Wissenschaft
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Kritisch gesehen<br />
Vor einigen Wochen las ich auf der<br />
Internetseite von Hounds & People ein<br />
Interview mit Christoph Jung (Dort -<br />
mun der Appell). Jung wurde im Rah -<br />
men des Interviews gefragt, ob es den<br />
Hunden heute besser gehe als früher.<br />
Jung erwähnte, dass Menschen zur<br />
Beantwortung dieser Frage wie selbstverständlich<br />
von ihrer Sicht des Men -<br />
schen ausgingen, wenn der Hund genug<br />
Premium-Futter aus schicken Verpac k -<br />
ungen bekäme, dazu noch in einer warmen<br />
Wohnung läge und jeden Samstag<br />
zum teuren Hunde training dürfe und<br />
dazu alle drei Mo nate zum Check oder<br />
Impfen beim Tierarzt vorgestellt würde,<br />
dann meinen viele, dem Hund müsse es<br />
doch gut gehen. Jung hinterfragte diese<br />
Einstellung mit dem Hinweis, dass<br />
Hunde in der Regel an der Leine laufen<br />
müssten und ständig von Lärm und<br />
hektischen Men schen umgeben seien.<br />
Ein satter Hund, mache noch keinen<br />
glücklichen Hund.<br />
Die Antwort überraschte mich,<br />
sprach mir aber aus der Seele, da seine<br />
Ausführungen das widerspiegeln, was<br />
mir jeden Tag bei Spaziergängen oder<br />
bei der Arbeit als Hundeverhaltens -<br />
therapeut begegnet.<br />
Menschen setzen ständig menschliche<br />
Maßstäbe, um das Verhalten und<br />
Wohlbefinden ihrer Hunde zu erklären.<br />
So viel Auslauf wie möglich, jeden Tag<br />
Kontakt zu Artgleichen, im Idealfall ein<br />
eigenes Zimmer. Einen kleinen persönlichen<br />
Höhepunkt an Unverständnis<br />
erreichte ich jedoch vor einigen Wochen,<br />
als mir eine Hundehalterin mitteilte,<br />
18<br />
Mensch und Hund –<br />
ein Missverständnis?<br />
der absolut-hund report • 3 / 2011<br />
dass ihr Hund kein Leitungswasser<br />
mehr bekäme, sondern nur noch ein<br />
spezielles vitalisierendes Wasser für<br />
Hunde. Hut ab, dachte ich mir. Letztlich<br />
geht es sogar so weit, dass Menschen<br />
davon ausgehen, Hunde könnten als<br />
Spielkamerad für Kinder fungieren oder<br />
diese im Idealfall sogar ersetzen.<br />
Was jedoch augenscheinlich verges-<br />
„Spiel“ in einer Gruppe mit<br />
Kindern und ausgiebiger<br />
Kontakt zu Artgenossen: Zählt<br />
dies wirklich zu den Bedürfnissen<br />
unserer Hunde? Fotos: Fotolia<br />
sen wird, sind die Bedürfnisse unserer<br />
Hunde. Hat sich ein Hund wirklich einmal<br />
positiv über vitalisierendes Wasser<br />
geäußert oder bedankt? Gehen Hunde<br />
wirklich gerne von sich aus in eine<br />
Gruppe spielender Kinder, um sich zu<br />
beteiligen? Ist der ständige Kontakt zu<br />
Artgleichen wirklich förderlich für die<br />
Lebensqualität?<br />
Die Antwort kann nur heißen: Nein!<br />
Warum? Weil der Hund seiner Natur<br />
entsprechend um seinen Vorteil buhlt.<br />
Er nimmt was er bekommen kann und<br />
Artgleichen-Kontakte spiegeln sämtliche<br />
natürlichen Verhaltensweisen wie:<br />
Beutefangverhalten, Ressourcen kon -<br />
trolle, Revierverhalten, Sexualverhalten,<br />
Aggressionsverhalten etc. wieder. Für<br />
die menschliche Erwartung ein „nettes<br />
Spiel“ – für die Hunde eine Notwendig -<br />
keit, Konflikte zu lösen.<br />
Denn genau hier liegt das Miss ver -<br />
ständnis zwischen Mensch und Hund.<br />
Der Mensch vergisst vor lauter Emo -