Alter - Kuratorium Deutsche Altershilfe
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Thema<br />
22<br />
und den Kontakt zum Pflegebedürftigen<br />
wesentlich minimieren. Bei den Wohngruppen<br />
geschieht genau das Gegenteil: Hier gestalten<br />
die meisten Angehörigen sehr aktiv den Alltag<br />
mit. So kann auch die Isolation, die leicht im<br />
Alltag der Pflegenden in der Wohnung entsteht,<br />
aufgehoben werden.<br />
Zudem bieten sie gerade demenzkranken<br />
Menschen mehr Tagesstruktur und Alltäglichkeit,<br />
was für die persönliche Identität sehr<br />
förderlich ist. Noch vorhandene Fähigkeiten<br />
können gezielt gefördert werden und bleiben<br />
länger erhalten. Auch die Tag-Nacht-Struktur<br />
normalisiert sich häufig wieder.<br />
Dann schätzen wir Niedrigschwelligkeit<br />
und Flexibilität der Angebotsstruktur sowie<br />
den geringeren Investitionsaufwand gegenüber<br />
dem stationären Bereich.<br />
Außerdem halte ich – angesichts der heutigen<br />
Pluralität von Lebensstilen und -entwürfen<br />
in unserer Gesellschaft – ein ausdifferenziertes<br />
Altenhilfe-Angebotsspektrum für wünschenswert.<br />
Die Betreuten Wohngruppen stellen dabei<br />
ein Angebot mehr da, für das sich Interessierte<br />
entscheiden können.<br />
Als kritisch bewerte ich die starke krankenpflegerische<br />
Orientierung in einigen Wohngemeinschaften.<br />
Dies ist allerdings abhängig vom<br />
Selbstverständnis des jeweilig in Anspruch<br />
genommenen Pflegedienstes. Die Stärkung der<br />
Hauswirtschaft als Berufsgruppe könnte hierzu<br />
ein Gegengewicht darstellen. Kritisch finde ich<br />
auch die relativ hohen Kosten kleiner Wohngruppen<br />
im Vergleich zur vollstationären Langzeitpflege.<br />
Pro<strong>Alter</strong>: Inwiefern sind die Kosten von<br />
Betreuten Wohngruppen denn höher? Um<br />
welche Größenordnung geht es da?<br />
Gerecke: Das kann man so pauschal<br />
nicht beantworten. Die Idee bei den Wohngemeinschaften<br />
ist ja, dass durch das Zusammenfassen<br />
der rechtlichen Einzelansprüche auch so<br />
etwas wie ein Gesamt-Budget entsteht. Durch<br />
diese Aneinanderreihung von Leistungskomplexen<br />
wird das System teurer als bei den pauschal<br />
kalkulierten pflegebedingten Entgelten im<br />
vollstationären Bereich. Die pflegebedingten<br />
Aufwendungen in den Wohngruppen können<br />
bei einem Teil der Mieter bei über 3.000 Euro<br />
im Monat liegen.<br />
Solange es einzelne vorzeigenswerte<br />
Modellprojekte waren, hat das Auseinanderklaffen<br />
der Preise die Kostenträger nicht<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
gestört. Jetzt aber, wo es sich anschickt, Teil<br />
der Regelversorgung zu werden, ist natürlich<br />
die Befürchtung groß, dass das kostenmäßig<br />
aus dem Ruder läuft.<br />
Kein rechtsfreier Raum<br />
Pro<strong>Alter</strong>: Da die Betreuten Wohngruppen<br />
nicht unter das Heimgesetz fallen (wollen),<br />
ergibt sich die Frage nach der Kontrolle. Sollte<br />
hier ein eigenes Gesetz geschaffen werden?<br />
Gerecke: Ich habe oft das Gefühl, dass<br />
viele Leute meinen, wenn das Heimgesetz nicht<br />
gilt, herrscht automatisch ein rechtsfreier<br />
Raum. Aber genau das bestreite ich –<br />
besonders bei den Betreuten Wohngruppen.<br />
Denn in der Regel sind dort ja oft die – meist<br />
sehr engagierten – Angehörigen bzw. gesetzlichen<br />
Betreuer zugegen. Damit ist die soziale<br />
Kontrolle viel größer als im konventionellen<br />
Heim. Außerdem sind die ambulanten Dienste,<br />
die die pflegerische Betreuung übernehmen, ja<br />
Vertragspartner der Pflegekassen. Das heißt, sie<br />
müssen im Zweifelsfall bei MDK-Prüfungen<br />
eindeutig nachweisen, dass sie die Qualitätsvorschriften<br />
nach dem SGB XI auch erfüllen.<br />
Insofern herrscht hier kein schutz- und rechtsfreier<br />
Raum.<br />
Zudem wird meiner Meinung nach oft die<br />
Diskussion um die Frage Heim oder Nicht-<br />
Heim überbewertet. Denn bei den Betreuten<br />
Wohngruppen ist es doch eigentlich schon von<br />
vorneherein ausgeschlossen, dass sie unter das<br />
Heimgesetz fallen. Schließlich sind die Vertragssphären<br />
getrennt: Der Wohnraum besteht<br />
unabhängig vom Dienstleistungsvertrag oder<br />
anders ausgedrückt: Der Mietvertrag ist nicht<br />
gefährdet, wenn man den Pflegedienst wechselt.<br />
Doch es wird in Deutschland ganz stark in<br />
„Einrichtungs-Kategorien“ gedacht, und so<br />
kommt in manchen Profi-Köpfen da leicht<br />
etwas durcheinander, weil durch die Rund-umdie-Uhr-Präsenz<br />
des Personals und durch das<br />
Vorhandensein bestimmter Hilfsmittel leicht<br />
die Assoziation entsteht, hier sei ein heimähnlicher<br />
Betrieb. Da muss man dann eben von der<br />
Struktur her ganz sauber argumentieren und<br />
darlegen, dass es sich aufgrund der Trennung<br />
der Rechtssphären eben nicht um ein Heim<br />
handelt.<br />
Sicher sind Einzelfälle denkbar, bei denen<br />
ein Pflegedienst eine Wohnung anmietet, dort