA-haltiges Material<br />

(z. B. Haare, Kot, Speichel, Urin, Federn) wird vom<br />

Tier zurückgelassen. Dieses kann gesammelt werden,<br />

ohne dass das Tier gefangen oder gestört werden<br />

muss. Das Probenmaterial wird oft durch Temperaturschwankungen,<br />

Licht und Feuchtigkeit in Mitleidenschaft<br />

gezogen. Die ohnehin geringen Mengen an<br />

DNA können so leicht degradieren und müssen daher<br />

trocken und lichtgeschützt gelagert werden. Bei<br />

Kotproben hat sich die Aufbewahrung in hochprozentigem<br />

Ethanol bewährt.<br />

Mikrosatellitenanalyse: Mikrosatelliten sind kurze,<br />

hochvariable Genabschnitte, in denen ein kurzes Sequenzmuster<br />

mehrfach hintereinander wiederholt<br />

vorliegt. Bei verschiedenen <strong>In</strong>dividuen schwankt die<br />

Anzahl der einzelnen Wiederholungen, sodass bei einer<br />

Betrachtung mehrerer solcher Genabschnitte eine<br />

sichere Unterscheidung selbst eng verwandter <strong>In</strong>dividuen<br />

möglich wird.<br />

Genetischer Fingerabdruck: charakteristisches genetisches<br />

Profil eines <strong>In</strong>dividuums, welches durch die<br />

Kombination mehrerer Mikrosatellitenmarker oder<br />

über ähnliche Methoden erstellt wird. Bekannt wurden<br />

derartige DNA-Profile durch die routinemäßige<br />

Anwendung in der Kriminalistik sowie bei Vaterschaftstests.<br />

nicht gestört und es wird eine flächendeckende Untersuchung<br />

im Gebiet möglich. Mit den Haar- und Kotproben<br />

werden sogenannte Mikrosatellitenanalysen durchgeführt<br />

(siehe Glossar). Diese Methode hat sich bereits in zahlreichen<br />

Studien als Werkzeug für das genetische Monitoring<br />

von Wildtieren, so auch beim Braunbären, bestens<br />

bewährt. Aufgrund der geringen Menge an DNA-Molekülen<br />

in Haarwurzeln und Kotresten erfolgen die genetischen<br />

Analysen in einem speziell für hochempfindliches<br />

Probenmaterial eingerichteten Labor des Fachgebiets Naturschutzforschung<br />

am Senckenberg-Standort im osthessischen<br />

Gelnhausen. Die Analysen erlauben eine<br />

individuelle Zuordnung der Proben; über statistische Methoden<br />

kann schließlich auf die Gesamtgröße des lokalen<br />

Bestandes hochgerechnet werden.<br />

Bei den Untersuchungen ist jedoch Eile geboten, wie der<br />

im Folgenden beschriebene Zwischenfall zeigt. Aufgrund<br />

17


aus den ProJekten | BUlgArieN<br />

der Bärenangriffe hat der Bejagungsdruck auf die Tiere<br />

stark zugenommen, was die Dringlichkeit von Bestandsschätzungen<br />

in der Region erhöht.<br />

bärenangriFF Mit FataLen FoLgen<br />

FÜr MenscH und tier<br />

Direkte Konflikte zwischen Bären und Menschen sind<br />

in Europa selten. Zwar werden vereinzelt Übergriffe<br />

auf Haustiere und Bienenstöcke gemeldet; Angriffe von<br />

Braunbären auf Menschen kommen jedoch fast nie vor<br />

und sind überwiegend auf Regionen beschränkt, in denen<br />

Bären an Menschen gewöhnt sind, wie dies in Teilen<br />

der rumänischen Karpaten der Fall ist. So sind für Europa<br />

im 20. Jahrhundert außerhalb Rumäniens 12 tödliche Bärenangriffe<br />

dokumentiert worden. <strong>In</strong> Bulgarien kam es im<br />

vergangenen Jahr zum ersten tödlichen Bärenangriff seit<br />

mehr als 35 Jahren. Im Mai 2010 wurde ein 65-jähriger<br />

Mann in den südbulgarischen Rhodopen, in der Nähe des<br />

Dorfes Kutela, getötet. Unseren Projektpartnern von der<br />

Balkani Wildlife Society war es möglich, Bärenhaare am<br />

Ort des Geschehens zu sammeln. Am Tag nach dem Angriff<br />

ordnete das bulgarische Ministerium für Umwelt und<br />

Wasser (MOEW) den Abschuss des Tieres an, woraufhin<br />

1,5 km von dem Ort des Ereignisses entfernt ein weiblicher<br />

Bär erschossen wurde. Auf der Basis von Haar- und<br />

Gewebeproben des Bären wurde ein individuelles genetisches<br />

Profil erstellt und mit dem genetischen Muster der<br />

am Ereignisort gefundenen Bärenhaare verglichen (siehe<br />

Abbildung). Der Vergleich zeigte, dass beide Profile nicht<br />

übereinstimmen: Es kann somit ausgeschlossen werden,<br />

dass es sich bei dem Bären, der den Mann getötet hat und<br />

dem geschossenen Tier um dasselbe <strong>In</strong>dividuum handelt.<br />

Auch ein naher Verwandtschaftsgrad zwischen den beiden<br />

Tieren kann ausgeschlossen werden.<br />

konflikte vorprogrammiert. Der Mensch dringt immer weiter in den<br />

lebensraum der Bären ein und bringt leicht zu erbeutende Nahrungsquellen<br />

mit. eine gefährliche Begegnung zwischen Mensch und tier<br />

wird dann immer wahrscheinlicher.<br />

ausschnitt aus dem genetischen Profil zweier braunbären.<br />

es zeigt über Mikrosatellitenuntersuchungen ermittelte Allele von jeweils zwei Proben von zwei tieren. ia und ib zeigen das<br />

Profil des erschossenen Braunbären. iia und iib zeigen das Profil, das anhand von Bärenhaaren am Ort des Angriffs erstellt<br />

wurde. Durch die verschiedenen Muster ist klar erkennbar, dass der erschossene Bär nicht der Angreifer war.<br />

18 ZgF goriLLa | AUSgABe 2/2011<br />

Foto: cyril ruoso/BiOS/OKAPiA


Foto: Aleksandar Dutsov<br />

Bereits einen Monat nach dem ersten Ereignis erfolgte<br />

ein weiterer Übergriff. Hierbei wurden nur wenige Kilometer<br />

vom ersten Ereignisort entfernt zwei Frauen beim<br />

Pilzesammeln von einem Bären angegriffen. Eine der<br />

Frauen wurde dabei verletzt und musste in ein Krankenhaus<br />

gebracht werden. Bei diesem Ereignis konnten<br />

keine Proben sichergestellt werden, sodass offenbleibt,<br />

ob dasselbe Tier für die beiden (in der Region normalerweise<br />

extrem selten vorkommenden) Angriffe verantwortlich<br />

ist.<br />

bestandsdicHte der braunbären<br />

in den rHodoPen<br />

Durch die beschriebenen Zwischenfälle im Süden Bulgariens<br />

ist die Bevölkerung verunsichert und es häufen<br />

sich Diskussionen, ob die Bärenpopulation in Bulgarien<br />

reduziert werden muss. Wie Balkani Wildlife uns<br />

mitteilte, wurde wieder eine reguläre Abschussquote<br />

für Bären eingerichtet, die auf einer unsicheren Populationsabschätzung<br />

beruht. Eine genaue Ermittlung der<br />

tatsächlichen Bestandsdichten ist nun besonders wichtig,<br />

um zu hohe Abschusszahlen und damit die Gefähr-<br />

Vorschnelle Lösung. Jede Bärenattacke führt dazu, dass die Jagd auf<br />

die tiere verstärkt wird. gezieltes Management könnte jedoch langfristig<br />

zu einer friedlichen Koexistenz von Mensch und tier beitragen.<br />

dung einer der letzten größeren Bärenbestände Europas<br />

zu verhindern. Mithilfe der in diesem Projekt geplanten<br />

genetischen Populationsgrößenabschätzung wird eine<br />

wissenschaftliche Grundlage für ein nachhaltiges Bärenmanagement<br />

geschaffen. Um die Beprobungsdichte zu<br />

erhöhen, werden von unserem Projektpartner Balkani<br />

Wildlife flächendeckend Kotproben in den Rhodopen<br />

und weiteren Gebirgszügen gesammelt und zusätzlich<br />

Haarfallen aufgestellt. Zahlreiche Proben werden bereits<br />

im Labor in Deutschland bearbeitet, sodass erste Hoch-<br />

ZgF goriLLa | AUSgABe 2/2011<br />

aus den ProJekten | BUlgArieN<br />

rechnungen auf die tatsächlichen <strong>In</strong>dividuenzahlen in<br />

den Rhodopen noch in diesem Jahr erwartet werden.<br />

Die genetischen Untersuchungen liefern somit einen<br />

wichtigen Beitrag zum langfristigen Schutz der Braunbären<br />

auf dem Balkan. Es sollte angestrebt werden, dass<br />

diese modernen Analyseverfahren zukünftig fester Bestandteil<br />

des Bärenmonitorings in der Region werden,<br />

wie dies auch in anderen Ländern Europas und Nordamerikas<br />

der Fall ist.<br />

--------------<br />

Die Biologen Christiane Frosch und Carsten Nowak arbeiten<br />

an der Außenstelle Gelnhausen des Forschungsinstitutes<br />

Senckenberg im Fachgebiet Naturschutzforschung.<br />

PRoJEKTPARTnER DER zGF BEIM<br />

<strong>GEnETIScHE</strong>n BÄREnMonIToR<strong>In</strong>G<br />

SEncKEnBERG LABoR FÜR WILDTIERGEnETIK<br />

Im Labor für Wildtiergenetik werden moderne molekulargenetische<br />

Methoden zur Aufdeckung von<br />

Populationsstrukturen sowie für das genetische Monitoring<br />

bedrohter Arten genutzt. Neben dem Braunbären<br />

werden auch Analysen an Wildkatze, Wolf,<br />

Luchs und Biber durchgeführt. Seit Ende 2009 fungiert<br />

das Labor als nationales Referenzzentrum für<br />

genetische Untersuchungen an großen Beutegreifern.<br />

www.senckenberg.de<br />

BALKAnI WILDLIFE SocIETY<br />

Ziel von Balkani Wildlife ist es, die natürlichen Ökosysteme<br />

auf dem Balkan zu schützen und zu erhalten.<br />

Einen wichtigen Teil der Arbeit bilden die Untersuchungen<br />

und das Management der Braunbären<br />

vor Ort in Bulgarien. Dazu gehört auch das nichtinvasive<br />

Sammeln von Proben im Auftrag der ZGF.<br />

www.balkani.org<br />

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