Alter - Kuratorium Deutsche Altershilfe
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Thema<br />
24<br />
„Wohngruppen erhalten die Würde und<br />
Lebensqualität verwirrter Menschen“<br />
Die Situation von Wohngemeinschaften mit Betreuung ist in den einzelnen Bundesländern sehr<br />
unterschiedlich. In Berlin beispielsweise wird ihre Verbreitung und Etablierung von der Senatsverwaltung<br />
für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz gefördert (siehe dazu Seite 21).<br />
Pro<strong>Alter</strong> wollte nun wissen, wie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und<br />
Jugend zu dieser Wohnform steht und hat Eduard Tack um eine Stellungnahme gebeten.<br />
Auf der Suche nach alternativen Wohnmöglichkeiten<br />
zum Heim wird immer wieder das<br />
Zusammenleben älterer Menschen in einer<br />
Wohngemeinschaft oder Wohngruppe als<br />
besonders sinnvolle, wenn auch ebenso schwierige<br />
Wohnform genannt. Die Vorteile des<br />
gemeinschaftlichen Wohnens liegen auf der<br />
Hand. Die Gefahr der Vereinsamung ist geringer,<br />
im Verlauf des <strong>Alter</strong>ungsprozesses auftretende<br />
körperliche oder geistige Schwächen<br />
können teilweise von den Mitbewohnerinnen<br />
und Mitbewohnern ausgeglichen werden, so<br />
dass es länger möglich ist, einen selbstständigen<br />
Haushalt aufrechtzuerhalten.<br />
Wohngemeinschaften älterer Menschen<br />
haben noch keine lange Tradition. Betreute<br />
Wohngemeinschaften und Wohngruppen haben<br />
sich noch nicht zu einer eigenständigen Wohnform<br />
für ältere Menschen und zu einer <strong>Alter</strong>native<br />
zum Heim entwickelt. Jedoch sind die<br />
Wohngemeinschaften und Wohngruppen im<br />
Begriff, ihrem Status als Modellprojekt zu<br />
entwachsen. Ambulant betreute Wohngemeinschaften<br />
sind im Rahmen bestehender sozialund<br />
ordnungsrechtlicher Regelungen zu realisieren.<br />
Sie werden aber auf lange Sicht nur eine<br />
Überlebenschance haben, wenn sie als Initiative<br />
von Angehörigen und Betreuern gestartet<br />
werden und Pflegeanbieter ausschließlich die<br />
Rolle des Dienstleisters übernehmen.<br />
Gerade für von Demenz betroffene Menschen<br />
ist die Gestaltung des Wohn- und<br />
Lebensumfelds von bestimmender, ja therapeutischer<br />
Bedeutung. Die momentane Situation<br />
und die absehbare demographische Entwicklung<br />
fordern, neue Ideen in der Versorgung<br />
zuzulassen und alternative Betreuungsformen<br />
vor allem zwischen häuslicher und stationärer<br />
Versorgung zu erproben.<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Eine interessante <strong>Alter</strong>native, die von zunehmend<br />
mehr Angehörigen und Betroffenen<br />
gewählt wird, stellt die Versorgung kleiner<br />
Gruppen in ambulanten Wohngemeinschaften<br />
im Quartier dar. Bisherige Erfahrungen zeigen,<br />
dass soziale Kontakte und Teilnahme an<br />
gemeinsamen alltäglichen Aktivitäten in einer<br />
persönlichen, häuslichen Atmosphäre zum<br />
Erhalt von Selbstständigkeit, zu Wohlbefinden<br />
und Vermeidung von herausforderndem Verhalten<br />
beitragen können. Für Angehörige und<br />
für ambulante Dienste ergeben sich im Vorfeld<br />
und in der Begleitung solcher Wohngemeinschaften<br />
allerdings noch ungewohnte Herausforderungen.<br />
Das Konzept kleiner Wohngruppen hat sich<br />
grundsätzlich bewährt, wenn es darum geht,<br />
Lebensbedingungen „wie zu Hause“ für die<br />
hochaltrigen und zum Teil verhaltensgestörten<br />
Verwirrten zu schaffen, um Würde und Lebensqualität<br />
zu erhalten. Zum Gelingen dieser<br />
Wohn- und Pflegeform müssen jedoch viele<br />
Voraussetzungen erfüllt sein, die über rein<br />
räumliche bzw. bauliche Gegebenheiten hinausgehen.<br />
Wie verschiedene Aspekte eines solchen<br />
ganzheitlichen therapeutischen Ansatzes gestaltet<br />
werden müssen, um atmosphärisch im<br />
Sinne einer Milieutherapie wirksam zu werden,<br />
bedarf noch systematischer Untersuchung.<br />
Ministerialdirektor<br />
Eduard Tack ist<br />
Leiter der Abteilung<br />
„Ältere Menschen“<br />
im Bundesministerium<br />
für Familie,<br />
Senioren, Frauen<br />
und Jugend<br />
(BMFSFJ).<br />
Foto: Jan Pauls