Alter - Kuratorium Deutsche Altershilfe

Alter - Kuratorium Deutsche Altershilfe Alter - Kuratorium Deutsche Altershilfe

05.12.2012 Aufrufe

Thema 18 Überregionaler Erfahrungsaustausch der Akteure von betreuten Wohngruppen Im Rahmen des Kooperationsprojektes mit der Bertelsmann Stiftung (siehe ProAlter 3/2002) organisierte das Kuratorium Deutsche Altershilfe im März dieses Jahres eine Fachtagung der Akteure betreuter Wohngruppen in Braunschweig. Rund 30 Initiatoren und Betreuungskräfte aus Bielefeld, Berlin, Braunschweig, Münster, München, Eigeltingen, Werther, Chemnitz sowie Projektplaner aus der Schweiz und den Niederlanden bot sich dort die Möglichkeit zu einem überregionalen Erfahrungsaustausch, der auch die Basis für eine verstärkte Zusammenarbeit der betreuten Wohngruppen untereinander legte. Ursula Kremer-Preiß, die Projektbearbeiterin im KDA, fasst die Diskussionen zusammen. Möglichkeiten und Grenzen der Selbstbestimmung und normalen Alltagsgestaltung „In den seit mehreren Jahren bestehenden Wohngruppen sind auch die hier lebenden Menschen gealtert. Viele von ihnen haben in diesem Zeitraum ihre Sebstständigkeit verloren.“ Dieses Fazit zogen einige Teilnehmer zu Beginn der Diskussion im ersten Themenblock der Braunschweiger Veranstaltung. Der verschlechterte Gesundheitszustand der Bewohner macht es schwer, die Ziele Selbstbestimmung und Gestaltung eines möglichst normalen Alltags zu verwirklichen. Selbst die eigenen Grundbedürfnisse können manchen nicht mehr alleine befriedigen und auch kaum mehr an Gemeinschaftsaktivitäten oder Alltagsaktivitäten teilnehmen. „Trotzdem ist das Wohnrecht bis zum Lebensende ein wesentliches Strukturmerkmal dieses Wohnkonzepts und muss es auch bleiben“, hoben die Teilnehmer hervor. Dabei hänge es wesentlich vom Engagement und der Kreativität der Mitarbeiter ab, inwiefern die Bewohner noch an Alltagsaktivitäten teilnähmen. Das Bedürfnis nach „Selbstständigkeit“ müsse jeden Tag daraufhin reflektiert werden, wie ein zufriedenes Leben der Bewohner tatsächlich erreicht werden kann. Zudem solle der Begriff der „Alltagsnormalität“ durch „Alltagsvertrautheit“ ersetzt werden, da gerade die Mitarbeiter bei demenziell erkrankten Bewohnern gefordert seien, die Maßstäbe eines normalen Alltags an den Einzelnen anzupassen, ProAlter 2/03 Kuratorium Deutsche Altershilfe ohne die anderen Bewohner und die Gemeinschaft aus dem Auge zu verlieren. Standards und Verfahren zur Qualitätssicherung In dem zweiten Themenblock wurde über Möglichkeiten der Qualitätssicherung diskutiert, denn für betreute Wohngruppen gelten beispielsweise weder verbindliche Standards, wie der Wohnraum oder die Betreuung gestaltet sein sollte, noch gibt es eine Kontrollbehörde, die deren Tun in dieser Hinsicht überwacht. Die Veranstaltungsteilnehmer waren sich einig, dass mit der Ausweitung dieses Wohnangebotes die Entwicklung von Standards zur Qualitätssicherung notwendig ist. Dabei dürfen aber Bewohnerbedürfnisse durch eine zu starke Regulierung nicht vernachlässigt werden. Einen ersten Schritt in diese Richtung hat man in Berlin gemacht. Hier wurde der „Verein für selbstbestimmtes Wohnen im Alter e.V.“ gegründet. Dieser hat „Qualitätskriterien für ambulant betreute Wohngemeinschaften mit demenziell erkrankten Menschen“ erarbeitet und versteht sich als Organ freiwilliger (Qualitäts-)Selbstkontrolle und als Verbraucherschutz-Instanz, die vor allem Angehörigen von demenziell erkrankten Menschen Orientierung in dieser Versorgungslandschaft bieten will (siehe Kasten). Kontrovers wurde diskutiert, wer die Kontrolle zur Sicherung von Qualitäts-

standards bei diesen Gruppen übernehmen könnte. Die Projektvertreter verwiesen darauf, dass die Wohngruppenmitarbeiter im Rahmen ihres Versorgungsvertrages mit den Pflegekassen bereits kontrolliert würden. Darüber hinaus unterstehe in der Praxis auch ein Teil der ambulant betreuten Wohngruppen der Kontrolle durch die Heimaufsicht, ungeachtet der Tatsache, dass sie keinen Heimstatus hätten. Die Gruppenvertreter aus dem Bielefelder Raum verwiesen auf die besondere Rolle der Wohnungsbaugenossenschaften, die eine kontrollierende Funktion für ihre Mitglieder und Mieter wahrnehmen. Insgesamt waren sich die Veranstaltungsteilnehmer einig, dass pflegebedürftige Menschen, die alleine zu Hause in ihren Wohnungen leben, einen geringeren Verbraucherschutz genießen als Bewohner von Verein für Selbstbestimmtes Wohnen im Alter e. V. Im Mai 2001 wurde der Verein „SWA – Selbstbestimmtes Wohnen im Alter e.V.“ gegründet. Ziel des Vereins ist die Formulierung und Weiterentwicklung von Qualitätskriterien für ambulant betreute Wohngemeinschaften. Darüber hinaus setzt sich der Verein für die Interessen von Menschen mit Demenz ein. Er unterstützt und informiert über Projekte, Wohn- und Betreuungsformen, die dazu dienen, diesen Menschen ein würdiges und ihrer Situation angemessenes Leben zu ermöglichen. Um seine Ziele zu erreichen, ist der Verein vor allem in folgenden Bereichen aktiv: • Erstellung von Broschüren und Arbeitshilfen • Angebot von Fortbildungen • Zusammentragen und Weiterleiten von Angebot und Nachfrage • Beratung und Unterstützung von Angehörigen und Betreuern Kontakt: Selbstbestimmtes Wohnen im Alter SWA e.V. c/o Annette Schwarzenau Grunewaldstraße 56, 10825 Berlin Telefon 030/8533223 E-Mail: swa.e.V@gmx.de Wohngruppen. Allein durch die Mitbewohner und auch deren Angehörige, die das Hausrecht besitzen und auch die Dienstleister selbst bestimmen können, seien hier Einflussmöglichkeiten gegeben, die zum Beispiel auch schon von einigen Gruppen in Berlin genutzt worden seien. Hier wurde Pflegedienstmitarbeitern gekündigt, weil die Bewohner bzw. die Angehörigen nicht mit deren Arbeit zufrieden waren. Ganz wichtig sei, dass die Machtbalance zwischen Bewohner und Angehörigen auf der einen und Mitarbeitern auf der anderen Seite, erhalten bliebe. Stolpersteine beim Aufbau und bei der Finanzierung In einem dritten und vierten Themenblock standen die Hindernisse bei der Gründung und dem Aufbau von betreuten Wohngruppen im Vordergrund der Diskussion. „Die Finanzierung erweist sich in vielen Fällen als problematisch, da Krankenkassen und Sozialhilfeträger die Übernahme der Kosten nicht immer akzeptieren. In der Vergangenheit haben vereinzelt Krankenkassen die eigene Häuslichkeit der Bewohner in diesen Wohngruppen nicht anerkannt und zum Teil über Jahre die Zahlungen für behandlungspflegerische Leistungen verweigert“, berichteten die Teilnehmer. Dies habe Initiatoren vor erhebliche Finanzierungsprobleme gestellt. Sozialhilfeträger seien nicht immer bereit, Kosten, die erheblich über der stationären Pflege liegen, zu tragen. Sie deckelten teilweise die Individualansprüche oder verlangten unter Umständen gar einen Umzug in eine stationäre Einrichtung. Zudem wurde bemängelt, dass eine Regelfinanzierung für die Aufbauorganisation, der Ausfallzeiten sowie der investiven Kosten fehle, wie sie für den stationären Bereich üblich seien. Die Veranstaltungsteilnehmer verwiesen darauf, dass es unter diesen Umständen schwierig sei, Rücklagen zu bilden. Deshalb sei es notwendig, andere Wege der Finanzierung zu erschließen (siehe Beitrag Rothenfußer WG Seite 10). „In Zukunft müssen die Rahmenbedingungen der Finanzierung verändert und erleichtert werden, um das Wohnkonzept der betreuten Wohngruppen weiter zu verbreiten“, so das Fazit der Veranstaltungsteilnehmer. Thema Kuratorium Deutsche Altershilfe ProAlter 2/03 19

Thema<br />

18<br />

Überregionaler Erfahrungsaustausch<br />

der Akteure von betreuten Wohngruppen<br />

Im Rahmen des Kooperationsprojektes mit der Bertelsmann Stiftung (siehe Pro<strong>Alter</strong> 3/2002)<br />

organisierte das <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe im März dieses Jahres eine Fachtagung der<br />

Akteure betreuter Wohngruppen in Braunschweig. Rund 30 Initiatoren und Betreuungskräfte<br />

aus Bielefeld, Berlin, Braunschweig, Münster, München, Eigeltingen, Werther, Chemnitz sowie<br />

Projektplaner aus der Schweiz und den Niederlanden bot sich dort die Möglichkeit zu einem<br />

überregionalen Erfahrungsaustausch, der auch die Basis für eine verstärkte Zusammenarbeit<br />

der betreuten Wohngruppen untereinander legte. Ursula Kremer-Preiß, die Projektbearbeiterin<br />

im KDA, fasst die Diskussionen zusammen.<br />

Möglichkeiten und Grenzen<br />

der Selbstbestimmung und<br />

normalen Alltagsgestaltung<br />

„In den seit mehreren Jahren bestehenden<br />

Wohngruppen sind auch die hier lebenden<br />

Menschen gealtert. Viele von ihnen haben in<br />

diesem Zeitraum ihre Sebstständigkeit verloren.“<br />

Dieses Fazit zogen einige Teilnehmer zu<br />

Beginn der Diskussion im ersten Themenblock<br />

der Braunschweiger Veranstaltung. Der verschlechterte<br />

Gesundheitszustand der Bewohner<br />

macht es schwer, die Ziele Selbstbestimmung<br />

und Gestaltung eines möglichst normalen<br />

Alltags zu verwirklichen. Selbst die eigenen<br />

Grundbedürfnisse können manchen nicht mehr<br />

alleine befriedigen und auch kaum mehr an<br />

Gemeinschaftsaktivitäten oder Alltagsaktivitäten<br />

teilnehmen. „Trotzdem ist das Wohnrecht<br />

bis zum Lebensende ein wesentliches Strukturmerkmal<br />

dieses Wohnkonzepts und muss es<br />

auch bleiben“, hoben die Teilnehmer hervor.<br />

Dabei hänge es wesentlich vom Engagement<br />

und der Kreativität der Mitarbeiter ab, inwiefern<br />

die Bewohner noch an Alltagsaktivitäten<br />

teilnähmen. Das Bedürfnis nach „Selbstständigkeit“<br />

müsse jeden Tag daraufhin reflektiert<br />

werden, wie ein zufriedenes Leben der Bewohner<br />

tatsächlich erreicht werden kann. Zudem<br />

solle der Begriff der „Alltagsnormalität“ durch<br />

„Alltagsvertrautheit“ ersetzt werden, da gerade<br />

die Mitarbeiter bei demenziell erkrankten<br />

Bewohnern gefordert seien, die Maßstäbe eines<br />

normalen Alltags an den Einzelnen anzupassen,<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

ohne die anderen Bewohner und die Gemeinschaft<br />

aus dem Auge zu verlieren.<br />

Standards und Verfahren zur<br />

Qualitätssicherung<br />

In dem zweiten Themenblock wurde über<br />

Möglichkeiten der Qualitätssicherung diskutiert,<br />

denn für betreute Wohngruppen gelten<br />

beispielsweise weder verbindliche Standards,<br />

wie der Wohnraum oder die Betreuung gestaltet<br />

sein sollte, noch gibt es eine Kontrollbehörde,<br />

die deren Tun in dieser Hinsicht überwacht.<br />

Die Veranstaltungsteilnehmer waren sich<br />

einig, dass mit der Ausweitung dieses Wohnangebotes<br />

die Entwicklung von Standards zur<br />

Qualitätssicherung notwendig ist. Dabei dürfen<br />

aber Bewohnerbedürfnisse durch eine zu starke<br />

Regulierung nicht vernachlässigt werden. Einen<br />

ersten Schritt in diese Richtung hat man in<br />

Berlin gemacht. Hier wurde der „Verein für<br />

selbstbestimmtes Wohnen im <strong>Alter</strong> e.V.“<br />

gegründet. Dieser hat „Qualitätskriterien für<br />

ambulant betreute Wohngemeinschaften mit<br />

demenziell erkrankten Menschen“ erarbeitet<br />

und versteht sich als Organ freiwilliger (Qualitäts-)Selbstkontrolle<br />

und als Verbraucherschutz-Instanz,<br />

die vor allem Angehörigen von<br />

demenziell erkrankten Menschen Orientierung<br />

in dieser Versorgungslandschaft bieten will<br />

(siehe Kasten). Kontrovers wurde diskutiert,<br />

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