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Alter - Kuratorium Deutsche Altershilfe

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Wohngemeinschaften mit Betreuung<br />

Eine Ergänzung zum KDA-Hausgemeinschaftskonzept?<br />

Umfrage:<br />

Umsetzung der bundeseinheitlichen Altenpflege-Ausbildung<br />

Rechtslage:<br />

Behandlungspflege in Heimen<br />

Herausforderung:<br />

MRSA in Altenpflegeheimen<br />

Fachmagazin des<br />

<strong>Kuratorium</strong>s <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

ISSN 1430-1911 4,80 Euro<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/2003


„Kennen Sie eine Hausgemeinschaft in unserer Nähe?“ Mit dieser Frage treten<br />

immer wieder Träger und Mitarbeiter von Altenpflegeeinrichtungen an<br />

das KDA heran. In den letzten fünf Jahren haben sich immer mehr Heime für<br />

die Betreuung und Versorgung ihrer Bewohner in Normalität und Wohnlichkeit<br />

– die vierte Generation des Altenpflegeheimbaus – entschieden. Die<br />

Hausgemeinschaften der ersten Stunde wurden schnell zum Vorbild und<br />

deren Träger und Mitarbeiter können sich vor Anfragen zum Erfahrungsaustausch<br />

und vor Besuchen kaum retten. Damit alle Interessierten an den<br />

Erfahrungen und Entwicklungen der bestehenden Hausgemeinschaften teilhaben<br />

können, hat das Bundesministerium für Gesundheit mit Unterstützung<br />

des KDA die Dokumentation „KDA Hausgemeinschaften“ herausgegeben.<br />

BMG Modellprojekte, Band 9:<br />

KDA Hausgemeinschaften. Eine<br />

Dokumentation von 34 Projekten.<br />

Hrsg.: Bundesministerium für Gesundheit.<br />

Erarbeitet vom <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong><br />

<strong>Alter</strong>shilfe. Köln 2003. 25,– €<br />

zuzüglich Versandkosten. Der Band<br />

kann schriftlich bestellt werden beim<br />

KDA, Versand, An der Pauluskirche 3,<br />

50677 Köln, Fax 02 21/93 18 47-6 oder<br />

per E-Mail: versand@kda.de.<br />

Die Qualitätshandbücher<br />

des <strong>Kuratorium</strong>s<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

NEU<br />

Besselmann, Klaus; Fillibeck, Heiko; Sowinski,<br />

Christine: Qualitätshandbuch – Häusliche<br />

Pflege in Balance. Wege zu einer familienorientierten<br />

Pflege. Ein Handbuch für beruflich<br />

Pflegende, pflegende Angehörige und<br />

Menschen mit Hilfe- und Pflegebedarf.<br />

Ringbuch im Schuber.<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe, Köln 2003.<br />

ISBN 3-935299-37-0, 98,– €<br />

Maciejewski, Britta; Sowinski, Christine;<br />

Besselmann, Klaus; Rückert, Willi:<br />

Qualitätshandbuch – Leben mit Demenz.<br />

Zugänge finden und erhalten in der Pflege,<br />

Förderung und Begleitung von Menschen mit<br />

Demenz und psychischen Veränderungen.<br />

Ringbuch im Schuber<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe, Köln 2001.<br />

ISBN 3-935299-19-2, 98,– €<br />

Besselmann, Klaus; Sowinski, Christine;<br />

Rückert, Willi:<br />

Qualitätshandbuch – Wohnen im Heim.<br />

Wege zu einem selbstbestimmten und selbständigen<br />

Leben. Ein Handbuch zur internen<br />

Qualitätsentwicklung in den AEDL-Bereichen.<br />

Ringbuch im Schuber<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe, Köln 1998<br />

ISBN 3-932882-63-6, 65,45 €<br />

Bezug:<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe, Versand<br />

An der Pauluskirche 3, 50677 Köln<br />

Tel.: 0221/931847-31, Fax: 0221/931847-6<br />

E-Mail: versand@kda.de<br />

Bestellung über das Internet:<br />

http://www.kda.de/shopping/<br />

oder über den Buchhandel


Liebe Leserinnen und Leser,<br />

das Thema „Wohnen“ hat im KDA eine lange Tradition. Von der bedarfsgerechten<br />

Wohnungsanpassung und der menschengerechten Wohnumfeldgestaltung bis zur<br />

Konzeption wohnlicher Pflegeheime wurden zahlreiche Anregungen zur Verbesserung<br />

der Praxis entwickelt. Dass viele dieser Anregungen auch umgesetzt werden<br />

konnten, zeigt sich darin, dass sie Eingang gefunden haben in Planungsempfehlungen,<br />

Richtlinien, Verordnungen und Gesetzen.<br />

Wir haben neben den baulich-technischen Aspekten stets die organisatorischen<br />

Rahmenbedingungen mit gleicher Intensität behandelt, weil nur ein solcher „integrativer“<br />

Ansatz geeignet ist, sich an den konkreten Bedürfnissen der (älteren) Menschen<br />

in ihrer „normalen“ häuslichen Umgebung und auch im Heim zu orientieren.<br />

Das vorliegende Heft befasst sich im Titelthema mit Formen des Wohnens im<br />

<strong>Alter</strong> und bei Hilfe- und Pflegebedürftigkeit, die den Anspruch haben, möglichst viel<br />

„Normalität“ zu sichern. Die Wohngemeinschaften mit ambulanter Betreuung (zu<br />

Fragen der Terminologie siehe Seite 6) verfolgen, wie die bereits mehrfach in Pro-<br />

<strong>Alter</strong> vorgestellten KDA-Hausgemeinschaften (siehe auch Seite 59 in diesem Heft),<br />

das Ziel, möglichst viele individuelle Freiräume zu erhalten und zu erschließen.<br />

Gleichzeitig sollen sie aber Schutz, Sicherheit und qualitativ hochwertige Pflege und<br />

Betreuung in einer überschaubaren Gruppe bieten (siehe dazu auch Praxisbeispiele<br />

auf Seite 10).<br />

Die bundeseinheitliche Altenpflegeausbildung steht vor ihrer Umsetzung. Diese<br />

stellt die praktische Ausbildung und die Schulen vor große Herausforderungen,<br />

bietet jedoch auch eine „historische Chance“. Einschätzungen von Fachleuten hierzu<br />

finden Sie in der Umfrage auf Seite 32 dieser Ausgabe. Das KDA hat sich ja intensiv<br />

für die Lernfeldorientierung eingesetzt und hierzu auch umfangreiche Materialien<br />

entwickelt (siehe Pro<strong>Alter</strong> 1/2003). Wir setzen darauf, dass sowohl durch die<br />

neuen Ausbildungsinhalte als auch durch die veränderten Praxisstrukturen, Altenhilfe<br />

zu einem attraktiveren Berufsfeld wird. Und das ist auch dringend notwendig<br />

angesichts des qualitativ wie quantitativ großen Bedarfs in naher Zukunft.<br />

Fragen der Mitarbeiterbindung standen im Mittelpunkt einer Fachveranstaltung<br />

des KDA, über die wir im nächsten Heft von Pro<strong>Alter</strong> berichten werden. Dabei<br />

wurde u.a. deutlich, dass im Hinblick auf die Pflege und Betreuung unter neuen<br />

organisatorischen Rahmenbedingungen zum Beispiel in den Haus- und Wohngemeinschaften<br />

auch neue Kooperationsformen zwischen Pflege und Hauswirtschaft<br />

entwickelt werden müssen.<br />

Auch zu wichtigen Themen des gegenwärtigen Alltags in der Pflege finden Sie in<br />

dieser Ausgabe wieder fundiertes Wissen: einerseits einen detaillierten Beitrag zum<br />

Umgang mit MRSA in Altenheimen (siehe Seite 40), zum anderen ein engagiertes<br />

Plädoyer gegen die Bettlägerigkeit (siehe Seite 48). Auch dieses zuletzt genannte<br />

Thema beschäftigt uns im KDA seit langem, und wir freuen uns darüber, hierzu<br />

wieder einmal gezielt und praxisgerecht informieren zu können.<br />

Klaus Großjohann<br />

Geschäftsführer des KDA<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03<br />

Foto: Ulli Kreifels<br />

Editorial<br />

3


Inhalt<br />

4<br />

Thema<br />

KDA-Aktiv<br />

Gesundheit<br />

und Pflege<br />

Bauen<br />

und<br />

Wohnen<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Wohngemeinschaften mit Betreuung<br />

Eine Ergänzung zum KDA-Hausgemeinschaftskonzept?..................................... 6<br />

Die Rothenfußer Wohngemeinschaft:<br />

Ein kleines Stück Glück für Menschen mit Demenz<br />

in München ................................................................................................................................................................. 10<br />

Bericht:<br />

Überregionaler Erfahrungsaustausch der Akteure<br />

von Betreuten Wohngruppen ......................................................................................................... 18<br />

Das Pro<strong>Alter</strong>-Experteninterview:<br />

„Eine hochakzeptierte <strong>Alter</strong>native zum Heim“ ............................................... 21<br />

Stellungnahme:<br />

„Wohngruppen erhalten die Würde und Lebensqualität<br />

verwirrter Menschen“ ............................................................................................................................. 24<br />

Das KDA stellt sich vor:<br />

Schneller und gezielter ins KDA mit neuer Homepage ....................... 25<br />

Neuer SOL-Schwerpunkt:<br />

KDA geht mit „Forum Seniorenarbeit NRW“ an den Start ....... 26<br />

KDA-Neuerscheinungen ........................................................................................................................ 30<br />

Pro<strong>Alter</strong>-Umfrage:<br />

Was halten ausbildende Träger, Einrichtungen der Altenhilfe<br />

und Altenpflegeschulen von der neuen<br />

Altenpflegeausbildung? ........................................................................................................................... 32<br />

Wenn Heimbewohner zu „kontaminierten Keimträgern“ werden:<br />

MRSA in Altenpflegeheimen .......................................................................................................... 40<br />

Neueste Forschungsarbeit belegt:<br />

„Bettlägerigkeit ist kein unumkehrbares Schicksal“ ............................. 48<br />

Rechtslage:<br />

Umfang der Behandlungspflege in Pflegeheimen .......................................... 54<br />

Ärztliche Mitarbeitsaufgaben bei medizinischer Diagnostik<br />

und Therapie ............................................................................................................................................................. 56<br />

Singen schafft Zugang zu verwirrten alten Menschen ......................... 58<br />

Das Hausgemeinschaftskonzept von Rablinghausen:<br />

Mit wenig Aufwand neues Konzept realisiert .................................................... 59<br />

Hauswirtschaft als Hauptaufgabe der Altenbetreuung ...................... 60


Gesellschaft<br />

und<br />

Politik<br />

Impressum<br />

Die Altenhilfe in der Informationsgesellschaft:<br />

Teil III: Einsatz und Nutzen des Intranet ................................................................... 69<br />

Nachrichten ......................................................................................................................................... 31, 47, 65<br />

Lese-Tipps ..................................................................................................................................................................... 67<br />

Leser-Forum ............................................................................................................................................................... 28<br />

Veranstaltungen ................................................................................................................................................... 74<br />

Pro<strong>Alter</strong> wird vom <strong>Kuratorium</strong><br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe herausgegeben und<br />

erschien zuvor (bis zum 28. Jahrgang) als<br />

„Presse- und Informationsdienst“.<br />

Anschrift: <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong><br />

<strong>Alter</strong>shilfe, Referat Öffentlichkeitsarbeit,<br />

An der Pauluskirche 3, 50677 Köln,<br />

Telefon 02 21 / 93 18 47-0,<br />

Fax 02 21 / 93 18 47-6, E-Mail:<br />

publicrelations@ kda.de, Internet:<br />

www.kda.de<br />

Redaktion: Klaus Großjohann<br />

(V.i.S.d.P.), Ines Jonas, Harald Raabe<br />

Redaktionsassistenz: Simone Helck,<br />

Volker Kowitz<br />

Redaktionelle Mitarbeit bei<br />

dieser Ausgabe: Hans Böhme, Monika<br />

Böttjer, Gisela Crusius, Christian Koch,<br />

Ursula Kremer-Preiß, Britta Maciejewski,<br />

Birgit Nowak, Gerhard Reisig, Ulrike<br />

Scheer, Annette Scholl, Christine Sowinski,<br />

Eduard Tack, Holger Stolarz, Jürgen<br />

Wickert<br />

Textkorrektur: Karin Bergmann, Köln<br />

Satz: typeXpress, Köln<br />

Titelfoto: Katrin Simonett<br />

Druck: Moeker Merkur Druck GmbH,<br />

Köln<br />

Erscheinungsweise: Pro<strong>Alter</strong><br />

erscheint vierteljährlich.<br />

Bezugsgebühren: Jahresabonnement<br />

16,– € inkl. Porto, Einzelheft 4,80 € plus<br />

Porto. Gebühren für Bezieher im Ausland:<br />

Jahresabo 32,50 €, Einzelheft<br />

8,46 €, jeweils inkl. Porto und Versand.<br />

Das Abonnement verlängert sich um ein<br />

Jahr, wenn es nicht mindestens acht<br />

Wochen vor Ende des Kalenderjahres<br />

schriftlich gekündigt wird.<br />

Das Titelbild zeigt – wie andere Fotos in<br />

dieser Ausgabe – Szenen einer Wohngemeinschaft<br />

mit Betreuung aus Albisrieden<br />

in der Schweiz.<br />

Foto: Katrin Simonett<br />

Anzeigen: Es gilt die Anzeigenpreisliste<br />

6/03<br />

Anzeigenverwaltung: TRIAS performance<br />

Marketing + Design, Rotter Weg<br />

20, 51491 Overath, Tel. 02206/<br />

86 98 20, Fax 02206/869822, E-Mail:<br />

info@trias-performance.de, Internet:<br />

www.trias-performance.de<br />

Copyright: Die Zeitschrift sowie alle in<br />

ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und<br />

Abbildungen sind urheberrechtlich<br />

geschützt. Jede Verwertung, die nicht<br />

ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz<br />

zugelassen ist, bedarf der vorherigen<br />

schriftlichen Zustimmung des <strong>Kuratorium</strong>s<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe. Das gilt<br />

insbesondere für Vervielfältigungen,<br />

Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen<br />

und die Einspeicherung<br />

und Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />

Pro<strong>Alter</strong>, Heft 2/Juni 2003,<br />

36. Jahrgang<br />

ISSN 1430-1911<br />

Die nächste Ausgabe von Pro<strong>Alter</strong><br />

erscheint voraussichtlich Ende August<br />

2003 mit dem Titelthema „Zeitkiller in<br />

der Pflege“.<br />

Inhalt<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 5


Thema<br />

6<br />

Foto: Karin Simonett<br />

Wohngemeinschaften mit Betreuung<br />

Eine Ergänzung zum KDA-Hausgemeinschaftskonzept?<br />

Auf der Suche nach zukunftsträchtigen Wohnformen für hilfe- und pflegebedürftige ältere Menschen<br />

rücken seit geraumer Zeit Wohnformen in den Blick, bei denen Hilfe- und Pflegebedürftige<br />

in kleinen Gruppen in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben und von Betreuungskräften<br />

unterstützt werden. Wohngruppenorientierte Betreuungsformen für ältere Menschen<br />

sind nicht neu. In einigen europäischen Ländern wie Schweden, den Niederlanden, Frankreich<br />

oder der Schweiz werden sie schon seit Jahren praktiziert. Auch in Deutschland beginnen sie<br />

den Status exotischer Modellprojekte zu verlieren.<br />

Vielfalt der Begriffe und Projekte<br />

Zunehmend wächst in Fachkreisen der Konsens<br />

über das Grundkonzept als eine bedarfsgerechte<br />

Wohnalternative für ältere Menschen<br />

mit Hilfe- und Pflegebedarf. Über die Umsetzung<br />

dieses Wohnkonzeptes wird zum Teil<br />

jedoch kontrovers diskutiert, und die Praxis<br />

zeichnet sich durch eine Projekt- und Begriffsvielfalt<br />

aus: Das KDA bezeichnet Projekte, die<br />

nach diesem Konzept arbeiten, als „Hausge-<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

meinschaften“, andere sprechen von „Wohngemeinschaften<br />

für Pflegebedürftige“, „Pflegewohnungen<br />

im Quartier“ oder „Pflegewohngruppen“<br />

bzw. „Betreuten Wohngruppen“<br />

oder auch von „Wohngemeinschaften mit<br />

Betreuung“. Der letztere Begriff soll im Folgenden<br />

verwendet werden.<br />

Auch die Unterscheidung nach ordnungsrechtlichen<br />

und finanzierungstechnischen<br />

Gesichtspunkten hilft nicht immer weiter, um<br />

sich in dieser Projektlandschaft zu orientieren.


Eine Vielzahl von Projekten mit wohngruppenorientierter<br />

Betreuung wird ambulant betrieben,<br />

während die Mehrheit der KDA-Hausgemeinschaften<br />

zum stationären Typ gehören.<br />

Aber auch bei den KDA-Hausgemeinschaften<br />

gibt es den Typ mit ambulanter Betreuung, den<br />

so genannten „M-Typ“, bei dem die Bewohner<br />

den Status eines Mieters (M) haben, wie das<br />

auch bei den vorgenannten ambulant betreuten<br />

Gruppenwohnprojekten der Fall ist. Aber nicht<br />

alle Wohnprojekte, die nach diesem Konzept<br />

arbeiten, lassen sich als Hausgemeinschaften<br />

bezeichnen.<br />

Dies hat verschiedene Gründe. Die mittlerweile<br />

erhebliche Zahl von ambulant betreuten<br />

Wohngemeinschaften – Schätzungen gehen von<br />

circa 130 bis 150 Wohnprojekten dieser Art in<br />

Deutschland aus – ist sozusagen „von unten“<br />

über einen längeren Zeitraum gewachsen, und<br />

die meisten Initiatoren dieser gruppenorientierten<br />

Wohnformen wenden den (später) vom<br />

KDA geprägten Begriff der „Hausgemeinschaften,<br />

Typ ‚M‘“ nicht an. Daneben weist die<br />

Mehrheit der ambulant betreuten Wohngemeinschaften<br />

spezielle Besonderheiten auf, die<br />

sie tendenziell von den Hausgemeinschaften<br />

unterscheiden, auch wenn nicht immer eine<br />

scharfe Trennlinie zu ziehen ist und in der<br />

Praxis auch nicht gezogen wird. Diese<br />

Besonderheiten lassen sich folgendermaßen<br />

zusammenfassen:<br />

• Ergänzung der ambulanten Versorgungskette<br />

Die Besonderheit der Wohngemeinschaften<br />

mit Betreuung lässt sich am besten damit<br />

beschreiben, dass es sich um eine Wohnform<br />

handelt, die sich aus dem „normalen“ Wohnen<br />

heraus entwickelt hat. Die notwendige Hilfe<br />

wird im Prinzip genauso organisiert wie in<br />

einem privaten Haushalt, durch das „Zuschalten“<br />

ambulanter Dienste. Die Bewohner (oder<br />

deren persönliche Vertreter) sind „Herr im<br />

Hause“, und das Unterstützungspersonal hat<br />

eher einen „Gaststatus“. Wohngemeinschaften<br />

mit Betreuung sind als Ergänzung der ambulanten<br />

Versorgungskette zu sehen, die auf<br />

Hilfeleistungen in der eigenen Häuslichkeit<br />

ausgerichtet ist. Hier besteht ein konzeptioneller<br />

Unterschied zu den KDA-Hausgemeinschaften,<br />

die ja auch als „vierte Generation“ des<br />

Pflegeheims bezeichnet werden. Die Hausgemeinschaften<br />

sind in einem anderen Zusam-<br />

menhang entstanden, nämlich durch Aufbrechen<br />

starrer institutioneller Strukturen sowie<br />

mit dem Ziel möglichst weitgehender Dezentralisierung<br />

und Haushaltsorientierung in<br />

Annäherung an das „normale“ Wohnen. Vom<br />

Prinzip her stellen dagegen die Wohngemeinschaften<br />

mit Betreuung keine Weiterentwikklung<br />

des Pflegeheims oder etwa der Hausgemeinschaften<br />

dar. Vielmehr ist das Konzept der<br />

betreuten Wohngemeinschaften eine Weiterentwicklung<br />

der wohnungsnahen, quartiersbezogenen,<br />

ambulanten Versorgung hilfebedürftiger<br />

Menschen.<br />

• Barrierefreies Wohnen in „normalen“<br />

Wohnquartieren<br />

Wohngemeinschaften mit Betreuung sind<br />

keine „Einrichtungen“ und auch nicht in Einrichtungen<br />

integriert oder diesen in der Regel<br />

auch nicht angegliedert, sondern – barrierefrei<br />

Neues Programm zur Förderung<br />

Betreuter Wohngruppen in NRW<br />

Im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung<br />

bietet das Ministerium für Städtebau<br />

und Wohnen, Kultur und Sport des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen seit Februar 2003 neue<br />

Möglichkeiten der finanziellen Förderung<br />

für „Gemeinschaftliche Wohnformen für<br />

Seniorinnen/Senioren und Behinderte“ an.<br />

Aus einem speziellen Kontingent des experimentellen<br />

Wohnungsbaus können mit zinsgünstigen<br />

Darlehen Gemeinschaftsräume<br />

und vollständige Wohnungen (einschließlich<br />

Bad/WC und Kochstelle) von Wohngemeinschaften<br />

für Seniorinnen/Senioren und<br />

Behinderte gefördert werden. Die Wohngemeinschaften<br />

sollen drei bis sechs Wohneinheiten<br />

umfassen. Pro Wohnobjekt sollen<br />

möglichst nicht mehr als zwei Wohngemeinschaften<br />

gefördert werden. Mit dieser neuen<br />

Zusatzförderung können Betreute Wohngruppen<br />

erstmals auf spezielle Fördermittel<br />

für ihren Aufbau zurückgreifen.<br />

Ansprechpartner:<br />

Ministerialrat Rainer Janssen, Ministerium<br />

für Städtebau und Wohnen, Kultur und<br />

Sport NRW, Elisabethstraße 5–11, 40217<br />

Düsseldorf, Referat IVA4, Telefon 02 11/<br />

38 43-3 52, Fax 02 11/38 43-73-3 52, Mail:<br />

rainer.janssen@mswks.nrw.de<br />

Thema<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 7


Thema<br />

8<br />

umgestaltete – Wohnungen in<br />

bestehenden „normalen“ Wohnquartieren.<br />

Die Bewohner können<br />

sehr häufig in ihrem vertrauten<br />

Wohnumfeld verbleiben,<br />

und alte nachbarschaftliche<br />

Kontakte bleiben leichter erhalten<br />

als bei einem Wechsel in eine<br />

vielfach vom eigenen Wohnquartier<br />

entfernte stationäre<br />

Einrichtung. Durch die Nutzung<br />

der vorhandenen Bausubstanz in<br />

normalen Wohnquartieren<br />

können solche Wohnprojekte<br />

relativ schnell aufgebaut, aber<br />

evtl. auch wieder abgebaut<br />

werden, wenn die Wohnungen wieder einer<br />

anderen Nutzung zugeführt werden sollen. Der<br />

Aufbau einer stationären Einrichtung ist aus<br />

vielerlei Gründen viel aufwendiger und beharrungsträchtiger.<br />

Insgesamt sind die Investitionskosten<br />

der betreuten Wohngemeinschaften<br />

geringer. Dafür liegt der bauliche Ausstattungsstandard<br />

häufig unter dem der KDA-Hausgemeinschaften,<br />

die in der Regel neben den<br />

Gemeinschaftsflächen ein Einzelzimmer mit<br />

eigenem Bad anbieten.<br />

• Wohnen in kleinen Einheiten<br />

Die Wohngemeinschaften mit Betreuung<br />

sind kleine Einheiten. So kann die Gruppengröße<br />

bis auf nur drei Personen reduziert sein,<br />

und die Wohnungen sind in der Regel nur als<br />

Einzelgruppe organisiert. Bei den KDA-Hausgemeinschaften<br />

werden häufig mehrere Gruppen<br />

zu kleinen Ensembles zusammengefasst,<br />

und die Gruppenstärke sinkt in der Regel nicht<br />

unter sechs Personen.<br />

• Von kleinen Initiativen ins Leben gerufen<br />

Die Initiatoren von Wohngemeinschaften<br />

mit Betreuung sind in der Regel Zusammenschlüsse<br />

von Einzelpersonen bzw. eher kleinere<br />

Organisationen, seien es ambulante Dienste,<br />

Angehörigeninitiativen oder sonstige Vereine.<br />

Pflege- und Betreuungskräfte rekrutieren sich<br />

meistens aus der Mitarbeiterschaft ambulanter<br />

Dienste. Die Trennung zwischen dem Anbieter<br />

von Betreuungsleistungen und dem Eigentümer<br />

bzw. Vermieter der Wohnung ist bei den<br />

betreuten Wohngemeinschaften meist deutlicher<br />

als bei den KDA-Hausgemeinschaften.<br />

Diese werden in der Regel eher von erfahrenen<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Der Umzug in eine Wohngemeinschaft mit Betreuung im<br />

„altbekannten“ Quartier hat auch zum Vorteil, dass man<br />

nicht den Supermarkt wechseln muss.<br />

Foto: Karin Simonett<br />

Trägern von Altenpflegeeinrichtungen organisiert,<br />

die ihr Angebot erweitern oder verbessern<br />

wollen. Auch als Typus mit ambulanter Betreuung<br />

sind die KDA-Hausgemeinschaften üblicherweise<br />

bereits während der Planung mit den<br />

Behörden abgestimmt und regelhafter organisiert<br />

(siehe Kasten Seite 9: zum Beispiel die<br />

Vereinbarung der Stadt Münster mit den Hausgemeinschaften<br />

der Alexianer-Krankenhaus-<br />

GmbH). Wohngemeinschaften mit Betreuung<br />

brauchen manchmal Jahre, bis sie von den<br />

Kassen (und den Sozialhilfeträgern) toleriert<br />

bzw. akzeptiert werden und ihr Leistungsspektrum<br />

mit allen Behörden abgestimmt haben.<br />

• Viele Konzepte für unterschiedliche Bedürfnisse<br />

Wohngemeinschaften mit Betreuung zeichnen<br />

sich durch eine erhebliche Konzeptvielfalt<br />

aus. Es gibt zudem in diesen Wohngemeinschaften<br />

Bewohner mit sehr unterschiedlichen<br />

Bedürfnissen. Diese Wohngemeinschaften<br />

konzentrieren sich nicht nur auf Bewohner mit<br />

hohem Hilfe- und Pflegebedarf (zum Beispiel<br />

Menschen mit Demenz), sie schließen zum Teil<br />

auch Jüngere oder Nicht-Pflegebedürftige ein.<br />

Die Betreuungsintensität ist in betreuten Wohngemeinschaften<br />

in besonderem Maße flexibel<br />

auf den individuellen Bedarf ausgerichtet und<br />

kann – je nach Klientel – auch minimal sein<br />

(zum Beispiel ohne Nachtdienst bzw. nur mit<br />

stundenweiser Anwesenheit).


Ein Ziel – unterschiedliche Wege<br />

Mit ihren jeweiligen Besonderheiten ergänzen<br />

sich die Wohngemeinschaften mit Betreuung<br />

und die KDA-Hausgemeinschaften. Die Wohngemeinschaften<br />

mit Betreuung bilden sozusagen<br />

das „zweite Standbein“ für das gruppenorientierte<br />

Wohnkonzept mit Betreuung. Beide<br />

Wohnkonzepte bewegen sich von unterschiedlichen<br />

Ausgangspunkten her in die gleiche<br />

Richtung – einmal als notwendige Erneuerung<br />

der stationären Pflege und einmal als Erweiterung<br />

der ambulanten Versorgungskette innerhalb<br />

kleinräumiger Wohnquartiere –, um deinstitutionalisierte<br />

Wohnalternativen für Hilfeund<br />

Pflegebedürftige zu schaffen.<br />

Durch das Engagement des KDA ist insbesondere<br />

dem stationären Typ der Hausgemeinschaften<br />

schon zu einem Durchbruch verholfen<br />

worden. Aufgrund des dringenden Handlungsbedarfs<br />

für eine bedarfsgerechtere Gestaltung<br />

der Wohn- und Lebenssituation in den Heimen<br />

hat sich das KDA in den vergangenen Jahren<br />

verstärkt für die Etablierung wohngruppenorientierter<br />

Betreuungsformen für ältere Menschen<br />

eingesetzt. Mit den KDA-Hausgemeinschaften<br />

ist es gelungen, solche Wohn- und<br />

Betreuungsformen für ältere Menschen auch in<br />

die stationäre Pflege zu integrieren und gleichzeitig<br />

– als vierte Generation des Pflegeheims –<br />

die stationäre Versorgung weiterzuentwickeln.<br />

Bei den Wohngemeinschaften mit Betreuung<br />

fehlt bisher noch eine entsprechende<br />

Unterstützung auf Bundesebene. Das KDA<br />

wird – zusammen mit der Bertelsmann Stiftung<br />

– auch dieses Wohnangebot für Senioren<br />

weiterentwickeln helfen und stärker nutzbar<br />

machen, um für die Zukunft das Spektrum an<br />

Wohnmöglichkeiten den unterschiedlichen<br />

Bedarfslagen besser anpassen zu können. Es<br />

soll für die Interessenten und Initiatoren von<br />

Wohngemeinschaften mit Betreuung eine Plattform<br />

geboten werden, um über die Chancen,<br />

aber auch die mit diesem Wohnkonzept verbundenen<br />

Risiken aufzuklären und entsprechende<br />

Handlungsschritte für ihre bedarfsgerechte<br />

Gestaltung und Verbreitung einzuleiten.<br />

Dies wird umso wichtiger, als von unterschiedlicher<br />

Seite Interesse an diesem Wohnkonzept<br />

geäußert wird und nicht immer vorausgesetzt<br />

werden kann, dass in Zukunft so engagierte<br />

Akteure wie bisher als Initiatoren für solche<br />

Wohnprojekte auftreten werden und deren<br />

hohe Qualität sichern. Erste Aktivitäten hierzu<br />

hat das KDA durch die Initiierung eines Erfahrungsaustauschs<br />

„betreuter Wohngruppen“<br />

(siehe Beitrag Seite 18) und einer explorativen<br />

Studie im Rahmen des Gemeinschaftsprojektes<br />

mit der Bertelsmann-Stiftung „Leben und<br />

Wohnen im <strong>Alter</strong>“ unternommen.<br />

Ursula Kremer-Preiß, Holger Stolarz<br />

Die Autoren: Ursula Kremer-Preiß und Holger Stolarz,<br />

KDA-Grundlagenreferat Wohnen im <strong>Alter</strong>. Fotos: Kreifels<br />

Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen<br />

Die pia-causa Krankenpflege GmbH und die<br />

Stadt Münster haben eine Leistungs- und<br />

Vergütungsvereinbarung miteinander abgeschlossen,<br />

die die Finanzierung der ambulant<br />

betreuten Hausgemeinschaften der Alexianer-Krankenhaus<br />

GmbH in Münster sichert.<br />

Hiernach erklärt sich die Stadt Münster<br />

bereit, die monatlichen Entgelte für die<br />

Betreuungsleistungen in den Hausgemeinschaften<br />

im Umfang ihrer Leistungsverpflichtungen<br />

nach dem BSHG zu tragen. Die<br />

Leistungen des Sozialhilfeträgers sind abhängig<br />

von der Einkommens- und Vermögensgrenze<br />

nach §§ 79/88 BSHG. Die monatlichen<br />

Entgelte entsprechen den kalkulierten<br />

Personalkosten für das Betreuungsangebot.<br />

Die GmbH verpflichtet sich im Gegenzug,<br />

bestimmte Betreuungsleistungen in betreuten<br />

Wohnangeboten für demenzkranke Menschen<br />

zu erbringen, wobei das Leistungsangebot<br />

den Erfordernissen einer bedarfsgerechten<br />

Leistungserbringung zu entsprechen<br />

hat. Die GmbH hat zur Erfüllung ihrer Aufgaben<br />

entsprechend geeignetes Fachpersonal<br />

vorzuhalten.<br />

Die pia-causa Krankenpflege GmbH ist<br />

ein ambulanter Pflegedienst mit Sitz in<br />

Münster mit einem Schwerpunkt in der Versorgung<br />

demenziell erkrankter Menschen.<br />

Kontakt: Villa Hittorfstraße 10, 48149<br />

Münster, Tel. 02 51/89580 (Hr. Beerwerth).<br />

Thema<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 9


Thema<br />

10<br />

Die Rothenfußer Wohngemeinschaft:<br />

Ein kleines Stück Glück<br />

für Menschen mit Demenz in München<br />

Als ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich die Konzepte von „Wohngemeinschaften mit Betreuung“<br />

sein können, steht die Rothenfußer Wohngemeinschaft in München. Sie weist nicht nur eine<br />

Besonderheit in der Art der Finanzierung auf, sondern auch ihre Ausrichtung auf Menschen<br />

mit fortgeschrittener Demenz zeigt, dass diese Form des Wohnens auch Menschen mit sehr starker<br />

gesundheitlicher Beeinträchtigung eine neue Heimat bieten kann. Harald Raabe hat die<br />

Wohngemeinschaft besucht.<br />

An einer verkehrsreichen Straße im Münchener<br />

Stadtteil Giesing steht ein ehemaliges, renoviertes<br />

Offiziersgebäude der US-Army. Dort in der<br />

vierten Etage werde ich erwartet von der<br />

Rothenfußer Wohngemeinschaft. Es ist 15 Uhr,<br />

als ich die Klingel in der Chiemgaustraße 28<br />

suche. An der Wohnungstür öffnet mir Ulrike<br />

Reder, die Geschäftsführerin<br />

von „Carpe Diem“, einem<br />

„Eingetragenen Verein zur<br />

Förderung der häuslichen<br />

Betreuung und Pflege für<br />

Demenzkranke, seelisch<br />

Kranke, Hirnverletzte und<br />

Sterbende“ in München, dessen<br />

Mitarbeiter die Bewohnerinnen<br />

dieser Wohngruppe<br />

pflegen und betreuen. Aus dem<br />

Flur dringt Gitarrenmusik, zu<br />

der ein Mann singt, vermischt<br />

mit Lachen und dem dünnen,<br />

etwas schräg klingenden<br />

Gesang älterer Frauen. Frau<br />

Reder flüstert mir zu, dass man<br />

gerade beim täglichen Kaffeetrinken<br />

sei und heute ein älterer Musikclown,<br />

der sich einmal in der Woche mit einem Zitherspieler<br />

abwechselte, die alten Damen vor allem<br />

mit süddeutscher und Wiener Musik unterhalte.<br />

Wir gehen über einen etwas steril wirkenden<br />

Flur in eine geräumige Wohnküche. Die<br />

Fenster stehen offen, und über eine Loggia<br />

strahlt die Sonne in den Raum. Auf den<br />

Tischen stehen Ostersträuße, und an den Wän-<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

den und Fenstern hängen Osterdekorationen.<br />

Sechs Bewohnerinnen sitzen um den großen<br />

Küchentisch. Unser leises Eintreten wird kaum<br />

wahrgenommen. Wir setzen uns still auf die<br />

Sofas einer bunten Sitzecke und beobachten die<br />

Kaffeetafel. Verteilt zwischen den Bewohnerinnen<br />

sitzen die Teamleiterin, eine ehrenamtliche<br />

Seit Oktober 2000 ist die Rothenfußer Wohngemeinschaft<br />

übergangsweise in einem ehemaligen Offiziersgebäude<br />

der US-Army untergebracht. Foto: Harald Raabe<br />

Helferin, die Tochter einer Bewohnerin, ein<br />

Zivildienstleistender sowie eine Praktikantin.<br />

Wer nicht auf den vor der Tafel stehenden<br />

Musikclown achtet, spricht mit der Person an<br />

seiner Seite. Plötzlich steht eine Dame, die


offensichtlich erbost ist, auf und will die Runde<br />

verlassen, doch schnell kümmert sich die Praktikantin<br />

um sie. „Eine typische kleine Eifersuchtsszene<br />

am Rande“, erklärt mir Ulrike<br />

Reder. „Da die Bewohnerin keine direkte<br />

Bezugsperson zur Seite hat, wurde sie wohl<br />

eifersüchtig.“ Nach einem Witz, der die alten<br />

Frauen zum Lachen bringt, schlägt der Musikclown<br />

vor, auch noch mal was echt Bayerisches<br />

zu singen: „In München steht ein Hofbräuhaus:<br />

Eins, zwei, g’suffa“, tönt es danach aus<br />

fast allen Kehlen, bis auf eine Ausnahme. Frau<br />

Neck dreht sich angenervt ihrer Tochter Hannelore<br />

Huhn zu, die sie heute besucht und die<br />

mir später aus der Sicht einer Angehörigen<br />

über das Zusammenleben in der Gruppe<br />

berichten will. „Die bayerischen Lieder sind<br />

eine echte Zumutung für die „Westpreußin“<br />

Frau Neck“, kommentiert Ulrike Reder die<br />

kleine Szene. Gegen 16 Uhr ist der nächste<br />

missmutige Kommentar in der Runde zu<br />

hören: „Jetzt loangt’s aber“, und Frau Reder<br />

weiß: „Nach etwa einer Stunde Musik und<br />

Unterhaltung ist die Grenze der Konzentrationsfähigkeit<br />

bei den meisten Damen erreicht.<br />

Das ist auch der Zeitpunkt, bei dem wir in der<br />

Regel wieder die Kaffeetafel auflösen, die als<br />

tagesstrukturierende Maßnahme dazu dient,<br />

alle Bewohner aus ihren Zimmern zu locken<br />

und die sozialen Kontakte untereinander zu<br />

fördern. Nach dem Abschiedslied „Guten<br />

Abend, gut Nacht“ gehen die Frauen nahtlos<br />

ihren individuellen Bedürfnissen nach. Eine<br />

Dame fällt erschöpft in den Sessel der Sitzgruppe,<br />

einige bleiben am Küchentisch sitzen.<br />

Eine andere Dame zieht sich sofort in ihr Zimmer<br />

zurück, und die ehrenamtliche Helferin<br />

geht mit „ihrer“ Betreuungsperson spazieren.<br />

Und ich ziehe mich mit Ulrike Reder (34) und<br />

Hannelore Huhn (60) in das Gästezimmer der<br />

Rothenfußer Wohngemeinschaft zum Gespräch<br />

zurück.<br />

Münchener Wohnverhältnisse<br />

Auf meine Frage, wie denn die Geschichte der<br />

Rothenfußer Wohngemeinschaft aussehe,<br />

berichten die beiden Frauen zunächst über<br />

einen Umstand, für den München über die<br />

Stadtgrenzen hinaus bekannt ist und der auch<br />

für diese Wohngruppe eine große Hürde darstellte:<br />

„Wir haben hier mit einem unglaub-<br />

lichen Wohnraummangel zu kämpfen. Die<br />

Konkurrenz um den heiß begehrten Wohnraum<br />

führt dazu, dass vor allem behinderte Menschen<br />

benachteiligt, ja sogar weggemobbt<br />

werden. Die Bauträger und Vermieter in München<br />

sitzen auf einem sehr hohen Ross“,<br />

beklagt Ulrike Reder. Sie hat zwei Jahre lang<br />

eine geeignete Wohnung für die jetzige Wohngemeinschaft<br />

gesucht. Nun sei man – allerdings<br />

nur vorläufig – in diesem Haus untergekommen.<br />

Die Wohnung sei eigentlich für Körperbehinderte<br />

gedacht gewesen. Deshalb seien auch<br />

die Flure so breit und der Boden sehe durch<br />

den rollstuhlgerechten Bodenbelag so ungemütlich<br />

aus. Allerdings sehe durch die individuelle<br />

Möblierung und den vielen Krimskrams die<br />

ganze 240 Quadrameter große Wohnung mittlerweile<br />

schon viel wohnlicher aus. „Es ist<br />

verständlich, dass die Angehörigen von körperbehinderten<br />

Menschen den Wohnraum, den<br />

wir ihnen jetzt wegnehmen, natürlich selbst<br />

wieder haben wollen“, so Ulrike Reder. Deshalb<br />

suchte man auch nach einer endgültigen<br />

Bleibe für die Wohngemeinschaft. „In etwa<br />

einem Jahr ziehen wir in unsere neue Wohnung,<br />

die gerade in einem anderen Stadtteil<br />

Münchens gebaut wird“, freuen sich die beiden<br />

Frauen. Dort hoffe man, dass sich alle Bewohnerinnen<br />

ebenso gut eingewöhnen werden, wie<br />

dies in der Chiemgaustraße 28 geschehen sei.<br />

„Frau Neck ist weg“ – eine leidvolle<br />

Geschichte mit Happy End<br />

Eine der sieben Bewohnerinnen ist eben die<br />

„Westpreußin“ Eva Neck. Die 82-Jährige hat<br />

eine typische Leidensgeschichte hinter sich, wie<br />

sie viele Familien erlebt haben, in denen ein<br />

Angehöriger an einer Demenz erkrankt ist.<br />

Nur, durch den knappen Wohnraum für Menschen<br />

mit Demenz in München hat die Geschichte<br />

von Frau Neck eine besondere und<br />

„unnötige“ Dramatik erfahren wie mir ihre<br />

Tochter erzählt: „Zunächst lebte meine Mutter<br />

noch lange recht gut allein in ihrer Wohnung,<br />

die nur fünf Kilometer entfernt von meiner lag.<br />

Doch weil ich berufstätig bin, sah ich mich<br />

schon bald gezwungen, sie nachmittags in Alzheimergruppen<br />

oder zur Tagespflege nach Neuperlach<br />

zu bringen“, erinnert sich die Tochter<br />

Hannelore Huhn. Meine Mutter wurde aber<br />

immer unruhiger und aggressiver. Ihr Bewe-<br />

Thema<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 11


Thema<br />

12<br />

Hannelore Huhn freut sich, dass ihre demenzkranke<br />

Mutter bis an ihr Lebensende einen Platz in der<br />

Rothenfußer Wohngemeinschaft gefunden hat.<br />

Foto: Harald Raabe<br />

gungsdrang war so stark, dass sie nirgendwo<br />

blieb. Ich konnte irgendwann nur noch mit<br />

dem Auto hinter ihr herfahren, um sie nicht<br />

aus den Augen zu verlieren. Obwohl ich mich<br />

ständig um eine Unterkunft für sie bemühte,<br />

fand ich nichts Geeignetes. Erst mit Hilfe der<br />

Alzheimergesellschaft bin ich auf Häuser der<br />

Arbeiterwohlfahrt (AWO) gestoßen, in denen<br />

gerontopsychiatrische Wohngruppen untergebracht<br />

sind. Die fünf Häuser der AWO in<br />

München bieten Wohnraum für insgesamt etwa<br />

50 Menschen mit Demenz – ein Witz für eine<br />

Großstadt. Erst nach einem dreiviertel Jahr<br />

auf dem obersten Platz auf der Warteliste bin<br />

ich zu einem ersten Vorstellungsgespräch eingeladen<br />

worden.“ „Dazu muss man sagen“, ergänzt<br />

Ulrike Reder, „dass dieses offen geführte<br />

Stationen in den Heimen sind, die zudem sehr<br />

stark therapeutisch ausgerichtet sind. Man geht<br />

dort davon aus, dass, wenn sich die Bewohner<br />

wohl fühlen, sie an Beschäftigungstherapien<br />

teilnehmen und auch dabei bleiben. Wer es<br />

nicht tut und beispielsweise eine starke Weglauftendenz<br />

aufweist, dem läuft man nicht<br />

hinterher, sondern der wird als nicht in das<br />

Wohnkonzept passend eingestuft und wieder<br />

weggeschickt. Im Zweifelsfall gelangen diese<br />

Menschen somit auf die geschlossene Abteilung<br />

von Heimen oder des Bezirkskrankenhauses,<br />

die einzigen noch bestehenden anderen „Wohnalternativen“<br />

für diese Menschen in München,<br />

die hier offensichtlich keiner haben will. Die Situation<br />

für verhaltensauffällige, demenzkranke<br />

Menschen gleicht in dieser Stadt eher einem<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Verschiebebahnhof zwischen den oft schrekklichen<br />

geschlossenen Abteilungen in den Altenheimen<br />

und Krankenhäusern.“<br />

„Richtig ermutigend sei aber auch der erste<br />

Telefonkontakt mit Frau Reder nicht gewesen“,<br />

berichtet Hannelore Huhn weiter. „Ich<br />

hörte zunächst nur, dass allein die monatliche<br />

Miete – ohne weitere Kosten – knapp 400 Euro<br />

beträgt. Meine Mutter erhält eine Rente von<br />

rund 900 Euro. Schon wieder nichts, dachte<br />

ich also. Doch Frau Reder hat mir zugeredet,<br />

nicht so schnell aufzugeben. Zudem besuchte<br />

sie meine Mutter und beschloss danach, sie<br />

auch aufzunehmen. Als dann das ganze Wohnprojekt<br />

nicht wie geplant starten konnte, verkomplizierte<br />

sich die Sache mit meiner Mutter<br />

ernorm. Als sie immer aggressiver wurde und<br />

die Tagespflege ablehnte, sprang Frau Reder<br />

ein und stellte für die Betreuung meiner Mutter<br />

zwei Mitarbeiterinnen zur Verfügung, die<br />

eigentlich für die Arbeit im zunächst einmal<br />

lahm gelegten Wohnprojekt vorgesehen<br />

waren.“ „Und das bedeutete, dass sie eigentlich<br />

acht Stunden hinter Frau Neck herrennen<br />

mussten“, wirft Ulrike Reder ein, „aus dieser<br />

Zeit stammt der Standardsatz: ‚Frau Neck ist<br />

weg.‘“ Auf Empfehlung von Frau Reder suchte<br />

Frau Huhn Professor Lauter auf, der Klinikchef<br />

des Klinikums rechts der Isar und zudem<br />

Mitglied des Münchener Förderkreises e.V. ist.<br />

Dieser Förderkreis war nicht nur Initiator,<br />

sondern später auch Vermieter der noch einzurichtenden<br />

Rothenfußer Wohngemeinschaft.<br />

„Professor Lauter empfahl mir, meine Mutter<br />

mit Medikamenten einstellen zu lassen“, so die<br />

Tochter weiter. Die Situation habe ihr keine<br />

Wahl gelassen, die Mutter musste in die<br />

geschlossene Abteilung des Bezirkskrankenhauses<br />

München-Haar. Dort riet man Frau Reder<br />

dann später, Frau Neck nicht in das geplante<br />

Wohnprojekt aufzunehmen, da sie hochgradig<br />

weglaufgefährdet und verhaltensauffällig sei<br />

sowie keine Therapie mitmache und niemanden<br />

in ihre Nähe lasse. „In meiner ganzen<br />

Verzweiflung habe ich dann noch mal einen<br />

Bittbrief an Frau Reder geschrieben, die sich<br />

schließlich hat breitschlagen lassen, meine<br />

Mutter mit der Eröffnung der Rothenfußer<br />

Wohngemeinschaft auf Probe aufzunehmen.“<br />

„Heute würden wir uns nie wieder von solchen<br />

Warnungen abschrecken lassen“, bemerkt<br />

Ulrike Reder kopfschüttelnd und erinnert sich<br />

an Sätze wie: „Diese Frau braucht Medika-


mente und gehört weg auf die ‚Geschlossene‘.<br />

Seid ihr denn verrückt, gerade diese aufzunehmen,<br />

wo es doch so viele liebe nette Demenzkranke<br />

gibt!“ „Nachdem wir die völlig<br />

zusammengefallene und abgemagerte Frau im<br />

Bezirkskrankenhaus besucht hatten und sie<br />

dabei eine unserer Betreuerinnen freudig<br />

wiedererkannte, hat man sie uns dann doch<br />

mitgegeben, sozusagen mit einer Freibriefmarke<br />

nach dem Motto: ‚Wenn es nicht klappt,<br />

dann schickt ihr sie halt wieder zurück‘.“<br />

Der Einzug in die Chiemgaustraße 28 war<br />

schließlich nicht einfach für Frau Neck. Ihrem<br />

starken Bewegungsdrang sei man aber beispielsweise<br />

entgegengekommen, indem man sie<br />

nicht nur morgens zum Semmelkaufen mitnahm,<br />

sondern sie noch zwei weitere Male am<br />

Tag vor die Tür begleitete. Doch dann, nach<br />

dieser starken Unruhephase, folgte plötzlich ein<br />

extremer Rückzug, erzählen mir meine<br />

Gesprächspartnerinnen. „Mutter baute hier<br />

zunächst noch stärker ab, da sie auch das<br />

Essen verweigerte“, berichtet Hannelore Huhn.<br />

„Diese ‚Mich-will-doch-eh-keiner-mehr-Haltung‘<br />

erleben wir hier aber öfter“, so Ulrike<br />

Reder. „Doch plötzlich kam Frau Neck wieder<br />

aus ihrem Zimmer heraus. Ihre Demenz war<br />

zwar fortgeschritten, aber sie hatte sich entschieden,<br />

wieder Nahrung zu sich zu nehmen<br />

und am Küchenleben teilzunehmen. Jetzt ist sie<br />

in ihrer Welt angekommen und fühlt sich dort<br />

auch wohl. Sie ist nur noch emotional erreichbar,<br />

nimmt aber zum Beispiel<br />

mit einer Mitbewohnerin<br />

regelmäßig Kontakt auf. Sie<br />

sitzen auf der Couch und<br />

schmusen miteinander und<br />

sagen sich liebe Sachen“,<br />

berichtet Ulrike Reder. Ab und<br />

zu beschäftige sie sich – und<br />

manchmal sogar die ganze<br />

Gruppe – damit, Skatkarten<br />

professionell zu mischen, denn<br />

Frau Neck sei früher passionierte<br />

Skatspielerin gewesen.<br />

„Wir achten darauf, dass die<br />

individuellen Bedürfnisse jeder<br />

Bewohnerin berücksichtigt<br />

werden. Frau Neck hat sich bei<br />

uns wirklich normalisiert und<br />

braucht noch nicht einmal<br />

mehr Medikamente, was bei<br />

ihrer Vorgeschichte ja sozusa-<br />

Biografiearbeit ist ein wichtiger Baustein, um die individuellen<br />

Bedürfnisse von Menschen mit Demenz zu erfassen.<br />

Eva Neck war passionierte Skat-Spielerin. Die Pokale<br />

und Auszeichnungen aus dieser Zeit hat sie in ihr<br />

Zimmer gestellt. Foto: Harald Raabe<br />

gen ein Wunder ist“, so Ulrike Reder. Dies sei<br />

wohl auch ein Grund dafür, dass die Ärzte, die<br />

Frau Neck betreut hätten, heute darüber staunten,<br />

wie positiv sie sich seit dem Einzug in die<br />

Chiemgaustraße entwickelt habe. „Unser Verhältnis<br />

zum Bezirkskrankenhaus Haar hat sich<br />

mittlerweile deutlich verbessert, man bezeichnet<br />

uns sogar als Lichtblick für die Versorgung<br />

von Menschen mit Demenz in München. Heute<br />

sagen wir: ‚Ja, Frau Neck gehört zu uns, denn<br />

bei uns fühlt sie sich wohl‘.“ Und der Grund<br />

dieser Zufriedenheit liegt unter anderem an<br />

den speziellen Strukturen des Wohnprojektes.<br />

Die zwischen zwölf und 18 qm großen Zimmer in der Chiemgaustraße 28<br />

sind individuell gestaltet. Auch Eva Neck zieht sich gerne in ihr Zimmer<br />

zurück, wenn ihr das Gemeinschaftsleben zu viel wird. Foto: Harald Raabe<br />

Thema<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 13


Thema<br />

14<br />

Konzept der Rothenfußer<br />

Wohngemeinschaft<br />

Die Rothenfußer Wohngemeinschaft hat ihren<br />

Namen durch eine Spende und das Engagement<br />

der Jacob und Maria Rothenfußer-<br />

Gedächtnisstiftung erhalten, die die Durchführung<br />

des Projektes erst möglich gemacht hat.<br />

Die Gemeinschaft der momentan sieben<br />

Bewohnerinnen wird durch das Dreieck Münchener<br />

Förderkreis e.V., „Carpe Diem“ e.V.<br />

sowie ein Angehörigengremium (siehe Schaubild<br />

sowie Seite 17) getragen. Als Grundprinzip<br />

liegt dem Münchener Wohnprojekt der „Cantou“-Gedanke<br />

zu Grunde, wie das auch bei<br />

den KDA-Hausgemeinschaften (siehe Pro<strong>Alter</strong><br />

4/2001) der Fall ist. Cantou bezeichnet<br />

ursprünglich eine offene Feuerstelle in Bauernhäusern<br />

Süd-West-Frankreichs, um die herum<br />

sich das Familienleben abspielte. Übertragen<br />

auf das Wohnen von desorientierten Menschen<br />

in einer Gemeinschaft heißt das aber auch, dass<br />

neben den Bewohnern sowohl die Angehörigen<br />

als auch die Mitarbeiter fest in die Gemeinschaft<br />

miteingebunden werden. „Wir erwarten<br />

von den Angehörigen und den gesetzlichen<br />

Betreuern, dass sie die Verantwortung für<br />

unsere Bewohnerinnen weiter mittragen“,<br />

erklärt Ulrike Reder. „Das heißt, dass sie in<br />

kritischen Situationen auch hergebeten werden:<br />

Quelle: Ulrike Reder<br />

Münchener<br />

Förderkreis e.V.<br />

• General(ver)mieter<br />

• Vermittlungsinstanz<br />

• Garant für das<br />

inhaltliche Konzept<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Struktur der<br />

Rothenfußer<br />

Wohngemeinschaft<br />

Die Gemeinschaft<br />

der<br />

BewohnerInnen<br />

Angehörigentreffen<br />

Gremium<br />

Wenn Frau Neck beispielsweise Probleme beim<br />

Baden macht, wird ihre Tochter um Unterstützung<br />

gebeten. Wenn Angehörige und Betreuer<br />

sagen: ‚Das geht uns nichts mehr an, das ist<br />

euer Problem‘, dann führt dies natürlich<br />

zunächst zu erheblichen Spannungen, die im<br />

Extremfall sogar die Wohngemeinschaft blokkieren<br />

können. Deshalb wird dann der Fall<br />

auch zur Schlichtung an das Angehörigengremium<br />

weitergeleitet.<br />

Unter dem Dach des „Carpe Diem“ e.V.<br />

wurde zunächst auch aus der Not heraus –<br />

nämlich wegen nicht zu vereinbarender, finanzieller<br />

und inhaltlicher Vorstellungen der verschiedenen<br />

ambulanten Pflegedienste – ein<br />

eigener Pflegedienst gegründet. Dieser bietet<br />

den Bewohnerinnen die nötigen Pflegedienstleistungen<br />

nach SGB XI an, die aber prinzipiell<br />

auch von jedem anderen Anbieter erbracht<br />

werden könnten. Darüber hinaus übernimmt<br />

der Verein die therapeutische Betreuung der<br />

Frauen in der Rothenfußer Wohngemeinschaft,<br />

die überwiegend über das SGB IX (siehe Seite<br />

X) finanziert werden. Nicht zuletzt deswegen<br />

ist die Personalausstattung (siehe Tabelle 1) mit<br />

insgesamt neun Personen und die sehr hohe<br />

Betreuungsquote (zwei Betreuer und zusätzlich<br />

eine ehrenamtliche Helferin auf sieben Bewohner)<br />

möglich. „Oft werden wir mit einem Heim<br />

verglichen, was aber absurd ist, denn wir sehen<br />

„Carpe Diem“<br />

e.V.<br />

Therapeut. WG<br />

für ältere seelisch<br />

behinderte<br />

Menschen<br />

SGB IX<br />

ambulanter<br />

Pflegedienst<br />

SGB XI/V


Tabelle 1: Personalausstattung<br />

Personalausstattung wöchentlicher Einsatz<br />

Carpe Diem: 1 Fachpflegekraft<br />

Therapeut. für Gerontopsychiatrie . . . . . . . 30 Std.<br />

Wohn- 1 Sozialpädagogin . . . . . . . . . . . 15 Std.<br />

gemeinschaft<br />

Carpe Diem: 1 Krankenpfleger/PDL . . . . . . . . 20 Std.<br />

Pflegedienst 1 Altenpflegerin/Teamleitung 32 Std.<br />

1 Krankenpfleger . . . . . . . . . . . . 20 Std.<br />

1 Altenpflegehelferin . . . . . . . . 20 Std.<br />

1 Altenpflegehelferin . . . . . . . . 20 Std.<br />

Quelle:<br />

Ulrike Reder<br />

1 Pflegehelferin . . . . . . . . . . . . . 35 Std.<br />

1 Zivildienstleistender<br />

bzw. Sozialbetreuer . . . . . . . . . . 38,5 Std.<br />

uns nur als Ergänzung zu den Heimen“,<br />

beklagt Ulrike Reder, die als Diplom-Sozialpädagogin<br />

die Koordinationsaufgaben innerhalb<br />

des Projektes wahrnimmt. Sie organisiert das<br />

Angehörigengremium oder leitet beispielsweise<br />

die ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen an.<br />

„Durch unsere hohe Betreuungsquote können<br />

wir uns intensiver mit den Bewohnern beschäftigen,<br />

als das je in einem Heim möglich wäre.<br />

Dort hätte beispielsweise niemand zwei Stunden<br />

lang mit Frau Neck herumlaufen können“,<br />

so Reder. Auch auf andere individuelle Bedürfnisse<br />

der Bewohnerinnen könne man so besser<br />

eingehen wie beispielsweise individuelle Aufsteh-<br />

und Frühstückszeiten. Für die Tagesgestaltung<br />

spiele zwar das gemeinsame Zubereiten<br />

des Mittagessens eine wichtige Rolle, aber<br />

eben nicht für alle, betont Ulrike Reder:<br />

„Neben ehemaligen Hausfrauen, für die die<br />

anfallenden Küchentätigkeiten sicher sehr<br />

interessant sind, wohnen bei uns ja auch zwei<br />

ehemalige Karrierefrauen. Diese werden zum<br />

Beispiel von einer Helferin zum Edelcoiffeur<br />

auf der Maximilianstraße oder in den botanischen<br />

Garten begleitet.“ Ganz wichtig sei es<br />

auch, einer Art WG-Koller vorzubeugen, der<br />

vor allem dann bei Bewohnern auftrete, wenn<br />

die Demenz noch nicht so weit fortgeschritten<br />

sei. „Hier hilft am besten ein Spaziergang<br />

draußen bei Sonnenschein“, weiß Frau Reder.<br />

Und für diesen machten sich die Damen erst<br />

richtig zurecht, um in die Stadt zum Shoppen<br />

und anschließend ins Café zu gehen. Ohne eine<br />

ausreichende Personalstärke sei das alles nicht<br />

zu gewährleisten. „Normalität heißt bei uns,<br />

dass die Damen im Prinzip immer die Wohnung<br />

verlassen können. Dafür muss eben min-<br />

destens eine zweite Betreuungsperson<br />

vor Ort sein, die dann<br />

notfalls einfach hinter der<br />

Bewohnerin herläuft. Für die<br />

Bewohnerinnen ist es doch ein<br />

unglaublicher Gewinn zu<br />

wissen, dass sie hier nicht<br />

eingeschlossen sind. Nach den<br />

Ausflügen in die Stadt sind die<br />

meisten auch wieder froh, dass<br />

sie zurück in die Geborgenheit<br />

der Wohnung können. Und<br />

was natürlich genauso wichtig<br />

ist, ist ihre Rückzugsmöglichkeit<br />

in die Privatsphäre, ins<br />

eigene Zimmer, das zumeist<br />

voll steht mit den eigenen Sachen.“<br />

Eine „neu entdeckte“ Finanzquelle<br />

Die Rothenfußer Wohngemeinschaft ist eine<br />

vom Bezirk Oberbayern anerkannte therapeutische<br />

Wohngemeinschaft für ältere seelisch<br />

Behinderte. Daraus ergibt sich auch die Finanzierungsmöglichkeit<br />

nach unterschiedlichen<br />

Sozialgesetzbüchern. Neben dem SGB XI, über<br />

das die üblichen Pflegeleistungen je nach Pflegestufe<br />

finanziert werden, erhalten die Münchener<br />

auch Betreuungssätze nach SGB IX, die<br />

für die psychosoziale Begleitung bereitgestellt<br />

und normalerweise nur körper- und geistig<br />

behinderten Menschen gewährt werden (siehe<br />

Kasten SGB IX).<br />

SGB IX: Rehabilitation und Teilhabe<br />

behinderter Menschen<br />

§ 1 Selbstbestimmung und Teilhabe am<br />

Leben in der Gesellschaft<br />

Behinderte oder von Behinderung bedrohte<br />

Menschen erhalten Leistungen nach diesem<br />

Buch und den für die Rehabilitationsträger<br />

geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung<br />

und gleichberechtigte Teilhabe<br />

am Leben in der Gesellschaft zu fördern,<br />

Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen<br />

entgegenzuwirken. Dabei wird den besonderen<br />

Bedürfnissen behinderter und von Behinderung<br />

bedrohter Frauen und Kinder Rechnung<br />

getragen.<br />

Thema<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 15


Thema<br />

16<br />

Die Finanzierung stehe somit auf mehreren<br />

Beinen, berichtet mir Ulrike Reder: „Neben<br />

den Mitteln aus der Pflegeversicherung, haben<br />

wir so noch eine weitere einkommensunabhängige<br />

Geldquelle erschlossen, die den Menschen<br />

mit Demenz unmittelbar zugute kommt. Die<br />

Zahlung wird allerdings nur nach einem psychiatrischen<br />

Gutachten eines Facharztes<br />

gewährt und muss meinerseits beantragt werden“,<br />

so die Sozialpädagogin. Gegenüber dem<br />

Geldgeber – dem Bezirk Oberbayern – muss<br />

ich begründen, warum diese Leistung, verknüpft<br />

mit dem Umzug in unsere Wohngemeinschaft,<br />

erforderlich ist. Das heißt, dass die<br />

vielen Verhaltensauffälligkeiten und alltäglichen<br />

Schwierigkeiten, die die Menschen mit<br />

Demenz verursachen, eben auch bedeuten, dass<br />

diese Menschen psychisch krank sind und<br />

ihnen genau deshalb auch Geldmittel aus dem<br />

SGB IX zustehen sollten.“<br />

Als in diesem Moment eine ehrenamtliche<br />

Helferin ihren Mantel aus dem Besucherzimmer<br />

holt, um mit ‚ihrer Bewohnerin’ spazieren<br />

zu gehen, kommt das ständig im Hintergrund<br />

zu hörende Schreien einer anderen Bewohnerin<br />

aus der Wohnküche voll zur Geltung – wie, um<br />

diesen Fakt zu unterstreichen. „Darüber haben<br />

wir rund eineinhalb Jahre mit dem Bezirk<br />

Oberbayern diskutiert“, so die Sozialpädagogin<br />

kopfschüttelnd und fährt bestimmt fort:<br />

„Denn dieser ist zuständig für die ambulante<br />

Psychiatrie und muss in unseren Augen somit<br />

Leistungen der medizinischen Rehabilitation,<br />

die behinderten Menschen zustehen, auch<br />

demenzkranken Menschen in der Altenhilfe<br />

gewähren, die per Gesetz zu den seelisch behinderten<br />

Menschen zählen. Dazu gehören Krisenintervention<br />

und tagesstrukturierende Maßnahmen<br />

ebenso wie psychosoziale Begleitung<br />

und alle Leistungen zur Teilhabe am Leben in<br />

der Gemeinschaft – eben alles, was für alle<br />

anderen Behinderten auch gilt.<br />

Geholfen hat uns schließlich sehr, dass<br />

auch das bayerische Sozialministerium anerkannt<br />

hat, das Menschen mit Demenz psychisch<br />

krank und seelisch behindert sind. Aber<br />

auch die starke Unterstützung seitens der Münchener<br />

Arbeitsgemeinschaft Gerontopsychiatrie,<br />

die gegenüber der Bezirksregierung keinen<br />

Zweifel daran gelassen hat, dass – falls sich der<br />

Bezirk weigert, bei der Finanzierung einzusteigen<br />

– man diese Ungerechtigkeit auch in der<br />

Presse diskutieren würde. Zunächst hat sich<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

der Bezirk total gewehrt, sich dann aber mit<br />

der Stadt München zusammengesetzt und das<br />

Problem gemeinsam angepackt. Mittlerweile<br />

steht man sogar dem Einrichten einer zweiten<br />

Wohngemeinschaft positiv gegenüber“, freut<br />

sich Ulrike Reder.<br />

Aus diesem zusätzlichen Topf werden 1,2<br />

Stellen (siehe Tabelle 1) innerhalb des Wohngemeinschaftsprojektes<br />

finanziert. Dazu gehört<br />

Ulrike Reders Tätigkeit als Sozialpädagogin,<br />

die sich wesentlich um organisatorische Aufgaben<br />

kümmert, wie die Koordinierung von<br />

Ausflügen und Festen, der Einsatz ehrenamtlicher<br />

Helfer sowie die Betreuung des Angehörigengremiums.<br />

Dazu kommt noch die Arbeit<br />

einer Fachpflegekraft für Gerontopsychiatrie.<br />

So könnten Leistungen abgerechnet werden,<br />

auf denen die anderen betreuten Wohngemeinschaften<br />

in Deutschland – außer in Berlin – oft<br />

sitzen blieben. „Denn, wenn man sich eine<br />

Stunde um einen Bewohner kümmert, um ihn<br />

zu beruhigen, kann das nicht über das SGB XI<br />

finanziert werden“, so die engagierte Sozialpädagogin.<br />

Tabelle 2:<br />

Kostenbeispiel für einen Bewohner<br />

Pflegestufe II (Durchschnittswerte)<br />

Kosten pro Monat Euro<br />

Miete (warm) . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Haushaltsgeld (inkl. Strom<br />

408,–<br />

und Telefon) . . . . . . . . . . . . . 300,–<br />

Verwaltungspauschale . . . . . . . 76,–<br />

Pflege und Hauswirtschaft . . .<br />

Therapeutische<br />

2.400,–<br />

Wohngemeinschaft . . . . . . . . 692,–<br />

Gesamtkosten . . . . . . . . . . . . . . 3.876,–<br />

Kostenübernahme<br />

Zuschüsse pro Monat Euro<br />

Pflegeversicherung (II) . . . . . . . 921,–<br />

Bezirk Oberbayern . . . . . . . . . . 692,–<br />

Eigenanteil . . . . . . . . . . . . . . . . 2.263,–<br />

Quelle: Arbeitsgruppe für Sozialplanung und<br />

<strong>Alter</strong>sforschung (AfA), München


Beispielsweise reduzieren sich die Kosten für<br />

einen Bewohner der Rothenfußer Wohngemeinschaft<br />

mit Pflegestufe II von 3.876 Euro<br />

auf einen Eigenanteil von 2.263 Euro durch die<br />

Kostenübernahmen der Pflegeversicherung<br />

sowie des überörtlichen Sozialhilfeträgers, des<br />

Bezirks Oberbayern, der die psychosozialen<br />

Betreuungsleistungen übernimmt (siehe Tabelle<br />

2).<br />

Hinzu kommt ein Abkommen mit der<br />

Stadt München, nach dem diese als örtlicher<br />

Sozialhilfeträger alle Kosten trägt, die über die<br />

Leistungen der Pflegekassen hinausgehen. Auch<br />

bei Kost und Logie, die von den Bewohnern<br />

selbst getragen werden müssen, springt das<br />

Sozialamt ein, wenn die finanziellen Mittel der<br />

Betroffenen und ihrer Angehörigen nicht ausreichen.<br />

„Im Prinzip gibt es mit der Finanzierung<br />

und Abrechnung in unserer Wohngemeinschaft<br />

nun keine Probleme mehr“, stellt Ulrike Reder<br />

zufrieden fest.<br />

Die Angehörigen reden mit<br />

Etwa alle sechs Wochen ruft Ulrike Reder das<br />

Angehörigengremium zusammen, was für das<br />

Funktionieren der Wohngemeinschaft nicht<br />

unerheblich sei, berichtet mir die Organisatorin<br />

weiter: „Bei diesem Treff wird nicht nur die<br />

Haushaltskasse offen gelegt und mit einfacher<br />

Mehrheit der Stimmen von Angehörigen oder<br />

gesetzlichen Betreuern abgestimmt, was eingekauft<br />

oder gekocht wird, sondern man thematisiert<br />

auch, wie man mit den Bewohnern<br />

umgeht, die sich zum Beispiel sehr schwierig<br />

verhalten. Eine Bewohnerin, die nur noch<br />

geschrieen hat, mussten wir einmal für zwei<br />

Wochen in eine geschlossene Station bringen,<br />

weil es in unserer Wohngemeinschaft keiner<br />

mehr mit ihr ausgehalten hat“, gibt Ulrike<br />

Reder zu. „Doch dann sagte man uns, dass die<br />

einzige <strong>Alter</strong>native sei, die Dame künstlich zu<br />

ernähren und zu fixieren, da eine intensive<br />

Betreuung, so wie bei uns, nicht geleistet werde<br />

könne. Da war ganz schnell klar, dass wir sie<br />

wieder in die Gruppe zurückholen. Denn letztendlich<br />

können wir psychiatrische Krisen bei<br />

uns wohl immer noch am besten auffangen.“<br />

„Genau das ist ja das Schöne“, bestätigt Hannelore<br />

Huhn. „Hier wird keiner abgeschoben,<br />

der gesundheitlich immer mehr abbaut und der<br />

auch immer unbequemer wird.“ Und sie lässt<br />

durchblicken, dass man ja mit den eigenen<br />

Angehörigen auch jederzeit in eine solch prekäre<br />

Lage kommen könnte und dann ebenfalls<br />

hoffe, von der Gruppe und den Angehörigen<br />

getragen zu werden. Ohnehin habe diese<br />

Wohnform ja noch den entscheidenden Vorteil,<br />

dass die Bewohnerinnen alle einen normalen<br />

Mietvertrag mit dem Münchener Förderkreis<br />

als Vermieter abgeschlossen hätten, ergänzt<br />

Ulrike Reder. Durch diesen Vertrag seien die<br />

Mieter davor geschützt, einfach aus der Wohngemeinschaft<br />

ausgeschlossen zu werden. Was<br />

den Einzug eines neuen Bewohners angeht,<br />

haben die Angehörigen allerdings nur ein eingeschränktes<br />

Vetorecht. Denn sonst, so die<br />

nicht unbegründete Befürchtung des Bezirks,<br />

tendierten die Angehörigen wohl eher dazu,<br />

den nettesten neuen Mitbewohner in die<br />

Wohngemeinschaft aufzunehmen und nicht<br />

denjenigen, der es am dringendsten brauche.<br />

Für Frau Neck und ihre Tochter war der<br />

Umzug in die Rothenfußer Wohngemeinschaft<br />

jedenfalls ein Segen. „Früher habe ich oft<br />

gedacht, hoffentlich geht das alles bald zu Ende<br />

mit meiner Mutter“, so Hannelore Huhn,<br />

„heute denke ich, wie schön es ist, dass ich<br />

hierhin in die Wohngruppe kommen kann, um<br />

sie zu sehen. Das verdanke ich dieser einmaligen<br />

Einrichtung in München. Ein Glück, dass<br />

meine Mutter hier sein kann.“<br />

Literatur-Hinweis:<br />

• Rothenfußer Wohngemeinschaft – Wohngemeinschaft<br />

für verwirrte ältere seelisch behinderte Menschen in<br />

München. Ein Bericht der Arbeitsgruppe Sozialplanung<br />

und <strong>Alter</strong>sforschung (AfA) München. Hrsg.: Bayerisches<br />

Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie<br />

und Frauen, März 2003. Der Bericht steht im Internet<br />

als Download zur Verfügung: http://www.stmas.<br />

bayern.de/pflege/ambulant/wg.htm<br />

Thema<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 17


Thema<br />

18<br />

Überregionaler Erfahrungsaustausch<br />

der Akteure von betreuten Wohngruppen<br />

Im Rahmen des Kooperationsprojektes mit der Bertelsmann Stiftung (siehe Pro<strong>Alter</strong> 3/2002)<br />

organisierte das <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe im März dieses Jahres eine Fachtagung der<br />

Akteure betreuter Wohngruppen in Braunschweig. Rund 30 Initiatoren und Betreuungskräfte<br />

aus Bielefeld, Berlin, Braunschweig, Münster, München, Eigeltingen, Werther, Chemnitz sowie<br />

Projektplaner aus der Schweiz und den Niederlanden bot sich dort die Möglichkeit zu einem<br />

überregionalen Erfahrungsaustausch, der auch die Basis für eine verstärkte Zusammenarbeit<br />

der betreuten Wohngruppen untereinander legte. Ursula Kremer-Preiß, die Projektbearbeiterin<br />

im KDA, fasst die Diskussionen zusammen.<br />

Möglichkeiten und Grenzen<br />

der Selbstbestimmung und<br />

normalen Alltagsgestaltung<br />

„In den seit mehreren Jahren bestehenden<br />

Wohngruppen sind auch die hier lebenden<br />

Menschen gealtert. Viele von ihnen haben in<br />

diesem Zeitraum ihre Sebstständigkeit verloren.“<br />

Dieses Fazit zogen einige Teilnehmer zu<br />

Beginn der Diskussion im ersten Themenblock<br />

der Braunschweiger Veranstaltung. Der verschlechterte<br />

Gesundheitszustand der Bewohner<br />

macht es schwer, die Ziele Selbstbestimmung<br />

und Gestaltung eines möglichst normalen<br />

Alltags zu verwirklichen. Selbst die eigenen<br />

Grundbedürfnisse können manchen nicht mehr<br />

alleine befriedigen und auch kaum mehr an<br />

Gemeinschaftsaktivitäten oder Alltagsaktivitäten<br />

teilnehmen. „Trotzdem ist das Wohnrecht<br />

bis zum Lebensende ein wesentliches Strukturmerkmal<br />

dieses Wohnkonzepts und muss es<br />

auch bleiben“, hoben die Teilnehmer hervor.<br />

Dabei hänge es wesentlich vom Engagement<br />

und der Kreativität der Mitarbeiter ab, inwiefern<br />

die Bewohner noch an Alltagsaktivitäten<br />

teilnähmen. Das Bedürfnis nach „Selbstständigkeit“<br />

müsse jeden Tag daraufhin reflektiert<br />

werden, wie ein zufriedenes Leben der Bewohner<br />

tatsächlich erreicht werden kann. Zudem<br />

solle der Begriff der „Alltagsnormalität“ durch<br />

„Alltagsvertrautheit“ ersetzt werden, da gerade<br />

die Mitarbeiter bei demenziell erkrankten<br />

Bewohnern gefordert seien, die Maßstäbe eines<br />

normalen Alltags an den Einzelnen anzupassen,<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

ohne die anderen Bewohner und die Gemeinschaft<br />

aus dem Auge zu verlieren.<br />

Standards und Verfahren zur<br />

Qualitätssicherung<br />

In dem zweiten Themenblock wurde über<br />

Möglichkeiten der Qualitätssicherung diskutiert,<br />

denn für betreute Wohngruppen gelten<br />

beispielsweise weder verbindliche Standards,<br />

wie der Wohnraum oder die Betreuung gestaltet<br />

sein sollte, noch gibt es eine Kontrollbehörde,<br />

die deren Tun in dieser Hinsicht überwacht.<br />

Die Veranstaltungsteilnehmer waren sich<br />

einig, dass mit der Ausweitung dieses Wohnangebotes<br />

die Entwicklung von Standards zur<br />

Qualitätssicherung notwendig ist. Dabei dürfen<br />

aber Bewohnerbedürfnisse durch eine zu starke<br />

Regulierung nicht vernachlässigt werden. Einen<br />

ersten Schritt in diese Richtung hat man in<br />

Berlin gemacht. Hier wurde der „Verein für<br />

selbstbestimmtes Wohnen im <strong>Alter</strong> e.V.“<br />

gegründet. Dieser hat „Qualitätskriterien für<br />

ambulant betreute Wohngemeinschaften mit<br />

demenziell erkrankten Menschen“ erarbeitet<br />

und versteht sich als Organ freiwilliger (Qualitäts-)Selbstkontrolle<br />

und als Verbraucherschutz-Instanz,<br />

die vor allem Angehörigen von<br />

demenziell erkrankten Menschen Orientierung<br />

in dieser Versorgungslandschaft bieten will<br />

(siehe Kasten). Kontrovers wurde diskutiert,<br />

wer die Kontrolle zur Sicherung von Qualitäts-


standards bei diesen Gruppen übernehmen<br />

könnte. Die Projektvertreter verwiesen darauf,<br />

dass die Wohngruppenmitarbeiter im Rahmen<br />

ihres Versorgungsvertrages mit den Pflegekassen<br />

bereits kontrolliert würden. Darüber hinaus<br />

unterstehe in der Praxis auch ein Teil der<br />

ambulant betreuten Wohngruppen der Kontrolle<br />

durch die Heimaufsicht, ungeachtet der<br />

Tatsache, dass sie keinen Heimstatus hätten.<br />

Die Gruppenvertreter aus dem Bielefelder<br />

Raum verwiesen auf die besondere Rolle der<br />

Wohnungsbaugenossenschaften, die eine kontrollierende<br />

Funktion für ihre Mitglieder und<br />

Mieter wahrnehmen. Insgesamt waren sich die<br />

Veranstaltungsteilnehmer einig, dass pflegebedürftige<br />

Menschen, die alleine zu Hause in<br />

ihren Wohnungen leben, einen geringeren<br />

Verbraucherschutz genießen als Bewohner von<br />

Verein für Selbstbestimmtes Wohnen<br />

im <strong>Alter</strong> e. V.<br />

Im Mai 2001 wurde der Verein „SWA –<br />

Selbstbestimmtes Wohnen im <strong>Alter</strong> e.V.“<br />

gegründet. Ziel des Vereins ist die Formulierung<br />

und Weiterentwicklung von Qualitätskriterien<br />

für ambulant betreute Wohngemeinschaften.<br />

Darüber hinaus setzt sich der Verein für<br />

die Interessen von Menschen mit Demenz<br />

ein. Er unterstützt und informiert über<br />

Projekte, Wohn- und Betreuungsformen, die<br />

dazu dienen, diesen Menschen ein würdiges<br />

und ihrer Situation angemessenes Leben zu<br />

ermöglichen.<br />

Um seine Ziele zu erreichen, ist der<br />

Verein vor allem in folgenden Bereichen<br />

aktiv:<br />

• Erstellung von Broschüren und Arbeitshilfen<br />

• Angebot von Fortbildungen<br />

• Zusammentragen und Weiterleiten von<br />

Angebot und Nachfrage<br />

• Beratung und Unterstützung von Angehörigen<br />

und Betreuern<br />

Kontakt:<br />

Selbstbestimmtes Wohnen im <strong>Alter</strong> SWA e.V.<br />

c/o Annette Schwarzenau<br />

Grunewaldstraße 56, 10825 Berlin<br />

Telefon 030/8533223<br />

E-Mail: swa.e.V@gmx.de<br />

Wohngruppen. Allein durch die Mitbewohner<br />

und auch deren Angehörige, die das Hausrecht<br />

besitzen und auch die Dienstleister selbst<br />

bestimmen können, seien hier Einflussmöglichkeiten<br />

gegeben, die zum Beispiel auch schon<br />

von einigen Gruppen in Berlin genutzt worden<br />

seien. Hier wurde Pflegedienstmitarbeitern<br />

gekündigt, weil die Bewohner bzw. die Angehörigen<br />

nicht mit deren Arbeit zufrieden<br />

waren. Ganz wichtig sei, dass die Machtbalance<br />

zwischen Bewohner und Angehörigen auf<br />

der einen und Mitarbeitern auf der anderen<br />

Seite, erhalten bliebe.<br />

Stolpersteine beim Aufbau und<br />

bei der Finanzierung<br />

In einem dritten und vierten Themenblock<br />

standen die Hindernisse bei der Gründung und<br />

dem Aufbau von betreuten Wohngruppen im<br />

Vordergrund der Diskussion. „Die Finanzierung<br />

erweist sich in vielen Fällen als problematisch,<br />

da Krankenkassen und Sozialhilfeträger<br />

die Übernahme der Kosten nicht immer akzeptieren.<br />

In der Vergangenheit haben vereinzelt<br />

Krankenkassen die eigene Häuslichkeit der<br />

Bewohner in diesen Wohngruppen nicht anerkannt<br />

und zum Teil über Jahre die Zahlungen<br />

für behandlungspflegerische Leistungen verweigert“,<br />

berichteten die Teilnehmer. Dies habe<br />

Initiatoren vor erhebliche Finanzierungsprobleme<br />

gestellt. Sozialhilfeträger seien nicht<br />

immer bereit, Kosten, die erheblich über der<br />

stationären Pflege liegen, zu tragen. Sie deckelten<br />

teilweise die Individualansprüche oder<br />

verlangten unter Umständen gar einen Umzug<br />

in eine stationäre Einrichtung. Zudem wurde<br />

bemängelt, dass eine Regelfinanzierung für die<br />

Aufbauorganisation, der Ausfallzeiten sowie<br />

der investiven Kosten fehle, wie sie für den<br />

stationären Bereich üblich seien. Die Veranstaltungsteilnehmer<br />

verwiesen darauf, dass es<br />

unter diesen Umständen schwierig sei, Rücklagen<br />

zu bilden. Deshalb sei es notwendig,<br />

andere Wege der Finanzierung zu erschließen<br />

(siehe Beitrag Rothenfußer WG Seite 10). „In<br />

Zukunft müssen die Rahmenbedingungen der<br />

Finanzierung verändert und erleichtert werden,<br />

um das Wohnkonzept der betreuten Wohngruppen<br />

weiter zu verbreiten“, so das Fazit der<br />

Veranstaltungsteilnehmer.<br />

Thema<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 19


Thema<br />

20<br />

Ausbau von Beratungs- und<br />

Begleitungsstrukturen<br />

„Neben der geregelten Finanzierung müssen<br />

unterstützende Beratungs- und Begleitstrukturen<br />

für die Initiatoren von betreuten Wohngruppen<br />

ausgebaut werden“, lautete eine weitere<br />

Forderung der Teilnehmer des Erfahrungsaustauschs.<br />

Denn der Aufbau einer betreuten<br />

Wohngruppe verlange ein hohes Maß an konzeptionellem,<br />

ordnungs- und finanzrechtlichem<br />

Know-how. Dieses könne aber bei den Angehörigeninitiativen<br />

oder ambulanten Diensten, die<br />

Initiatoren solcher Wohnprojekte sind, nicht<br />

immer in entsprechendem Maße vorausgesetzt<br />

werden. Oder es müsse mit einem enormen<br />

zeitlichen und finanziellen Aufwand von jeder<br />

Wohngruppe immer wieder neu erarbeitet<br />

werden. Erste Erfahrungen zeigten, dass sich<br />

dieses Wohnangebot leichter etabliert, wenn<br />

die Gruppen auf lokale Unterstützung zurückgreifen<br />

könnten, wie dies zum Beispiel in Berlin,<br />

Braunschweig oder Münster der Fall sei. So<br />

würden diese Aufgaben in Berlin seit Jahren<br />

mit hohem Engagement vom „Verein Freunde<br />

alter Menschen e.V.“ geleistet. Ein wichtiger<br />

Beitrag in dieser Richtung könnte auch die<br />

Umsetzung des Freiburger-Modells – eines<br />

kommunalen Netzwerkes – (siehe Kasten) sein.<br />

„Diese regional operierenden Unterstützungsstrukturen<br />

bedürfen“, so die Ansicht der Veranstaltungsteilnehmer,<br />

„zukünftig einer<br />

bundesweiten Ergänzung und Koordination.“<br />

Insgesamt hat der Erfahrungsaustausch<br />

gezeigt, wie wichtig es ist, dass die Akteure und<br />

Initiatoren dieser Wohnform für alte Menschen<br />

besser untereinander kooperieren. Denn die<br />

meisten Vertreter betreuter Wohngruppen<br />

agieren häufig vereinzelt und sind höchstens in<br />

regionale Netzwerke eingebunden.<br />

Veranstaltungshinweis<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Freiburger Modell<br />

In Freiburg will man die Verbreitung von<br />

wohngruppenorientierten Betreuungskonzepten<br />

vor allem für demenziell erkrankte<br />

Menschen gezielt fördern. Hierfür soll ein<br />

kommunales Netzwerkes aufgebaut werden:<br />

Die Freiburger Träger sind aufgerufen<br />

sich an Wohngruppenprojekten mit unterschiedlichen<br />

Angeboten zu beteiligen.<br />

Weiterhin sollen eine Steuerungsgruppe, ein<br />

Wohngruppenmanagement und eine Begleitforschung<br />

aufgebaut werden, um so einen<br />

Kompetenzpool zu implementieren, den alle<br />

Interessierten nutzen können und in den die<br />

trägerspezifischen Erkenntnisse einfließen<br />

sollen. Die Verantwortung für alle am<br />

Modell beteiligten Wohngruppen und die<br />

Fachaufsicht für die Mitarbeiter soll eine<br />

trägerübergreifende Koordinierungsstelle<br />

übernehmen. Das Netzwerk des Freiburger<br />

Modells setzt dabei gezielt auf die Beteiligung<br />

von Angehörigen und Bürgern. Engagierten<br />

im Netzwerk und in den Wohngruppen<br />

soll eine systematische Beteilung in allen<br />

wichtigen Belangen ermöglicht werden.<br />

Ansprechpartner für das Freiburger Modell:<br />

• Prof. Thomas Klie<br />

Ev. Fachhochschule<br />

Bugginger Straße 32, 79114 Freiburg<br />

Tel.: 07 61/4 78 12-0<br />

• Thomas Pfundstein<br />

Kontaktstelle für praxisorientierte<br />

Forschung<br />

Bugginger Straße 38, 79114 Freiburg<br />

Tel.: 0761/4 7812-23<br />

Initiiert vom KDA und der Bertelsmann Stiftung wird am 18. Juni 2003 in Heidelberg ein<br />

weiterer Erfahrungsaustausch zum Thema „Leben und Wohnen im <strong>Alter</strong>“ unter Experten<br />

stattfinden. Dieses Mal wird das Wohnquartier im Mittelpunkt stehen. Zum Thema „Anforderungen<br />

an die Gestaltung quartiersbezogener Wohnkonzepte“ sollen analog zu der<br />

Braunschweiger Veranstaltung ein Überblick über das Spektrum der quartiersbezogenen Wohnkonzepte<br />

gewonnen werden und Informationen über die Arbeitsweise und die Probleme bei der<br />

Umsetzung ausgetauscht werden. Weiterhin sollen die Akteure durch diesen überregionalen<br />

Erfahrungsaustausch bei ihrer stärkeren Kooperation zwischen den einzelnen Projekten unterstützt<br />

werden. Eine Dokumentation der Veranstaltung wird im KDA erstellt werden.


Das Pro<strong>Alter</strong>-Experteninterview:<br />

„Eine hochakzeptierte <strong>Alter</strong>native<br />

zum Heim“<br />

Berlin hat, was die Anzahl von Wohngemeinschaften mit Betreuung angeht, so etwas wie eine<br />

Vorreiterfunktion in der Bundesrepublik. So existieren dort schätzungsweise – eine offizielle<br />

Statistik gibt es nicht – 60 solcher Projekte mit etwa 400 Zimmern. Dass es in Berlin relativ viele<br />

Wohngruppen gibt, hat viel mit dem Engagement bestimmter Initiativen wie „Freunde alter<br />

Menschen“ und dem „Verein Selbstbestimmt Wohnen im <strong>Alter</strong>“ zu tun. Doch hat man dort<br />

auch das Glück, dass diese <strong>Alter</strong>native zum Pflegeheim sehr von der Senatsverwaltung für Gesundheit,<br />

Soziales und Verbraucherschutz unterstützt wird. Warum das so ist, erklärt Holger<br />

Gerecke. Er ist bei der Senatsbehörde als Leiter der Arbeitsgruppe „Altenhilfestrukturen im ambulanten<br />

und komplementären Bereich“ in der Abteilung Soziales tätig.<br />

Pro<strong>Alter</strong>: Sie bzw. Ihre Behörde stehen den<br />

Betreuten Wohngruppen grundsätzlich positiv<br />

gegenüber. Wie unterstützen Sie diese?<br />

Gerecke: Wir thematisieren die Wohngruppen<br />

immer wieder in den entsprechenden<br />

Gremien, Fortbildungen und Fachtagungen.<br />

Dann haben wir auch für eine zusätzliche<br />

Absicherung durch die Kostenträger gesorgt,<br />

indem wir damals bei Einführung der Leistungskomplexe<br />

für die ambulante Pflege eine<br />

zusätzliche Vereinbarung abgeschlossen haben.<br />

Dieser Extra-Leistungskomplex 31, die so<br />

genannte Tagesstrukturierung, ist sehr geeignet,<br />

um die Betroffenen bedarfsgerecht zu unterstützen.<br />

Er kann allerdings nur gegenüber dem<br />

Sozialamt oder dem Selbstzahler berechnet<br />

werden. Er ist auch nicht nach Verrichtungen<br />

definiert, sondern es wird pauschal eine halbe<br />

Stunde zur Verfügung gestellt. Bei entsprechendem<br />

Bedarf kann diese Zeiteinheit auch mehrfach<br />

kombiniert werden.<br />

Pro<strong>Alter</strong>: Was schätzen Sie an den<br />

Betreuten Wohngruppen, und was sehen Sie als<br />

kritisch an?<br />

Gerecke: Für mich gibt es da mehrere<br />

positive Komponenten. Da ist zum einen der<br />

Aspekt, dass diese Wohnmöglichkeit dem<br />

Wunsch vieler Menschen, auch bei Pflegebedarf<br />

zu Hause und nicht in einem Pflegeheim<br />

versorgt zu werden, entspricht. Dementspre-<br />

Holger Gerecke: „Es ist in unserem Interesse, dass sich<br />

die Wohngruppen als Angebotsform verstetigen.“<br />

Foto: privat<br />

chend, so unsere Erfahrung, ist es eine von den<br />

Nutzern und ihren Angehörigen sehr akzeptierte<br />

Form der Lebensgestaltung. Bisher ist es<br />

auch so, dass in allen Wohngemeinschaften<br />

mehr Nachfrage besteht als Zimmer zur Verfügung<br />

stehen. Deshalb ist es natürlich in unserem<br />

Interesse, dass sich die Wohngruppen als<br />

Angebotsform verstetigen.<br />

Kontakt zwischen Pflegebedürftigen<br />

und Angehörigen bleibt erhalten<br />

Wir wissen, dass sich nach einem Einzug in ein<br />

Altenheim die Angehörigen oft zurückziehen<br />

Thema<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 21


Thema<br />

22<br />

und den Kontakt zum Pflegebedürftigen<br />

wesentlich minimieren. Bei den Wohngruppen<br />

geschieht genau das Gegenteil: Hier gestalten<br />

die meisten Angehörigen sehr aktiv den Alltag<br />

mit. So kann auch die Isolation, die leicht im<br />

Alltag der Pflegenden in der Wohnung entsteht,<br />

aufgehoben werden.<br />

Zudem bieten sie gerade demenzkranken<br />

Menschen mehr Tagesstruktur und Alltäglichkeit,<br />

was für die persönliche Identität sehr<br />

förderlich ist. Noch vorhandene Fähigkeiten<br />

können gezielt gefördert werden und bleiben<br />

länger erhalten. Auch die Tag-Nacht-Struktur<br />

normalisiert sich häufig wieder.<br />

Dann schätzen wir Niedrigschwelligkeit<br />

und Flexibilität der Angebotsstruktur sowie<br />

den geringeren Investitionsaufwand gegenüber<br />

dem stationären Bereich.<br />

Außerdem halte ich – angesichts der heutigen<br />

Pluralität von Lebensstilen und -entwürfen<br />

in unserer Gesellschaft – ein ausdifferenziertes<br />

Altenhilfe-Angebotsspektrum für wünschenswert.<br />

Die Betreuten Wohngruppen stellen dabei<br />

ein Angebot mehr da, für das sich Interessierte<br />

entscheiden können.<br />

Als kritisch bewerte ich die starke krankenpflegerische<br />

Orientierung in einigen Wohngemeinschaften.<br />

Dies ist allerdings abhängig vom<br />

Selbstverständnis des jeweilig in Anspruch<br />

genommenen Pflegedienstes. Die Stärkung der<br />

Hauswirtschaft als Berufsgruppe könnte hierzu<br />

ein Gegengewicht darstellen. Kritisch finde ich<br />

auch die relativ hohen Kosten kleiner Wohngruppen<br />

im Vergleich zur vollstationären Langzeitpflege.<br />

Pro<strong>Alter</strong>: Inwiefern sind die Kosten von<br />

Betreuten Wohngruppen denn höher? Um<br />

welche Größenordnung geht es da?<br />

Gerecke: Das kann man so pauschal<br />

nicht beantworten. Die Idee bei den Wohngemeinschaften<br />

ist ja, dass durch das Zusammenfassen<br />

der rechtlichen Einzelansprüche auch so<br />

etwas wie ein Gesamt-Budget entsteht. Durch<br />

diese Aneinanderreihung von Leistungskomplexen<br />

wird das System teurer als bei den pauschal<br />

kalkulierten pflegebedingten Entgelten im<br />

vollstationären Bereich. Die pflegebedingten<br />

Aufwendungen in den Wohngruppen können<br />

bei einem Teil der Mieter bei über 3.000 Euro<br />

im Monat liegen.<br />

Solange es einzelne vorzeigenswerte<br />

Modellprojekte waren, hat das Auseinanderklaffen<br />

der Preise die Kostenträger nicht<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

gestört. Jetzt aber, wo es sich anschickt, Teil<br />

der Regelversorgung zu werden, ist natürlich<br />

die Befürchtung groß, dass das kostenmäßig<br />

aus dem Ruder läuft.<br />

Kein rechtsfreier Raum<br />

Pro<strong>Alter</strong>: Da die Betreuten Wohngruppen<br />

nicht unter das Heimgesetz fallen (wollen),<br />

ergibt sich die Frage nach der Kontrolle. Sollte<br />

hier ein eigenes Gesetz geschaffen werden?<br />

Gerecke: Ich habe oft das Gefühl, dass<br />

viele Leute meinen, wenn das Heimgesetz nicht<br />

gilt, herrscht automatisch ein rechtsfreier<br />

Raum. Aber genau das bestreite ich –<br />

besonders bei den Betreuten Wohngruppen.<br />

Denn in der Regel sind dort ja oft die – meist<br />

sehr engagierten – Angehörigen bzw. gesetzlichen<br />

Betreuer zugegen. Damit ist die soziale<br />

Kontrolle viel größer als im konventionellen<br />

Heim. Außerdem sind die ambulanten Dienste,<br />

die die pflegerische Betreuung übernehmen, ja<br />

Vertragspartner der Pflegekassen. Das heißt, sie<br />

müssen im Zweifelsfall bei MDK-Prüfungen<br />

eindeutig nachweisen, dass sie die Qualitätsvorschriften<br />

nach dem SGB XI auch erfüllen.<br />

Insofern herrscht hier kein schutz- und rechtsfreier<br />

Raum.<br />

Zudem wird meiner Meinung nach oft die<br />

Diskussion um die Frage Heim oder Nicht-<br />

Heim überbewertet. Denn bei den Betreuten<br />

Wohngruppen ist es doch eigentlich schon von<br />

vorneherein ausgeschlossen, dass sie unter das<br />

Heimgesetz fallen. Schließlich sind die Vertragssphären<br />

getrennt: Der Wohnraum besteht<br />

unabhängig vom Dienstleistungsvertrag oder<br />

anders ausgedrückt: Der Mietvertrag ist nicht<br />

gefährdet, wenn man den Pflegedienst wechselt.<br />

Doch es wird in Deutschland ganz stark in<br />

„Einrichtungs-Kategorien“ gedacht, und so<br />

kommt in manchen Profi-Köpfen da leicht<br />

etwas durcheinander, weil durch die Rund-umdie-Uhr-Präsenz<br />

des Personals und durch das<br />

Vorhandensein bestimmter Hilfsmittel leicht<br />

die Assoziation entsteht, hier sei ein heimähnlicher<br />

Betrieb. Da muss man dann eben von der<br />

Struktur her ganz sauber argumentieren und<br />

darlegen, dass es sich aufgrund der Trennung<br />

der Rechtssphären eben nicht um ein Heim<br />

handelt.<br />

Sicher sind Einzelfälle denkbar, bei denen<br />

ein Pflegedienst eine Wohnung anmietet, dort


Klienten versorgt, die nicht mehr alleine zu<br />

Hause wohnen bleiben können, um sie nicht an<br />

den stationären Bereich zu verlieren. Bei<br />

Bekanntwerden solcher Fälle sind die Heimaufsichten<br />

gefordert, zu prüfen, ob hier eine so<br />

genannte Umgehungseinrichtung vorliegt, und<br />

entsprechende Konsequenzen daraus zu ziehen.<br />

Hauswirtschaft in Betreuten<br />

Wohngruppen stärken<br />

Pro<strong>Alter</strong>: Was sollte Ihrer Ansicht nach<br />

grundsätzlich auf landes- und auch bundespolitischer<br />

Ebene getan werden, damit sich die<br />

Betreuten Wohngruppen als eigenständige<br />

Wohn- und Betreuungsform weiter entwickeln<br />

und verbreiten können? Wo sehen Sie dabei die<br />

größten Hindernisse?<br />

Gerecke: Aus meiner Sicht stehen derzeit<br />

der weiteren Entwicklung insbesondere leistungsrechtliche<br />

Probleme im Wege. So wird<br />

nach § 36 Abs. 1 SGB XI dann eine Pflegesachleistung<br />

gewährt, wenn ein Anspruch auf häusliche<br />

Pflege besteht und diese in irgendeinem<br />

Haushalt durchgeführt wird. Einzelne Kassen<br />

bestreiten aber, dass in den Wohngruppen eine<br />

eigene Häuslichkeit im Sinne von § 37 SGB V<br />

besteht und verweigern die Finanzierung von<br />

Leistungen der häuslichen Krankenpflege.<br />

Probleme ergeben sich auch innerhalb des<br />

BSHG. Für die Sozialämter stellt sich da schon<br />

mal die Frage nach der Verhältnismäßigkeit<br />

Eine überschaubare Bewohnerzahl in<br />

den Wohngruppen erleichtert es vor<br />

allem Menschen mit Demenz, den<br />

Tag zu strukturieren. Dies fördert<br />

ihre Fähigkeiten und stärkt ihre<br />

Identität. Foto: Katrin Simonett<br />

von eventuellen Mehrkosten gegenüber der<br />

vollstationären Langzeitpflege. Angesichts der<br />

Situation der öffentlichen Haushalte ist hier in<br />

Einzelfällen eine repressive Anwendung zu<br />

befürchten.<br />

Erwähnen möchte ich noch, dass ich die<br />

Stärkung der Hauswirtschaft in den Wohngruppen<br />

für richtig und wichtig halte. Dadurch<br />

könnten sich gegebenenfalls auch noch finanzielle<br />

Einsparpotenziale ergeben. Denn bei<br />

einer Gruppengröße von sechs bis acht Personen<br />

ist es so, dass zwei Präsenzkräfte für den<br />

Vormittags- und Nachmittagsdienst reichen.<br />

Wenn dafür ausgebildete Hauswirtschafterinnen<br />

eingesetzt werden und die Pflegefachkräfte<br />

wirklich nur die unmittelbaren pflegerischen<br />

Anwendungen durchführen und somit nicht die<br />

gesamte Zeit anwesend sind, wird es preiswerter.<br />

Denn die Tätigkeiten der Hauswirtschaftskräfte<br />

werden nicht so vergütet wie die der<br />

Pflegefachkräfte. Damit kein Missverständnis<br />

entsteht: Es geht hier nicht darum, Qualität zu<br />

minimieren, sondern darum, eine andere Qualität<br />

zu erreichen.<br />

Das Interview führte Ines Jonas.<br />

Thema<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 23


Thema<br />

24<br />

„Wohngruppen erhalten die Würde und<br />

Lebensqualität verwirrter Menschen“<br />

Die Situation von Wohngemeinschaften mit Betreuung ist in den einzelnen Bundesländern sehr<br />

unterschiedlich. In Berlin beispielsweise wird ihre Verbreitung und Etablierung von der Senatsverwaltung<br />

für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz gefördert (siehe dazu Seite 21).<br />

Pro<strong>Alter</strong> wollte nun wissen, wie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und<br />

Jugend zu dieser Wohnform steht und hat Eduard Tack um eine Stellungnahme gebeten.<br />

Auf der Suche nach alternativen Wohnmöglichkeiten<br />

zum Heim wird immer wieder das<br />

Zusammenleben älterer Menschen in einer<br />

Wohngemeinschaft oder Wohngruppe als<br />

besonders sinnvolle, wenn auch ebenso schwierige<br />

Wohnform genannt. Die Vorteile des<br />

gemeinschaftlichen Wohnens liegen auf der<br />

Hand. Die Gefahr der Vereinsamung ist geringer,<br />

im Verlauf des <strong>Alter</strong>ungsprozesses auftretende<br />

körperliche oder geistige Schwächen<br />

können teilweise von den Mitbewohnerinnen<br />

und Mitbewohnern ausgeglichen werden, so<br />

dass es länger möglich ist, einen selbstständigen<br />

Haushalt aufrechtzuerhalten.<br />

Wohngemeinschaften älterer Menschen<br />

haben noch keine lange Tradition. Betreute<br />

Wohngemeinschaften und Wohngruppen haben<br />

sich noch nicht zu einer eigenständigen Wohnform<br />

für ältere Menschen und zu einer <strong>Alter</strong>native<br />

zum Heim entwickelt. Jedoch sind die<br />

Wohngemeinschaften und Wohngruppen im<br />

Begriff, ihrem Status als Modellprojekt zu<br />

entwachsen. Ambulant betreute Wohngemeinschaften<br />

sind im Rahmen bestehender sozialund<br />

ordnungsrechtlicher Regelungen zu realisieren.<br />

Sie werden aber auf lange Sicht nur eine<br />

Überlebenschance haben, wenn sie als Initiative<br />

von Angehörigen und Betreuern gestartet<br />

werden und Pflegeanbieter ausschließlich die<br />

Rolle des Dienstleisters übernehmen.<br />

Gerade für von Demenz betroffene Menschen<br />

ist die Gestaltung des Wohn- und<br />

Lebensumfelds von bestimmender, ja therapeutischer<br />

Bedeutung. Die momentane Situation<br />

und die absehbare demographische Entwicklung<br />

fordern, neue Ideen in der Versorgung<br />

zuzulassen und alternative Betreuungsformen<br />

vor allem zwischen häuslicher und stationärer<br />

Versorgung zu erproben.<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Eine interessante <strong>Alter</strong>native, die von zunehmend<br />

mehr Angehörigen und Betroffenen<br />

gewählt wird, stellt die Versorgung kleiner<br />

Gruppen in ambulanten Wohngemeinschaften<br />

im Quartier dar. Bisherige Erfahrungen zeigen,<br />

dass soziale Kontakte und Teilnahme an<br />

gemeinsamen alltäglichen Aktivitäten in einer<br />

persönlichen, häuslichen Atmosphäre zum<br />

Erhalt von Selbstständigkeit, zu Wohlbefinden<br />

und Vermeidung von herausforderndem Verhalten<br />

beitragen können. Für Angehörige und<br />

für ambulante Dienste ergeben sich im Vorfeld<br />

und in der Begleitung solcher Wohngemeinschaften<br />

allerdings noch ungewohnte Herausforderungen.<br />

Das Konzept kleiner Wohngruppen hat sich<br />

grundsätzlich bewährt, wenn es darum geht,<br />

Lebensbedingungen „wie zu Hause“ für die<br />

hochaltrigen und zum Teil verhaltensgestörten<br />

Verwirrten zu schaffen, um Würde und Lebensqualität<br />

zu erhalten. Zum Gelingen dieser<br />

Wohn- und Pflegeform müssen jedoch viele<br />

Voraussetzungen erfüllt sein, die über rein<br />

räumliche bzw. bauliche Gegebenheiten hinausgehen.<br />

Wie verschiedene Aspekte eines solchen<br />

ganzheitlichen therapeutischen Ansatzes gestaltet<br />

werden müssen, um atmosphärisch im<br />

Sinne einer Milieutherapie wirksam zu werden,<br />

bedarf noch systematischer Untersuchung.<br />

Ministerialdirektor<br />

Eduard Tack ist<br />

Leiter der Abteilung<br />

„Ältere Menschen“<br />

im Bundesministerium<br />

für Familie,<br />

Senioren, Frauen<br />

und Jugend<br />

(BMFSFJ).<br />

Foto: Jan Pauls


Das KDA stellt sich vor:<br />

Neue Homepage macht’s möglich:<br />

noch schneller und gezielter ins KDA<br />

Seit dem 26. Mai 2003 hat das KDA einen neu gestalteten Auftritt im Internet. Das umfassende<br />

Informations- und Serviceangebot steht Altenpflegern, Entscheidungsträgern, Planern, Verantwortlichen,<br />

Lehrenden, Studierenden, pflegenden Angehörigen, älteren Menschen und allen anderen<br />

am <strong>Alter</strong> Interessierten offen.<br />

Unter www.kda.de finden sich folgende<br />

Inhalte:<br />

• Projektinformationen<br />

Hier finden Sie Informationen über aktuelle<br />

KDA-Projekte: Von „Forum<br />

Seniorenarbeit“ über „Leben und Wohnen im<br />

<strong>Alter</strong>“ bis hin zu „PLAISIR © “.<br />

• Pro<strong>Alter</strong><br />

Ab sofort informiert die KDA-Internetseite<br />

über Titelthemen und Artikel der kommenden<br />

Pro<strong>Alter</strong>-Hefte sowie über noch lieferbare<br />

und preislich reduzierte Ausgaben.<br />

• Ansprechpartner/-innen<br />

Die neue Mitarbeiterdatenbank weist Ihnen<br />

den Weg zu Ihrem Ansprechpartner: Wer informiert<br />

über „Hausgemeinschaften“, über<br />

„Demenz“ oder über „Gewalt in der Pflege“?<br />

Welche Mitarbeiter/-innen helfen bei Literaturrecherchen?<br />

Wer gibt Auskunft über die Förderrichtlinien<br />

des KDA u.v.a.m.?<br />

• Bibliotheksdatenbanken<br />

Durchstöbern Sie unsere Bibliotheksdatenban-<br />

ken: Alles, was Sie hier recherchieren,<br />

können Sie auch online über<br />

den Kopierservice der KDA-Bibliothek<br />

bestellen.<br />

• Online-Shop<br />

Im Online-Shop finden Sie weiterhin<br />

KDA-Publikationen samt Kurzbeschreibungen,<br />

Leseproben und<br />

Bestellmöglichkeiten. Hier können<br />

Sie nach Autoren, Themen, Stichworten<br />

und geplanten Veröffentlichungen<br />

recherchieren.<br />

• Downloads<br />

Der Downloadbereich enthält<br />

kostenlose Broschüren, Arbeitshilfen,<br />

Poster und andere Produkte.<br />

• Newsletter<br />

Mehr als 6.000 Interessierte haben unseren<br />

Newsletter abonniert und werden so regelmäßig<br />

über Aktuelles aus dem KDA, über Neuerscheinungen,<br />

Pressemitteilungen und Veranstaltungen<br />

informiert.<br />

• FAQs<br />

Eine Liste der häufig gestellten Fragen (FAQs)<br />

bietet Ihnen grundlegende Informationen,<br />

Adresslisten und Lesetipps zum Beispiel zum<br />

„Dementia Care Mapping“ oder zur „Pflegeversicherung“.<br />

Zusätzlich finden Sie in unserer<br />

Linkliste interessante Adressen aus dem WWW,<br />

die Sie noch ausführlicher über die gewünschten<br />

Themen informieren.<br />

Britta Maciejewski<br />

Ansprechpartner:<br />

Daniel Hoffmann, Tel.: 02 21/93 18 47-72<br />

E-Mail: daniel.hoffmann@kda.de<br />

Britta Maciejewski, Tel.: 02 21/93 18 47-39<br />

E-Mail: britta.maciejewski@kda.de<br />

KDA-Aktiv<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 25


KDA-Aktiv<br />

26<br />

Neuer SOL-Schwerpunkt:<br />

KDA geht mit<br />

„Forum Seniorenarbeit NRW“ an den Start<br />

Neue Medien können einen innovativen Beitrag zur Qualifizierung haupt- und ehrenamtlicher<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten und sich positiv auf die gemeinwesenorientierte Seniorenarbeit<br />

auswirken. Im Rahmen des Folgeprojektes von Senioren OnLine (SOL II) baut das<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe (KDA) daher eine Internet-Plattform zur offenen Seniorenarbeit<br />

auf. Unter www.forum-seniorenarbeit.de gibt es Informationen, Praxishilfen und Adressen<br />

aus den Arbeitsfeldern Beratung, Prävention, Freizeitgestaltung, Bildungs- und Kulturarbeit,<br />

Engagementförderung, Partizipation, Medienarbeit sowie Wohnen im <strong>Alter</strong>. Forum Seniorenarbeit<br />

ist ein Projekt des NRW-Familienministeriums im Verbund mit dem KDA.<br />

Seit Einführung der Pflegeversicherung ist die<br />

Weiterentwicklung der offenen Seniorenarbeit<br />

in den Hintergrund geraten. Mit Hilfe des<br />

„Forum Seniorenarbeit NRW“ will das KDA<br />

die Fachdiskussion in Gang bringen und die<br />

gemeinwesenorientierte Seniorenarbeit wieder<br />

stärker ins Bewusstsein der Fachöffentlichkeit<br />

rücken. Die Einrichtungen und Träger sollen<br />

durch „Forum Seniorenarbeit“ bei der Konzeptionierung<br />

zeitgemäßer Angebote unterstützt<br />

werden, indem beispielsweise praktische Einsatzmöglichkeiten<br />

neuer Medien herausgearbeitet<br />

werden.<br />

Darüber hinaus sollen Grundlagen und<br />

Erfahrungswissen über die gemeinwesenorientierte<br />

Seniorenarbeit gesammelt, strukturiert<br />

und unter www.forum-seniorenarbeit.de<br />

weiterverbreitet werden. Die bisherigen Erfahrungen<br />

zeigen, dass es häufig schwierig ist, an<br />

Fachliteratur und Konzepte zu gelangen, und<br />

viel zu selten werden Fort- und Weiterbildungen<br />

zur offenen Altenarbeit angeboten. Innovativ<br />

will das KDA auch dahingehend wirken,<br />

indem es mit „Forum Seniorenarbeit“ die<br />

haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter für die unterschiedlichen<br />

Lebenssituationen und Interessen älterer<br />

Frauen und Männer sensibilisiert. So werden<br />

geschlechtersensible Aspekte im Sinne des<br />

„Gender Mainstreaming“ in allen fünf Arbeitsfeldern<br />

des Forums Seniorenarbeit berücksichtigt.<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Netzwerke knüpfen<br />

Der Netzwerk-Charakter, der schon in der<br />

ersten Phase von Senioren OnLine von großer<br />

Bedeutung war, spielt auch jetzt eine entscheidende<br />

Rolle. Unter Zuhilfenahme neuer<br />

Medien sollen die Akteure der sozialen Altenarbeit<br />

stärker miteinander vernetzt werden. Die<br />

interaktiven Möglichkeiten des Internets sollen<br />

dazu beitragen, den fachlichen Austausch auch<br />

virtuell zu ermöglichen. Denn Netzwerkarbeit<br />

bringt Wissen, Erfahrungen und Erleben unterschiedlicher<br />

Menschen und Institutionen<br />

zusammen und ermöglicht, gemeinsam neue<br />

Wege zur Verbesserung der Lebensqualität<br />

älterer Menschen zu entwickeln.<br />

Beratung gehört zu den klassischen Arbeitsfeldern der<br />

offenen Seniorenarbeit. Foto: Werner Krüper


Gebündelte Informationen unter<br />

www.forum-seniorenarbeit.de<br />

Die Gliederung der Materialien ist für alle fünf<br />

Arbeitsfelder der gemeinwesenorientierten<br />

Seniorenarbeit gleichermaßen aufgebaut: Hier<br />

finden Interessierte Hintergrundinformationen,<br />

rechtliche und wissenschaftliche Grundlagen,<br />

Literaturhinweise, Veranstaltungs-Tipps, Links<br />

und Materialien zum Herunterladen. Darüber<br />

hinaus werden beispielhafte Projekte, Veranstaltungs-Tipps<br />

und hilfreiche Kontaktadressen<br />

zu Beratung, Freizeit, Engagement, Medien<br />

und Wohnen aufgeführt. Die Internetseite des<br />

„Forum Seniorenarbeit“ bietet außerdem auch<br />

aktuelle Meldungen und interaktive Komponenten<br />

wie einen Newsletter und moderierte<br />

Diskussionsforen.<br />

Mitarbeit bei „Forum Seniorenarbeit“<br />

gewünscht<br />

Die Kommunikations- und Bildungsplattform<br />

befindet sich noch im Aufbau. Das „Forum<br />

Seniorenarbeit“ NRW versteht sich als eine<br />

offene Plattform, an deren Gestaltung Organisationen<br />

und Praxisstellen der gemeinwesenorientierten<br />

Seniorenarbeit mitwirken können.<br />

Der vierzehntägige Newsletter, der auf der<br />

Forum-Startseite abonniert werden kann,<br />

informiert regelmäßig und automatisch über<br />

aktuelle Ergänzungen und Erneuerungen.<br />

Kontakt<br />

www.forum-seniorenarbeit.de<br />

Senioren OnLine<br />

Forum Seniorenarbeit NRW<br />

c/o <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

An der Pauluskirche 3, 50677 Köln<br />

Tel. 02 21/93 18 47-0, Fax 02 21/93 18 47-6<br />

Daniel Hoffmann, Ansprechpartner für<br />

Freizeit und Medien: daniel.hoffmann@<br />

kda.de<br />

Annette Scholl – Ansprechpartnerin für<br />

Engagementförderung, Partizipation und<br />

Wohnen im <strong>Alter</strong>: annette.scholl@kda.de<br />

Bettina Ellerbrock – Ansprechpartnerin<br />

für Beratung, Prävention, geschlechtersensible<br />

Fragen und Aspekte sowie Migration:<br />

bettina.ellerbrock@kda.de<br />

Bürgerschaftliches Engagement zeigt sich in den buntesten<br />

Facetten. Foto: Werner Krüper<br />

Um den aktuellen fachlichen Stand auf der<br />

Internet-Plattform anbieten zu können, ist es<br />

notwendig, einen engen Kontakt und Austausch<br />

mit den in NRW aktiven Fachleuten<br />

und Praktikerinnen und Praktikern zu pflegen.<br />

Ein begleitendes Fachgremium, das sich am<br />

26. Juni konstituiert, soll diesen Austausch<br />

erleichtern.<br />

Ab dem 15. August 2003 wird das „Forum<br />

Seniorenarbeit“ monatliche Themenschwerpunkte<br />

anbieten. Für den ersten Schwerpunkt<br />

ist die Bildungsarbeit mit älteren Frauen vorgesehen.<br />

Weitere geplante Themen sind Seniorenvertretungen,<br />

Alltag in Senioren-Internet-Cafés<br />

und ältere Migrantinnen und Migranten. Die<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des „Forums<br />

Seniorenarbeit“ nehmen Anregungen und<br />

Informationen bezüglich geplanter und möglicher<br />

Themen gerne auf.<br />

„Forum Seniorenarbeit“ –<br />

mehr als eine Internet-Plattform<br />

Ergänzt wird die Plattform durch ein Informationsbüro.<br />

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

des „Forums Seniorenarbeit NRW“ stehen<br />

zu inhaltlichen und technischen Fragen telefonisch<br />

oder per E-Mail zur Verfügung. Fragen,<br />

Anregungen und Hinweise fließen wieder in<br />

das Angebot ein.<br />

Die Tradition der Fachtagungen von Senioren<br />

OnLine soll auch im Rahmen von SOL II<br />

fortgeführt werden. So werden in jährlich<br />

stattfindenden Fachtagungen aktuelle Entwicklungen<br />

zur Einbindung und Nutzung neuer<br />

Medien in der gemeinwesenorientierten Seniorenarbeit<br />

vorgestellt und mit der Fachöffentlichkeit<br />

diskutiert. Annette Scholl<br />

KDA-Aktiv<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 27


Leser-Forum<br />

28<br />

Leser-Forum<br />

Pro<strong>Alter</strong> möchte an dieser Stelle seine Leserinnen und Leser zu Wort<br />

kommen lassen. Wenn Sie Anregungen, Lob oder Kritik haben, dann<br />

schreiben Sie uns bitte. Wir möchten aus Platzgründen um möglichst<br />

kurze Leserbriefe bitten.<br />

Türen öffnen zum Menschen mit<br />

Demenz: Kommunikationshilfen<br />

für beruflich und privat<br />

Pflegende<br />

Pro <strong>Alter</strong> 3/2002<br />

Mit großem Interesse habe<br />

ich Ihren Bericht „Türen öffnen<br />

zum Menschen mit Demenz“<br />

gelesen, in dem Sie über die<br />

deutsche Version des englischen<br />

Ratgebers „Care to Communicate“<br />

berichten („Hilfen zur<br />

Kommunikation bei Demenz“,<br />

KDA, 2002, Anm. d. Red.). Der<br />

große Nutzen dieses Buches<br />

besteht darin, dass Mitarbeiter<br />

effektiv, anschaulich und dennoch<br />

theoretisch gut fundiert an<br />

genau diejenigen Aspekte in der<br />

Kommunikation und Interaktion<br />

mit Menschen mit Demenz<br />

herangeführt werden, die für die<br />

Entwicklung einer personenzentrierten<br />

Haltung wesentlich sind.<br />

Das gilt sowohl für die Deeskalationsstrategien,<br />

die geschildert<br />

werden, als auch für den beigefügten<br />

„CLIPPER-Fragebogen“,<br />

der es Pflegenden ermöglicht,<br />

ein individuelles Profil zur Verbesserung<br />

der Lebensqualität für<br />

jeden Klienten zu erstellen. Der<br />

CLIPPER versucht, genau diejenigen<br />

Aspekte in den Mittelpunkt<br />

zu rücken, die für die Betreuung<br />

wesentlich sind und vor der<br />

Pflegende oft zurückschrecken.<br />

Er motiviert zu einer Suchbewegung,<br />

die er begleitet und strukturiert.<br />

Eben dies, Struktur in die<br />

Betreuung zu bekommen, die<br />

sich am Einzelnen orientiert, ist<br />

in Deutschland ein großes<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Manko, denn in der Regel<br />

geschieht Betreuung standardisiert<br />

und wenig individuell<br />

(Gedächtnistraining etc).<br />

Der CLIPPER hilft, in Kontakt<br />

mit Menschen mit Demenz zu<br />

kommen und in Kontakt mit<br />

ihnen zu bleiben. Denn Kommunikation<br />

und Interaktion mit<br />

Menschen mit Demenz geschieht<br />

normalerweise anlassbezogen<br />

und braucht ein „Material“,<br />

damit sich der Kontakt entfalten<br />

kann.<br />

Erste Erfahrungen im Lehrgang<br />

„Fachkraft für gerontopsychiatrische<br />

Pflege“ weisen darauf<br />

hin, dass Pflegende dieses Instrument<br />

sehr hilfreich finden.<br />

Allerdings wird es von Kollegen<br />

und Kolleginnen als „artfremd“<br />

beurteilt, da es sich schwer in die<br />

defizitorientierten Sichtweisen<br />

der Dokumentations- und Planungsgewohnheiten<br />

einsortieren<br />

lässt. Zudem wird jedes neue<br />

Planungs- und Informationssammlungsinstrument<br />

als zusätzliche<br />

Belastung empfunden. Es<br />

wäre zu fragen, ob eine Planung<br />

nach dem Schema des CLIPPERs<br />

nicht für die Betreuungskräfte,<br />

den psychosozialen Dienst o. Ä.<br />

verpflichtend werden könnte<br />

und diesen davon entlasten<br />

würde, seine Maßnahmen nach<br />

dem oft für Betreuung schwierigen<br />

Schema der AEDLs zu betreiben.<br />

Christian Müller-Hergl,<br />

Altenpfleger und Theologe,<br />

Dozent am Meinwerk Institut<br />

Türen öffnen zum Menschen mit<br />

Demenz: Kommunikationshilfen<br />

für beruflich und privat<br />

Pflegende<br />

Pro <strong>Alter</strong> 3/2002<br />

Vielen Dank für den Hinweis<br />

auf den Ratgeber „Hilfen zur<br />

Kommunikation bei Demenz“ in<br />

der Pro<strong>Alter</strong>-Ausgabe 3/02. Ich<br />

habe mir den Ratgeber gleich<br />

schicken lassen und mich sofort<br />

darauf gestürzt und alles gelesen<br />

– das Erinnerungsfotoalbum ist<br />

auch schon in Arbeit. Will sagen:<br />

Ich find's prima – gut verständlich,<br />

motivierend, nicht zu sehr<br />

überfordernd (so dass man nicht<br />

gleich ein schlechtes Gewissen<br />

bekommt, wenn man feststellt,<br />

was man alles noch nicht/nie<br />

gemacht hat). Manchmal würde<br />

ich mir allerdings noch eine<br />

Hilfestellung für die Prioritätensetzung<br />

wünschen, also: Was ist<br />

wichtiger – in der Familie zu<br />

leben, auch wenn dann kein<br />

geregelter Tagesablauf möglich<br />

ist? Im Prinzip zu Hause oder in<br />

der Familie sein, auch wenn dann<br />

teilweise keine Betreuung oder<br />

Betreuung durch wechselnde<br />

Personen erfolgt?<br />

Und was mich auch beschäftigt,<br />

ist die Frage: Wie integriert<br />

man Angehörige mit Demenz am<br />

besten in die Familie? Wie viel ist<br />

gut, was ist zu viel? Wie geht<br />

man damit um, dass zum Beispiel<br />

Kinder die guten ABC-Strategien<br />

des Buches keineswegs kennen<br />

oder nicht akzeptieren?: „Das<br />

stimmt doch gar nicht, was der<br />

Opa sagt – darf der denn lügen?“<br />

Oder: „Immer gibst du dem Opa<br />

Recht und uns nie!“<br />

Petra Niesbach, Bonn,<br />

privat Pflegende


Türen öffnen zum Menschen mit<br />

Demenz: Kommunikationshilfen<br />

für beruflich und privat<br />

Pflegende<br />

Pro<strong>Alter</strong> 3/2002<br />

Ihr Artikel über den Kommunikationsratgeber<br />

bei Demenz<br />

hat mir sehr gut gefallen. Diese<br />

logisch aufgebaute Handreichung<br />

ist eine echte Kommunikationshilfe<br />

bei Menschen mit<br />

Demenz, und ich hoffe, dass sie<br />

eine weite Verbreitung findet.<br />

Wahrscheinlich können<br />

besonders die Briten eine theore-<br />

Nachruf<br />

Zum Tode von Hanna Behrends<br />

Im <strong>Alter</strong> von 94 Jahren ist Frau Dr. Hanna<br />

Behrends am 5. Mai 2003 in ihrer Heimatstadt<br />

Köln verstorben. Sie gehörte bis zuletzt<br />

als Kuratorin unserer Vollversammlung an.<br />

Nach dem Abitur studierte sie Wirtschaftswissenschaften<br />

und legte bereits 1933<br />

das Diplomexamen ab. 1937 promovierte sie<br />

an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen<br />

Fakultät der Universität ihrer Heimatstadt,<br />

der sie bis zu ihrem Tod ununterbrochen<br />

die Treue hielt.<br />

Frau Dr. Behrends hat das KDA von seiner<br />

Gründung an, nicht zuletzt durch eine<br />

enge Verbindung zu Wilhelmine und Heinrich<br />

Lübke, als wissenschaftliche Beraterin und<br />

fachkundige Begleiterin mitentwickelt und<br />

geprägt. Mit großem Erfolg hat sie sich der<br />

Öffentlichkeitsarbeit des KDA angenommen.<br />

Im Juli 1970 wurde Frau Dr. Behrends<br />

von Bundespräsident Gustav Heinemann in<br />

das <strong>Kuratorium</strong> berufen, bereits 1971 erfolgte<br />

ihre Wahl in den Vorstand, dem sie bis zu<br />

ihrem Ausscheiden aus <strong>Alter</strong>sgründen 1996<br />

angehörte.<br />

Die Verstorbene war von 1952 bis 1974<br />

als wissenschaftliche Referentin beim <strong>Deutsche</strong>n<br />

Landesausschuss der internationalen<br />

Konferenz für Sozialarbeit (<strong>Deutsche</strong>r Verein)<br />

beschäftigt und hat parallel dazu ab 1955 den<br />

Fachausschuss Altenpflege und Altenfürsorge<br />

betreut. Sie war wesentlich beteiligt an der<br />

Konzeption des Angebotes „Essen auf Rä-<br />

tisch fundierte und trotzdem gut<br />

verständliche Praxisanleitung<br />

konzipieren. Durchgängig wie<br />

ein Leitfaden werden die<br />

Zusammenhänge erklärt und<br />

viele Beispiele gegeben – gleichermaßen<br />

für beruflich und<br />

privat Pflegende geeignet. Durch<br />

die übersichtlichen Aufzählungen<br />

kann man sich die Inhalte<br />

gut merken, die Zeichnungen<br />

lockern den Text auf.<br />

Die Differenzierungen finde<br />

ich besonders gut: Schwerhörigkeit,<br />

Besonderheiten des Wohn-<br />

umfeldes u.v.a.m. werden<br />

berücksichtigt. Viele Tipps, wie<br />

zum Beispiel das Erinnerungsalbum,<br />

können leicht umgesetzt<br />

werden. Ja, und durch die<br />

Kopiervorlage des Clipper-<br />

Fragebogens kann die individuelle<br />

Pflegeplanung direkt<br />

qualifiziert werden.<br />

Rundherum ein gelungener<br />

Beitrag!<br />

Angelika Zegelin-Abt, M.A.,<br />

Pflegewissenschaftlerin,<br />

Universität Witten-Herdecke<br />

dern“, das seit Jahren zum Standardangebot in<br />

der Versorgung älterer Menschen gehört und<br />

vom KDA seit vielen Jahren gefördert wird.<br />

1993 wurde Frau Dr. Behrends von<br />

Bundespräsident Richard von Weizsäcker mit<br />

dem Bundesverdienstkreuz geehrt in Anerkennung<br />

ihrer vielfältigen Tätigkeit zum Wohle der<br />

älteren Generation in der Bundesrepublik.<br />

In den Gremien des KDA, insbesondere im<br />

Vorstand, hat sie sich mit ihrem Ideenreichtum,<br />

ihrer hohen Fachlichkeit und mit kritischem<br />

Engagement zielstrebig und liebevoll für die<br />

Verbesserung der Situation alter Menschen<br />

eingesetzt. Ihre Mitarbeit war hoch geschätzt.<br />

Frau Dr. Behrends wird auch über ihre<br />

schriftlichen Darlegungen in die Geschichte des<br />

KDA eingehen. Sie hat die Vielfältigkeit der<br />

jeweiligen Erfordernisse der Wissenschaft vom<br />

<strong>Alter</strong>n und der Altenpolitik nie aus dem Auge<br />

verloren.<br />

In ihrem Denken, Raten und Tun ließ sie<br />

sich leiten von einem Wort des Philosophen W.<br />

von Wyss: „Es ist ein Kennzeichen des Menschen,<br />

dass sein Geist noch zu triumphieren<br />

vermag, wenn die Körperkräfte ihn verlassen.“<br />

Dass sie dieses bis ins hohe <strong>Alter</strong> leben durfte,<br />

hat sie als Gnade und Hoffnung empfunden.<br />

Die Mitglieder des <strong>Kuratorium</strong>s, des Vorstandes<br />

und der Geschäftsführer nehmen<br />

Abschied von Frau Dr. Hanna Behrends in<br />

Ehrerbietung und respektvoller, großer Dankbarkeit.<br />

Dr. Hartmut Dietrich,<br />

Vorstandsvorsitzender des KDA<br />

Leser-Forum<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 29


KDA-Neuerscheinungen<br />

30<br />

Neuerscheinung<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

(Hrsg.): Kleine Datensammlung<br />

Altenhilfe (K.D.A.) – Ausgewählte<br />

Daten zu <strong>Alter</strong>, <strong>Alter</strong>n und<br />

Alten.<br />

Mit der Kleinen Datensammlung<br />

Altenhilfe sollen Fragen beantwortet<br />

werden, die immer wieder<br />

von Journalisten, politischen<br />

Entscheidern und Trägern der Altenhilfe<br />

an das KDA herangetragen<br />

werden.<br />

Das Nachschlagewerk im<br />

handlichen DIN A 6 Taschenformat<br />

beinhaltet folgende Themenbereiche:<br />

Zahlen zur Lebenssituation<br />

der Älteren, Informationen<br />

zu Gesundheit und Krankheit,<br />

Zahlen zur Pflegebedürftigkeit,<br />

Lebenssituationen der Älteren,<br />

Zahlen zur finanziellen Lebensgrundlage<br />

der Älteren, Einkommen,<br />

Rente und Inanspruchnahme<br />

staatlicher Hilfen, Zahlen<br />

zum Freizeit, Konsum, Information<br />

und politischer Anteilnahme<br />

und: 40 Jahre Leben – Was Sie<br />

schon immer über die Alten(hilfe)<br />

wissen wollten.<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe,<br />

Köln 2003, 160 Seiten, ISBN<br />

3-935299-39-7, 5,– € zuzüglich<br />

Versandkosten.<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Thema 183<br />

Helmut C. Berghaus, Heike Bermond,<br />

Marcella Knipschild (Hrsg.)<br />

Pflegestandards – Und wo bleibt<br />

der Mensch?<br />

Die Publikation beschäftigt<br />

sich mit dem Thema Pflegequalität.<br />

Vorträge und Arbeitskreisberichte<br />

stammen von der 11.<br />

Fachtagung „Behinderungen und<br />

<strong>Alter</strong>“ 2002, die jährlich an der<br />

Heilpädagogischen Fakultät der<br />

Universität zu Köln stattfindet.<br />

Unter dem Thema „Pflegestandards<br />

– Und wo bleibt der<br />

Mensch?“ findet man eine Vielzahl<br />

von Hinweisen, wie man die<br />

Pflegequalität in Einrichtungen<br />

der Altenpflege verbessern kann.<br />

Dies geht von der Sturzprävention<br />

im <strong>Alter</strong> über das Qualitätsmanagement<br />

bis hin zur Pflegevisite<br />

als eine Möglichkeit zur Verbesserung<br />

der Pflegequalität.<br />

Auch das Demntia Care Mapping,<br />

die Methode des Psycho-Dramas,<br />

Kunsttherapie in der Geriatrie,<br />

biographieorientierte Musiktherapie<br />

und Angehörigenarbeit<br />

werden als qualitätssteigernde<br />

Möglichkeiten in den Blick genommen.<br />

Ebenso werden der<br />

Strukturwandel des Gesundheitswesens<br />

und Probleme der Finanzierung<br />

der Begleitung von Menschen<br />

mit Demenz behandelt.<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe,<br />

Köln 2003, 147 Seiten, ISBN<br />

3-935299-36-2, 9,50 € zuzüglich<br />

Versandkosten.<br />

Vorankündigung<br />

Besselmann, Klaus; Fillibeck, Heiko;<br />

Sowinski, Christine: Qualitätshandbuch<br />

Häusliche Pflege in Balance<br />

– Wege zu einer familienorientierten<br />

Pflege. Ein Handbuch<br />

für beruflich Pflegende,<br />

pflegende Angehörige und Menschen<br />

mit Hilfe- und Pflegebedarf.<br />

Das Qualitätshandbuch richtet<br />

sich in erster Linie an die Mitarbeiter<br />

ambulanter Pflegedienste,<br />

kann jedoch auch von ihren<br />

Klienten und deren Angehörigen<br />

genutzt werden. Die einfache<br />

und verständliche Sprache des<br />

Qualitätshandbuches, sein klarer<br />

Aufbau und die Vielzahl der angesprochenen<br />

Themen, eröffnen<br />

eine Fülle von Möglichkeiten, das<br />

Handbuch zu nutzen: als Nachschlagewerk<br />

für den Pflegealltag,<br />

als Material zum Selbststudium<br />

für Profis, Klienten und Angehörige,<br />

als Basis für die Kommunikation<br />

zwischen privat pflegenden<br />

Angehörigen, beruflich Pflegenden<br />

und den Klienten. Darüber<br />

hinaus kann es aber auch als<br />

Arbeitsgrundlage für interne und<br />

externe Schulungsmaßnahmen<br />

eines Pflegedienstes, konzeptionell<br />

arbeitende Pflegedienstmitarbeiter<br />

und nicht zuletzt selbstorganisierte<br />

Formen der Weiterbildung<br />

z.B. im Rahmen von einrichtungsinternenQualitätszirkeln<br />

eingesetzt werden.<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe,<br />

Köln 2003, 861 Seiten, ISBN<br />

3-935299-37-0, Erscheinungsdatum:<br />

Juni, ca. 98,– € zuzüglich<br />

Versandkosten.<br />

Vorgestellt von<br />

Simone Helck


Netzwerk Pflegeschulen fördert<br />

Kooperation zwischen ausbildenden<br />

Einrichtungen<br />

Wenn das neue Altenpflegegesetz<br />

am 1. August 2003 in<br />

Kraft tritt, müssen Pädagogen<br />

der Fachseminare und die Fachkräfte<br />

von Pflegeheimen stärker<br />

miteinander kooperieren (siehe<br />

auch Pro<strong>Alter</strong>-Umfrage auf<br />

Seite 32). Wie so eine Zusammenarbeit<br />

aussehen und besser<br />

funktionieren kann, stand im<br />

Mittelpunkt einer Tagung, zu der<br />

das Netzwerk Pflegeschulen am<br />

16. Mai 2003 nach Bielefeld<br />

eingeladen hatte und zu der<br />

rund 30 Vertreter von Altenpflegeschulen,<br />

stationären und<br />

ambulanten Einrichtungen<br />

gekommen waren. Die Teilnehmer<br />

hatten nicht nur viele Fragen<br />

zur neuen Ausbildungsregelung,<br />

sondern erhielten auch wertvolle<br />

Tipps, wie das Gesetz in der<br />

Praxis umzusetzen ist. Für die<br />

Zukunft sind weitere Treffen<br />

geplant, bei denen die Ausbilder<br />

von Schulen und Einrichtungen<br />

die Möglichkeit haben, sich<br />

auszutauschen.<br />

Auf Initiative und mit Unterstützung<br />

der Robert Bosch Stiftung<br />

wurde das Netzwerk Pflegeschulen<br />

Anfang 2002 gegründet.<br />

Für einen Zeitraum von zunächst<br />

drei Jahren wurden regionale<br />

Vernetzungsstellen in Bielefeld,<br />

Nürnberg und Lehnin eingerichtet.<br />

Das Netzwerk soll dazu<br />

beitragen, dass sich in und zwischen<br />

den Pflegeschulen Visionen<br />

realisieren, Ideen multiplizieren,<br />

Initiativen vernetzen, Lernorte<br />

verbinden und Allianzen entstehen.<br />

Die drei regionalen Netzwerke<br />

sollen gemeinsam mit den<br />

Pflegeschulen ihrer Region zum<br />

Beispiel Kooperationsebenen<br />

zwischen den Schulen initiieren,<br />

Workshops organisieren, themenzentrierte<br />

Arbeitsgruppen<br />

einrichten oder Ideenbörsen<br />

eröffnen. Beteiligen können sich<br />

alle, die die Ausbildung für eine<br />

veränderte Zukunft „neu denken"<br />

und „neu gestalten" wollen.<br />

Dazu gehören Schüler,<br />

Lehrer, Schulleitungen, Pflegedienstleitungen,<br />

Mentoren und<br />

Praxisanleiter. Jeder ist eingeladen,<br />

sich mit seinen Ideen und<br />

Vorstellungen an die Vernetzungsstelle<br />

in seiner Region zu<br />

wenden und sich somit in den<br />

Prozess der Vernetzung miteinzubringen.<br />

S. H.<br />

Kontakt:<br />

Fachhochschule Bielefeld, Fachbereich<br />

Pflege und Gesundheit,<br />

Telefon: 05 21/1 06-74 33,<br />

E-Mail: netz-pflegeschulen@<br />

fh-bielefeld.de, Internet:<br />

www.fh-bielefeld.de/fb8/<br />

netz.html<br />

Nürnberg: Schulzentrum für<br />

Krankenpflegeberufe, Telefon:<br />

09 11/3 98 20 46, E-Mail: osterbrink@klinikum-nuernberg.de<br />

Lehnin: Luise-Henrietten-<br />

Stift – Lernwerkstatt, Telefon:<br />

0 33 82/76 86 11, E-Mail:<br />

lernwerkstatt@stift-lehnin.de<br />

Renate Schmidt beruft Sachverständigenkommission<br />

für den<br />

fünften Altenbericht<br />

Die Bundesministerin für<br />

Familie, Senioren, Frauen und<br />

Jugend, Renate Schmidt, hat eine<br />

interdisziplinär zusammengesetzteSachverständigenkommission<br />

berufen, die in den nächsten<br />

zwei Jahren den fünften Altenbericht<br />

zum Thema „Potenziale<br />

des <strong>Alter</strong>s in Wirtschaft und<br />

Gesellschaft – Der Beitrag älterer<br />

Menschen zum Zusammenhalt<br />

der Generationen“ erstellen<br />

wird. Der Schwerpunkt des<br />

Altenberichts werden ältere<br />

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer<br />

sein.<br />

Renate Schmidt erklärte bei<br />

der ersten konstituierenden<br />

Sitzung der Kommission, die am<br />

21. Mai 2003 in Berlin stattfand,<br />

dass man angesichts des demographischen<br />

Wandels eine Gesellschaft<br />

gestalten müsse, in der<br />

Aufgaben und Belastungen neu,<br />

aber gerecht verteilt werden.<br />

Weiterhin erklärte sie: „In<br />

der Wirtschaft zählen ältere<br />

Beschäftigte leider schnell zum<br />

alten Eisen. In 60 Prozent aller<br />

Unternehmen in Deutschland<br />

gibt es keine Arbeitnehmer und<br />

Arbeitnehmerinnen über 50<br />

Jahre mehr. Eine solche Entwicklung<br />

schadet allen, auch den<br />

Unternehmen. Die ältere Generation<br />

muss die Gelegenheit haben,<br />

ihr Können, ihr Wissen und ihre<br />

Erfahrung einzubringen und die<br />

Wirtschaftskraft in Deutschland<br />

zu stärken. Die längere durchschnittliche<br />

Lebensdauer darf<br />

nicht als Problem, sondern muss<br />

als Gewinn für die Gesellschaft<br />

und für die Wirtschaft betrachtet<br />

werden.“<br />

Der fünfte Altenbericht wird<br />

im Jahr 2005 vorgelegt werden.<br />

Der erste Altenbericht 1993 war<br />

ein Gesamtbericht, der eine<br />

umfassende Analyse der Lebenssituation<br />

älterer Menschen<br />

lieferte. Der zweite Altenbericht<br />

zum Schwerpunkt „Wohnen im<br />

<strong>Alter</strong>“ wurde 1998 von der<br />

Bundesregierung vorgelegt. Der<br />

dritte Altenbericht aus dem Jahr<br />

2001 war erneut ein Gesamtbericht<br />

zur Lebenslage älterer<br />

Menschen in Deutschland. Der<br />

vierte Altenbericht 2002 behandelte<br />

die Lebenssituation hochaltriger<br />

Menschen „unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Risikos<br />

Demenz“.<br />

Der zweite, dritte und vierte<br />

Altenbericht können auf den<br />

Internetseiten des Bundesministeriums<br />

(http://www.bmfsfj.de)<br />

unter dem Link „Publikationen“<br />

heruntergeladen oder bestellt<br />

werden. S. H.<br />

Nachrichten<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 31


Gesundheit und Pflege<br />

32<br />

Pro<strong>Alter</strong>-Umfrage<br />

Was halten ausbildende Träger, Einrichtungen<br />

der Altenhilfe und Altenpflegeschulen<br />

von der neuen Altenpflegeausbildung?<br />

Am 1. August tritt das neue Altenpflegegesetz<br />

in Kraft. Die Altenpflegeausbildung wird dann<br />

bundeseinheitlich geregelt sein (siehe Pro<strong>Alter</strong><br />

1/2003). Mit der neuen Ausbildung kommen<br />

neue Anforderungen, Regelungen und<br />

Probleme auf die Einrichtungen und Altenpflegeschulen<br />

zu. Bei vielen Trägern und Einrichtungen<br />

macht sich Ratlosigkeit breit. Auch die<br />

Schulen finden viele Kritikpunkte an der neuen<br />

Ausbildungsregelung. Schwierigkeiten sieht<br />

man vor allem in der künftigen Ausbildungsfinanzierung<br />

oder in der Umsetzung des vom<br />

KDA mitentwickelten Lernfeldkonzeptes sowie<br />

in der Neuregelung der Praktika. Auch die<br />

Angst vor Schließungen von Seminaren,<br />

bedingt durch einen Schülermangel, geht um.<br />

Es gibt aber auch konstruktive Ansätze,<br />

mit der Problemsituation umzugehen, wie ein<br />

Treffen von rund 30 Vertretern von Altenpflegeschulen<br />

sowie ambulanten und stationären<br />

Einrichtungen zeigt, zu dem das Netzwerk<br />

Pflegeschulen in Bielefeld (www.fh-bielefeld.de/<br />

fh8/netz.html, siehe Seite 31) unter dem Motto<br />

„Neue Altenpflegeausbildung – Gemeinsam<br />

Perspektiven entwickeln“ im Mai 2003 eingeladen<br />

hatte. Ein Ergebnis des Zusammentreffens<br />

war, dass zukünftig in der Altenpflege die<br />

Zusammenarbeit zwischen den Pädagogen der<br />

Fachseminare und den ausbildenden Fachkräften<br />

der Pflegeheime stärker aufeinander abgestimmt<br />

werden müsse. Aber die Teilnehmer der<br />

Tagung brachten nicht nur Ideen, sondern auch<br />

zahlreiche Fragen mit, die verdeutlichten, dass<br />

die neue Altenpflegeausbildung ein sehr brisantes<br />

Thema ist, das vielen Beteiligten unter den<br />

Nägeln brennt.<br />

Pro<strong>Alter</strong> greift dieses Thema auf und hat<br />

mit den Betroffenen von ausbildenden Einrichtungen,<br />

Schulen und Trägern über ihre Probleme<br />

mit, aber auch ihre positiven Einstellungen<br />

gegenüber der neuen Ausbildungsregelung<br />

selbst gesprochen.<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Alfred Vollmer, Referent für<br />

stationäre Altenhilfe, beim<br />

Diözesan-Caritasverband für das<br />

Erzbistum Köln e.V., NRW<br />

Die bundeseinheitliche Altenpflegeausbildung<br />

bedeutet für den Verband, unsere Einrichtungen<br />

und Fachseminare sicherlich einen erheblichen<br />

Einschnitt, der jedoch nicht negativ,<br />

sondern als eine Möglichkeit der Veränderung<br />

gesehen wird.<br />

Mit der neuen Gesetzgebung hat die praktische<br />

Ausbildungsstelle mehr Bedeutung und<br />

damit mehr Verantwortung erhalten. Die auszubildenden<br />

Einrichtungen haben die Möglichkeit,<br />

sich aktiv an der Ausbildung zu beteiligen<br />

und damit gezielt für den eigenen Fachkräftenachwuchs<br />

zu sorgen. Diese neuen Kompetenzen<br />

sind aber auch mit der Erfüllung gesetzlicher<br />

Anforderungen verbunden. So sind die<br />

Träger der Ausbildung zur Zahlung der Ausbildungsvergütung<br />

verpflichtet und müssen die<br />

Praxisanleitung sicherstellen. Damit verbessert<br />

sich die Theorie und Praxisverknüpfung, und<br />

es ist zu vermuten, dass dies einen positiven<br />

Einfluss auf die Zufriedenheit und damit auf<br />

den Verbleib im Beruf hat.<br />

Auch die Chancen und Herausforderungen<br />

für die Fachseminare sind durch dieses Gesetz<br />

gestiegen, weil es nun möglich ist, den Unterricht<br />

an der Komplexität von Pflegesituationen<br />

auszurichten und ein umfassendes und vernetzendes<br />

Lernen zu ermöglichen. Entscheidend<br />

ist, dass der Pflegeprozess jetzt im Mittelpunkt<br />

der Ausbildung steht.<br />

Bisher, so meine Einschätzung, hat die<br />

Zusammenarbeit mit den Fachseminaren bei<br />

dem einen mehr, bei dem anderen weniger gut<br />

geklappt. Durch das Gesetz entsteht eine<br />

gemeinsame Herausforderung. Dazu gehört der<br />

Abbau von Vorurteilen. Es müssen neue<br />

gemeinsame Arbeitsebenen geschaffen werden,<br />

wie zum Beispiel ein gemeinsames Auswahlver-


fahren der Bewerber oder eine gemeinsame<br />

Öffentlichkeitsarbeit. Zeitliche und inhaltliche<br />

Lern- und Ausbildungspläne sollten ebenfalls<br />

gemeinsam erstellt und abgestimmt werden.<br />

Die Praxisanleitung sollte dabei einen neuen<br />

Schwerpunkt bilden. Hierfür müsste ein Ausbildungscurriculum<br />

für die praktische Ausbildungsstätte<br />

entwickelt werden.<br />

Damit die Umsetzung der neuen Ausbildung<br />

in der Praxis gelingt, sind jedoch noch<br />

weitere Anstrengungen vonnöten. Ich befürchte,<br />

dass durch die wenigen Gemeinsamkeiten<br />

die einzelnen Bundesländer unter dem Dach<br />

der gemeinsamen Ausbildung ihren eigenen<br />

Weg gehen werden. Von Seiten der Länder<br />

müsste mehr voneinander übernommen werden<br />

(zum Beispiel ein abgestimmtes Papier zur<br />

Praxisanleitung). Ich sehe auch die Gefahr, dass<br />

der Unterricht nach einer traditionellen Aufteilung<br />

der Fächer und nicht zu Gunsten eines fächerübergreifenden<br />

Unterrichts erteilt werden<br />

wird, weil konkrete Vorgaben zur Unterrichtsgestaltung<br />

und Organisation zurzeit noch nicht<br />

vorhanden sind. Deshalb muss die Ausgestaltung<br />

der handlungsorientierten Lernfelder vorangetrieben<br />

werden, und zwar fernab von pflegetheoretischen<br />

Richtungskämpfen.<br />

Ich finde, dass die Ausbildungsbereitschaft<br />

bei unseren Einrichtungen groß ist. Sie wäre<br />

noch größer, wenn die Refinanzierung der<br />

Ausbildungsvergütungen sowohl im ambulanten<br />

als auch im stationären Bereich abgeklärt<br />

wäre. Die Landesförderung der Ausbildungsplätze<br />

ist kontingentiert, das heißt, ausbildungsfähige<br />

und -willige Jugendliche finden<br />

keinen Ausbildungsplatz. Hier müsste das<br />

Land eine Zusage geben, dass jeder Jugendliche<br />

einen Ausbildungsplatz erhält. Des Weiteren<br />

muss das Arbeitsamt Umschulungswillige, die<br />

sich für den Pflegeberuf interessieren, uneingeschränkt<br />

finanzieren.<br />

Schwester Rebecca Langer,<br />

Heimleiterin Wohnpark St. Josef<br />

der St. Elisabeth-Stiftung in<br />

Baden-Württemberg<br />

Bei unseren 16 Auszubildenden und den restlichen<br />

Mitarbeitern ist die bundeseinheitliche<br />

Altenpflegeausbildung ein aktuelles Gesprächsthema.<br />

Sie bedeutet eine Aufwertung des<br />

Berufsbildes. Die Kompetenzen der Altenpfle-<br />

ger werden dadurch<br />

klarer definiert. Die<br />

Steuerung des Pflegeprozesses<br />

als zentrale Aufgabe<br />

der Pflege wird<br />

mehr als bisher Bedeutung<br />

haben. Als weitere<br />

positive Auswirkung ist<br />

die Vereinheitlichung der<br />

Verfahrensweisen bei den Altenpflegeschulen<br />

hervorzuheben. So sind die Praxisanleiter in<br />

Zukunft grundsätzlich beim Praxisbesuch<br />

anwesend. Außerdem wird die Zusammenarbeit<br />

nicht mehr von den individuellen Wünschen<br />

der Lehrer dominiert, sondern selbst bei<br />

einer unterschiedlichen Trägerschaft der Schulen<br />

ähnlich gehandhabt werden.<br />

Die Zusammenarbeit mit den Schulen<br />

klappt jedoch gut. Es gibt positive Rückmeldungen<br />

zur Einrichtung. Es finden regelmäßige<br />

Praxisanleitertreffen statt, die protokolliert<br />

werden. Die Schulen haben Lust zur Umsetzung<br />

der Lernfelder und arbeiten kreativ an<br />

praktischen Ideen mit. Hilfreich wären jetzt<br />

Konzepte und Lehrpläne der Schulen über die<br />

geplante konkrete Umsetzung der Lernfelder<br />

und die sich daraus ergebenden genau definierten<br />

Anforderungen an die Praxisstellen.<br />

Auch eine verstärkte Präsenz der Berufsgruppe<br />

„Altenpflege“ im Krankenhaus und in<br />

der Psychiatrie ist für die Zukunft durchaus<br />

denkbar und wünschenswert.<br />

Bernhard Heisterkamp,<br />

Leiter des Fachseminars für<br />

Altenpflege in Kamp-Lintfort, NRW<br />

An unserer Schule ist die Bewerberlage derzeit<br />

gut. Träger für die praktische Ausbildung zu<br />

finden ist zumindest für den vollstationären<br />

Bereich nicht so schwierig. Bei ambulanten<br />

Einrichtungen stellt sich die Situation äußerst<br />

schwierig dar.<br />

Eine wesentliche Veränderung der neuen<br />

Ausbildungsregelung stellt das Lernfeldkonzept<br />

dar, welches ganz erhebliche – völlig neue –<br />

Anforderungen an die Lehrenden und an die<br />

Lernenden stellen wird. Bedingt durch die<br />

teilweise schon seit einigen Jahren realisierte<br />

Umstellung von der klassischen, fachsystematischen<br />

Vermittlung zum fächerintegrativen<br />

Unterricht, insbesondere bei den pflegerischen<br />

Gesundheit und Pflege<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 33


Gesundheit und Pflege<br />

34<br />

Themen ist die Umstellung<br />

sicher nicht vollkommenes<br />

Neuland. Die<br />

Umsetzung des Lernfeldkonzeptes<br />

wird zunächst<br />

in Form von Insellösungen<br />

in Anlehnung an<br />

vorhandene Ressourcen<br />

aus dem Bereich des<br />

handlungsorientierten Unterrichts stattfinden.<br />

Eine weitere Auswirkung wird sein, dass die<br />

Fachseminare die Träger der praktischen Ausbildung<br />

bei der Entwicklung eines Ausbildungsplanes<br />

unterstützen müssen und für die<br />

Begleitung bzw. Qualifizierung der Ausbilderinnen<br />

zuständig sind. Die Bemühungen aller<br />

an der Ausbildung Beteiligten sollten deshalb<br />

besser koordiniert werden. An unserer Schule<br />

funktioniert die Zusammenarbeit mit den<br />

Ausbildungseinrichtungen gut. Die Ausbildungsbereitschaft<br />

der praktischen Einrichtungen<br />

und die damit zusammenhängende Bereitschaft<br />

zur Übernahme der Verantwortung für<br />

die Vermittlung der betrieblichen Handlungskompetenz<br />

und aller damit verbundenen Konsequenzen<br />

(berufpädagogische Qualifizierung<br />

etc.) ist sehr hoch.<br />

In NRW gibt es einen landesweit verpflichtenden<br />

Kooperationsvertrag („empfohlener<br />

Ausbildungsvertrag“). Zukünftig wird es empfehlende<br />

Richtlinien geben, die von der Katholischen<br />

Fachhochschule in Köln erarbeitet<br />

werden.<br />

Andreas Koderisch,<br />

Schulleiter<br />

der ElisabethenstiftAltenpflegeschulen,<br />

Darmstadt,<br />

Groß-Gerau und<br />

Wiesbaden, Hessen<br />

Die neue Altenpflegeausbildung<br />

ist ein großer Fortschritt, weil die<br />

Ausbildung damit insgesamt an Bedeutung<br />

gewinnt und die Pflegeausbildungen untereinander<br />

ähnlicher und somit anschlussfähiger<br />

werden. Das heißt aber nicht, dass wir zufrieden<br />

sind.<br />

Eine wesentliche Veränderung wird sein,<br />

dass die schulische Ausbildung um 300 Stunden<br />

reduziert wird. Der Unterricht wird seit<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Jahren von uns kontinuierlich zusammenhängender<br />

und handlungsorientierter gestaltet.<br />

Nachdem wir in zweijähriger Arbeit einen neuen<br />

Rahmenlehrplan erarbeitet hatten, müssen<br />

wir diesen nun erneut umarbeiten. Wir müssen<br />

nicht nur die Stundenkürzung verkraften, sondern<br />

auch neue Inhalte in den Lehrplan aufnehmen.<br />

Das kostet viel internen Aufwand, der<br />

bei einer besseren Unterstützung der Schulen<br />

auf Landesebene vermeidbar wäre. Bisher ist<br />

uns jedoch noch keine Landesregelung bekannt.<br />

Eine Lehrplankommission ist installiert.<br />

Ihr gehören jedoch nach unserer Kenntnis keine<br />

Experten für berufliche Bildung an, und ihre<br />

Ergebnisse sind so spät zu erwarten, dass wir<br />

uns nicht dadurch unterstützt fühlen, denn wir<br />

beginnen im Oktober dieses Jahres mit dem<br />

neuen Kurs.<br />

Es gibt noch weitere offene Fragen: So sind<br />

wir zum Beispiel gehalten, die medizinisch-pflegerischen<br />

Kompetenzen im Unterricht noch<br />

mehr zu berücksichtigen. Doch wie sollen diese<br />

Kompetenzen in der Praxis ausgebildet werden,<br />

wenn so genannte „behandlungspflegerische“<br />

Leistungen aufgrund der Rahmenverträge mit<br />

den Kassen nicht von Auszubildenden erbracht<br />

werden dürfen? Eine ernst gemeinte Lernfeldorientierung,<br />

wie sie das Gesetz vorsieht, setzt<br />

eine minimale Teamstruktur voraus. Aber wir<br />

können uns aufgrund der Höhe des Schulgeldes<br />

weder Mediziner noch Gerontologen als<br />

Hauptamtliche leisten. Auch die Prüfungsanforderungen<br />

müssten entsprechend der neuen<br />

Lehrinhalte völlig neu konzipiert werden.<br />

Hinzu kommt, dass in Südhessen die Bewerberzahlen<br />

auf einem niedrigen Niveau<br />

schwanken. Der Beruf der Altenpflegerin kann<br />

in der Gunst von Erstauszubildenden noch lange<br />

nicht mit anderen Ausbildungen konkurrieren.<br />

Wir haben Schwierigkeiten, Ausbildungsplätze<br />

in Einrichtungen zu finden, für die eine<br />

Ausbildungsvergütung anfällt. Viele Einrichtungen<br />

würden gerne mehr ausbilden, teilen<br />

uns aber mit, dass sie damit finanziell und organisatorisch<br />

überfordert seien. Das Aufgabenfeld<br />

eines Praxisanleiters ist weder definiert,<br />

noch sind die Einrichtungen in der Lage, ohne<br />

Unterstützung der Seminare eigene Ausbildungspläne<br />

zu entwickeln. Diese Unterstützung<br />

ist aber nicht in Sicht. Nach unserem Wissen<br />

hat es bis heute (Anfang Mai) noch nicht eine<br />

offizielle Information über die veränderten<br />

Aufgaben der Praxis gegeben, weder von der


Seite des Landes Hessen, noch von den Dachverbänden<br />

der Träger. Deshalb müssen wir als<br />

Schulen hier ganz viel Beratungsarbeit leisten,<br />

die uns an den Rand unserer Möglichkeiten<br />

bringt und uns in die Rolle des ständig Fordernden<br />

drängt. Die Zusammenarbeit mit den<br />

praktischen Ausbildungsträgern gestaltet sich<br />

je nach Engagement der Träger bzw. der Einrichtungsleitungen<br />

sehr unterschiedlich. Wir<br />

beobachten aber, dass immer mehr Einrichtungen<br />

ihre Ausbildungsaufgaben ernst nehmen<br />

und sie gezielt als Instrument der Personalentwicklung<br />

einsetzen.<br />

Robert Brewer,<br />

Pflegedienstleiter<br />

im Evangelischen<br />

Altenhilfezentrum,<br />

Lünen-Süd, NRW<br />

An den zahlreichen<br />

Bewerbungen für eine<br />

Ausbildungsstelle sehen<br />

wir, dass viele junge Menschen interessiert<br />

sind, eine Pflegeausbildung zu machen. Wir<br />

haben leider sehr viel mehr Bewerberinnen<br />

gehabt, als wir einstellen können. Gute Kandidatinnen<br />

ablehnen zu müssen ist schmerzhaft,<br />

aber das war leider nicht zu umgehen. Die<br />

Auswahl der Kandidaten für die Ausbildung<br />

stellt unsere Einrichtung vor neue Herausforderungen.<br />

Die Auswahlkriterien müssen mit dem<br />

Fachseminar abgestimmt werden, damit auch<br />

wirklich geeignete Kandidaten gefunden werden.<br />

Dabei ist es ein großer Vorteil für unsere<br />

Einrichtung, Kooperationsverträge mit den<br />

Fachseminaren unserer Wahl schließen zu<br />

können.<br />

Im letzten Jahr hatten wir vielen jungen<br />

Menschen ein Berufsfindungspraktikum<br />

ermöglicht und etliche ermutigt, sich als Altenpfleger<br />

ausbilden zu lassen. Jetzt können wir<br />

nur diejenigen ermutigen, die wir auch selbst<br />

finanzieren können. Probleme sehen wir in der<br />

drastischen Abnahme der Anzahl von Praktikanten,<br />

da sie uns unter anderem geholfen<br />

haben, bewohnerorientierte Pflege zu betreiben.<br />

Die Praktikanten sind eine anregende<br />

Erinnerung an unsere eigenen Ansprüche gewesen,<br />

und ihre Hände haben Tätigkeiten ermöglicht,<br />

die jetzt wegfallen. Aber Einrichtungen,<br />

die einen guten Ruf haben, waren an einer<br />

Vielzahl von Praktikanten gewöhnt, da sie viel<br />

dazu beigetragen haben, eine anspruchsvolle<br />

Pflege zu gewährleisten. Das erkennen wir erst<br />

jetzt, wo sie nicht mehr da sind und voraussichtlich<br />

auch nicht mehr da sein werden. Der<br />

Abbau der Praktikantenstellen durch die Veränderung<br />

der Ausbildungspraxis bereitet vielen<br />

Einrichtungen Probleme. Selbst durch eine<br />

optimale Strukturierung der Arbeitszeiten und<br />

Stellen, durch die wirtschaftliche Umsetzung<br />

der Ressourcen und eine Umverteilung von<br />

Aufgaben ist die fachliche Umsetzung der<br />

vielen guten Ansätze, die u. a. vom KDA veröffentlicht<br />

und in Folge der neuen Ausbildung<br />

gelehrt werden, mangels Personal nicht zu<br />

realisieren.<br />

Schulleiter Ernst Neff,<br />

Altenpflegeschule des Caritasverbandes,<br />

St. Wendel, Saarland<br />

Die Landesgesetzgebung ist zum größten Teil<br />

deckungsgleich mit dem am 1.8.2003 in Kraft<br />

tretenden Bundesgesetz. Insofern haben sich<br />

wesentliche Änderungen in unserer Einrichtung<br />

bereits im Jahr 2002 ergeben.<br />

Die Ausbildungsträger sind jetzt die Altenheime<br />

und ambulanten Pflegedienste. Sie sind<br />

zuständig für die Akquirierung von Bewerbern.<br />

Außerdem gibt es ein Curriculum für die schulische<br />

und berufliche Ausbildung. Die schulische<br />

Ausbildung findet nach dem Lernfeldkonzept,<br />

die betriebliche Ausbildung auf der<br />

Grundlage von Ausbildungsplänen statt. Es<br />

handelt sich um eine integrierte Ausbildung.<br />

Das erste Ausbildungsjahr der Fachausbildung<br />

ist identisch mit der Altenpflegehilfeausbildung,<br />

die mit einer Prüfung und staatlicher<br />

Anerkennung endet.<br />

Es gibt keine Schwierigkeiten, Träger für<br />

die praktische Ausbildung zu finden, denn es<br />

existiert eine Absprache zwischen der zuständigen<br />

Landesbehörde bei der saarländischen<br />

Landesregierung, der saarländischen Pflegegesellschaft<br />

und den Altenpflegeschulen, dass<br />

jeder Auszubildende, der einen Ausbildungsvertrag<br />

abgeschlossen hat, vorausgesetzt die<br />

formalen Bedingungen sind erfüllt, einen Schulplatz<br />

bekommt. Der Anteil der Ausbildungsplätze<br />

verteilt sich zu ca. 80 Prozent auf stationäre<br />

und ca. 20 Prozent auf ambulante Pflegedienste.<br />

Gesundheit und Pflege<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 35


Gesundheit und Pflege<br />

36<br />

Die Zusammenarbeit zwischen den Schulen<br />

und Ausbildungseinrichtungen gestaltet sich<br />

konstruktiv. Es gibt verschiedene Formen der<br />

Zusammenarbeit, zum Beispiel gegenseitige<br />

Besuche, PDL-Treffen, Ausbildertreffen,<br />

Workshops und einen ständigen Ausschuss.<br />

Zusätzlich zur bundesgesetzlichen Regelung<br />

wird noch vor der Sommerpause ein Gesetz im<br />

saarländischen Landtag eingebracht, das die<br />

Altenpflegehilfeausbildung regeln wird.<br />

Barbara Beyer,<br />

Lehrerin am<br />

Altenpflegeseminar<br />

in Essen-Kupferdreh,<br />

NRW<br />

Aufgrund des Schulverbundes<br />

„Katholische<br />

Schule für Pflegeberufe<br />

e.V.“, dem zurzeit 20 Träger der stationären<br />

und ambulanten Altenhilfe in Essen und naher<br />

Umgebung beigetreten sind, finden jetzt intensivere<br />

Absprachen mit den Ausbildungs- und<br />

Anstellungsträgern statt. Die Zusammenarbeit<br />

mit den Ausbildungseinrichtungen klappt gut.<br />

Der neue Kurs ist mit 23 SchülerInnen belegt.<br />

Die vom KDA vorgeschlagene Lernfeldorientierung<br />

bedeutet für uns eine noch intensivere<br />

Kooperation, Kommunikation und Teamarbeit<br />

mit allen, insbesondere den freien<br />

Dozenten. Da wir an dem Modellversuch<br />

„Gemeinsame Pflegeausbildung in der Alten-,<br />

Kranken und Kinderkrankenpflege“ beteiligt<br />

waren, konnten wir schon Erfahrungen mit der<br />

fächerintegrativen Unterrichtsgestaltung sammeln.<br />

Deshalb ist für uns der Schritt zum Lernfeld<br />

auch nicht mehr so groß, und der Unterricht<br />

selbst wird nicht so sehr verändert werden<br />

müssen. Eventuell werden im Unterricht<br />

mehr Fallstudien eingesetzt. Auch das Teamteaching<br />

wird wohl ausgebaut werden müssen.<br />

Die neue Rolle des Lehrenden macht uns allerdings<br />

noch Kopfzerbrechen. Das Bild des<br />

Dozenten als Lernhelfer und Moderator ist bei<br />

immer jüngeren Teilnehmern (SchülerInnen),<br />

die eher einen steuernden Unterricht benötigen,<br />

in der Realität eher schwierig umzusetzen.<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Dr. Birgit Hoppe, Vorstandsvorsitzende<br />

des Arbeitskreises der<br />

Ausbildungsstätten für Altenpflege<br />

in der BRD, Berlin<br />

Die Umstellung auf eine „Berufsfachschule für<br />

Altenpflege“ ist derzeit noch nicht so weit<br />

gediehen, dass eine konkrete Planungsgrundlage<br />

für eine Umsetzung zum 1.8.03 gegenwärtig<br />

vorliegt.<br />

Die Veränderungen der Berliner Ausbildung<br />

sind strukturell und inhaltlich fundamental:<br />

Das Land Berlin hatte bisher die Ausbildung<br />

als Fachschulausbildung geregelt. Der<br />

Großteil der Bewerber waren Umsteiger/-innen<br />

und Berufsrückkehrer. Die Erstausbildung mit<br />

Ausbildungsvergütung und -vertrag seitens der<br />

Träger ist für das Land neu. Die berufsbegleitende<br />

Ausbildung, die ein Erfolgsmodell in der<br />

Berliner Ausbildung darstellt/-e, ist in ihrer<br />

Struktur zwar ähnlich, hat jedoch eine andere<br />

Zielgruppe: lebens- und berufserfahrene Menschen.<br />

Das Bundesgesetz regelt die Inhalte unterhalb<br />

in Berlin erreichter Standards. Dies gilt<br />

insbesondere für die Fachgebiete Recht und Sozialversicherung<br />

und der Sozialwissenschaften,<br />

das heißt der Kompetenzen zur Hilfeplanung<br />

und psychosozialen Begleitung. Die bisherige<br />

Ausbildung verliert damit an fachlichem Gewicht<br />

für die Gewinnung von Fachkräften, die<br />

dem Strukturwandel in der Altenhilfe im Sinne<br />

der Lebensqualität alter Menschen mit mehrdimensionalen<br />

Ansätzen zu begegnen vermögen.<br />

Neben den oben skizzierten Hindernissen<br />

für eine zügige Umsetzung produzieren die<br />

veränderten Strategien zur beruflichen Bildungsförderung<br />

durch die Bundesanstalt für<br />

Arbeit weitere erhebliche Reibungsverluste –<br />

bundesweit und je nach Region mehr oder<br />

minder prekär. Die Umstellung auf Bildungsgutscheine<br />

führt vielerorts dazu, dass Ausbildungsstätten<br />

ohne Planungsklarheit sind. Für<br />

eine dreijährige Fachausbildung, deren Bewerberpotenzial<br />

auch nach dem Willen des Gesetzgebers<br />

sich zu zwei Dritteln aus Umschülern/<br />

Umschülerinnen speisen soll bzw. muss, ist<br />

diese Praxis kontraproduktiv. Dies gilt auch für<br />

eine Orientierung an einer 70-prozentigen<br />

Vermittlungsquote in den 1. Arbeitsmarkt<br />

seitens der Arbeitsämter, die sich an all denjenigen<br />

bemisst, die mit der Ausbildung beginnen.<br />

Sinn machte es, sich an der Vermittlungsquote


ei erfolgreichem<br />

Abschluss zu orientieren.<br />

Eine absolute Verbleibsorientierung<br />

in der Ausbildung<br />

führt schlechtestenfalls<br />

dazu, dass Träger,<br />

die „durchschleusen“,<br />

bessere Vermittlungsquoten<br />

haben werden<br />

als die, die ihre Verantwortung im Sinne<br />

einer qualifizierten Fachkraftausbildung und<br />

mit Blick auf die Abnehmer der Dienste, die<br />

Arbeitgeber, die alten Menschen und ihre<br />

Angehörigen, wahrnehmen.<br />

Für die Altenpflegeausbildung muss ein<br />

verändertes Verfahren der Umschulungsförderung<br />

realisiert werden, dass nicht hinter die<br />

bewährten Regelungen zurückfällt. Zudem<br />

müssen für den Altenpflegeberuf auch nach<br />

2004 dreijährige Umschulungen möglich sein.<br />

Jedes Erschweren der Personalgewinnung von<br />

Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen für Altenpflege<br />

führt mittelfristig dazu, dass man veritable<br />

Pflegenotstände erst produziert. Bewerber gibt<br />

es ausreichend in beiden Gruppen: den Schulabgängern<br />

und Berufsumsteigern.<br />

Ob es Schwierigkeiten gibt, für die zahlreichen<br />

Bewerber ausreichend Ausbildungsplätze<br />

bei den Trägern zu finden, muss sich in Berlin<br />

erst zeigen. Es deutet jedoch einiges darauf hin,<br />

dass dieser Teil der Realisierung – Stichworte:<br />

Wettbewerbsverzerrung durch höhere Pflegesätze<br />

usf. bzw. Gleichwertigkeit des ambulanten<br />

Bereichs in der Ausbildungsbereitschaft<br />

und SGB-V-Leistungen – nicht leicht werden<br />

wird. Vermutlich wird dies nur dann gut funktionieren,<br />

wenn kluge Kooperationslösungen<br />

für konkrete Ausbildungspartnerschaften<br />

gefunden werden können.<br />

Inhaltlich und organisatorisch ist mit der<br />

Umsetzung des Gesetzes eine komplette Neuordnung<br />

verbunden. Vermutlich sind die neuen<br />

Anforderungen an die Praxiseinrichtungen<br />

noch größer als für die Schulen. Da letztere<br />

jedoch per definitionem die Gesamtverantwortung<br />

für die Ausbildung haben, werden sie<br />

neben der eigenen Umstellung wohl auch hier<br />

intensiv als beratender Partner gefragt sein.<br />

Inwieweit sie dies in ihren personellen und<br />

finanziellen Ressourcen vermögen, ist im Rahmen<br />

der finanziellen Ausgestaltung der Ausbildung<br />

noch ungewiss. Auch wenn im Land<br />

Berlin derzeit einiges an Kontur gewinnt, gilt<br />

mit 13.5.03 noch: Bis auf den Verbleib im<br />

Schulrecht ist zwar schon manches beraten,<br />

aber nicht entschieden. Eine prekäre Aussicht<br />

für alle, die eine Ausbildung zur Altenpflegerin<br />

absolvieren wollen!<br />

Silvia Michaelis, Dipl.-Medizinpädagogin<br />

am Caritas-Institut<br />

für Bildung und Entwicklung in<br />

München, Bayern<br />

Die bundeseinheitliche Altenpflegeausbildung<br />

ab 1.8.03 bedeutet einen Fortschritt, da das<br />

längerfristige Ziel einer generalistischen Pflegeausbildung<br />

damit verfolgt wird. Es herrscht<br />

aber dennoch Verunsicherung an bayerischen<br />

Schulen, da viele Details noch nicht geklärt<br />

sind und die neuen Regelungen wesentliche<br />

Veränderungen mit sich bringen werden. Es haben<br />

sich z. B. viele jüngere Bewerber angemeldet.<br />

Das hängt wahrscheinlich mit der hohen<br />

Arbeitslosigkeit zusammen. Es ist jedoch nicht<br />

sicher, wer nun die Ausbildung beginnen wird.<br />

Die Finanzierung der Schulen hat sich<br />

ebenfalls verändert. Es sind höhere Kosten für<br />

den Träger entstanden. Die grundsätzliche<br />

Finanzierung müsste dringend geklärt werden.<br />

Für die Jahre 2003 und 2004 müssen Schüler<br />

kein Schulgeld (230 Euro) zahlen. Die Finanzierung<br />

für 2005 ist unklar.<br />

Die Praxisbegleitung der Ausbildungseinrichtungen<br />

ist zwar gesetzlich gesichert, aber<br />

auch hier liegt noch vieles im Unklaren. Es<br />

werden mehr Fortbildungen für die Pflegelehrer<br />

in der Konzeption der Lernfeldorientierung<br />

(Vernetzung der Fäche und die lernfeldorientierte<br />

Prüfung) gebraucht. Der bayerische<br />

Lehrplan liegt auch noch nicht vor. Ansonsten<br />

gibt es große Unklarheiten über die Lernfeldorientierung.<br />

Didaktisch fehlen Methoden der<br />

Lehrvorbereitung, des Unterrichtes und der<br />

Prüfung. Organisatorisch muss ebenfalls eine<br />

Umstellung stattfinden. Der Prüfungsmodus<br />

hat sich verändert. Er ist praxisnäher und<br />

daher aufwendiger für die Schulen geworden.<br />

Bei der Zusammenarbeit mit den Ausbildungseinrichtungen<br />

bestehen ebenfalls viele<br />

Unklarheiten: So müssten zum Beispiel die<br />

Bedeutung und die Konsequenzen der Praxisbegleitung<br />

für die Einrichtungen noch deutlicher<br />

herausgearbeitet werden. Wer macht<br />

Praxisanleiter? Wie ist der Praxisanleiter im<br />

Gesundheit und Pflege<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 37


Gesundheit und Pflege<br />

38<br />

Organigramm eingegliedert? Wie sollen die<br />

Praxisanleiter honoriert werden (Gehalt, Fortbildungen)?<br />

Oder wie viel Zeit pro Schüler darf<br />

ein Praxisanleiter verwenden? Auch inhaltlich<br />

muss die Praxisanleitung noch besser definiert<br />

werden. Wir unterscheiden die Lernberatung<br />

(in der eine Lernreflexion und Lernvereinbarung<br />

stattfindet) von der praktischen Anleitung<br />

(Anleitung am Bewohner) in unserer Weiterbildung<br />

zum Praxisanleiten. Insgesamt gibt es<br />

noch zu wenig Praxisanleiter mit einer Weiterbildung.<br />

Schwierigkeiten, Träger der praktischen<br />

Ausbildung zu finden, haben wir nicht,<br />

da wir innerhalb des Verbandes einige Einrichtungen<br />

haben. Ferner bestehen einige Kontakte<br />

zu anderen Trägern.<br />

Ulrich Schindler,<br />

Heimleiter im<br />

Altenzentrum<br />

St. Josef in Sassenberg,<br />

NRW<br />

Die Pflegeheime werden<br />

in Zukunft die Anstellungsträger<br />

für die Auszubildenden<br />

sein und sind damit viel stärker in<br />

die Verantwortung für die Ausbildung involviert.<br />

Sie erhalten außerdem mehr Einfluss auf<br />

die praktische und theoretische Ausbildung<br />

und können gezielt quantitativ und qualitativ<br />

für den eigenen Bedarf ausbilden.<br />

Für uns als Einrichtung mit dem Schwerpunkt<br />

der gerontopsychiatrischen Pflege und<br />

Betreuung bedeutet das beispielsweise, dass wir<br />

Kooperationsverträge mit Ausbildungsträgern<br />

abschließen, die das Thema Demenz in ihrer<br />

Ausbildung entsprechend berücksichtigen. Es<br />

wird auch eine Vernetzung mit anderen Trägern,<br />

wie akut-geriatrischen und psychiatrischen<br />

Krankenhäusern, ambulanten Diensten<br />

und Tagespflegen in Form von Kooperationsverträgen<br />

geben, um eine Vielfältigkeit der<br />

Ausbildung zu gewährleisten. Für die praktische<br />

Ausbildung wären klarere strukturelle und<br />

inhaltliche Vorgaben hilfreich. Es sollte auch<br />

über die Einrichtung einer Pflegekammer oder<br />

die Anbindung an eine bestehende Kammer<br />

nachgedacht werden, um die Ausbildung zu<br />

vereinheitlichen und um die Ausbildungsbetriebe<br />

bei der Ausbildung zu unterstützen.<br />

Ein großes Problem stellt die Deckelung<br />

der Ausbildung durch die Landesregierung dar.<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Es ist schon paradox: Da existiert ein Lehrstellenmangel,<br />

der der Politik große Sorgen bereitet.<br />

Gleichzeitig wären zahlreiche Altenheime<br />

und Sozialstationen bereit, mehr Auszubildende<br />

einzustellen. Doch der Staat reglementiert<br />

die Zahl der Ausbildungsplätze und senkt sie –<br />

aus finanziellen Gründen – ab. Bewerber, auch<br />

mit entsprechenden schulischen Voraussetzungen,<br />

sind in ausreichender Zahl vorhanden.<br />

Angesichts des großen Bedarfs und des sich<br />

abzeichnenden Pflegenotstandes müssten und<br />

könnten viel mehr Fachkräfte ausgebildet<br />

werden als die 2.280 Menschen, die 2003<br />

landesweit eine landesgeförderte Ausbildung<br />

beginnen werden. Als Gründe für die Kontingentierung<br />

gibt die Landesregierung vor, mehr<br />

als 25 Millionen Euro ständen aufgrund der<br />

Haushaltslage nicht zur Verfügung. Mehr<br />

Ausbildungsplätze seien auch nicht nötig, weil<br />

der Bedarf mit Zahlen nicht zu belegen sei, so<br />

die Landesregierung. Damit ignoriert sie Fakten,<br />

wie die Zunahme von Pflegebedürftigkeit,<br />

die Zunahme von Menschen mit Demenz, die<br />

hohe Fluktuation von Pflegekräften aus dem<br />

Beruf sowie Forderungen der Heimaufsicht. Sie<br />

ignoriert, dass Einrichtungen und Dienste der<br />

Altenpflege bei leer gefegtem Arbeitsmarkt<br />

händeringend Fachkräfte suchen.<br />

Erschwerend hinzu kommen Änderungen<br />

bei der Finanzierung von Umschulungsmaßnahmen<br />

durch die Hartz-Reformen. Bislang<br />

trugen das Land und die Arbeitsämter die<br />

Betriebskosten der Ausbildung zur Pflegefachkraft<br />

etwa hälftig. Mit der Selbstverwaltung<br />

der Arbeitsämter stellten sich einige auf den<br />

Standpunkt, dass in ihren Arbeitsamtsbezirken<br />

keine Umschulungsmaßnahmen zu Altenpflegern<br />

mehr nötig seien, so beispielsweise die<br />

Entscheidungen in den Bezirken Münster und<br />

Recklinghausen. Bisher gab es feste Umschulungsplatzzusagen<br />

der Arbeitsämter an die<br />

Fachseminare. Diese Zusage fällt nun weg,<br />

nachdem die so genannten Bildungsgutscheine,<br />

eine Errungenschaft der Hartz-Kommission,<br />

eingeführt wurden. Danach kann jeder Inhaber<br />

eines Bildungsgutscheines seine Ausbildungsstätte<br />

auch über die Grenzen des jeweiligen<br />

Arbeitsamtsbezirkes hinaus frei wählen. Damit<br />

werden ab sofort deutlich weniger als 50 Prozent<br />

der Schüler in der Altenpflege über die<br />

Arbeitsverwaltung finanziert. Das stellt die<br />

Existenz von Ausbildungskursen und ganzen<br />

Fachseminaren in Frage.


Dr. Hans Hochheiser, Fachleiter<br />

Altenpflege des Europäischen<br />

Bildungswerks für Beruf und Gesellschaft<br />

e.V., Sachsen-Anhalt<br />

Das Gesetz bedeutet eine<br />

starke Verunsicherung im<br />

Bereich der staatlich<br />

anerkannten Schulen in<br />

freier Trägerschaft. Auf<br />

die bisherige Gesetzgebung<br />

in Sachsen-Anhalt<br />

bezogen bestehen die<br />

Veränderungen vor allem<br />

darin, dass die Fachschule zur Berufsfachschule<br />

umgewandelt wird.<br />

Für die Schule bedeutet das Bundesgesetz<br />

den Übergang von bisher fachwissenschaftlich<br />

orientierter Lehre hin zu einer handlungs- und<br />

lernfeldorientierten Gestaltung. Wichtige Kompetenzbereiche,<br />

wie gerontologisches und<br />

psychosoziales Wissen werden kaum angesprochen,<br />

der sozial-pflegerische Bereich ist unterrepräsentiert.<br />

Während die schulische Ausbildung<br />

thematisch in Lernfeldern beschrieben<br />

wird, fehlt eine solche Beschreibung für die mit<br />

2.500 Stunden überwiegende praktische Ausbildung.<br />

Die bisherige und gegenwärtige<br />

Zusammenarbeit mit den Ausbildungseinrichtungen<br />

verlief sowohl für die schulische Ausbildung<br />

als auch für die Entwicklung der Pflegepraxis<br />

in den Einrichtungen kooperativ und<br />

anregend. Theoretische und praktische Ausbildung<br />

werden aufeinander abgestimmt. Wohnbereichsleiter/-innen<br />

und Praxisanleiter/-innen<br />

hospitieren regelmäßig an der Schule. Da zum<br />

Beispiel Projekt- und Fallarbeit, Internet- und<br />

Literaturrecherchen sowie andere kreative<br />

Methoden zum festen Unterrichtsbestandteil<br />

unserer Schulen gehören, werden sich die<br />

Veränderungen hauptsächlich auf die Umsetzung<br />

des Lernfeldkonzeptes beziehen. Dazu<br />

wird das Teamwork der Lehrkräfte zur Ausarbeitung<br />

und Gestaltung von Lernsituationen,<br />

welche die Entwicklung der beruflichen Kompetenzen<br />

ermöglichen, ausgebaut.<br />

Als positive Veränderung für die Schüler<br />

sind die Einführung einer Ausbildungsvergütung<br />

und die deutliche Senkung der Voraussetzungen<br />

für den Zugang zur Ausbildung sowie<br />

die Herabsetzung des Zugangsalters zu nennen.<br />

Probleme in der neuen Gesetzgebung sehe<br />

ich vor allem darin, dass die Bundeseinheitlich-<br />

keit durch die Erprobungsregelung und Experimentierklausel<br />

aufgeweicht wird. Das wird von<br />

einigen Ländern genutzt, um Schwierigkeiten<br />

bei der Umsetzung des Gesetzes vorerst aus<br />

dem Wege zu gehen. Die Zahlung einer Ausbildungsvergütung<br />

wird gesetzlich festgeschrieben,<br />

jedoch weder deren Aufbringung noch<br />

deren Höhe geregelt. Für Umschüler enthält<br />

das Gesetz keine Verkürzungsmöglichkeiten.<br />

Sollte die dreijährige Förderung durch die<br />

Bundesanstalt für Arbeit nach 2004 nicht<br />

fortgesetzt werden, wird Berufsumsteigern und<br />

arbeitslosen Umschülern der Weg in den Altenpflegeberuf<br />

versperrt. Unsere Beobachtungen<br />

seit über zehn Jahre belegen eindeutig, dass 90<br />

Prozent der Absolventen noch heute im Beruf<br />

erfolgreich tätig sind. Es ist zu befürchten, dass<br />

die Schülerzahlen trotz eines hohen Bedarfs an<br />

Fachkräften wegen fehlender Plätze für die<br />

praktische Ausbildung drastisch zurückgehen<br />

werden. Der Bedarf an hoch qualifiziertem<br />

Pflegepersonal mit gerontologischem Profil<br />

wird entsprechend der prognostizierten Entwicklung<br />

auf dem Arbeitsmarkt in den nächsten<br />

Jahren weiter ansteigen. Helfen würde<br />

gegenwärtig die Bereitstellung finanzieller<br />

Mittel für Ausbildungsbetriebe und Schulen,<br />

um entsprechende Schülerzahlen ausbilden zu<br />

können und den Bestand der bestehenden<br />

Schulen zu sichern, sowie die weitere dreijährige<br />

Förderung vom Umschulungen. Die<br />

Anzahl der Bewerber mit Aussicht auf einen<br />

Ausbildungsplatz ist zurzeit nicht ausreichend.<br />

Da die Träger der praktischen Ausbildung<br />

zur Zahlung einer Ausbildungsvergütung verpflichtet<br />

sind und der Schule auf Dauer Plätze<br />

für die praktische Ausbildung zusichern müssen,<br />

bestehen Schwierigkeiten, die potenziellen<br />

Träger der praktischen Ausbildung auch weiter<br />

vertraglich zu binden. Sie halten sich gegenwärtig<br />

vor allem wegen der nicht geklärten<br />

Finanzierung der Ausbildungsvergütung eher<br />

zurück.<br />

Gegenwärtig wird in Sachsen-Anhalt die<br />

Verordnung über Berufsbildende Schulen überarbeitet.<br />

Eine Rahmenrichtlinie für die Altenpflegeausbildung<br />

ist ebenfalls in Vorbereitung.<br />

Die Stundentafel liegt vor. Die Ausbildung von<br />

Altenpflegehelfern wird nach der bisherigen<br />

Gesetzlichkeit weitergeführt.<br />

Konzeption und Bearbeitung:<br />

Simone Helck<br />

Gesundheit und Pflege<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 39


Gesundheit und Pflege<br />

40<br />

Wenn Heimbewohner zu „kontaminierten Keimträgern“ werden:<br />

MRSA in Altenpflegeheimen<br />

Zwei Gestalten in weißen Overalls und mit<br />

Kopfhauben gehen mit einer Trage über den<br />

steril aussehenden Flur einer Rehaklinik. Sie<br />

treten in das Zimmer des 66-jährigen Hans<br />

Anton* ein und sprechen durch ihre an Gasmasken<br />

erinnernde Schutzmasken zu dem<br />

Mann, der durch eine schwere Gehirnblutung<br />

aus seinem bisherigen Leben gerissen wurde,<br />

ins Koma fiel und sieben Wochen intensivmedizinisch<br />

in einem Krankenhaus betreut werden<br />

musste. Zwar erlangte er dort sein Bewusstsein<br />

wieder, doch sein Schluckreflex funktionierte<br />

nicht mehr. Sein Leben hängt nun an Tracheostoma<br />

und Magensonde, noch immer – trotz<br />

zwölf-wöchigen Aufenthalts in der Frührehabilitation.<br />

Nun, am Ende dieser Therapie, muss<br />

er von dem neurologischen Rehabilitationszentrum<br />

in ein Pflegeheim umziehen. Die vermummten<br />

Männer berühren ihn mit Handschuhen<br />

und betten ihn auf die Trage um. Seine<br />

anwesende Tochter Katja* spürt seine Angst<br />

und Nervosität – auch sie trägt Schutzkleidung.<br />

„Ich fühlte mich an den Film ‚Outbreak‘<br />

erinnert, in dem ein Tod bringendes Virus eine<br />

Stadt in Kalifornien heimsucht. Die beiden<br />

Zivis, die meinen Vater auf der so genannten<br />

Isolationsfahrt in sein zukünftiges Pflegeheim<br />

bringen sollten, erinnerten mich an die in<br />

Spezialanzügen verschnürten Seuchenexperten<br />

des Kinofilms: gesichtslos, steril und ohne<br />

jegliche Identität, sogar ihre Gesten waren für<br />

mich schwer zu erkennen. Für meinen Vater<br />

muss es schrecklich gewesen sein.“<br />

Die Geschichte kann beispielhaft stehen für<br />

immer mehr Pflegeschicksale in Deutschland.<br />

Denn bei Hans Anton wurde während seines<br />

Aufenthalts in dem neurologischen Rehabilitationszentrum<br />

der multi- oder Methicillinresistente<br />

Staphylococcus aureus (MRSA)<br />

nachgewiesen. Staphylococcus aureus (SA) ist<br />

ein an sich harmloses Bakterium, das auch<br />

viele gesunde Menschen mit sich tragen. Es<br />

* Name von der Redaktion geändert.<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

wird erst unter bestimmten Bedingungen zur<br />

Gefahr, nämlich wenn es beispielsweise seinen<br />

normalen Lebensort wie Nasenvorhof, Haaransatz,<br />

Achselhöhle oder Dammbereich verlässt<br />

und Wunden oder künstliche Körperöffnungen<br />

besiedelt. Dort oder weitergeleitet im<br />

Körperinneren kann es schwere Infektionen<br />

hervorrufen. Und wenn der Keim zudem zu<br />

den Stämmen gehört, die eine Resistenz gegen<br />

bestimmte Antibiotika wie Methicillin oder<br />

Oxacillin (MRSA) entwickelt haben, kann eine<br />

folgende Lungenentzündung oder Blutvergiftung<br />

tödlich verlaufen. Gefährdet sind vor<br />

allem Personen mit künstlichen Körperzugängen<br />

und Körperausgängen wie Katheter, Sonden<br />

und Tracheostomata. Aber auch Menschen<br />

mit offenen Wunden wie Ulcus cruris oder<br />

Dekubitalgeschwüren sind dem erhöhten<br />

Risiko einer MRSA-Besiedelung und -Infektion<br />

Menschen mit MRSA dürfen nur unter strengen Hygienevorschriften<br />

berührt werden – ein Stück Menschlichkeit<br />

bleibt dabei auf der Strecke. Foto: Stefan Priesteroth


ausgesetzt. Lange Krankenhausaufenthalte, ein<br />

schlechter Allgemeinzustand sowie der übermäßige<br />

Einsatz bestimmter Antibiotika tragen<br />

dazu bei, dass das Risiko einer MRSA-Infektion<br />

weiter steigt.<br />

Bei Hans Anton wurde die Besiedlung mit<br />

dem resistenten Bakterienstamm nach etwa<br />

zwei Monaten in der Frührehabilitationsphase<br />

diagnostiziert. Wann das genau passiert ist, ist<br />

nicht oder nur schwer nachzuweisen: „Eines<br />

Morgens kam ich zu Besuch und ich fand an<br />

der Türe meines Vaters das Schild ‚Isolationszimmer‘“,<br />

erinnert sich die Tochter. „Die Stationsärztin<br />

berichtete mir aufgeregt, dass sich<br />

der Zimmernachbar meines Vaters mit MRSA<br />

infiziert hätte“ und zitiert die Ärztin weiter:<br />

„Das ist eine Katastrophe für den Mann, denn<br />

durch die nun zwingend vorgeschriebenen<br />

Schutzmaßnahmen wie die Isolierung in einem<br />

Einzelzimmer und der Kontakt nur über<br />

Schutzkleidung werden die Erfolge der Rehabilitation<br />

erheblich eingeschränkt. Wollen wir<br />

hoffen, dass Ihr Vater nicht auch mit MRSA<br />

besiedelt ist.“ Die Hoffnung zerschlug sich<br />

schnell, denn der gleiche Erregerstamm wurde<br />

auch bei Hans Anton bei der Laboruntersuchung<br />

eines Nasen- und Rachenabstrichs nachgewiesen.<br />

Es besteht immer die Gefahr, dass es<br />

zur Übertragung zwischen Zimmernachbarn<br />

kommt. Denn der Übertragungsweg von<br />

MRSA ist einfach. Es genügt ein einfacher<br />

Händekontakt. Da die beiden immobilen,<br />

pflegebedürftigen Männer diesen aber gar nicht<br />

hatten, kann die Übertragung wohl indirekt<br />

erfolgt sein: über Pflegepersonal und Ärzte,<br />

Gegenstände oder auch möglicherweise Angehörige,<br />

zu denen die Männer Kontakt hatten.<br />

Dabei ist noch nicht einmal gesagt, dass sich<br />

Herr Anton bei seinem Zimmernachbarn angesteckt<br />

hat. Er kann den Erreger auch schon aus<br />

dem Akutkrankenhaus mitgebracht haben.<br />

Seine Entdeckung erfolgt leider oft erst dann,<br />

wenn bei einer besiedelten Person eine Infektion<br />

auftritt, bei der die gängigen Antibiotika<br />

nicht anschlagen.<br />

MRSA-Träger dürfen nicht<br />

abgewiesen werden<br />

Mit dem Nachweis von MRSA bei Herrn<br />

Anton begann eine Tortur für den ohnehin<br />

schon gesundheitlich stark angeschlagenen 66-<br />

Jährigen. Die Isolationsfahrt vom Rehabilitationszentrum<br />

ins Pflegeheim war dabei erst der<br />

Anfang. Für seine Familie stellte sich schon<br />

vorher ein großes Problem: „Wie finden wir ein<br />

Heim, dass unseren Vater aufnimmt?“<br />

„‚MRSA – nein danke‘, ‚Darauf sind wir nicht<br />

spezialisiert‘ oder ganz einfach ‚Unsere Wartelisten<br />

sind ohnehin zu lang‘, waren die gängigsten<br />

Antworten nachdem ich die Heimleiter<br />

informiert hatte, dass unser Vater ‚MRSA-<br />

Träger‘ ist. Wir haben mit fast 15 Heimen<br />

telefoniert, bis ich zwei in vertretbarer Nähe zu<br />

unserem Wohnort gefunden habe, die bereit<br />

waren, unseren Vater aufzunehmen. Das Heim,<br />

für das wir uns letztlich entschieden haben, gab<br />

sogar an, sich auf die Aufnahme von Bewohnern<br />

mit MRSA spezialisiert zu haben“, berichtet<br />

Katja Anton. Doch die meisten Heime sind<br />

nicht auf MRSA spezialisiert, viele sind sogar<br />

völlig unvorbereitet, wenn sie mit diesem Keim<br />

das erste Mal in Kontakt geraten.<br />

„Wir waren 1997 bis 1998 eines der ersten<br />

Heime im Raum Duisburg, das plötzlich mit<br />

MRSA konfrontiert wurde“, erinnert sich<br />

Stefan Helder, Altenpfleger und Pflegedienstleiter<br />

im Seniorenzentrum Altenbrucher Damm<br />

des Evangelischen Christopheruswerkes. „Ich<br />

wurde damals von einem Anruf aus einem<br />

Krankenhaus überrascht, bei dem ein Arzt mir<br />

mitteilte, dass ein Bewohner nach der Behandlung<br />

eines Akutleidens wieder ins Heim entlassen<br />

werden sollte, allerdings nun kontaminiert<br />

mit MRSA. Ich hatte noch nie etwas davon<br />

gehört und wusste auch nicht, was zu tun war,<br />

weshalb ich beim Gesundheitsamt der Stadt<br />

Duisburg um Rat gefragt habe. Gott sei Dank<br />

hat uns die Amtsärztin dort auch zur Seite<br />

gestanden und veranlasst, dass der Bewohner<br />

weiterhin im Krankenhaus verbleiben konnte<br />

und in sechs Wochen erfolgreich durch ein<br />

noch wirkungsvolles Antibiotikum saniert<br />

wurde, also frei war von MRSA.“<br />

Die rechtliche Situation stellt sich wie so<br />

oft wieder einmal ganz anders dar, als die<br />

Realität zeigt. „Bei einem vorübergehenden<br />

Krankenhausaufenthalt muss ein Pflegeheim<br />

einen infizierten Bewohner, mit dem ja schon<br />

ein Heimvertrag abgeschlossen ist, wieder<br />

aufnehmen. Ebenso ist die Kündigung des<br />

Heimvertrags seitens der Einrichtung aufgrund<br />

einer Keimträgerschaft nicht möglich“, berichtet<br />

Hans Böhme, Jurist und wissenschaftlicher<br />

Leiter des Instituts für Gesundheitsrecht und<br />

Gesundheit und Pflege<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 41


Gesundheit und Pflege<br />

42<br />

-politik (IGRP). Aber auch eine Neuaufnahme<br />

kann nicht abgelehnt werden, wenn als alleiniger<br />

Grund eine bekannte Keimträgerschaft<br />

vorliegt. „Hinzu kommt, dass die Krankenkasse<br />

für einen unnötig verlängerten Krankenhausaufenthalt<br />

die Kosten nicht übernimmt. Ist<br />

das Heim an der Entlassungsverzögerung<br />

Schuld, weil es sich weigert, einen infizierten<br />

Bewohner wieder aufzunehmen, kann ihm eine<br />

Kostenerstattung gegenüber der Klinik drohen.<br />

Im Gegenzug kann eine Einrichtung keinen<br />

Schadensersatz von der Klinik fordern, denn in<br />

aller Regel fehlt nämlich ein Beweis, dass die<br />

Infektion in der Klinik verursacht wurde. Das<br />

Krankenhaus muss allerdings unbedingt dem<br />

Heim die Keimträgerschaft mitteilen und haftet,<br />

wenn es seiner Mitteilungspflicht nicht<br />

nachkommt“, so Böhme. Haftbar sei darüber<br />

hinaus die Einrichtung oder der Mitarbeiter,<br />

der eine Verbreitung des Bakteriums grob<br />

fahrlässig provoziere.<br />

Das Duisburger Heim hatte damals das<br />

Glück, dass die weitsichtige Amtsärztin dem<br />

Heimpersonal nicht den Umgang mit MRSA<br />

zumutete, auf die es noch nicht vorbereitet war.<br />

Anders im Falle von Hans Anton. Dort hatte<br />

der Pflegedienstleiter ja anfangs angegeben, auf<br />

Die Besucher von mit MRSA befallenen Personen sehen<br />

alle gleich aus. Der Hygiene angemessene Schutzkleidung<br />

bei MRSA macht Betroffenen und Angehörigen Angst.<br />

Foto: Harald Raabe<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Bewohner mit MRSA spezialisiert zu sein, doch<br />

seine Tochter hatte eher das Gefühl, dass sich<br />

die Mitarbeiter durch mangelnde Kenntnisse<br />

und schlampige Arbeitsweisen auszeichneten.<br />

„Die in der Rehaklink begonnene Nasenvorhofsanierung<br />

mit Mupirocin-Salbe (Turixin“)<br />

wurde im Heim zunächst nicht weitergeführt.<br />

Das von der Rehaklinik mitgegebene<br />

Päckchen mit Pflegeutensilien, in dem sich<br />

auch die Nasensalbe befand, lag einige Tage<br />

ungeöffnet im Zimmer meines Vaters. Der vom<br />

Heim empfohlene Hausarzt hat uns sogar<br />

gefragt, wie denn das in der Rehabilitation mit<br />

den Kontrollabstrichen gemacht worden wäre,<br />

und zugegeben, dass er nicht so genau wisse,<br />

auf was man alles achten müsse. Zwischendurch<br />

kam schon mal eine Pflegerin des<br />

Wochenenddienstes ohne Schutzkleidung herein<br />

– ‚um schnell was zu erledigen‘ – ich<br />

konnte beobachten, dass Angehörige und<br />

Pflegekräfte uneinheitlich mit der Schutzkleidung<br />

umgingen. Zudem hatte ich das Gefühl,<br />

dass ich meine Hände definitiv gründlicher<br />

desinfizierte als ich das bei den meisten Pflegekräften<br />

beobachten konnte“, berichtet die<br />

Tochter, die sich dadurch veranlasst sah, sich<br />

bei der Pflegedienstleitung zu beschweren, was<br />

zu großen Konflikten führte.<br />

Information ist das A und O<br />

Im Seniorenzentrum Altenbrucher Damm sind<br />

solche Probleme bisher nicht aufgetreten, denn<br />

nach dem MRSA-Fall vor einigen Jahren blieb<br />

das Heim verschont von den resistenten Bakterien<br />

– soweit dies eben überhaupt bei Bewohnern<br />

getestet wurde. Doch aus der plötzlichen<br />

Konfrontation mit MRSA hat man längst<br />

Konsequenzen gezogen. Dort und in allen<br />

anderen Einrichtungen des Duisburger Trägers<br />

wurde eine Art Notfallplan erarbeitet, um in<br />

Zukunft auf möglicherweise auftretende<br />

MRSA-Fälle ‚angemessen‘ reagieren zu können.<br />

Man hält spezielle Wagen mit Hygieneartikeln<br />

wie Desinfektionsmittel, desinfizierende<br />

Waschlotionen oder Schutzkleidung vor – auch<br />

Infomaterial zum Thema ist vorhanden und<br />

wird dem Personal nahe gelegt zu lesen. „Dies<br />

alles gibt den Pflegenden im Falle des Falles<br />

eben auch Sicherheit im Umgang mit MRSA“,<br />

so Stefan Helder, der sich auch aufgrund seiner<br />

damaligen Erfahrung mittlerweile gut in die


Thematik eingearbeitet hat und so etwas wie<br />

ein interner „MRSA-Beauftragter“ für die<br />

Einrichtungen des Evangelischen Christopheruswerkes<br />

in Duisburg geworden ist. In diesem<br />

Zusammenhang pflegt er natürlich umso mehr<br />

einen guten Kontakt zur zuständigen Amtsärztin<br />

des örtlichen Gesundheitsamtes, die ihm<br />

beim ersten MRSA-Fall zur Seite stand.<br />

„Als ich in Duisburg meine Arbeit als<br />

Amtsärztin begann, habe ich mir natürlich<br />

auch einen Überblick über die Hygienesituation<br />

in den Alteneinrichtungen meines Arbeitsgebietes<br />

verschafft und dort Mängel feststellen<br />

können, die beispielsweise auch dazu hätten<br />

beitragen können, die Übertragung von MRSA<br />

zu fördern“, so Dr. Ute Martin. „Es war sehr<br />

wichtig für mich, vor allem in diesem Zusammenhang<br />

gewisse Hygienestandards in den<br />

Heimen zu setzen. Das Führen von Hygieneplänen<br />

oder das Angebot von Personalschulungen<br />

hat auch Früchte getragen. Gegenüber<br />

damals hat sich der heutige Informationsstand<br />

zur MRSA-Problematik zumindest in den<br />

Duisburger Alteneinrichtungen deutlich verbessert“,<br />

berichtet die Amtsärztin weiter. Auch die<br />

Krankenhäuser kooperierten gut und informierten<br />

die Heime rechtzeitig, wenn beim<br />

Krankenhausaufenthalt eine MRSA-Besiedlung<br />

nachgewiesen wurde. Nur die Hausärzte seien<br />

leider noch zu oft unwissend und würden<br />

beispielsweise die angebotenen Fortbildungen<br />

zu selten annehmen.<br />

Studien zu MRSA in Alten- und<br />

Pflegeheimen<br />

Wie wichtig diese sind, zeigt ein Blick auf die<br />

Verbreitung von MRSA in Deutschland und<br />

anderen Ländern. Zunächst hatten Wissenschaftler<br />

ihr Augenmerk nur auf Krankenhäuser<br />

gerichtet. In den letzten zehn Jahren ist dort<br />

die Prävalenz (Besiedlungshäufigkeit) mit<br />

MRSA von rund zwei Prozent auf circa 20<br />

Prozent angestiegen. „Damit liegen wir in<br />

Deutschland aber noch gut in der Mitte“,<br />

berichtet Dr. Dagmar Heuck vom Robert<br />

Koch-Institut (RKI) in Wernigerode. Deutlich<br />

höhere Häufigkeiten werden beispielsweise aus<br />

den USA berichtet. Im Gegensatz zu Deutschland<br />

ist dort auch die Situation in den Altenund<br />

Altenpflegeheimen gut dokumentiert,<br />

allerdings mit Besorgnis erregenden Zunahmen<br />

der MRSA-Vorkommen. So liegt die Prävalenz<br />

dort inzwischen bei acht bis 53 Prozent. Mit<br />

34 Prozent kämpft auch Japan mit einer sehr<br />

hohen Rate. Wesentlich besser ist die Situation<br />

in den Niederlanden. Dort liegen die MRSA-<br />

Prävalenzen in Pflegeheimen bei unter einem<br />

Prozent.<br />

1999 nahmen erstmals Alten- und Pflegeheime<br />

an einer überregionalen Studie vom<br />

Robert Koch-Institut (RKI) in Deutschland teil.<br />

Dabei wurden 1.342 Bewohnern aus 31 Heimen<br />

in fünf Bundesländern erfasst. Als Ergebnis<br />

wurde eine durchschnittliche Besiedlungshäufigkeit<br />

von 2,4 Prozent ermittelt. (Eine<br />

Regionalstudie von 1999 bis 2000 aus dem<br />

Rhein-Neckar-Raum um Heidelberg untersuchte<br />

3.238 Bewohner in 62 Heimen und<br />

ermittelte sogar nur eine Prävalenzrate von 1,1<br />

Prozent.) In einer neueren Querschnittsstudie<br />

aus Nordrhein-Westfalen, die vom Landesinstitut<br />

für den Öffentlichen Gesundheitsdienst in<br />

NRW (lögd) und den Gesundheitsämtern<br />

durchgeführt wurde, wurden bis März 2001 in<br />

einem Jahr 1.057 Bewohner und 193 Pflegekräfte<br />

auf MRSA untersucht. Die durchschnittliche<br />

Prävalenzrate beträgt in dieser Studie drei<br />

Prozent. Allerdings wurde als Bezugsgröße für<br />

die Prävalenzen in den Alten- und Pflegeheimen<br />

immer die Gesamtzahl der Altenheimbewohner<br />

herangezogen. „Sobald man allerdings<br />

wie bei den Untersuchungen in den Krankenhäusern<br />

als Bezugsgröße alle Bewohner nimmt,<br />

die Träger von Staphylococcus aureus, also<br />

auch vom Methicillin-sensiblen Staphylococcus<br />

aureus, sind, und das sind durchweg fast 50<br />

Prozent – steigt auch die MRSA-Prävalenz um<br />

mehr als das Doppelte auf 6,3 Prozent“,<br />

erklärt Dr. Barbara Neuhaus vom lögd. „Es<br />

muss heute generell damit gerechnet werden,<br />

dass sich Bewohner von Altenpflegeheimen mit<br />

MRSA infizieren können“, so die Ärztin weiter.<br />

Eine Ursache dafür sei auch, dass sich Einrichtungen<br />

der Altenpflege zunehmend zu Krankenpflegeeinrichtungen<br />

wandelten, mit immer<br />

mehr schwerstpflege- bzw. intensivpflegebedürftigen<br />

Menschen. „Durch die immer kürzer<br />

werdende Krankenhausverweildauer entwickeln<br />

sich Altenpflegeeinrichtungen immer<br />

mehr zu postoperativen Nachsorgeeinrichtungen.<br />

So kann es bei pflegerischen Maßnahmen<br />

insbesondere bei Wundpflege in den Heimen<br />

bei MRSA-Trägern zur MRSA-Infektion bzw.<br />

von diesen Patienten zur Übertragung auf<br />

Gesundheit und Pflege<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 43


Gesundheit und Pflege<br />

44<br />

andere Bewohner kommen, betont auch noch<br />

einmal Dr. Dagmar Heuck vom RKI. Beide<br />

Ärztinnen plädieren dafür, dass das einzig<br />

effektive Mittel zur Bekämpfung von MRSA<br />

eben sei, hygienische Standardmaßnahmen<br />

auch in den Altenheimen strikt einzuhalten,<br />

vor allem dann, wenn es zu einem Ausbruch<br />

kommen sollte. Dass MRSA manchmal in<br />

einem Heim einfach nicht verschwinden will,<br />

liege oft daran, dass eben viele notwendige<br />

Maßnahmen nicht konsequent durchgeführt<br />

würden, beklagt Neuhaus: „Da werden Dekubitalgeschwüre<br />

nicht ausgeheilt, die Behandlung<br />

mit der Nasensalbe nicht konsequent<br />

durchgeführt oder die Händedesinfektion<br />

einfach schlampig durchgeführt, nach dem<br />

Motto ‚husch, husch drüber – fertig‘.“<br />

Hygiene kontra soziale Isolation<br />

„Unser Dilemma ist, dass Hygienemaßnahmen<br />

schnell die Atmosphäre kaputtmachen können“,<br />

bedenkt der Altenpfleger und „MRSA-<br />

Beauftragte“ Stefan Helder aus Duisburg, der<br />

sehr gut verstehen kann, „dass, wenn die Fachleute<br />

ihr Hygieneprogramm sehr seriös abspulen,<br />

Betroffene und Angehörige sich eher an<br />

‚Outbreak‘ erinnert als aufgehoben fühlen. Bei<br />

dieser Maschinerie bleibt dann leider ein Stück<br />

Menschlichkeit auf der Strecke. Vielleicht auch,<br />

weil man nicht offensiv genug mit dem Thema<br />

im Heimbereich umgeht.“ So stünden oft die<br />

Angst vor einem schlechten Ruf, MRSA im<br />

Heim zu haben, und die Furcht vor Zusatzkosten<br />

durch einen zusätzlichen Pflege- und<br />

Hygienemittelaufwand, einem transparenten<br />

Umgang mit MRSA, wie ihn zum Beispiel die<br />

Niederländer praktizierten, im Wege. „Dort<br />

wird schon bei geringstem Verdacht in einer<br />

Einrichtung ein Abstrich genommen und auf<br />

MRSA untersucht.“<br />

Auch die Duisburger Amtsärztin Ute Martin<br />

sieht durchaus das Spannungsfeld zwischen<br />

Hygiene bzw. Infektionsschutz und Wohnlichkeit<br />

in den Heimen. Sie hält aber zur Bekämpfung<br />

der MRSA die Hygienemaßstäbe, die für<br />

die Krankenhäuser gelten, auch für die Pflegeheime<br />

für unabdingbar. „Es ist allerdings wichtig,<br />

dass die alten Menschen, vor allem wenn<br />

sie isoliert sind, sozial betreut werden. Dass<br />

dies neben personellen Zusatzkosten natürlich<br />

auch zu weiteren Kosten bezüglich zusätzlicher<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Hygieneartikel wie Kittel oder Desinfektionsmittel<br />

führt, wird wahrscheinlich auch ein<br />

Grund sein, warum Heime nicht unbedingt<br />

Menschen mit MRSA neu aufnehmen wollen“,<br />

bedenkt Martin. Bei einer gesicherten Finanzierung<br />

hätte man die Probleme sicher besser im<br />

Griff.<br />

Auch Stefan Helder betont, dass Heimbewohner,<br />

die wegen MRSA isoliert würden, von<br />

allen Mitarbeitern inklusive des sozialen Dienstes<br />

sehr intensiv betreut werden müssten: „Es<br />

gilt, den Alltag ins Zimmer zu bringen. Dazu<br />

gehören tägliche Besuche durch soziale Dienste,<br />

durch Angehörige und auch die Bewohner.<br />

Aber auch mehr Gespräche mit dem Personal,<br />

das zudem die Angehörigen motivieren sollte,<br />

ihre Besuche auszudehnen und zu häufen.<br />

Dazu kommen ein gemütliches Zimmer mit<br />

vielen persönlichen Gegenständen, aber auch<br />

Radio, Fernsehen und Telefon. Außerdem<br />

sollten möglichst alle nötigen MRSA-Hygiene-<br />

Utensilien aus dem Blickfeld der Betroffenen<br />

geräumt werden.“<br />

Zudem, betonen auch die Ärztinnen Dr.<br />

Barbara Neuhaus vom lögd und Dr. Dagmar<br />

Heuck vom RKI, könnten bei Einhaltung der<br />

hygienischen Standardmaßnahmen und ohne<br />

Ausbruch einer Infektion, Bewohner, die mit<br />

MRSA besiedelt sind, ohne Probleme am<br />

Gemeinschaftsleben und an Therapiemaßnahmen<br />

eines Altenheims teilhaben. Vor allen<br />

Dingen gelte dies für Bewohner, bei denen<br />

lediglich der Nasenvorhof besiedelt sei und die<br />

mit Nasensalbe therapiert würden. Besiedelte<br />

offene Wunden oder Harnwegssysteme ließen<br />

sich in der Regel problemlos abdecken,<br />

wodurch für die Mitbewohner und Pflegekräfte<br />

keine Infektionsgefahr mehr bestünde. Allerdings<br />

sollten derartige Bewohner auch zur<br />

Händedesinfektion angehalten werden.<br />

„Um die soziale Isolation zu durchbrechen,<br />

wäre auch bei Menschen mit besiedeltem Tracheostoma<br />

– trotz des durch Husten erhöhten<br />

Übertragungsrisikos – die Überlegung wert, das<br />

Zimmer beispielsweise mit einem Rollstuhl zu<br />

verlassen. Dabei wäre allerdings zu beachten,<br />

dass ein gewisser Abstand zu den Mitbewohnern<br />

eingehalten wird, vor allen Dingen zu den<br />

besonders gefährdeten Personen“, so Dr. Barbara<br />

Neuhaus.<br />

Aber auch hier scheinen Anspruch und<br />

Realität wieder einmal weit auseinander zu<br />

klaffen. So hat leider im Falle von Hans Anton


Foto: Werner Krüper<br />

Händedesinfektion<br />

Eine Händedesinfektion ist erst dann ausreichend,<br />

wenn mindestens drei Milliliter Desinfektionslösung<br />

mindestens eine Minute<br />

sorgfältig in den Händen verrieben wird.<br />

Dabei ist darauf zu achten, dass auch Nagelpfalz<br />

und die Haut in den Fingerzwischenräumen<br />

benetzt wird. Auch nach dem Tragen<br />

von Latexhandschuhen sollten die<br />

Hände desinfiziert werden, denn ein erheblicher<br />

Prozentsatz der Handschuhe ist nicht<br />

dicht. Der Spender darf dabei nie mit den<br />

Händen bedient werden.<br />

die wünschenswerte und wichtige soziale<br />

Betreuung während seiner Isolation im Einzelzimmer<br />

überhaupt nicht stattgefunden: „Meine<br />

Schwester und ich, wir haben bei unseren<br />

täglichen Besuchen im Altenpflegeheim nie<br />

erlebt, dass mein Vater auch nur einmal sein<br />

Zimmer verlassen durfte – auch nicht mit<br />

ausreichenden Schutzmaßnahmen – wir waren<br />

eigentlich schon froh, wenn er innerhalb seines<br />

Zimmers überhaupt aus dem Bett kam. Sonstige<br />

soziale Betreuung, die über die pflegerischen<br />

Handlungen hinausging, hat nicht stattgefunden.<br />

Wir fanden jedes Mal einen einsamen<br />

Mann vor, der über Wochen nur seine vier<br />

Wände, zwei vermummte Töchter und verschleiertes<br />

Pflegepersonal gesehen hat“, berichtet<br />

Katja Anton. Dies alles zeigt, dass in der<br />

Altenpflege die hygienischen Aspekte bei<br />

MRSA weit mehr ethisch-soziale Fragen aufwerfen,<br />

als dies in der Krankenpflege der Fall<br />

ist.<br />

Juristische Aspekte im Alten- und<br />

Pflegeheim<br />

„Auf gar keinen Fall muss eine Einrichtung der<br />

stationären Altenhilfe ein speziell ausgestattetes<br />

Zimmer zur Keimverschleppungsprophylaxe<br />

oder gar eine Isolierstation vorhalten. Das<br />

Interesse der Bewohner an einem Leben in<br />

angemessener Umgebung und in Gemeinschaft<br />

steht immer im Vordergrund. Eine MRSA-<br />

Besiedelung rechtfertigt keine Seuchenmaßnahmen“,<br />

betont Hans Böhme. Dies betreffe beispielsweise<br />

auch die Doppelzimmerproblematik<br />

bei mobilen Bewohnern. Zwar sollten<br />

möglichst nur Bewohner zusammenwohnen,<br />

die auch Keime desselben Stammes tragen, ist<br />

allerdings der Partner oder ein Mitbewohner<br />

keimfrei, stünde bei ihm das Selbstbestimmungsrecht<br />

vor etwaigen Sicherungsmaßnahmen,<br />

wie beispielsweise ein hausinterner<br />

Umzug und verstärkte Hygienemaßnahmen.<br />

Verzichte der nicht infizierte Bewohner auf<br />

diese, sollte dies allerdings gut dokumentiert<br />

werden, um etwaigen späteren Vorwürfen und<br />

Ansprüchen zuvorzukommen, so Böhme.<br />

Würden freiheitseinschränkende Maßnahmen<br />

in Betracht gezogen, wären diese ohne richterlichen<br />

Erlass nicht möglich. An solche Maßnahmen<br />

würde zumeist dann gedacht, wenn<br />

bei einem Bewohner mit Demenz und starkem<br />

Bewegungsdrang MRSA aufgetreten sei. Denn<br />

dies stelle die Verantwortlichen oft vor das<br />

große Problem, andere gefährdete Hausbewohner<br />

vor einer Ansteckung zu schützen.<br />

Eine der zentralsten Fragen, die sich Böhme<br />

bei dem Thema MRSA stelle, sei, was man an<br />

Hygienmaßnahmen umsetzen müsse und wie<br />

man das so umsetzen könne, dass die häusliche<br />

Atmosphäre erhalten bleibe. „Ein Altenheim<br />

darf auf keinen Fall in eine Infektionsstation<br />

umgestaltet werden“, fordert der Jurist. Die<br />

Beobachtung, dass die Anforderungen an<br />

Medizin, Pflege und Sicherheit immer größer<br />

werden, lässt ihn befürchten, dass man aus<br />

organisatorischen und finanziellen Gründen im<br />

Pflegeheimbau wieder zu größeren Einrichtungen<br />

tendiere, die man doch eigentlich erst<br />

überwunden glaubte. Große Sorge bereitet<br />

Hans Böhme die Entwicklung, dass viele Entscheidungsträger,<br />

die für Hygiene-Fragen<br />

zuständig sind, aus den Krankenhäusern kommen.<br />

Dies führe auch dazu, dass in den Heimen<br />

leider immer mehr Reglementierungen<br />

Gesundheit und Pflege<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 45


Gesundheit und Pflege<br />

46<br />

Tritt in Heimen MRSA auf, sollten nicht nur die erforderlichen<br />

Hygieneartikel bereitstehen. Auch auf den erschwerten<br />

„persönlichen“ Umgang mit den Betroffenen<br />

Menschen sollten die Pflegepersonen vorbereitet sein.<br />

Foto: Stefan Priesteroth<br />

eingeführt würden, die oft in einen wahren<br />

Papierkrieg mündeten. „Ich denke, dass viele<br />

Heime mit immer mehr Regelungen langsam<br />

überfordert sind. Sie kapitulieren davor und<br />

machen dann dabei einfach auch katastrophale<br />

Fehler“, so Böhme. Andererseits würde seitens<br />

der Politik versäumt, abgestufte Versorgungssysteme<br />

zu etablieren, die die aufkommende<br />

Frage nach Spezialheimen für Schwerst-Pflegebedürftige<br />

überflüssig machen würden.<br />

Weiterbildung in Hygiene<br />

Zudem bleibt die Frage, wie bei ohnehin bestehendem<br />

Personalmangel im Altenpflegebereich<br />

die in der Pflege arbeitenden Personen sich des<br />

immer stärker ausweitenden MRSA und damit<br />

verbundenen Hygiene-Problems annehmen<br />

können. Neben gezielter Information gibt es<br />

auch in diesem Segment die Möglichkeit zur<br />

Fort- und Weiterbildung. Das Bildungsinstitut<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

für Gesundheitswesen gGmbH (BIG) in Duisburg<br />

bietet beispielsweise gezielt für die<br />

Hygiene in Alten- und Pflegeheimen eine 240stündige<br />

berufsbegleitende Ausbildung mit dem<br />

Zertifikat „Hygienebeauftragter in der stationären<br />

Altenhilfe“ an und gehört damit zu den<br />

Vorreitern in Nordrhein-Westfalen. Hermann<br />

Heil-Ferrari, Geschäftsführer des BIG, ist sich<br />

des Spagats bewusst, den die Altenpflege<br />

bezüglich MRSA oft leisten muss: „Neben der<br />

grundsätzlichen Befähigung, Hygieneprobleme<br />

erkennen zu lernen und Lösungsansätze zusammen<br />

mit der Heimleitung umzusetzen, wird<br />

ebenfalls vermittelt, dass neben den Hygienestandards<br />

auch die Wahrung des wohnlichen<br />

Umfeldes gewährleistet bleiben muss. Wir<br />

wollen also keine reinen Hygienepäpste ausbilden“,<br />

betont Heil-Ferrari die Zielsetzung dieser<br />

Weiterbildung, die ein Überblickswissen zur<br />

Hygieneproblematik vermittelt. Des Weiteren<br />

kann in Nordrhein-Westfalen über das BIG<br />

und die Caritas-Akademie in Köln auch eine<br />

berufsbegleitende zweijährige Weiterbildung<br />

zur Hygienefachkraft wahrgenommen werden,<br />

die allerdings mehrere Haken hat. Zum einen<br />

kann diese nur von Krankenpflege- und Kinderkrankenpflegekräften,<br />

die in der Altenpflege<br />

arbeiten, wahrgenommen werden. Des Weiteren<br />

fallen durch Umfang und Dauer der Ausbildung<br />

für den Arbeitgeber die betreffenden<br />

Personen in der Pflege aus, was bei der derzeitigen<br />

Personalnot gegen diese Weiterbildungsmöglichkeit<br />

spricht. Zudem handelt es sich bei<br />

diesen Beispielen auch ‚nur‘ um NRW-spezifische<br />

Angebote. Denn verkompliziert wird alles<br />

durch die unterschiedlichen Kursangebote in<br />

den einzelnen Bundesländern mit ihren eigenen<br />

Weiterbildungs- und Prüfungsverordnungen.<br />

Nicht zuletzt durch das in Sachen MRSA<br />

sehr aktive Gesundheitsamt in Duisburg, das in<br />

enger Kooperation mit dem BIG steht, hat sich<br />

die Hygienesituation in den Alten- und Pflegeheimen<br />

Duisburgs verbessert, wie die Beteiligten<br />

dort berichten. „Ob allerdings der schwierige<br />

Spagat zwischen Hygiene und Wohnlichkeit<br />

nicht nur in der Weiterbildung theoretisch<br />

gelingt, sondern auch zufrieden stellend in der<br />

Praxis umgesetzt wird, dann, wenn MRSA<br />

auftritt, muss sich eben von Fall zu Fall entscheiden<br />

und obliegt keiner echten Kontrolle“,<br />

gibt auch Heil-Ferrari zu bedenken.<br />

Das Beispiel von Hans Anton gibt diesen<br />

Bedenken recht. Sein Heim und dessen Pflege-


personal, das sich ausdrücklich auf die Aufnahme<br />

von Menschen, die MRSA-Träger sind,<br />

spezialisiert hat, hat sich diesbezüglich nicht<br />

ausgezeichnet. Weder durch seine hygienische,<br />

noch durch seine soziale Kompetenz. Mittlerweile<br />

hat Hans Anton es geschafft, die resistenten<br />

Bakterien loszuwerden. Auch wenn der<br />

Preis dafür sehr hoch war; elf Wochen in absoluter<br />

Isolation, in denen er weder Gesichter<br />

ohne Masken sehen noch Berührungen ohne<br />

Latexhandschuhe spüren konnte, stellten eine<br />

enorme psychische Belastung dar. Die Töchter<br />

jedenfalls sehen in diesem Heim keine Zukunft<br />

für ihren Vater. Sie machen sich wieder auf die<br />

Suche nach einer neuen Unterkunft für ihn –<br />

dieses Mal in der Hoffnung – weil „MRSA-frei<br />

– nicht von fast allen angefragten Heimen<br />

abgewiesen zu werden.<br />

Harald Raabe<br />

Literatur<br />

• Heuck, D. et al.: Erste Ergebnisse einer überregionalen<br />

Studie zur MRSA-Besiedlung bei Bewohnern<br />

von Alten- und Pflegeheimen, in: HygMed 2000, 25 (5),<br />

S. 191–192<br />

• Neuhaus, B. et al.: Studie zum Vorkommen von<br />

MRSA in Alten- und Pflegeheimen. Bielefeld 2002,<br />

lögd (Hrsg.), 48 Seiten<br />

• Umgang mit MRSA-Infektionen – Pflegerische, medizinische,<br />

hygienische und juristische Aspekte – Dokumentation<br />

einer Fachtagung im Februar 2002, Diakonisches<br />

Werk Württemberg<br />

• Hans Böhme: Rechtliche Fragestellungen im Umgang<br />

mit MRSA-infizierten Bewohnern in Pflegeheimen,<br />

Teil 1, in: Pflege- & Krankenhausrecht (PKR) 1/2000,<br />

S. 2–6; Teil 2, in: PKR 2/2000, S. 29–33<br />

• Ratgeberbroschüre: MRSA – Mücke oder Elefant,<br />

Hrsg. Evangelischer Verband für Altenarbeit im Rheinland.<br />

Bestellung unter: http://www.eva-rheinland.de/<br />

bestellungen.html#muecke<br />

Kontakte<br />

• Robert Koch-Institut, Burgstr. 37, 38855 Wernigerode,<br />

Telefon 0 39 43/6 79-0, Internet: www.rki.de<br />

• Lögd, Landesinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst<br />

NRW, Westerfeldstr. 35/37, 33611 Bielefeld,<br />

Telefon 05 21/80 07-0, Internet: www.loegd.nrw.de/<br />

• Institut für Gesundheitsrecht und -politik (IGRP),<br />

Rostocker Str. 15, 72116 Mössingen, Telefon 07473/<br />

71676<br />

• BIG-Bildungsinstitut im Gesundheitswesen gGmbH,<br />

Duisburg, Telefon 02 03/35 10 90, Internet:<br />

www.big-duisburg.de<br />

• Caritas-Akademie, Köln, Telefon 02 21/4 68 60-0<br />

Verstärkte „Interkulturelle Öffnung“ der Altenhilfe<br />

in Bremen angestrebt<br />

Die Einrichtungen der Altenhilfe in Bremen<br />

sollen ihre Angebote verstärkt auf die Bedürfnisse<br />

älterer Migranten ausrichten, forderten<br />

der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit,<br />

Jugend und Soziales sowie die Arbeiterwohlfahrt<br />

(AWO) in Bremen. In den Bremer Heimen<br />

seien bisher nur wenige ältere Türken oder<br />

Aussiedler anzutreffen. Die Migranten hätten<br />

zu wenig Kenntnis über die Angebote der<br />

Altenhilfe – auch wenn sie schon seit Jahrzehnten<br />

in Deutschland lebten. Trotz Bemühungen<br />

der Träger um diese Personengruppe seien die<br />

Einrichtungen der Altenhilfe in den Konzepten<br />

und in der Ausgestaltung der Angebote noch<br />

unzureichend auf Migranten eingestellt. Deshalb<br />

habe die AWO eine entsprechende Projektidee<br />

entwickelt und ein Konzept zur „Interkulturellen<br />

Öffnung der Altenhilfe“ erarbeiten<br />

lassen, das auch anderen Trägern im Land<br />

Bremen zur Verfügung stehe. Dieses beinhaltet<br />

eine Bestandsaufnahme, Befragungsergebnisse,<br />

Dimensionen der kulturellen Öffnung sowie<br />

differenzierte Handlungsempfehlungen. In den<br />

AWO Einrichtungen im Bremer Westen, ein<br />

Stadtteil, in dem besonders viele Migranten<br />

leben, setzt jetzt die Phase der Umsetzung ein.<br />

In Bremen leben rund 126.000 Migrant/-innen.<br />

Im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung<br />

nutzen sie die unterschiedlichen Formen<br />

der Unterstützung, wie Nachbarschaftshilfe,<br />

häusliche Krankenpflege, Tages- oder Langzeitpflege,<br />

nur unterdurchschnittlich. S. H.<br />

Ausschreibung des Förderpreises Pflegeschulen<br />

2003/2004<br />

Zum fünften Mal hat die Robert Bosch<br />

Stiftung den Förderpreis Pflegeschulen ausgeschrieben.<br />

Dieser zielt darauf ab, Aktivitäten<br />

anzuregen und zu fördern, die auf ein übergreifendes,<br />

Synergieeffekte bewirkendes Lehren<br />

und Lernen ausgerichtet sind. Unter dem Titel<br />

„Gemeinsam lernen und handeln“ müssen bis<br />

zum 24. Oktober 2003 Unterlagen zur Projektplanung<br />

und bis zum 30. Juni 2004 der Projektbericht<br />

eingereicht werden. Der erste Preis ist in<br />

Höhe von 5.000 Euro dotiert. Weitere Informationen<br />

gibt es unter: www.bosch-stiftung.de<br />

und Foerderpreis.Pflegeschulen@t-online.de.<br />

S. H.<br />

Gesundheit und Pflege<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 47


Gesundheit und Pflege<br />

48<br />

Neueste Forschungsarbeit belegt:<br />

„Bettlägerigkeit ist kein unumkehrbares<br />

Schicksal“<br />

Das Pro<strong>Alter</strong>-Experteninterview<br />

Dass „alte und kranke Menschen für längere Zeit ins Bett gehören“, ist für die Pflegewissenschaftlerin<br />

Angelika Abt-Zegelin eine Überlieferung aus dem 19. Jahrhundert. Seit rund vier<br />

Jahren beschäftigt sich die Doktorandin aus Witten-Herdecke mit dem Thema Bettlägerigkeit<br />

und ist unter anderem zu der Erkenntnis gekommen, dass dieser Zustand für viele Menschen<br />

auch einen sozialen Tod bedeutet. In ihrer Forschungsarbeit hat sie 32 Fälle von Bettlägerigkeit<br />

in der häuslichen und stationären Pflege untersucht. Die Arbeit wird in Kürze eingereicht und<br />

im Verlauf dieses Jahres beim Hans-Huber-Verlag als Buch erscheinen. Für die Leserschaft von<br />

Pro<strong>Alter</strong> hat die renommierte Pflegewissenschaftlerin schon einmal vorab einen Einblick in<br />

ihre Forschungsarbeit gegeben.<br />

Pro<strong>Alter</strong>: Wie kamen Sie auf das Thema<br />

Ihrer Doktorarbeit?<br />

Abt-Zegelin: Ich habe festgestellt, dass<br />

der Begriff „Bettlägerigkeit“ überhaupt nicht<br />

gefüllt ist und von vielen Menschen ganz unterschiedlich<br />

gebraucht wird. Ich war richtig<br />

erschrocken, dass dieser Begriff nicht richtig<br />

definiert ist, aber sehr häufig in der Pflege<br />

benutzt wird. Da ich mich sehr mit Pflege und<br />

Sprache beschäftige, hat mich dieses begriffliche<br />

Vakuum herausgefordert und sozusagen<br />

meinen Forschergeist geweckt. In den Pflegebüchern<br />

zum Beispiel gibt es Bettlägerigkeit nicht<br />

als Stichwort, obwohl es eigentlich in aller<br />

Munde ist. Bei meiner weltweiten Literaturrecherche<br />

musste ich feststellen, dass es über die<br />

Ursachen und Formen von Bettlägerigkeit<br />

keine wissenschaftlichen Untersuchungen gibt.<br />

Das fand ich natürlich sehr spannend, und bei<br />

meiner Forschungsarbeit kam ich mir manchmal<br />

vor wie ein „Kommissar“ in einem Krimi,<br />

der irgendwas Neues entdeckt oder aufdeckt.<br />

Ich hatte aber auch beruflich und privat<br />

viel mit Bettlägerigkeit zu tun, und das ist ein<br />

weiterer Grund, warum mir dieses Thema so<br />

interessant erschien.<br />

Pro<strong>Alter</strong>: Was sind die wesentlichen Merk-<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Angelika<br />

Abt-Zegelin.<br />

Foto: privat<br />

male für diesen Zustand? Und lässt sich Bettlägerigkeit<br />

danach eindeutig definieren?<br />

Abt-Zegelin: Zunächst muss man den<br />

Begriff Bettlägerigkeit abgrenzen von dem<br />

Begriff Bettruhe. Bettruhe ist eine befristete<br />

und häufig vom Arzt angeordnete Therapie<br />

und Schonung. Das ist etwas anderes als „Bettlägerigkeit“.<br />

Ich habe eine vorläufige beschreibende<br />

Definition in meiner Forschungsarbeit<br />

vorgenommen, und mir ist es wichtig, dass<br />

dieser Begriff in der Pflege jetzt differenzierter<br />

gehandhabt wird:


Bettlägerigkeit ist auf jeden Fall ein längerfristiger<br />

Daseinszustand, bei dem sich der Mensch<br />

die überwiegende Zeit des Tages und in der<br />

Nacht liegend aufhält. Es ist egal, ob man<br />

übrigens im Bett liegt oder auf dem Sofa, ob<br />

man halb sitzt oder aufrecht liegt. Entscheidend<br />

ist, dass die Beine oben sind.<br />

Viele Bettlägerige liegen gar nicht<br />

im Bett<br />

Viele Bettlägerige liegen gar nicht im Bett,<br />

sondern zum Beispiel auf dem Sofa oder anderen<br />

bettähnlichen Liegemöbeln. Das wesentliche<br />

Element der Definition ist, dass sich die<br />

Betroffenen die überwiegende Zeit des Tages<br />

liegend aufhalten, egal auf welchem Möbel.<br />

Man muss nun verschiedene Formen von<br />

Bettlägerigkeit unterscheiden. Ich habe in der<br />

Doktorarbeit drei unterschiedliche Schweregrade<br />

beschrieben. In der strikten Form von<br />

Bettlägerigkeit steht der Mensch überhaupt<br />

nicht mehr auf. Dann liegt er 24 Stunden. Bei<br />

einer leichten Ausprägung von Bettlägerigkeit<br />

ist es so, dass sich der Mensch vier bis fünf<br />

Stunden in einem Rollstuhl oder Sessel außerhalb<br />

des Bettes aufhalten kann. Dazwischen<br />

gibt es eine mittlere Ausprägung von Bettlägerigkeit.<br />

Die Menschen liegen die überwiegende<br />

Zeit des Tages, auch wenn sie das Bett für<br />

einige Handlungen verlassen können (zum<br />

Beispiel zur Toilette gehen). Man kann auch<br />

noch unterscheiden, ob jemand die Hilfe von<br />

einer oder zwei Personen braucht, ob er das<br />

alleine machen kann oder dabei auf Hilfsmittel<br />

angewiesen ist.<br />

Pro<strong>Alter</strong>: Ist Bettlägerigkeit bei alten<br />

Menschen ein „Massenphänomen“?<br />

Abt-Zegelin: Das ist ein Tabuthema und<br />

eine Grauzone, je nachdem wie man „Bettlägerigkeit“<br />

definiert. Man kann zum Beispiel<br />

sagen, dass im Grunde jeder Mensch, bevor er<br />

stirbt, irgendwann auch bettlägerig ist. Insoweit<br />

kommt es wahrscheinlich recht häufig vor.<br />

Ich persönlich glaube, dass das ein häufiger<br />

Zustand ist.<br />

Wenn sie zum Beispiel im Altenheim nach<br />

bettlägerigen Bewohnern fragen, wird zumeist<br />

behauptet, dass es keine gäbe. Denn die Pflegenden<br />

denken, dass sobald sie einen Bewohner<br />

kurzfristig (zum Beispiel zweimal am Tag<br />

für eine halbe Stunde) „raussetzen“, dieser<br />

dann nicht mehr dauerhaft liegt, obwohl er<br />

eigentlich nur disloziert wird und sich gar nicht<br />

selbst bewegt. Im Sinne der aktivierenden<br />

Pflege darf aber keiner dauerhaft liegen. Deshalb<br />

werden immer vordergründig alle Betroffenen<br />

aus dem Bett in einen Stuhl gesetzt. Es ist<br />

aber nur eine Frage der Definition, ob dieser<br />

Zustand etwas anderes ist als Bettlägerigkeit.<br />

Foto: Werner Krüper<br />

Gesundheit und Pflege<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 49


Gesundheit und Pflege<br />

50<br />

Die betroffenen Menschen definieren diesen<br />

Zustand der „Bettlägerigkeit“ übrigens anders.<br />

Und diese Definition ist das zentrale Konzept<br />

meiner Arbeit. Es handelt sich hierbei um eine<br />

allmähliche Ortsfixierung: „Ich bin wie festgenagelt“,<br />

sagten die Befragten. Für die Menschen<br />

ist nicht entscheidend, ob sie im Bett<br />

liegen oder an einem anderen Ort fixiert sind.<br />

Sie brauchen aber auf jeden Fall Hilfe, um<br />

diesen Ort zu verlassen. Wenn sie beispielsweise<br />

im Altenheim gesagt bekommen, dass<br />

keiner bettlägerig sei, dann kann es aber sein,<br />

dass einige Bewohner am Sessel oder am Sitzstuhl<br />

„fixiert“ sind in dem Sinne, dass sie von<br />

dort alleine nicht wegkönnen. Und leider gibt<br />

es davon ganz viele Fälle.<br />

<strong>Alter</strong> ist nicht der entscheidende<br />

Punkt, ob ein Mensch bettlägerig<br />

wird<br />

Pro<strong>Alter</strong>: Worin liegen Ihrer Meinung nach<br />

die entscheidenden Ursachen für die Bettlägerigkeit?<br />

Abt-Zegelin: Eine wichtige Erkenntnis<br />

meiner Untersuchungen ist, dass es sich dabei<br />

um einen schleichenden Prozess handelt und<br />

dass es ein Bündel verschiedener und miteinander<br />

verketteter Einflussfaktoren und Ursachen<br />

für Bettlägerigkeit gibt. Dazu habe ich 32<br />

Personen in Altenheimen und zu Hause sehr<br />

ausführlich befragt. Ich habe bei allen die<br />

Entwicklung nachgezeichnet und festgestellt,<br />

dass es da immer wieder die gleichen wiederkehrenden<br />

Muster gibt. Die Ursachen liegen<br />

gar nicht so sehr im Krankheitsbereich. Ich<br />

habe bettlägerige Menschen mit ganz unterschiedlichen<br />

Diagnosen untersucht. Auch das<br />

<strong>Alter</strong> ist nicht der entscheidende Punkt, ob ein<br />

Mensch bettlägerig wird oder nicht. Am<br />

Anfang meiner Forschung habe ich gedacht,<br />

dass Bettlägerigkeit mit dem <strong>Alter</strong> zusammenhängt.<br />

Aber ich habe ganz aktive 95-Jährige<br />

getroffen, die dagegen ankämpfen, und ich<br />

habe 65-Jährige gesehen, die ganz passiv liegen<br />

geblieben sind.<br />

Ein entscheidender Teil der Ursachen liegt<br />

also in dem bettlägerigen Menschen selbst. Ein<br />

großes Problem ist hierbei die Rücksichtnahme.<br />

Das heißt, wenn der Mensch sich selbst<br />

als lästig empfindet und wenn er erlebt, dass<br />

das Personal knapp ist und dass noch andere<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

deren Hilfe brauchen, dann wollen die Hilfsbedürftigen<br />

keine „Zumutung“ sein und sagen:<br />

„Ach, heute muss ich nicht aufstehen.“ Die<br />

Betroffenen nehmen sich zurück und wollen<br />

liegen bleiben oder nur ganz kurz vor das Bett<br />

gestellt werden, was aber nicht ausreicht,<br />

damit sich der Kreislauf umstellen kann. Auch<br />

jemanden einmal am Tag 15 Minuten aus dem<br />

Bett zu nehmen, ist noch nicht genug. Die<br />

Menschen müssen wie in der Normalität ganz<br />

viel Zeit außerhalb des Bettes verbringen, mit<br />

den Beinen nach unten. Das ist aber aus strukturellen<br />

und personellen Gründen in der häuslichen<br />

und stationären Pflege nicht machbar.<br />

Durch die Zeitkorridore schaffen das die beruflich<br />

Pflegenden in der häuslichen Pflege gar<br />

nicht, die pflegenden Angehörigen sind oft<br />

selbst gebrechlich und überfordert. Die Betroffenen<br />

nehmen also Rücksicht, und die Pflegenden<br />

denken, die wollen nicht aufstehen.<br />

In diesem Zusammenhang spielt auch die<br />

Individualität der Betroffenen eine wichtige<br />

Rolle. Es ist entscheidend, ob der- oder diejenige<br />

noch Ziele hat, ob er sein Dasein als sinnvoll<br />

erlebt und wie die ganze Situation gedeutet<br />

wird. Auch soziale Bindungen sind sehr wichtig.<br />

Wenn jemand sich sehr gut aufgehoben<br />

fühlt oder wenn er familiär eingebunden ist,<br />

dann fühlen sich die Menschen noch zu was<br />

nütze, und da ist es wahrscheinlicher, dass die<br />

Betroffenen wieder „auf die Beine kommen“<br />

wollen.<br />

Schon nach kurzer Zeit<br />

Liegepathologie<br />

Pro<strong>Alter</strong>: Worin besteht denn die Gefahr,<br />

wenn Menschen zu lange an einem Ort fixiert<br />

sind?<br />

Abt-Zegelin: Wenn jemand mehrere<br />

Tage liegen bleibt, gibt es schon nach kurzer<br />

Zeit eine Liegepathologie. Das sind organische<br />

Veränderungen, die eine Kreislaufumstellung,<br />

Schwindelanfälle, Übelkeit, Angst, Zittern und<br />

Muskelschwäche zur Folge haben können.<br />

Wenn man Menschen ruhig stellt und sie auf<br />

einen Ort fixiert, dann kommt es auch zu<br />

kognitiven Einbußen. Viele Menschen können<br />

sich nicht mehr konzentrieren. Ihnen wird alles<br />

zu viel. Am Ende meiner Doktorarbeit gebe ich<br />

viele Beispiele dafür, dass durch die Ortsfixierung<br />

auch das Zeitgefühl verloren geht. Da


schrumpfen Monate und Jahre zusammen, und<br />

die Menschen bekommen eine gleichgültige<br />

Haltung. Sie fügen sich in diesen Zustand ein.<br />

Bei einer Geschichte, die ich sehr traurig<br />

fand, hat mir ein Mann erzählt, wie langweilig<br />

es ihm durch das Liegen sei und dass er<br />

dadurch geistig veröde. Er war einmal Arzt,<br />

und nun ist er bei allem auf Hilfe angewiesen.<br />

Alles wird von außen an ihn herangetragen. Er<br />

hat überhaupt keine geistige Nahrung, und er<br />

hat keine Rückzugsmöglichkeit. Ich habe ein<br />

Kapitel meiner Doktorarbeit dem Umstand<br />

gewidmet, dass, wenn man bettlägerig ist,<br />

überhaupt kein Privatraum mehr vorhanden<br />

ist. Das Bett wird zur letzten Wohnstätte, und<br />

jeder darf darin „rumwurschteln“. Das hat<br />

dieser Mann sehr deutlich dargestellt, und das<br />

hat mich nachhaltig beeindruckt.<br />

Menschen brauchen Anreize,<br />

um das Bett zu verlassen<br />

Wir „gesunden“ Menschen bewegen uns ja<br />

zielgerichtet, „um etwas zu tun“ – eine Bewegung<br />

(zum Teil mit Anstrengung) nur um der<br />

Bewegung willen erscheint sinnlos. Ich will<br />

damit sagen, dass auch Anreize gegeben werden<br />

müssen, um das Bett zu verlassen – zwei<br />

Meter weiter in eine Ecke zu starren, ist langweilig!<br />

Die „Mobilisationen“ müssten verknüpft<br />

werden mit anderen Ereignissen.<br />

Pro<strong>Alter</strong>: Gibt es noch andere Faktoren,<br />

die zu Bettlägerigkeit führen können, aber<br />

nicht in der Motivation des betroffenen Menschen<br />

selbst begründet liegen und deshalb für<br />

Außenstehende leichter zu erfassen sind?<br />

Abt-Zegelin: Eine ganz wichtige Rolle<br />

spielt auch die Umgebung, wie zum Beispiel die<br />

Möbel – und vor allem das Bett. Viele Betroffene<br />

antworteten auf die Frage, seit wann sie<br />

bettlägerig seien: „Seitdem ich im Pflegebett<br />

liege.“ Wenn zu Hause zum Beispiel ein Pflegebett<br />

aufgestellt wird, dann stehen die Menschen<br />

weniger auf. Das Aufstehen wird mit den<br />

Pflegebetten auch schwieriger, da diese ja höher<br />

als normale Betten sind.<br />

Eine Frau lag zum Beispiel zu Hause auf<br />

einer Gartenliege aus Rattan. Sie lebte noch<br />

mit ihrem Mann zusammen und wollte das<br />

Wohnzimmer nicht mit einem Krankenbett<br />

verschandeln. Da ist mir noch mal deutlich<br />

geworden, dass dort, wo Pflege agiert, alles<br />

sofort zum Krankenhaus umgestellt wird. Es<br />

gab auch keinen Pflegedienst in diesem Haushalt.<br />

Es leuchtet mir völlig ein, dass viele Menschen<br />

versuchen, in ihrem Zuhause so etwas<br />

wie Gemütlichkeit und die bisherige soziale<br />

Ordnung beizubehalten. Das wird durch Pflege<br />

leider sehr schnell gestört. Ich denke, da muss<br />

Pflege lernen, in den Hintergrund zu treten. In<br />

dieser Situation muss die Wohnlichkeit im<br />

Vordergrund stehen. Die Betten, die ich in der<br />

häuslichen Pflege gesehen habe, waren billige,<br />

abgestoßene und weiß lackierte Pflegebetten.<br />

Dabei produziert die Industrie doch bessere<br />

und wohnlichere Möbel. Aber diese habe ich<br />

bei keinem angetroffen.<br />

Das Bett wird zur letzten<br />

Wohnstätte, und jeder darf<br />

darin „rumwurschteln“.<br />

Foto: Werner Krüper<br />

Gesundheit und Pflege<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 51


Gesundheit und Pflege<br />

52<br />

Wohnlichkeit muss im Vordergrund<br />

stehen<br />

Ein weiteres großes Problem ist auch der fehlende<br />

Komfort der Sessel und Rollstühle. Ich<br />

habe ganz häufig in Altenheimen gesehen, wie<br />

ungemütlich diese Rollstühle sind. Oftmals gibt<br />

es die Transportrollstühle aus dem Krankenhaus,<br />

die ja eigentlich nur für einen kurzen<br />

Transport gedacht sind. Die Menschen brauchen<br />

jedoch gepolsterte und individuell angepasste<br />

Rollstühle. Die großen Greifräder nutzen<br />

alte Leute oft gar nicht. Sie haben entweder<br />

keine Kraft oder möchten sich nicht schmutzig<br />

machen und versuchen, mit Hilfe ihrer Füße<br />

vorwärts zu „tippeln“. In den engen Zimmern<br />

lassen sich die Rollstühle nur schwer manövrieren.<br />

Eine gute <strong>Alter</strong>native sind Rollstühle mit<br />

kleinen Leichtlaufrädern, die sich leichter<br />

bewegen lassen.<br />

Wenn die Menschen in unbequeme Sitzgelegenheiten<br />

oder Rollstühle gesetzt werden<br />

dann kann man sicher sein, dass sie nach kurzer<br />

Zeit lautstark klagen und wieder zurück ins<br />

Bett wollen, weil sie Schmerzen bekommen.<br />

Dann überlegen sie sich, „Mensch jetzt haben<br />

die mich hier angezogen und so viel Aufhebens<br />

gehabt, um mich aus dem Bett zu holen.“<br />

Dann nehmen sie sich vor, sitzen zu bleiben, bis<br />

es für sie unerträglich wird. So haben die<br />

Betroffenen mir das geschildert. Die Folge<br />

davon ist, dass die Menschen dann am zweiten<br />

oder dritten Tag sagen: „Ach, ich bleibe doch<br />

lieber im Bett.“ So kann es sein, dass diese<br />

Menschen nicht mehr zustimmen, wenn eine<br />

Pflegeperson sie trotzdem mobilisieren will.<br />

Die Betroffenen können sich ganz einfach steif<br />

machen oder sich fallen lassen. Solch ein<br />

erschwerter Transfer führt auf beiden Seiten<br />

dazu, dass der Betroffene eher liegen bleibt.<br />

Diese Entwicklung kann man als Pflegender<br />

kaum kontrollieren. In meiner Studie habe ich<br />

immer wieder festgestellt, dass die Menschen<br />

unprofessionell aus dem Bett geholt werden,<br />

Transferkonzepte zum Beispiel aus der Kinästhetik<br />

waren kaum bekannt.<br />

Pro<strong>Alter</strong>: Sie haben von einem schleichenden<br />

Prozess der Ortsfixierung gesprochen,<br />

an dessen Ende oftmals die völlige Bettlägerigkeit<br />

des Menschen steht. Haben sie auch die<br />

Auslöser dieser „Bettlägerigkeitskarriere“<br />

untersucht, und was waren dabei Ihre Erkenntnisse?<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Abt-Zegelin: Bei fast allen untersuchten<br />

Fällen war eine Sturzgeschichte oder ein Krankenhausaufenthalt<br />

der Auslöser für die Bettlägerigkeit.<br />

Viele der Befragten sind x-mal<br />

gestürzt. Sie sind operiert worden und haben<br />

zum Beispiel neue Hüftgelenke bekommen.<br />

Aber keiner hat zusammen mit den Betroffenen<br />

überlegt, warum sie stürzen oder was man zu<br />

Hause an Prophylaxe machen kann. Sturzprophylaxe<br />

halte ich für ganz wichtig.<br />

Auch bei einem intakten Bewegungsapparat<br />

kann ein Krankenhausaufenthalt der Auslöser<br />

für eine Bettlägerigkeit sein. Es hat mich<br />

sehr erschüttert, dass die Menschen im Krankenhaus<br />

oftmals einfach liegen bleiben. Es gab<br />

Fälle wo den Menschen nicht gesagt wurde,<br />

dass sie aufstehen sollen, mit der Folge, dass<br />

eine Woche lang das Bett nicht verlassen<br />

wurde. Wenn diese Patienten dann entlassen<br />

werden sollen, haben sie beim erstmaligen<br />

Aufstehen große Probleme. Im Krankenhaus<br />

gibt es immer noch diese alte Patientenrolle<br />

und den Aufforderungscharakter sich ins Bett<br />

zu legen. Die Menschen ziehen sofort ein<br />

Nachthemd an, legen sich hin und bleiben<br />

liegen. In den meisten Krankenhäusern gibt es<br />

beispielsweise keine gemütlichen Aufenthaltsräume,<br />

und zudem müssen die Patienten ja<br />

immer verfügbar sein.<br />

Pro<strong>Alter</strong>: Was können Ihrer Meinung<br />

nach Pflegende tun, um die Gefahr der Bettlägerigkeit<br />

zu erkennen bzw. dagegen anzugehen?<br />

Abt-Zegelin: Ich habe mich sehr darüber<br />

aufgeregt, dass Bettlägerigkeit als schicksalhaft<br />

angenommen wird. Die Geschichte, warum<br />

jemand bettlägerig geworden ist, wird nicht<br />

nachverfolgt. Die Pflegenden müssen lernen,<br />

bei jedem, der bettlägerig geworden ist, nach<br />

den Ursachen zu forschen. Ein Ergebnis meiner<br />

Doktorarbeit ist, dass bei den meisten zu einem<br />

bestimmten Zeitpunkt diese Entwicklung<br />

reversibel gewesen wäre.<br />

Pflegende müssen nach Ursachen<br />

forschen<br />

Da kein betroffener Mensch glücklich mit<br />

seiner Bettlägerigkeit ist, sondern die meisten<br />

sich sogar darüber beklagen, denke ich, dass es<br />

sich lohnt, diesen Zustand wieder rückgängig<br />

zu machen. Das funktioniert allerdings nicht


ohne ein Konzept. Wenn man jemand auftrainieren<br />

will, muss dies ganz langsam geschehen.<br />

Bettlägerige Menschen können nicht einfach<br />

aus dem Bett in die Senkrechte gestellt werden.<br />

Ich werde nach der Doktorarbeit an der Entwicklung<br />

eines Assessment-Instruments zur<br />

Einschätzung der Situation weiterarbeiten. Ich<br />

bin überzeugt, dass es möglich ist, viele Menschen,<br />

die sonst jahrelang liegen, wieder in ein<br />

„bewegtes“ Leben zurückzuholen. Durch gute<br />

Mobilisierung kann auch etwas gegen fortgeschrittene<br />

Bettlägerigkeit getan werden. Das<br />

habe ich aber leider während meiner Untersuchung<br />

in der Pflege nur ganz selten angetroffen.<br />

Pro<strong>Alter</strong>: Welche Konsequenzen stellen<br />

sich für die Pflege nach Ihrer Arbeit?<br />

Abt-Zegelin: Ich selbst werde sehr viel<br />

dafür tun, dass die Arbeit bekannt wird und<br />

dass Bettlägerigkeit nicht als schicksalhafter<br />

Endzustand definiert wird. Die Arbeit richtet<br />

sich eindeutig an die Pflege und ist ein Beitrag,<br />

um deutlich zu machen, was Pflege ist und<br />

Pflege leisten kann. Das unreflektierte „Ausdem-Bett-Zerren“<br />

der Menschen im Sinne einer<br />

zu eng verstandenen aktivierenden Pflege ist<br />

nicht gut. Es muss differenzierter mit dieser<br />

Problematik umgegangen werden, dazu kann<br />

auch gehören, zu akzeptieren, wenn ein<br />

Mensch wirklich nicht mehr aufstehen möchte,<br />

wenn er seine Energie für wichtigere Dinge<br />

braucht. In den nächsten Jahren werde ich<br />

versuchen, diese wesentliche Erkenntnis meiner<br />

Doktorarbeit überall zu transportieren.<br />

Ich möchte auch, dass an dem Thema<br />

Bettlägerigkeit weiter geforscht wird, dass es in<br />

die Lehrbücher kommt, in die Bildungsgänge<br />

und an die Hochschulen. Es soll als pflegerische<br />

Aufgabe begriffen werden, etwas gegen<br />

Bettlägerigkeit zu tun, wenn die Betroffenen<br />

das möchten.<br />

Das Interview führte Simone Helck.<br />

Bereits 1979 lagen dem KDA schlüssige<br />

Erkenntnisse zum Thema „Pflegebedürftigkeit<br />

und Bettlägerigkeit“ vor, aus denen sich<br />

eine klare politische Forderung ableiten ließ:<br />

Das Merkmal „Bettlägerigkeit“ sollte als<br />

Kriterium für die Beurteilung des Ausmaßes<br />

der Pflegebedürftigkeit aus den Länderrichtlinien<br />

in Zukunft ausgeschlossen und dauerhafte<br />

Bettlägerigkeit somit verhindert werden.<br />

Durch die damaligen Länderrichtlinien<br />

wurden Bettlägerige in die höchste Pflegestufe,<br />

mit dem günstigsten Personalschlüssel<br />

und den höchsten Pflegesätzen eingestuft.<br />

Einrichtungen der Altenhilfe, die ihren<br />

Bewohnern durch unnötige Bettruhe Schaden<br />

zufügten, wurden dadurch ökonomisch<br />

belohnt. Nach Auffassung des KDA war die<br />

Bettlägerigkeit jedoch kein objektives Merkmal<br />

des pflegerischen Zustandes eines Menschen,<br />

sondern ein Indikator für die pflegerische<br />

Grundhaltung der Einrichtung.<br />

Auf einer Studienreise durch niederländische<br />

Pflegeheime im Jahr 1980 stellten KDA-<br />

Mitarbeiter fest, dass der Anteil von Bettlägerigen<br />

in den Pflegeheimen unseres Nachbarlandes<br />

lediglich fünf Prozent betrug und<br />

damit deutlich niedriger lag als in deutschen<br />

Pflegeheimen. Eine daraufhin vom KDA<br />

durchgeführte Untersuchung bei 472 Bewohnern<br />

in 16 Pflegeheimen in NRW vertiefte<br />

diese Erkenntnisse, und man kam zu dem<br />

Schluss, dass Bettlägerigkeit das schlechteste<br />

Pflegebedürftigkeitskriterium überhaupt sei<br />

und als Bewertungskriterium für die Einschätzung<br />

der Pflegebedürftigkeit von<br />

Bewohnern von Pflegeheimen untauglich.<br />

Das KDA warnte vor den negativen Effekten<br />

einer solchen Einschätzung, die auf eine<br />

Erhaltung dieses Zustandes und nicht auf<br />

dessen Überwindung abziele.<br />

Die KDA-Forschungsergebnisse und die<br />

daran geknüpften Forderungen, die Bettlägerigkeit<br />

als Pflegebedürftigkeitskriterium<br />

auszuschließen, zeigten in den darauf folgenden<br />

Jahren auch auf bundespolitischer Ebene<br />

ihre Wirkung. Die damalige Bundesregierung<br />

versprach auf Drängen der Opposition und<br />

des KDA, das Merkmal Bettlägerigkeit durch<br />

objektivere Kriterien zur Bestimmung der<br />

Pflegebedürftigkeit zu ersetzten und aus den<br />

Länderrichtlinien zu streichen.<br />

Simone Helck<br />

Gesundheit und Pflege<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 53


Gesundheit und Pflege<br />

54<br />

Umfang der Behandlungspflege<br />

in Pflegeheimen<br />

Da immer wieder Fragen zu juristischen Problem aus der Pflegepraxis an das KDA gerichtet<br />

werden, wird Pro<strong>Alter</strong> in Zukunft diese regelmäßig aufgreifen und vom Juristen und Soziologen<br />

Hans Böhme beantworten lassen. Dieser ist wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Gesundheitsrecht<br />

und -politik (IGRP) in Mössingen.<br />

Schon einmal hat Pro<strong>Alter</strong> in der Ausgabe 3/2002 die Schnittstellproblematik zwischen Behandlung<br />

und Pflege und die rechtliche Situation bezüglich der Dekubitusbehandlung in Heimen<br />

in einem Experteninterview mit dem Juristen dargestellt. In dieser Ausgabe veröffentlichen<br />

wir die an uns gerichtete Frage einer Pflegedienstleitung aus einem Seniorenheim, die ebenfalls<br />

die Abgrenzung zwischen Behandlung und Pflege betrifft und lassen den Juristen darauf antworten.<br />

Frage: Seit Anfang des Jahres wenden sich<br />

immer mehr Haus- und Fachärzte an uns. Sie<br />

werden von den Kassen informiert, dass delegierbare<br />

ärztliche Leistungen grundsätzlich bei<br />

uns in Rechnung gestellt werden können. Die<br />

Qualifizierung des Pflegepersonals wird als<br />

gegeben angesehen. Mein Einwand besteht<br />

darin, dass ein Wechsel einer Trachealkanüle<br />

nicht praktischer genereller Ausbildungsinhalte<br />

zur Kranken- bzw. Altenpflegeausbildung ist.<br />

Ferner ist das Katheterisieren eines Mannes<br />

vom Pflegepersonal verboten. Auch wenn eine<br />

medizinische Indikation vorliegt, kann das<br />

Pflegepersonal vom Verweigerungsrecht<br />

Gebrauch machen.<br />

Die Krankenkassen zahlen den Ärzten diese<br />

Leistungen nicht mehr, also werden wir als<br />

stationäre Altenpflegeeinrichtung in die Pflicht<br />

genommen. Wir erhalten nur Pauschalkostensätze,<br />

wo die Behandlungspflege enthalten ist.<br />

Wird es soweit kommen, dass wir bald – egal<br />

in welchem Umfang – Behandlungspflege all<br />

inclusive anbieten müssen? Es ist für uns nicht<br />

detailliert abrechenbar und somit auch nicht<br />

nachvollziehbar.<br />

Können Sie mir eine verbindliche Mitteilung<br />

auch rechtlich zukommen lassen?<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Hans Böhme.<br />

Foto: privat<br />

Antwort des Juristen Hans Böhme<br />

Maßgebend ist zum einen § 11 des Heimgesetzes<br />

– Anforderungen an den Betrieb eines<br />

Heimes – und sind zum anderen die §§ 43 ff.<br />

SGB XI, in denen als Inhalt der Leistungen im<br />

Rahmen der vollstationären Pflege auch „Aufwendungen<br />

für Leistungen der medizinischen<br />

Behandlungspflege“ bis 31. Dezember 2004<br />

mit aufgenommen sind.<br />

In § 11 Abs. 1 Nr. 3 des Heimgesetzes ist<br />

u.a. als Anforderungen an den Betrieb eines<br />

Heimes geregelt, dass das Heim nur betrieben<br />

werden darf, wenn der Träger und die Leitung<br />

eine „angemessene Qualität der Betreuung der<br />

Bewohnerinnen und Bewohner, auch soweit sie<br />

pflegebedürftig sind, in dem Heim selbst oder<br />

in angemessener anderer Weise einschließlich<br />

der Pflege nach dem allgemein anerkannten


Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse<br />

sowie die ärztliche und gesundheitliche Betreuung<br />

sichern“. Die Sicherstellung der ärztlichen<br />

und gesundheitlichen Betreuung ist im Hinblick<br />

auf § 43 SGB XI keineswegs umfangmäßig<br />

festgestellt. Zum einen ist damit das Hausrecht<br />

des Heimes eingeschränkt, in dem Sinne,<br />

dass dem Arzt Zutritt zu gewähren ist, der Arzt<br />

notfalls gerufen werden muss und eine<br />

Zusammenarbeit mit dem Arzt zu erfolgen hat.<br />

Dabei ist zu beachten, dass der Arzt nur Besucher<br />

ist, den Heimmitarbeitern gegenüber also<br />

kein Weisungsrecht hat. Es handelt sich um ein<br />

gleichgeordnetes Kooperationsverhältnis (Hans<br />

Böhme/Gerhard Göttert: PQsG/HeimG –<br />

Praxiskommentar zu den neuen Gesetzen,<br />

WEKA Media, Kissing, 2002, S. 305).<br />

Meines Erachtens bedeutet Behandlungspflege<br />

im Sinne der §§ 43 ff. SGB XI alle Katalogleistungen<br />

der ambulanten Dienste in der<br />

Behandlungspflege; dazu gehört auch der<br />

Blasenkatheterismus und Wechseln einer Trachealkanüle.<br />

Der Leistungskatalog Behandlungspflege<br />

im Sinne von medizinischen Leistungen,<br />

die nicht vom Arzt selbst erbracht<br />

werden müssen, lautet wie folgt (vgl. auch das<br />

Stichwort „Behandlungspflege“ in Hans<br />

Böhme: Rechtshandbuch für Pflegeeinrichtungen<br />

von A–Z, WEKA Media, Kissing, Loseblatt,<br />

3. Aktualisierungslieferung, Stand: Mai<br />

2003, unter Arbeitshilfen, S. 3):<br />

• Verbandswechsel/Wundpflege<br />

• Injektionen<br />

• Katheterpflege/-wechsel<br />

• Dekubitusbehandlung<br />

• Einlauf/Darmentleerung<br />

• Spezielle Krankenbeobachtung/-überwachung<br />

• Einreibungen, Wickel<br />

• Medikamentenüberwachung/-Verabreichung<br />

• Bronchialtoilette/Tracheal-Kanülenpflege<br />

inkl. Wechsel<br />

• Künstliche Ernährung.<br />

Ein Verbot der Katheterisierung beim Mann<br />

gibt es wahrlich nicht – das Gegenteil ist der<br />

Fall. Der Wechsel einer Trachealkanüle ist für<br />

Krankenpflegepersonal und medizinisch pflegerisch<br />

ausgebildetes Altenpflegepersonal ebenso<br />

erlernbar wie das Legen und Ziehen von<br />

Kathetern. Ein Weigerungsrecht gibt es für das<br />

Pflegepersonal nur dann, wenn es nicht in der<br />

Lage ist, diese Manipulationen durchzuführen.<br />

Für diesen Fall ist der Arbeitgeber berechtigt,<br />

das Personal nachzuqualifizieren. Maßgebend<br />

ist nicht, was praktisch genereller Ausbildungsinhalt<br />

in der Kranken- bzw. Altenpflegeausbildung<br />

ist, sondern was erlernbar ist.<br />

Es gibt keinen Beruf, in dem die Ausbildung<br />

deckungsgleich mit der Praxis ist. Es ist für die<br />

Einrichtungen überhaupt kein Problem, Mitarbeiter,<br />

die eine pflegerische Ausbildung haben,<br />

nachzuqualifizieren. Dies übrigens ist auch<br />

Sinn und Zweck des sogenannten Befähigungsnachweises,<br />

mit dem bestätigt wird, dass über<br />

die Ausbildung hinaus Mitarbeiter auch in<br />

anderen Bereichen die rein handwerkliche<br />

Durchführung erlernt haben und voll beherrschen.<br />

Übrigens: Wenn die Heimeinrichtung nicht<br />

in der Lage ist, mit dem vorhandenen Personal<br />

die Behandlungspflegeleistungen zu erbringen,<br />

dann muss die Heimeinrichtung eben entsprechend<br />

qualifiziertes Personal beschäftigen. Im<br />

Klartext: Personal, das zur Durchführung von<br />

Behandlungspflege nicht geeignet ist, muss<br />

eventuell entlassen werden und Personal, das in<br />

der Lage ist, entsprechende Leistungen zu<br />

erbringen, eingestellt werden. Hier hat die<br />

stationäre Pflegeeinrichtung einen kassenpflegerischen<br />

Sicherstellungsauftrag, der auch zu<br />

erfüllen ist. Noch ist es so, dass sich der Leistungsumfang<br />

nicht nach dem Wollen der Ausgebildeten<br />

richtet, sondern nach dem Bedarf<br />

am Markt und damit nach den Kundenwünschen.<br />

Ich kann den Bewohner nicht in einen<br />

grundpflegerischen und behandlungspflegerischen<br />

Teil aufteilen und sagen, dafür ist der<br />

eine und dafür ist der andere verantwortlich.<br />

Es muss gewährleistet sein, dass in der Einrichtung<br />

selbst die notwendigen und erforderlichen<br />

Leistungen auch erbracht werden können.<br />

Was die Einrichtung kostenmäßig erhält, ist<br />

Verhandlungssache und hat mit der Frage des<br />

Umfanges der Behandlungspflege überhaupt<br />

nichts zu tun. Somit ist der Standpunkt der<br />

Krankenkassen in der Tat richtig und wird<br />

auch von der Mehrheit der Gerichte und Mehrheit<br />

der Juristen so geteilt.<br />

Nur zur Information: Der Autor schult<br />

schon seit Jahren im Auftrag des Medizinischen<br />

Dienstes der Spitzenverbände die Qualitätsprüfer<br />

des MDK in Rechtsfragen und überlässt<br />

dem Autor die Beantwortung etlicher<br />

diesbezüglicher Anfragen von Einrichtungen<br />

und deren Mitarbeiter.<br />

Gesundheit und Pflege<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 55


Gesundheit und Pflege<br />

56<br />

Abschließend noch ein Wort zur Qualifikation<br />

von Leitungskräften: Wer nicht in der Lage ist,<br />

mit dem vorhandenen – eventuell nachzuqualifierenden<br />

Personal – die kassenpflegerische<br />

Sicherstellung zu organisieren, ist als Leitungskraft<br />

nicht geeignet.<br />

Der Umfang der so genannten „Behandlungspflege“<br />

in stationären Einrichtungen nimmt<br />

immer mehr zu. Inzwischen verwendet man<br />

weniger den Begriff „Behandlungspflege“ und<br />

spricht eher von „Mitarbeitsaufgaben“ bei<br />

medizinischer Diagnostik und Therapie. Die<br />

Pflege hat hier die Durchführungsverantwortung,<br />

die Anordnungsverantwortung obliegt<br />

dem Arzt. Die ärztlichen Mitarbeitsaufgaben<br />

gehören also nicht zum Kern des pflegerischen<br />

Handelns; die Pflege arbeitet hier nicht selbständig,<br />

sondern nach Anweisungen des Arztes.<br />

Seit Jahrzehnten gibt es immer wieder<br />

Streit darüber, wie viel ärztliche Mitarbeitsaufgaben<br />

denn von der Pflege übernommen werden<br />

sollen. Werden die in Herrn Böhmes Beitrag<br />

beschriebenen Aufgaben für die Ärzte<br />

entsprechend honoriert, dann sind es selbstverständlich<br />

ärztliche Aufgaben, bei der die Pflege<br />

nichts zu suchen hat. Werden sie von den<br />

Kassen nicht bezahlt, werden sie in den Bereich<br />

der Pflege hinein definiert, so geschehen in<br />

§§ 43 ff. SGB XI, die noch bis zum<br />

31.12.2004 gültig sind.<br />

Wir sind im <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

der Meinung, dass die pflegerischen Kernaufgaben,<br />

also die Begleitung des Pflegeprozesses<br />

mit seinen Schritten der Pflegediagnostik,<br />

Pflegeplanung, Durchführung der Pflege, Anleitung<br />

und Supervision der am Pflegeprozess<br />

Beteiligten und Evaluation der Pflege, so<br />

umfangreiche Aufgaben darstellen, so dass<br />

man sich sehr gut überlegen muss, ob man in<br />

der Lage ist, zusätzliche Aufgaben aus anderen<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Anschrift des Verfassers: Hans Böhme, Jurist<br />

und Soziologe, Wissenschaftlicher Leiter des<br />

Instituts für Gesundheitsrecht und -politik,<br />

Rostocker Straße 15, 72116 Mössingen, Tel.<br />

07473/271676, Fax 07473/271677, E-<br />

Mail: Boehme-IGRP@t-online.de<br />

Ärztliche Mitarbeitsaufgaben<br />

bei medizinischer Diagnostik und Therapie<br />

Von Christine Sowinski<br />

Berufen mit zu übernehmen. Wie Hans Böhme<br />

eindeutig darstellt, hat die Pflege nun in stationären<br />

Einrichtungen keine Wahl. Die aufgezählten<br />

Aufgaben müssen als Mitarbeitsaufgaben<br />

übernommen werden. Folgende Aspekte<br />

sollte man dabei bedenken:<br />

• Gefahrengeneigte Tätigkeiten, wie z. B. das<br />

Wechseln der Trachealkanüle oder das Wechseln<br />

eines Katheters, sollten nur dann von einer<br />

Pflegefachperson übernommen werden, wenn<br />

sie über ausreichende Erfahrung verfügt. Das<br />

heißt also, sie muss sie unter Anleitung häufig<br />

durchgeführt haben, so dass sie sich sicher ist,<br />

dass sie diese ärztliche Mitarbeitsaufgabe fachlich<br />

beherrscht. Da aber das Wechseln zum Beispiel<br />

von Blasenkathetern nicht täglich vorkommt,<br />

sollten nur die Pflegefachpersonen diese<br />

Aufgaben übernehmen, die diese auch häufig<br />

durchführt haben. Das KDA rät also hier, das<br />

Bezugspflegesystem zu durchbrechen und gefahrengeneigte<br />

ärztliche Mitarbeitsaufgaben<br />

von geeigneten Pflegefachpersonen durchführen<br />

zu lassen, selbst wenn diese nicht im entsprechenden<br />

Wohnbereich arbeiten, sondern in<br />

einem anderen Wohnbereich eingesetzt werden.<br />

• Speziell für die selbständige Durchführung<br />

von ärztlichen Mitarbeitsaufgaben, sind Krankenschwestern<br />

und Pfleger ausgebildet, die<br />

über eine Fachweiterbildung Anästhesie und<br />

Intensivpflege verfügen. Sie arbeiten auch in<br />

der stationären Altenpflege und in ambulanten<br />

Pflegediensten. Das KDA rät, diese Experten<br />

gezielt einzusetzen, um anderen Pflegefachpersonen<br />

bei schwierigen ärztlichen Mitarbeitsauf-


gaben zu helfen bzw. diese fachgerecht anzuleiten,<br />

so dass sie die für sie neuen ärztlichen Mitarbeitsaufgaben<br />

erlernen können.<br />

• Ärztliche Mitarbeitsaufgaben, die täglich<br />

durchgeführt werden, wie z. B. das Säubern<br />

und Wechseln der Trachealkanüle, müssen von<br />

der Pflegebezugsperson erlernt werden. Eine<br />

nicht ausgebildete Pflegeperson, die weder Altenpflegerin/-pfleger<br />

noch Krankenschwester/pfleger<br />

ist, könnte hier nicht Bezugsperson<br />

werden (siehe Forum 36).<br />

• Laufende Fortbildung, wie zum Beispiel der<br />

Umgang mit künstlicher Ernährung, sollte<br />

dann geschehen, wenn ein Klient erstmalig mit<br />

diesem Problem in die Pflegeeinrichtung<br />

kommt. Hier rät das KDA, einen hausinternen<br />

Standard zu erarbeiten, an dem sich alle Mitarbeiter<br />

orientieren können, wie die fachgerechte<br />

Durchführung vonstatten geht. Hilfreich sind<br />

hier die gut recherchierten Pflegestandards von<br />

Adelheid von Stösser (genauere Informationen<br />

unter www.stoesser-standard.de).<br />

• Problematisch ist oft die Dekubitusbehandlung.<br />

Hier verfügen viele Pflegefachpersonen<br />

über ein fundierteres Wissen als der Arzt. Im<br />

Idealfall gehen Pflege und Medizin partnerschaftlich<br />

miteinander um, aber häufig gibt es<br />

Konflikte. Man kann keine Pflegefachperson<br />

dazu zwingen, eine in ihren Augen falsche ärztliche<br />

Mitarbeitsaufgabe zu übernehmen (siehe<br />

dazu Hans Böhme in Pro<strong>Alter</strong> 3/2002, S.<br />

50–55).<br />

Literatur-Hinweise:<br />

• Böhme, Hans (2002): Die Rolle der Pflegefachkräfte<br />

bei fragwürdiger Dekubitusbehandlung. „Zivilcourage<br />

trotz perfider Rechtslage“. In: Pro<strong>Alter</strong> 3, S. 50–55<br />

• Böhme, Hans unter Mitwirkung von Haß, Peter<br />

(1997): Haftungsfragen und Pflegeversicherungsgesetz –<br />

Haftung von Trägern, Pflegemanagement, Pflegefachund<br />

Pflegehilfskräften. KDA-Schriftenreihe Forum 35.<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe, Köln<br />

• Schröder, Gerhard (2002): Tipps für die Therapie<br />

von Druckgeschwüren. Chronisch sind nicht nur die<br />

Wunden. In: Pro<strong>Alter</strong> 3, S. 41–49<br />

• Sowinski, Christine; Gennrich, Rolf; Schmitz, Thomas;<br />

Schwantes, Harro; Warlies, Christine (1999):<br />

Organisation und Stellenbeschreibungen in der Altenpflege.<br />

Planungshilfen für ambulante Dienste, Hausgemeinschaften,<br />

teilstationäre und stationäre Einrichtungen.<br />

Teil I: Fachkraftquote, vorbehaltene und Supervisions-Aufgaben<br />

von Pflegefachkräften, Aufgaben von<br />

Pflegehilfskräften. KDA-Schriftenreihe Forum 36. <strong>Kuratorium</strong><br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe, Köln<br />

– Anzeige –<br />

Gesundheit und Pflege<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 57


Gesundheit und Pflege<br />

58<br />

Singen schafft Zugang<br />

zu verwirrten alten Menschen<br />

Eine Möglichkeit, das KDA Türöffnungskonzept<br />

(siehe Pro<strong>Alter</strong> 3/2001) in die Praxis<br />

umzusetzen, ist unter anderem Musik. Insbesondere<br />

das gemeinsame Singen alter Schlager<br />

und volkstümlicher Lieder kann Zugang zu<br />

alten und verwirrten Menschen schaffen, da<br />

die bekannten Melodien das Erinnerungsvermögen<br />

der alten Menschen aktivieren. Gerade<br />

verwirrte Bewohner werden durch das gemeinsame<br />

Singen zum Sich-Äußern angeregt und<br />

damit aus ihrer inneren Isolation herausgeholt.<br />

Die Lebensqualität der Bewohner lässt sich<br />

somit entscheidend verbessern.<br />

Doch in vielen Alten- und Pflegeheimen ist<br />

selten Musik zu hören. Denn es fehlt dem<br />

betreuenden Personal oftmals an Zeit. Viele der<br />

Pflegepersonen sind einfach auch zu jung und<br />

kennen keine Musikstücke der älteren Generation.<br />

Andere trauen sich das Singen einfach<br />

nicht zu oder spielen kein Instrument.<br />

Um das Singen in Pflegeeinrichtungen zu<br />

erleichtern, hat die Alzheimer Gesellschaft<br />

Mittelhessen eine Reihe von Playback-CDs mit<br />

Melodien bekannter Volkslieder, Schlager,<br />

Kirchenlieder und Schunkellieder herausgebracht,<br />

die durch Liederbücher komplettiert<br />

werden und sich für den Gesang im Altenheim<br />

und bei Treffen von älteren Menschen eignen.<br />

Bundesweit sind bisher ungefähr 20.000 Liederbücher<br />

und 10.000 CDs an Einrichtungen<br />

der Altenhilfe verkauft worden.<br />

Mit diesem Set können auch unmusikalische<br />

Menschen, die weder Singen noch ein<br />

Instrument spielen können, mit einer Gruppe<br />

von älteren oder pflegebedürftigen Menschen<br />

musizieren. Auch auf die Bedürfnisse der älteren<br />

Sänger und Sängerinnen hat man bei der<br />

Produktion der CD-Sets Rücksicht genommen.<br />

Die Lieder sind in einer angemessenen<br />

Geschwindigkeit und der richtigen Tonhöhe<br />

eingespielt, weil ältere Menschen langsamer<br />

und tiefer Singen als junge. Zwischen den<br />

Liedern und Strophen gibt es längere Atempausen,<br />

und die Wiederholungen bei jeder Strophe<br />

sind in den Liederbüchern ausgeschrieben, so<br />

dass die Sängerinnen nicht gezwungen sind, im<br />

Text hin und her zu springen.<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Im Tageszentrum am Geiersberg in Wetzlar,<br />

eine Einrichtung für demenzkranke Menschen,<br />

wird das gemeinsame Singen anhand der CDs<br />

und Liederbücher der Alzheimer Gesellschaft<br />

schon seit acht Jahren praktiziert. Nach Möglichkeit<br />

wird jeden Tag mit den Menschen 30<br />

bis 40 Minuten anhand der Liederbücher und<br />

CDs gesungen. Man hat dabei die Erfahrung<br />

gemacht, dass das tägliche Singen nicht nur<br />

den gesunden und den pflegebedürftigen<br />

Bewohnern, sondern auch den Betreuenden<br />

gut tut. Das Singen, erklärt die Initiatorin<br />

Bettina Rath und Vorsitzende der Alzheimer<br />

Gesellschaft Mittelhessen im Vorwort der<br />

Liederbücher, sei neben der liebevollen Zuwendung<br />

oft der wichtigste und manchmal der<br />

einzige Zugang zu verwirrten alten Menschen.<br />

S. H.<br />

Weitere Informationen sowie die CDs<br />

(Preis 8,50 Euro + 7 % MwSt. + Porto) und<br />

die dazugehörigen Liederbücher (4,50 Euro<br />

+ 16 % MwSt. + Porto, ab 20 Exemplare:<br />

3,50 Euro) können Sie über das Tageszentrum<br />

Geiersberg beziehen: Alzheimer Gesellschaft<br />

Mittelhessen e.V., Tageszentrum am<br />

Geiersberg, Geiersberg 15, 35578 Wetzlar,<br />

Tel. 0 64 41/4 37 42, Fax 0 64 41/4 38 13,<br />

E-Mail: alges-mittelhessen@debitel.net,<br />

Web: www.tageszentrum-am-geiersberg.de.n<br />

Auswahl an bisher erschienenen<br />

Liederbüchern:<br />

• Volkslieder, Band 1 + 2<br />

• Weihnachtslieder<br />

• Schlager 20–40er<br />

• Schunkel- und Stimmungslieder<br />

• Jahreszeit- und Fahrtenlieder<br />

• Kirchenlieder, Band 1<br />

Zurzeit wird gerade das Liederbuch<br />

„Schlager nach 1945“ hergestellt.


Das Hausgemeinschaftskonzept<br />

von Rablinghausen<br />

Es sollte ein ganz „normaler“ und konventioneller Neubau eines Pflegeheims werden. Doch<br />

nach einer Beratung durch das KDA ließ sich der Träger, die Bremer Heimstiftung, von der Idee<br />

der Hausgemeinschaften überzeugen.<br />

Gisela Crusius, KDA-Architektin, schildert kurz den Planungs- und Bauverlauf.<br />

Monika Böttjer, Ulrike Scheer, Birgit Nowak und Gerhard Reisig beschreiben in einem weiteren<br />

Beitrag, wie sich das Hausgemeinschafts- und Wohnküchenkonzept auf den Alltag von Bewohnern,<br />

Angehörigen und Mitarbeitern im Stiftungsdorf Rablinghausen auswirkt.<br />

Nach KDA-Beratung:<br />

mit wenig Aufwand<br />

neues Konzept realisiert<br />

Das Stiftungsdorf Rablinghausen ist wesentlicher<br />

Bestandteil der Versorgungsstruktur im<br />

gleichnamigen Bremer Stadtteil. Unmittelbar<br />

an der Rablinghauser Landstraße gelegen,<br />

erinnert heute noch das Restaurant an den<br />

ehemaligen Bauernhof der Familie Vagt. Dieses<br />

Restaurant befindet sich in dem eingeschossigen,<br />

inzwischen renovierten alten Bauernhaus.<br />

Das Restaurant, räumlich Bestandteil des<br />

Stiftungsdorfs Rablinghausen, wird als eigenständiger<br />

Wirtschaftsbetrieb geführt und wird<br />

von den Rablinghausener Bürgern gerne als<br />

Veranstaltungsort für beispielsweise Geburtstage<br />

und Familienfeiern ausgewählt. Neben<br />

dem Restaurant gehört zum Stiftungsdorf<br />

Rablinghausen – Tönjes Vagt Hof –, das Wohnen<br />

mit Service. Hierzu gehören 56 barrierefreie<br />

Zwei- und Dreiraumwohnungen, deren<br />

Nutzern selbstverständlich die Gemeinschaftseinrichtungen<br />

des Pflegezentrums Rablinghausen<br />

zur Verfügung stehen. Das Pflegezentrum<br />

selbst umfasst in einem dreigeschossigen<br />

Gebäude insgesamt 58 Einpersonenapartments<br />

und zwei Doppelapartments. Die einzelnen<br />

Apartments sind heute zu Wohngruppen nach<br />

dem Hausgemeinschaftskonzept zusammengefügt.<br />

Die ursprüngliche Planung beruhte<br />

zunächst auf einem konventionellen Betreuungskonzept<br />

für den Neubau des Pflegezentrums<br />

mit 62 Bewohnern. Danach sollte jede<br />

Ebene einen Wohnbereich mit jeweils 20 und/<br />

Jede Wohnebene wurde in zwei<br />

kleinere Hausgemeinschaften<br />

untergliedert, denen nun jeweils<br />

eine circa 40 Quadratmeter große<br />

Wohnküche zugeordnet wurde.<br />

Foto: Stiftungsdorf Rablinghausen<br />

Bauen und Wohnen<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 59


Bauen und Wohnen<br />

60<br />

oder 21 Bewohnern aufnehmen. In diesem<br />

Kontext war für jede Wohnbereichsebene ein<br />

Gruppenraum mit integrierter Küche vorgesehen.<br />

Die Speisenversorgung sollte dennoch<br />

zentral erfolgen. Der während der Bauphase<br />

des dreigeschossigen Altenpflegeheims geführte<br />

Dialog des Bauherrn mit dem KDA führte zu<br />

gravierenden konzeptionellen Veränderungen.<br />

Die vorgesehene zentrale hauswirtschaftliche<br />

Versorgung sollte konsequent umgestellt werden<br />

auf eigenständige Bewohnergruppen mit<br />

dezentraler hauswirtschaftlicher Versorgung. In<br />

dieser fortgeschrittenen Bauphase bestand<br />

nicht mehr die Chance der grundsätzlichen<br />

Veränderung des ursprünglichen Architekturkonzeptes<br />

(zweibündig konzipierte Anlage mit<br />

Mittelflur und aneinander aufgereihten Bewohnerzimmern).<br />

Umso überzeugender ist das Ergebnis der<br />

Überplanung: Jede Wohnebene wurde noch<br />

einmal untergliedert in zwei kleinere Hausgemeinschaften,<br />

denen nun jeweils eine circa 40<br />

Quadratmeter große Wohnküche zugeordnet<br />

wurde. Zu diesem Zweck wurde das ursprünglich<br />

geplante Dienstzimmer mit Dienstübergabe-,<br />

Besprechungsraum etc. auf die tatsächlich<br />

notwendige Größe eines Pflegearbeits-<br />

Das Modellprojekt, das die Bremer Heimstiftung<br />

in Kooperation mit dem Paritätischen<br />

Pflegedienst und dem Bremer Stiftungs-Service<br />

seit zwei Jahren im Gesamtkonzept des Stiftungsdorfes<br />

Rablinghausen betreibt, verfolgt<br />

den Gedanken der Hausgemeinschaft. Die<br />

Grundidee dabei ist, das „Primat der Pflege“<br />

durch ein „Primat des Wohnens“ abzulösen.<br />

Der Anteil hauswirtschaftlicher Versorgung soll<br />

nicht länger als Begleit-Dienstleistung zur<br />

Pflege aufgefasst werden, sondern als Haupt-<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

raums zurückgeführt, und die Wohnküche in<br />

Winkelform parallel zur Fassade positioniert.<br />

Die in den Flur hineingestellten transparenten<br />

Raumbegrenzungen geben in ihrer bogenförmigen<br />

Ausführung die Zielrichtung für die jeweilige<br />

Bewohnergruppe vor und fördern somit<br />

die Orientierung. Diese wird zudem unterstützt<br />

durch die unterschiedliche Ausführung der<br />

beiden Wohnküchen; das liegt zum einen an<br />

der Grundrissform und zum anderen an der<br />

Küchenaufstellung. Bedingt durch den trapezförmigen<br />

Grundriss der beiden Wohnküchen<br />

befindet sich die Wohnküche in einem Fall an<br />

der Gebäudeinnenseite und im anderen Fall<br />

unmittelbar an der Außenwand. Beide Küchen<br />

sind in den Raum hineingestellt, so dass sie den<br />

Bewohnern jederzeit Einblick in das Geschehen<br />

gewähren.<br />

Für gruppenübergreifende Aktivitäten wird der<br />

im ersten Abschnitt überaus breite Flur von<br />

vier Metern in regelmäßigen Abständen als<br />

„Kegelraum“ genutzt.<br />

Mit vertretbarem Aufwand konnte die<br />

ursprünglich ausschließlich auf Funktion ausgerichtete<br />

Architektur zugunsten individueller<br />

überschaubarer Bewohnergemeinschaften<br />

verändert werden. G. C.<br />

Hauswirtschaft als Hauptaufgabe der Altenbetreuung<br />

Die Notwendigkeit einer Reform der Institution Pflegeheim ist inzwischen unbestritten. Weder<br />

angesichts der demographischen Entwicklung noch vor dem Hintergrund zukünftig knapperer<br />

finanzieller Ressourcen können Altenheime weitermachen wie bisher. Hinzu kommt ein wachsendes<br />

Unbehagen gegenüber der Pflegelastigkeit heutiger stationärer Altenhilfeeinrichtungen.<br />

In der Diskussion um notwendige Veränderungen steht das Hausgemeinschaftskonzept (siehe<br />

dazu auch Pro<strong>Alter</strong> 4/2001 und 4/2000) derzeit besonders hoch im Kurs.<br />

aufgabenfeld der Betreuung alter Menschen<br />

eigenständig gestaltet werden. Dazu gehören<br />

die Abschaffung der zentralen Essensversorgung,<br />

an deren Stelle kleinere Wohnküchen<br />

treten. Auch die anderen Bereiche wie Bettenmachen,<br />

Reinigungsarbeiten und Wäscheversorgung<br />

finden, sofern möglich, in den Hausgemeinschaften<br />

statt.<br />

Dezentrale hauswirtschaftliche Versorgung<br />

steht also im Mittelpunkt, verbunden mit<br />

weitestgehender Aktivierung der Bewohner


durch Beteiligung an diesen Tätigkeiten. Prinzip<br />

ist, nur da Hilfe zu leisten, wo individueller<br />

Bedarf wirklich besteht. Angestrebt wird nicht<br />

eine „Total-Versorgung“, sondern „aktive<br />

Mitarbeit“. Das heißt: Auch Angehörige sollen<br />

aktiv ihren Beitrag an der Betreuung des<br />

Bewohners leisten. Für Bewohner wie Angehörige<br />

war dies zunächst durchaus ungewöhnlich<br />

und führte auch zu gelegentlichen Irritationen.<br />

Ergänzt wird das Konzept durch ein Restaurant,<br />

das sowohl Bewohner und Angehörige<br />

als auch das Pflegezentrum selbst für gesellschaftliche<br />

Aktivitäten sowie Gruppen und<br />

Gäste aus dem Stadtgebiet nutzen. Weit mehr<br />

als nur eine Ausweichmöglichkeit für ein Kaffeetrinken<br />

außerhalb der Wohngruppe stellt<br />

das Restaurant eine echte Verbindung zwischen<br />

der Innenwelt Pflegeheim und der Öffentlichkeit<br />

dar. Es genießt im Stadtteil als Mittagstisch<br />

für Geschäftsleute, Handwerker und Senioren<br />

und als Veranstaltungsort für Familienfeiern<br />

große Akzeptanz und trägt so dazu bei, den<br />

Übergang vom „Heim“ nach „draußen“ fließend<br />

zu gestalten.<br />

Betreuung durch hauswirtschaftliches<br />

Personal<br />

Die Schwerpunktverschiebung hin zu mehr<br />

Wohnnormalität verlangte eine Restrukturierung<br />

der Betreuungsaufgaben und die Verlagerung<br />

betreuerischer Kompetenz auf das hauswirtschaftliche<br />

Personal. Die hauswirtschaftlichen<br />

Arbeitskräfte wurden erfolgreich mit<br />

dem Fähigkeiten-Profil der klassischen „Hausfrau“<br />

für diesen Bereich der Altenpflege ausgewählt.<br />

Wie zufrieden diese mit ihrer Tätigkeit<br />

Effekte zeigen sich nicht in vorzeigbaren<br />

neuen Aktivitäten,<br />

sondern eher versteckt in kleinen,<br />

unerwarteten Tätigkeiten des<br />

Alltags.<br />

Foto: Stiftungsdorf Rablinghausen<br />

sind, zeigt ihre Identifikation mit dem neuen<br />

Tätigkeitsprofil. Eine interne Auswertung<br />

belegt, dass diese Fähigkeitenbeschreibung als<br />

Kompetenzkriterium in der Betreuungsarbeit<br />

einen neuen Stellenwert erhalten kann, denn sie<br />

beinhaltet Aspekte, die für die Gestaltung des<br />

Wohnalltags in der Hausgemeinschaft eines<br />

Altenheimes gebraucht werden. Die Kernkompetenzen<br />

sind:<br />

• ein hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit<br />

(soziale Kompetenz)<br />

• die Fähigkeit zu übergreifender Alltagsorganisation<br />

• die Fähigkeit, eine integrierende Wohnatmosphäre<br />

zu schaffen.<br />

Team aus Alltagsmanagerinnen und<br />

Bereichskräften<br />

Diese Kompetenzen wurden durch interne<br />

Schulungen zu Krankheitsbildern, Dokumentation<br />

von Betreuungsleistungen und zu Möglichkeiten<br />

der Aktivierung der Bewohner in Alltags-<br />

und Freizeitaktivitäten unterstützt. So<br />

genannte „Alltagsmanagerinnen“ bereiten das<br />

Essen zu und achten dabei auf die individuellen<br />

Bedürfnisse und Gewohnheiten der Bewohner.<br />

Sie sind jeweils einer Wohnküche als Integrationsfaktor<br />

und zentrale Ansprechperson zugeordnet.<br />

Die Aufgaben der so genannten<br />

„Bereichkräfte“ liegen in der häuslichen Versorgung,<br />

wie zum Beispiel Bettenmachen,<br />

Reinigen des Inventars, Materialverteilung,<br />

Geschirrspülen, Unterstützung der Küchenfachkräfte,<br />

Essensanreichungen, Bereitung von<br />

Zwischenmahlzeiten und insbesonders das<br />

Begleiten der Bewohner und bei der Gestaltung<br />

Bauen und Wohnen<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 61


Bauen und Wohnen<br />

62<br />

der Nachmittagsaktivitäten.<br />

Sie unterstützen die Pflegebedürftigen auch<br />

bei kleineren Toilettengängen, motivieren sie<br />

zum Mobilitätstraining und kontrollieren ihre<br />

Flüssigkeitszufuhr.<br />

Sie übernehmen damit teilweise Angehörigen-Funktionen,<br />

wie sie üblicherweise in der<br />

häuslichen Pflege geleistet werden. Doch sollen<br />

die Mitarbeiter nicht Familienersatz sein. Ihre<br />

Aufgabe ist, Hilfe nur anzubieten, wo diese<br />

erforderlich ist, und schon gar nicht in Konkurrenz<br />

zu Angehörigen oder anderen Hilfe-<br />

Akteuren zu treten, wie es gelegentlich in Pflegeheimen<br />

alten Stils geschieht.<br />

Angehörige bringen sich mehr ein<br />

Feststellbar sind im Vergleich zu anderen Einrichtungen<br />

deutlich häufigere und regelmäßigere<br />

Besuche der Angehörigen und ein unkomplizierter<br />

und offener Umgang mit dem Betreuungspersonal.<br />

Die Schwellenangst, partiell oder<br />

sogar ganz die Versorgung von Mutter, Vater,<br />

Ehemann oder -frau zu übernehmen, ist deutlich<br />

niedriger. Dabei wird nicht nur die Versorgung<br />

eigener Angehöriger übernommen; ganz<br />

selbstverständlich kümmern sich Besucher auch<br />

um Mitbewohner, leisten Hilfe bei Tisch und<br />

beziehen Bewohner ins Gespräch ein. Dabei<br />

bewegen sie sich in den Wohnküchen, als<br />

wären auch sie hier zu Hause; sie kaufen ein,<br />

lesen vor oder richten den Nachmittagskaffee<br />

aus. Es scheint gelungen zu sein, Bewohnern<br />

und Angehörigen zu vermitteln, dass sie sich<br />

im eigenen Umfeld bewegen und dieses<br />

„Heim“ auch entsprechend autonom nutzen<br />

Alltagsnormalität bedeutet eben<br />

auch die bewusste, aber unverkrampfte<br />

Gestaltung alltäglicher<br />

Lebenssituationen.<br />

Foto: Stiftungsdorf Rablinghausen<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

dürfen. Die unterstützende Rolle hauswirtschaftlichen<br />

Personals kann von Angehörigen<br />

offenbar leichter angenommen werden, als dies<br />

bei Pflegekräften (auch den ambulanten Kräften<br />

des Projektes) der Fall ist. Womöglich ist<br />

hier die „Qualifizierungsbarriere“ – damit ist<br />

der Abstand zwischen Fachpersonal und Angehörigen<br />

gemeint – weit weniger hoch und lässt<br />

es eher zu, dass Angehörige sich in den Betreuungsalltag<br />

mit eigenen Beiträgen einbringen.<br />

Hauswirtschaft als Vermittler und<br />

Ansprechpartner<br />

Die Hauswirtschafts-Kräfte sind inzwischen<br />

mehr und mehr zu den ersten Ansprechpartnern<br />

geworden. Gab es anfangs noch häufig<br />

Beschwerden, dass „nie eine Schwester da ist“,<br />

so akzeptieren Angehörige und Bewohner nun,<br />

dass die hauswirtschaftlichen Kräfte sehr wohl<br />

immer da sind und bei Bedarf die „Schwester“<br />

gerufen werden kann. Es ist ein Vertrauensverhältnis<br />

entstanden, das den Sinn von Hauswirtschaft<br />

als Hauptdienstleistung in der Altenbetreuung<br />

bestätigt.<br />

Zuweilen zeigt dieses Verhältnis aber auch<br />

Nachteile, denn durch die niedrige Hemmschwelle<br />

der Angehörigen, mit ihren Wünschen<br />

die hauswirtschaftlichen Betreuerinnen anzusprechen,<br />

erwarten sie ganz selbstverständlich,<br />

dass diese auch umgesetzt werden. Diese<br />

gewollte „Einmischung“ reicht von Vorschlägen<br />

zu betrieblichen Abläufen über Versorgungsvorgaben<br />

bis zum Eingriff in private<br />

Angelegenheiten anderer Bewohner und kann<br />

dann auch zu Konflikten führen. Dann müssen


die Mitarbeiter ihre eigene Position behaupten.<br />

Fingerspitzengefühl bzw. kommunikative<br />

Kompetenz sind dann gefordert, um den Beitrag<br />

der Angehörigen einerseits zu würdigen,<br />

sie aber andererseits mit den auch in diesem<br />

Projekt unumgänglichen Beschränkungen eines<br />

Heimbetriebes und mit der bei aller Vertrautheit<br />

einer Hausgemeinschaft notwendigen<br />

Respektierung der Privatsphäre anderer<br />

Bewohner zu konfrontieren.<br />

Hinzu kommt die Anspruchshaltung mancher<br />

Angehöriger. Auch hier sind die Hauswirtschaftskräfte<br />

gefordert, das Konzept der<br />

Bewohner-Aktivierung zu vermitteln und Angehörige<br />

zu eigenen Beiträgen zu ermuntern, statt<br />

Leistungen anderer einzufordern. Die<br />

Ressource Zeit ist eben auch hier nicht uneingeschränkt<br />

verfügbar. Das Agieren zwischen<br />

Motivieren, Vermitteln und Abgrenzen stellt<br />

eine stetige Herausforderung für Alltagsmanagerinnen<br />

und Bereichkräfte dar und erfordert<br />

ein hohes Maß an sozialer Kompetenz und<br />

Lebenserfahrung.<br />

Gemeinsame Dokumentation<br />

mit Pflegekräften<br />

Die meisten Befürchtungen auf allen Seiten<br />

erzeugte zu Projektbeginn die Frage, wie der<br />

Austausch und die Zusammenarbeit der Hauswirtschaft<br />

mit den „ambulanten“ Pflegekräften<br />

zu organisieren ist. Zum einen mussten Informationstransfer<br />

und Absprachen gewährleistet<br />

sein, andererseits sollten nicht unzählige<br />

gemeinsame Besprechungszeiten anfallen. Auch<br />

musste eine übergroße Abgrenzungen der<br />

Berufsgruppen vermieden werden, um nicht als<br />

„geteilte“ Einrichtung zu erscheinen. Vorgesehen<br />

war, ganz auf gemeinsame Übergaben zu<br />

verzichten und konsequent auf die gemeinsame<br />

schriftliche Alltagsdokumentation zu setzen. Es<br />

erforderte nicht geringe Anstrengungen, durchzusetzen,<br />

dass die Dokumentation nicht allein<br />

von den Pflegekräften benutzt wurde, sondern<br />

auch die Beobachtungen der Hauswirtschaftskräfte<br />

darin einzutragen sind. Inzwischen<br />

nutzen sie ganz selbstverständlich den zwischen<br />

zwei Wohngruppen gelegenen Tresen als<br />

„Büro-Arbeitsplatz“, der zuvor als „Hoheitsgebiet“<br />

der Pflege angesehen wurde. Es hat sich<br />

ein Informations- und Dokumentationssystem<br />

herausgebildet, in dem es zwar nun eine haus-<br />

übergreifende Übergabe der Pflegekräfte gibt,<br />

das sich aber in der Hauptsache auf die schriftliche<br />

Dokumentation und den direkten Austausch<br />

der Mitarbeiter in den Wohngruppen<br />

stützt. Eine gemeinsame Alltagsplanung ließ<br />

sich aus Kostengründen nicht verwirklichen.<br />

Stattdessen erarbeiten die Hauswirtschaftskräfte<br />

ihre Sicht der Bewohnerkompetenzen,<br />

die dann von speziell beauftragten Pflegekräften<br />

in die standardisierte Alltagsplanung aufgenommen<br />

wird.<br />

Einbindung demenzerkrankter<br />

Bewohner<br />

Zentrale Herausforderung für die Hauswirtschaftskräfte<br />

ist die Förderung demenziell<br />

erkrankter Bewohner. Nach den vorliegenden<br />

Erfahrungen ist ein hoher Anteil Demenzerkrankter<br />

in den Wohnküchenalltag integrierbar<br />

und bietet enorme Chancen für den Ressourcen-Erhalt<br />

und die Wiedererlangung bereits<br />

verschütteter Fähigkeiten. Denn fast alle<br />

Bewohner kennen in irgendeiner Form<br />

hauswirtschaftliche Tätigkeiten und verrichten<br />

diese mehr oder weniger intuitiv. Um allerdings<br />

herauszufinden, mit welcher Tätigkeit Bewohner<br />

etwa beruhigt oder angeregt werden können,<br />

bedurfte es intensiverer Beobachtung. Die<br />

mittlerweile fast dreijährige Erfahrung der<br />

Hauswirtschaftskräfte ist dabei von unschätzbarem<br />

Wert, denn Effekte zeigen sich nicht in<br />

„vorzeigbaren“ neuen Aktivitäten, sondern<br />

eher versteckt in kleinen unerwarteten Tätigkeiten<br />

des Alltags: Zehn Minuten Geschirr-<br />

Abtrocknen und Plaudern eines sonst verwirrten<br />

alten Herrn oder das kurzzeitige Hinsetzen<br />

und Serviettenfalten einer sonst von zwanghafter<br />

Unruhe getriebenen älteren Dame sind<br />

Erfolge, die den Hauswirtschaftskräften selbst<br />

manchmal gar nicht mehr auffallen und daher<br />

als gering eingestuft werden. Dabei ist dieses<br />

Potenzial möglicherweise noch gar nicht ganz<br />

ausgeschöpft.<br />

Neues Berufsbild<br />

in der Altenbetreuung<br />

Bei den Auswahlkriterien für hauswirtschaftliche<br />

Mitarbeiter war die soziale Qualifikation<br />

bisher ausschlaggebend. Mittlerweile hat sich<br />

Bauen und Wohnen<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 63


Bauen und Wohnen<br />

64<br />

aber auch in der Ausbildung zur Hauswirtschafterin<br />

einiges verändert. Die über 20 Jahre<br />

existierende Ausbildungsordnung wurde 1999<br />

erneuert. Neben klassisch hauswirtschaftlicher<br />

Versorgung sind nun auch personenorientierte<br />

Betreuungsleistungen verankert. Das neue<br />

Leitbild reagiert damit auf veränderte Rahmenbedingungen.<br />

Die klassischen Einsatzgebiete in<br />

Privathaushalten wurden durch Beschäftigung<br />

in Großhaushalten wie zum Beispiel Altenhilfe-<br />

Einrichtungen ersetzt. Dementsprechend werden<br />

den Auszubildenden heute Fertigkeiten wie<br />

Kommunikationsfähigkeit und Teamarbeit,<br />

Lösungsorientierung und Eigenverantwortung,<br />

Kreativität und Flexibilität vermittelt.<br />

Es zeichnet sich dadurch eine zunehmende<br />

Professionalisierung ab, die langfristig flankiert<br />

durch ergänzende Qualifikationen, speziell im<br />

Bereich der Betreuung Demenzerkrankter, ein<br />

eigenständiges Berufsbild „Hauswirtschafterin<br />

in der Altenpflege“ entwickeln wird.<br />

Die Eigenständigkeit professioneller hauswirtschaftlicher<br />

Betreuung im Projekt Rablinghausen<br />

zeigt sich insbesondere in der Art, wie<br />

Mitarbeiter eigene Aktivitäten in den Wohngruppen<br />

ergriffen haben. Durch entsprechende<br />

Anleitung angeregt, werden inzwischen wie<br />

selbstverständlich Ausflüge geplant, Feiern<br />

einschließlich der dafür notwendigen Einkäufe<br />

organisiert oder Kegelnachmittage veranstaltet.<br />

Alltagsnormalität, wie sie in der Konzeptidee<br />

als Abkehr vom „Pflegealltag“ und Hinwendung<br />

zum „Wohnalltag“ beschrieben ist,<br />

bedeutet eben auch die bewusste aber unverkrampfte<br />

Gestaltung alltäglicher Lebenssituationen:<br />

Feiern und Geselligkeit gehören<br />

genauso dazu wie der Abwasch und das Aufräumen<br />

danach.<br />

Kompetenzpartnerschaft als Mittel<br />

für mehr Pflegequalität<br />

Bemerkenswert ist, dass die anfangs befürchtete<br />

Konkurrenz zwischen Hauswirtschaftsund<br />

Pflegekräften nicht eingetreten ist, sondern<br />

es gelungen ist, eine Kompetenzpartnerschaft<br />

zweier gleichberechtigt sich ergänzender Professionen<br />

zu etablieren und Angehörige und<br />

andere Hilfeleistende darin einzubeziehen.<br />

Höhere Eigenverantwortlichkeit und die<br />

Zusammenarbeit mit anderen Akteuren ermöglichen,<br />

eine effektivere, lebendigere und trans-<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

parentere Betreuung alter Menschen auch in<br />

stationären Einrichtungen. Grundlage der<br />

erfolgreichen Zusammenarbeit der Mitarbeitergruppen<br />

war und ist eine entsprechende<br />

Zusammenarbeit der beteiligten Träger. Durch<br />

eigenständige Verantwortungsbereiche (Pflege –<br />

Hauswirtschaft – Verwaltung/Leitung) entsteht<br />

ein hohes Maß an Transparenz über zu erbringende<br />

und tatsächlich erbrachte Leistungen. Es<br />

entwickelt sich nicht nur ein stärkeres Bewusstsein<br />

über notwendige oder effektiver zu organisierende<br />

Dienstleistungen, sondern es wird<br />

auch ein weitaus höheres Maß an Kontrolle<br />

der Auswirkungen bei den Bewohnern möglich.<br />

Die Aufwertung der Hauswirtschaft als<br />

Hauptdienstleistung in der Altenpflege ist<br />

zukunftsweisend. Dies muss dann aber auch<br />

Konsequenzen in der Beurteilung solcher Einrichtungen<br />

haben. Im Projekt Rablinghausen<br />

konnte durch mit der Sozialbehörde abgestimmte,<br />

schwerpunktmäßig die betreuerischen<br />

Fähigkeiten der Mitarbeiter unterstützende<br />

Schulungsmaßnahmen, die gesetzlich geforderte<br />

Fachkraftquote erreicht werden. Für die<br />

zukünftige Verbreitung solcher Konzepte<br />

bedeutet das, dass der Begriff „Fachkraft“ vom<br />

Gesetzgeber differenzierter definiert wird.<br />

Hauswirtschaftlich-betreuerische Qualifikationen,<br />

sofern sie der geänderten Ausbildungsverordnung<br />

und den Inhalten des neuen Berufsbildes<br />

entsprechen, müssen generell anerkannt<br />

werden können.<br />

Die Autoren:<br />

• Monika Böttjer, Geschäftsführerin der<br />

Bremer Stiftungs-Service gGmbH, Bremen<br />

• Ulrike Scheer, Heimleiterin, Stiftungsdorf<br />

Rablinghausen, Bremen<br />

• Birgit Nowak, Hauswirtschaftlerin,<br />

Pflege-Centrum Rablinghausen, Bremen<br />

• Gerhard Reisig, Innovations- und Organisationsberater,<br />

Reisig-Consulting, Sottrum<br />

Literatur<br />

• Künzel, Alexander: „Ende gut – alles gut? Zur<br />

Pflegesatzgestaltung in den Hausgemeinschaften der<br />

Bremer Heimstiftung“, in: Pro<strong>Alter</strong> 2/2002


Landeskoordination der Wohnberatung<br />

Rückschritt in Baden-Württemberg<br />

Das Land Baden-Württemberg hat den Zuschuss<br />

zur Finanzierung seiner zentralen Beratungsstelle<br />

(zbw) zum Anfang dieses Jahres gestrichen.<br />

Dadurch wird hier die Qualifizierung von Wohnberatern<br />

und damit auch eine Qualitätssicherung der<br />

Wohnberatung in Frage gestellt.<br />

In den vergangenen zehn Jahren ist deutlich<br />

geworden, dass, wie in Nordrhein-Westfalen und<br />

Baden-Württemberg, nur dort ein umfassendes<br />

Angebot an Beratungsstellen entstehen konnte, wo<br />

eine zentrale Qualifizierungs- und Koordinierungsstelle<br />

für Wohnberater eingerichtet war. Im vergangenen<br />

Jahr wurden aufgrund dieser Erfahrungen<br />

und als ein Ergebnis des Bundesmodellprogramms<br />

„Selbstbestimmt wohnen im <strong>Alter</strong>“ in drei weiteren<br />

Bundesländern – Bayern, Hessen und Niedersachsen<br />

– Fachstellen für Wohnberatung eingerichtet.<br />

Zu ihren Aufgaben gehört der Aufbau örtlicher<br />

Beratungsstellen durch zentrale Qualifizierungsangebote<br />

sowie die Unterstützung durch Informa-<br />

tionsmaterialien. Finanziell gefördert werden sie<br />

durch die jeweiligen Landesministerien. Dies war<br />

ein Meilenstein in der Entwicklung der Wohnberatung<br />

(siehe Pro<strong>Alter</strong> 2/02).<br />

Unter dem Dach der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

Wohnungsanpassung e.V. wurde daraufhin<br />

im Mai 2002 eine Arbeitsgruppe der nunmehr fünf<br />

Landesstellen für Wohnberatung eingerichtet. Ziele<br />

sind unter anderem die Abstimmung von Qualifizierungsmaßnahmen<br />

und die Verbesserung der Rahmenbedingungen<br />

für die Wohnberatung auf<br />

Bundesebene. Die Streichung der Zuschüsse für die<br />

zbw verschlechtert nicht nur die Situation in Baden-<br />

Württemberg, sondern schwächt auch die gerade<br />

erreichte Bündelung von Kräften für eine bundesweite<br />

Regelung der Beratungsfinanzierung. Es<br />

bleibt zu hoffen, dass der Landeswohlfahrtsverband<br />

Württemberg-Hohenzollern als Träger der bisherigen<br />

zbw deren Aufgaben zumindest teilweise<br />

weiterführen kann und – besser noch – die Landesregierung<br />

ihren Schritt rückwärts wieder korrigiert.<br />

Holger Stolarz<br />

HANDLAUF<br />

Fachblatt für Wohnungsanpassung und Wohnberatung<br />

Herausgeber: Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung e.V.<br />

Thema Ausgabe 11:<br />

Vom Krankenhaus in die eigene Wohnung –<br />

Die Rolle der Wohnberatung in der Überleitung<br />

außerdem lieferbar:<br />

Ausgabe 6: Ergotherapie in der Wohnberatung<br />

Ausgabe 9: Neue Anforderungen an die Wohnberatung<br />

Ausgabe 10: Anpassungsmaßnahmen im Bad<br />

Broschüre: Qualitätsanforderungen für Wohnberatungsstellen<br />

Broschüre: Finanzierung von Wohnberatungsstellen<br />

Kosten je Heft: 7 Euro zzgl. Versandgebühren<br />

Kontaktadresse:<br />

Erscheinungsdatum<br />

Herbst 2003<br />

Bestellanschrift:<br />

BAG Wohnungsanpassung e.V.<br />

Versand, c/o Albatros e.V.<br />

Breite Straße 3, 13187 Berlin<br />

Tel.: 0 30/47 53 17 19<br />

Fax: 0 30/47 53 18 92<br />

versand@wohnungsanpassung.de<br />

BAG Wohnungsanpassung e.V.<br />

c/o SoFoB-Institut Bielefeld<br />

Berenskamp 5E, 33611 Bielefeld<br />

Tel.: 05 21/98 25 56 64, Fax: 05 21/8 75 03 01<br />

info@wohnungsanpassung.de, Internet: www.wohnungsanpassung.de<br />

Bauen und Wohnen<br />

– Anzeige –<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 65


Stationäre Altenhilfe<br />

• Becker, Clemens; Lindemann,<br />

Ulrich; Rissmann, Ulrich: Sturzprophylaxe.<br />

Sturzgefährdung<br />

und Sturzverhütung in Heimen.<br />

Hannover: Vincentz, 2003. ISBN<br />

3-87870-635-9. 12,80 €<br />

Stürze im <strong>Alter</strong> haben<br />

schwer wiegende Folgen und<br />

verursachen hohe Kosten. Dabei<br />

sind Stürze vermeidbar, wie<br />

dieses Buch zeigt. Mit Hilfe von<br />

vielen Übungen, Fallbeispielen<br />

und Checklisten liefern die<br />

Verfasser informative Anleitungen<br />

zur Sturzprophylaxe. Da das<br />

Buch ein Resultat eines mehrjährigen<br />

Modellprojektes ist, hat es<br />

einen hohen Praxisbezug.<br />

Nachschlagewerke<br />

• Altenheim Adressbuch 2003.<br />

Alle Einrichtungen der stationären<br />

Altenhilfe in Deutschland.<br />

Hannover: Vincentz, 2003. ISBN<br />

3-87870-479-8. 49,– €<br />

Mittlerweile in der 19.<br />

Ausgabe präsentiert sich das<br />

Altenheim Adressbuch wieder<br />

mit einer Fülle von aktuellen<br />

Informationen zu den einzelnen<br />

Einrichtungen der stationären<br />

Altenhilfe. Auch aufgenommen<br />

sind Tages- und Kurzzeitpflegeheime<br />

sowie klinisch-geriatrisch<br />

und gerontopsychiatrisch orientierte<br />

Institutionen.<br />

• Arbeitskreis Gesundheit e.V.<br />

(Hrsg.): Rehabilitations-Kliniken<br />

stellen sich vor. 10. Aufl. 2003.<br />

Bonn: Arbeitskreis Gesundheit,<br />

2003<br />

Dieses Nachschlagewerk<br />

kann kostenfrei von Ärzten,<br />

Sozialdiensten und Kostenträgern<br />

angefordert werden bei:<br />

Arbeitskreis Gesundheit e.V.,<br />

Bonn-Center, Bundeskanzlerplatz<br />

2–10, 53113 Bonn. Fax 02 28/<br />

21 22 11, E-Mail: reha@bonnonline.com.<br />

Bei Privatpersonen<br />

wird eine Schutzgebühr in Höhe<br />

von 12,45 € erhoben.<br />

Gedächtnistraining<br />

• Klauer, Karl Josef: Denksport<br />

für Ältere. Geistig fit bleiben.<br />

Bern u. a.: Huber, 2002. ISBN<br />

3-456-83896-4. 19,95 €<br />

Dieses Training ist speziell<br />

für SeniorInnen konzipiert. Ein<br />

Vorteil des Programmes mit<br />

seinen 121 Aufgaben ist, dass es<br />

von den SeniorInnen alleine<br />

durchgeführt werden kann.<br />

Anleitungen zur Bearbeitung<br />

sowie Informationen zum Hintergrund<br />

des Trainings als auch die<br />

Lösungen werden zur Verfügung<br />

gestellt.<br />

Pflege<br />

• Hellmann, Stefanie; Kundmüller,<br />

Petra: Pflegevisite in Theorie<br />

und Praxis für die ambulante<br />

und stationäre Pflege. Checklisten<br />

für die praktische Anwendung<br />

und Schulungsunterlagen<br />

für die innerbetriebliche Fortbildung.<br />

Hannover: Schlütersche,<br />

2003. ISBN 3-87706-642-9. 12,90 €<br />

Die Pflegevisite ist ein praktikables<br />

Instrument für die interne<br />

Qualitätssicherung in Pflegeeinrichtungen.<br />

Doch es geht um<br />

mehr: Es geht um den Anspruch<br />

der Einrichtungen, die Qualität<br />

der erbrachten Leistungen zu<br />

sichern und weiterzuentwickeln.<br />

Das Buch informiert in leicht<br />

verständlicher Sprache über die<br />

Entwicklung und den Einsatz der<br />

Pflegevisite und ist mit vielen<br />

Checklisten und Folienvorlagen<br />

für die innerbetriebliche Fortbildung<br />

geeignet.<br />

• Lotze, Eckhard: Humor im therapeutischen<br />

Prozess. Dimensionen,<br />

Anwendungsmöglichkeiten<br />

und Grenzen für die Pflege.<br />

Frankfurt a.M.: Mabuse, 2003.<br />

ISBN 3-935964-19-6. 18,– €<br />

Humor ist dazu geeignet, der<br />

Beziehung zwischen Pflegenden<br />

und Pflegeempfängern neue<br />

Qualität zu verleihen und sie<br />

somit zu verbessern. Mit diesem<br />

Ziel sollte der Humor in den<br />

Katalog der professionellen<br />

Handlungskompetenzen von<br />

Pflegenden aufgenommen<br />

werden.<br />

• Diakonisches Werk Württemberg<br />

(Hrsg.): Dekubitusprophylaxe.<br />

Nationaler Expertenstandard,<br />

fachliche und juristische Aspekte.<br />

Dokumentation einer Fachtagung<br />

im April 2002. Stuttgart:<br />

Diakonisches Werk, 2003. 10,– €<br />

zzgl. 2,55 € Versand. Zu beziehen<br />

bei: Diakonisches Werk der evangelischen<br />

Landeskirche in Württemberg<br />

e.V., Postfach 10 11 51,<br />

70010 Stuttgart, Fax 07 11/<br />

1 65 63 65, E-Mail: krczal.u@diakonie-wuerttemberg.de.<br />

• Schindler, Ulrich (Hrsg.): Die<br />

Pflege demenziell Erkrankter neu<br />

erleben. Mäeutik im Praxisalltag.<br />

Hannover: Vincentz, 2003. ISBN<br />

3-87870-300-7. 14,80 €<br />

Mit der erlebnisorientierten<br />

Pflege wird ein neuartiges Konzept<br />

zur Pflege dementer Menschen<br />

vorgestellt. Hierbei geht es<br />

um den gefühlsmäßigen Kontakt,<br />

der mit der demenzkranken<br />

Person aufzubauen und zu<br />

halten ist. Verschiedene AutorInnen<br />

– darunter auch die Begründerin<br />

der Mäeutik, Cora van der<br />

Kooij – stellen dazu Ideen und<br />

Anregungen vor. Dabei geht es<br />

neben den Grundzügen der<br />

Mäeutik um konkrete Anwendungsformen<br />

wie Dementia Care<br />

Mapping (DCM) oder die 10-<br />

Minuten-Aktivierung.<br />

Therapie<br />

• Nölke, Eberhard; Willis, Marylin<br />

(Hrsg.): Klientenzentrierte<br />

Kunsttherapie in institutionalisierten<br />

Praxisfeldern. Bern u.a.:<br />

Huber, 2002. ISBN 3-456-83883-2.<br />

24,95 €<br />

Erfahrene PraktikerInnen<br />

führen ihre Arbeit in Bild und<br />

Text vor und gewähren dem<br />

Leser Einblick in die institutionel-<br />

Lese-Tipps<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 67


Lese-Tipps<br />

68<br />

len Rahmenbedingungen. Sie<br />

versuchen, Antworten auf die<br />

Frage der Bedeutung der kreativen<br />

Ausdrucksformen auf die<br />

Psychotherapie zu geben, und<br />

versuchen zu klären, wie sich<br />

künstlerisches Handeln zu therapeutischen<br />

Vorgängen verhält.<br />

• Price, Shirley; Price, Len: Aromatherapie.<br />

Praxishandbuch für<br />

Pflege- und Gesundheitsberufe.<br />

Bern u. a.: Huber, 2003. ISBN 3-<br />

456-83440-3. 39,95 €<br />

Die Aromatherapie erfreut<br />

sich bei zahlreichen Gesundheitsberufen<br />

immer größerer Beliebtheit.<br />

Zur Aromatherapie gibt es<br />

zwar schon etliche Veröffentlichungen,<br />

die sich aber zum<br />

großen Teil an Laien richten.<br />

Dieses Buch bietet eine wissenschaftlich<br />

belegte Darstellung<br />

und Anwendung der Aromatherapie<br />

für Pflege- und Gesundheitsberufe<br />

und wendet sich<br />

speziell an diese Personengruppe.<br />

Management<br />

• Schubert, Hans-Joachim (Hrsg.):<br />

Management von Gesundheitsund<br />

Sozialeinrichtungen. Handlungsfelder,<br />

Methoden, Lösungen.<br />

Neuwied u.a.: Luchterhand,<br />

2002. ISBN 3-472-04953-7. 55,– €<br />

Vor dem Hintergrund der<br />

immer knapper werdenden<br />

öffentlichen Mittel und der<br />

immer stärkeren Nachfrage nach<br />

Leistungen aus dem Gesundheitsund<br />

Sozialsystem will dieses<br />

Werk, durch eine intensive<br />

Auseinandersetzung mit Fragen<br />

der Existenzsicherung und Steigerung<br />

der Wettbewerbsfähigkeit,<br />

das erforderliche (Grundlagen-)Wissen<br />

und die notwendigen<br />

Kompetenzen vermitteln,<br />

um diese Aufgaben zu meistern.<br />

Zu den Kernthemen gehören u.a.<br />

Strategisches Management,<br />

Personalmanagement und -<br />

entwicklung, Kundenorientie-<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

rung oder Beschwerdemanagement.<br />

Das Werk richtet sich an<br />

Fach- und Führungskräfte aus<br />

Gesundheits- und Sozialeinrichtungen<br />

und an Personen, die<br />

eine leitende Funktion in diesem<br />

Bereich anstreben.<br />

• Balk; Eisenreich, Thomas<br />

(Hrsg.): Handbuch Pflegemanagement.<br />

Erfolgreich führen<br />

und wirtschaften in der Pflege.<br />

2., komplett überarb. Aufl. Neuwied<br />

u.a.: Luchterhand, 2003.<br />

ISBN 3-472-05210-4. 64,– €<br />

Nachdem die erste Auflage<br />

innerhalb von drei Monaten<br />

vergriffen war, haben die Herausgeber<br />

das Werk komplett neu<br />

überarbeitet und aktualisiert. Als<br />

neuer Schwerpunkt wurde das<br />

Thema „Recht in der Pflege“<br />

aufgenommen. Nachdem zum 1.<br />

Januar 2002 das Gesetz zur<br />

Qualitätssicherung und zur<br />

Stärkung des Verbraucherschutzes<br />

in der Pflege (PQsG) in Kraft<br />

getreten ist, geht das Buch<br />

speziell auf dieses Thema ein.<br />

Auch haftungsrechtliche Aspekte<br />

im Pflegedienst werden behandelt,<br />

da zunehmend auch Pflegekräfte<br />

mit Vorwürfen und<br />

Ansprüchen von Patienten konfrontiert<br />

sind.<br />

Ausbildung<br />

• Kogler, Monika: Lehrbuch der<br />

Pharmakologie für Pflegehelfer.<br />

Mit einem ausführlichen Teil zum<br />

Thema Diabetes. Wien, München,<br />

Bern: Maudrich, 2003. ISBN<br />

3-85175-792-0. 16,– €<br />

Dieses Lehr buch enthält in<br />

übersichtlicher Form die für das<br />

Fach Pharmakologie benötigten<br />

Informationen. Arten und Darreichungsformen,<br />

Dosierung und<br />

Lagerung, Vorbereitung und<br />

Verabreichung von Medikamenten,<br />

Wirkungsweise, Nebenwirkungen<br />

u. a.<br />

Soziologie<br />

• Huber, Andreas: Sog des Südens.<br />

<strong>Alter</strong>smigration von der<br />

Schweiz nach Spanien am Beispiel<br />

Costa Blanca. Zürich: Seismo,<br />

2003. ISBN 3-908239-94-X.<br />

32,– €<br />

Sog des Südens beschäftigt<br />

sich mit der <strong>Alter</strong>smigration von<br />

Schweizern nach Spanien. Die<br />

Studie stellt den Alltag und das<br />

Leben der Rentnerinnen und<br />

Rentner aufgrund einer schriftlichen<br />

Befragung dar, thematisiert<br />

aber auch die Probleme, die<br />

sich aufgrund der vielen älteren<br />

ausländischen Residenten für die<br />

bestehenden regionalen Versorgungssysteme<br />

der Altenhilfe<br />

ergeben.<br />

Neues aus dem DZA:<br />

• Engstler, Heribert; Menning,<br />

Sonja: Die Familie im Spiegel der<br />

amtlichen Statistik. Lebensformen,<br />

Familienstrukturen, wirtschaftliche<br />

Situation der Familien<br />

und familiendemographische<br />

Entwicklung in Deutschland. Erw.<br />

Neuaufl. 2003. Berlin: Bundesministerium<br />

für Familie, Senioren,<br />

Frauen und Jugend, 2003.<br />

Kostenlos zu beziehen bei:<br />

Bundesministerium für Familie,<br />

Senioren, Frauen und Jugend,<br />

Postfach 20 15 51, 53145 Bonn,<br />

Telefon 01 80/5 32 93 29,<br />

E-Mail: broschuerenstelle@<br />

bmfsfj.bund.de, Internet:<br />

www.bmfsfj.de.<br />

Zusammenstellung:<br />

Jürgen Wickert


Die Altenhilfe in der<br />

Informationsgesellschaft<br />

Internet, Intranet und E-Mails sind aus dem Arbeitsalltag vieler „Schreibtischtäter“ nicht mehr<br />

wegzudenken. Mit der Altenpflege und ihrem täglichen Praxis-Einsatz „am“ und für den Menschen<br />

haben sie – auf den ersten Blick – wenig zu tun. Warum diese modernen Informationstechnologien<br />

aber gerade auch für die Pflege-Branche wichtig sind und wie sie optimal genutzt<br />

werden können, zeigt Christian Koch in der vierteiligen Pro<strong>Alter</strong>-Reihe „Die Altenhilfe in<br />

der Informationsgesellschaft“.<br />

Teil III: Einsatz und Nutzen des Intranet<br />

Begriff und Anwendungsbereich<br />

Intranet bezeichnet die Anwendung der Internettechnologien,<br />

zum Beispiel E-Mail und<br />

Webseiten, in einem lokalen Netz (LAN).<br />

Typisch ist der geschlossene Benutzerkreis im<br />

Gegensatz zum öffentlichen Internet. Extranet<br />

bezeichnet eine geschlossene Anwendung, die<br />

über das lokale Netz hinaus geht und der<br />

Vernetzung verschiedener Standorte oder mit<br />

Geschäftspartnern dient. Schließlich wird noch<br />

der Begriff VPN („virtual private network“)<br />

für ein Extranet verwendet, das über das Internet<br />

realisiert wurde, aber durch Verschlüsselung<br />

und Authentifizierung gegen Zugriffe von<br />

Dritten abgeschirmt ist. Umgangssprachlich<br />

werden oft alle drei Formen als Intranet<br />

bezeichnet: im lokalen Netz, standortübergreifend<br />

über eigene Leitungen und geschützte<br />

Benutzergruppen, die über öffentliche Leitungen<br />

verbunden sind.<br />

Da innerhalb einer Organisation technische<br />

Ausstattung und Schulung der Mitarbeiter<br />

gezielt gesteuert werden können, sind die Voraussetzungen<br />

für eine zügige Umsetzung neuer<br />

Kommunikationswege recht gut. Trotzdem<br />

wird die Komplexität der Einführung eines<br />

Intranets oft unterschätzt. Die Schwierigkeiten<br />

resultieren daraus, dass Hardware, Software,<br />

Kommunikationsverbindungen, Anwender-<br />

kenntnisse und organisatorische Regelungen<br />

bestens ineinander greifen müssen.<br />

Besonders vorteilhaft ist ein Intranet, wenn<br />

• verteilte Standorte stärker integriert werden<br />

können,<br />

• ein hoher Anteil an Mitarbeitern erreicht<br />

wird, also ausreichend Zugang zu PCs besteht,<br />

oder mobile Geräte (PDA, Smartphone) integriert<br />

werden,<br />

• darüber möglichst viele gemeinsame<br />

Ressourcen zugänglich gemacht werden, z. B.<br />

Adressen, Terminkalender, Organisationsoder<br />

Qualitätsmanagement-Handbuch, Dokumentenmanagement,<br />

Fachliteratur…,<br />

• Geschäftsprozesse im Internet abgebildet<br />

werden, so dass beispielsweise über Webformulare<br />

unmittelbar Daten für den Leistungsprozess<br />

gewonnen werden,<br />

• externe Partner gezielt in das System integriert<br />

werden können.<br />

Bei Verbänden als Trägern der Altenhilfe<br />

treten neben die Zielgruppe der Mitarbeiter<br />

noch die Mitglieder und Vereinsgremien. In der<br />

Tabelle auf der folgenden Seite werden nur<br />

erstere betrachtet.<br />

Bei dem Einsatz sind drei Ebenen denkbar,<br />

die einzeln oder integriert realisiert werden<br />

können.<br />

1. Intranet innerhalb der Einrichtung: Dies<br />

entspricht weitgehend den bisherigen Möglich-<br />

Gesellschaft und Politik<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 69


Gesellschaft und Politik<br />

70<br />

Nutzungsmöglichkeiten des Intranet in Einrichtungen der Altenhilfe<br />

Angebot Umsetzung<br />

E-Mail mit Verteilern, Autorespondern, Filtern, Weiterleitungen<br />

Handbücher Organisationshandbuch, Qualitätshandbuch mit allen Satzungen,<br />

Ordnungen, Dienstanweisungen, Formulare, Checklisten und<br />

Arbeitshilfen als verlinkte Webseiten und ggf. Webformulare<br />

Berichtswesen Verteilung von Controllingauswertungen, Auswertungen auf<br />

Nachfrage<br />

Groupware Terminkalender, Verwaltung von Sitzungsräumen und Fuhrpark,<br />

Aufgabenlisten, Projektmanagement<br />

Dokumenten- strukturierte Ablage, Volltextindizierung, Zuordnung von Schlagmanagement<br />

wörtern, Suche nach Bearbeiter und Datum<br />

Workflow- automatische Vorgangssteuerung mit Weiterleitung, Genehmigung,<br />

management Wiedervorlage, Archivierung, Vorgangsverfolgung, Integration von<br />

Datenbanken, Modellierung von Geschäftsprozessen<br />

keiten eines lokalen Netzes mit gemeinsamer<br />

Ressourcennutzung. Durch die Internettechnologie<br />

wird die Benutzung vereinfacht. Alle<br />

Angebote sind zum Beispiel über Browser<br />

zugänglich und Dokumente können durch<br />

Links vielfältig verbunden werden. Gemeinsame<br />

Ressourcen reichen von der Telefonliste<br />

und dem Speisenplan bis zum Qualitätshandbuch.<br />

2. Intranet innerhalb eines Trägers: Hier<br />

steht die Kommunikation zwischen verteilten<br />

Standorten, vor allem der Zentrale und den<br />

Einrichtungen, im Vordergrund. Dienstanweisungen<br />

lassen sich aktualisieren, Besprechungsprotokolle<br />

verteilen, und E-Mail ersetzt so<br />

manches Telefonat.<br />

3. Intranet innerhalb eines Verbandes:<br />

Neben der räumlichen Verteilung spielt innerhalb<br />

von Spitzen- oder Fachverbänden vor<br />

allem die Informationsmenge eine wesentliche<br />

Rolle. Hier spielt das Intranet seine Stärke<br />

durch hierarchisch strukturierte Aufbereitung,<br />

laufende Aktualisierung und komfortable<br />

Suchfunktionen aus. So könnte die Suche nach<br />

„DCM“ auf Knopfdruck Fachbeiträge,<br />

aktuelle Nachrichten und Veranstaltungen zu<br />

Tage fördern.<br />

Ergänzend sind Angebote für Bewohner<br />

und Angehörige denkbar, denen zum Beispiel<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Zugriff auf eine Heimzeitung, Veranstaltungsmitschnitte,<br />

eine Webcam, Mitteilungen des<br />

Heimbeirates oder Kontaktdaten der Mitarbeiter<br />

und Bewohner gewährt wird. Da in den<br />

letzten Jahren zahlreiche Senioren-Internetcafés<br />

eingerichtet wurden, erscheinen diese Perspektiven<br />

zunehmend realistischer, auch wenn sie<br />

sicher nur einen Teil der Heimbewohner und<br />

Angehörigen erreichen werden.<br />

Das Beispiel „Controlling im Intranet“<br />

verdeutlicht den Nutzen: Alle Berichte werden<br />

als PDF-Datei erzeugt und strukturiert in Verzeichnissen<br />

nach Einrichtung, Kostenstelle und<br />

Jahr abgelegt. Neben den Übersichten können<br />

auch Einzelkostennachweise elektronisch<br />

publiziert werden, auf die sonst wegen des<br />

Umfangs oft verzichtet wird. Kosten und Zeitaufwand<br />

für Produktion und Distribution sind<br />

gegenüber der Papiervariante deutlich niedriger.<br />

Der neu eingestellten Heimleitung stehen<br />

auch von den Vorjahren alle Berichte sofort zur<br />

Verfügung. Zugriffsrechte lassen sich leicht<br />

über das Betriebssystem oder ein Contentmanagementsystem<br />

verwalten. Die Erstellung und<br />

Wiedergabe der Berichte erfolgt weitgehend<br />

hersteller- und betriebssystemunabhängig.<br />

Auch nach Jahren werden die Berichte noch<br />

auf Knopfdruck verfügbar sein.


Vorteilhaftes Intranet/Extranet<br />

1. Der Anwender muss sich nur einmal mit<br />

der Clientsoftware (Browser, E-Mail-Programm)<br />

vertraut machen, um sowohl extern<br />

wie intern zu kommunizieren.<br />

2. Systemverwaltung und Schulung<br />

beschränken sich auf wenige, verbreitete<br />

Programme.<br />

3. Selbst leistungsfähige Software ist größtenteils<br />

kostenlos erhältlich, zum Beispiel<br />

Apache-Webserver.<br />

4. Die technischen Voraussetzungen sind<br />

eher gering. Als Webserver kann oft ein<br />

„ausrangierter“ PC genutzt werden.<br />

5. Die Kommunikation kann problemlos<br />

über Betriebssystemgrenzen hinweg geführt<br />

werden.<br />

6. Durch die offenen Standards wird eine<br />

Abhängigkeit von einzelnen Herstellern<br />

vermieden.<br />

7. Mit dynamisch erzeugten Webseiten und<br />

Datenbankanbindung ist eine schrittweise<br />

Integration in bestehende Systeme möglich.<br />

Realisierung<br />

Der Aufbau eines Intranets ist wie jedes Projekt<br />

mit klaren Zielen, Verantwortlichen, Budget<br />

und Zeitplan auszustatten. Spezifische Arbeitsschritte<br />

sind<br />

• Zielgruppen bestimmen<br />

• Standorte festlegen<br />

• Anwendungsschwerpunkte vereinbaren<br />

• Anwendungen festlegen, dabei zuerst Anwendungen<br />

mit höchstem Nutzen und geringen<br />

Anforderungen an Technik sowie Anwenderkompetenz<br />

realisieren<br />

• Technische Standards festlegen und Voraussetzungen<br />

prüfen, zum Beispiel Ausstattung<br />

vor Ort<br />

• Personelle Voraussetzungen schaffen für<br />

Aufbau und laufende Pflege von Technik, Benutzerverwaltung<br />

und inhaltliche Betreuung<br />

• Hardware und Software anschaffen, installieren<br />

und testen, ggf. Aufträge fremd vergeben<br />

• Schulungsplan aufstellen und umsetzen<br />

• Projektcontrolling durchführen und Erfolge<br />

bzw. Hemmnisse feststellen sowie angemessen<br />

reagieren.<br />

Der Aufbau eines Intranets und die Internetnutzung<br />

bedürfen fundierter Planung und<br />

kompetenter fachlicher Betreuung. Sie sollten<br />

in überschaubaren Phasen realisiert und als<br />

Organisationsentwicklungsmaßnahme verstanden<br />

werden. Die technischen Aspekte sind für<br />

die Sozialwirtschaft nicht spezifisch. Sie müssen<br />

zweifelsohne angemessen berücksichtigt<br />

werden, aber der Nutzen entsteht durch ein<br />

branchenspezifisches Verständnis der organisatorischen<br />

Anforderungen und der Entwicklung<br />

adäquater Lösungen. Arbeitsrechtliche Bestimmungen<br />

bezüglich Informations- und Mitbestimmungsrechten<br />

sind dabei zu beachten.<br />

Folgende grundsätzliche technische Varianten<br />

sind möglich:<br />

1. Webhosting als Basis für ein einfaches<br />

Intranet<br />

Für wenige Euro im Monat wird ein standardisiertes<br />

Webhosting-Paket eingekauft. Im<br />

Gegensatz zu einer öffentlichen Website wird<br />

das Angebot durch ein Kennwort geschützt<br />

und nur den Mitarbeiter zugänglich gemacht.<br />

Diese Lösung kann mit minimalen Kosten<br />

schnell realisiert und leicht verwaltet werden.<br />

Allerdings müssen für alle Zugriffe externe<br />

Verbindungen zum Internet aufgebaut werden,<br />

selbst für interne Mails, und die Sicherheitsanforderungen<br />

für die geplanten Anwendungen<br />

sollten nicht zu hoch sein. Von einer Ablage<br />

von Patientendaten auf einem solchen Standardserver<br />

wäre beispielsweise abzuraten.<br />

Bewertung: bei räumlich verteilten Standorten,<br />

für Verbände zur Mitgliederkommunikation<br />

und als erster Einstieg auch für Einrichtungen<br />

gut denkbar.<br />

2. Linuxserver im LAN<br />

Mit kostenloser Software kann auch auf<br />

einem älteren PC ein Web- und Mailserver<br />

installiert und in das lokale Netz eingebunden<br />

werden. Dem großen Gestaltungsspielraum<br />

und der optimalen Anbindung stehen erheblich<br />

größere Anforderungen an die technische<br />

Kompetenz gegenüber. Die Kosten für die<br />

Administration können diejenigen für Hardund<br />

Software leicht um ein Mehrfaches übersteigen.<br />

Bewertung: bei technischer Kompetenz<br />

im Hause und für größere Träger eine reizvolle<br />

Lösung.<br />

3. Das Intranet mittels Standardsoftware<br />

Gerade wenn weniger Know-how im<br />

Betrieb verhanden ist, bietet sich der Rückgriff<br />

auf Standardlösungen an. Bei einem Standard-<br />

Gesellschaft und Politik<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 71


Gesellschaft und Politik<br />

72<br />

Intranet werden Benutzerverwaltung, Terminkalender,<br />

Adressbuch und andere Standardanwendungen<br />

bereits vorgegeben. Einerseits sind<br />

einige Funktionen sofort verfügbar, andererseits<br />

sind die individuellen Anpassungsmöglichkeiten<br />

entweder beschränkt oder aufwendig.<br />

Ein oft positiv beurteiltes Produkt dieser Kategorie<br />

ist z. B. Intrexx. Bewertung: Kleinere und<br />

mittlere Betriebe kommen mit vertretbarem<br />

Aufwand schnell zu einer Lösung.<br />

4. ASP – Das Intranet im Internet<br />

Application-Service-Provider (ASP) bieten<br />

Standardlösungen auf ihrem Webserver an, so<br />

dass der Anwender keine eigene Software<br />

installieren und warten muss. Auch die Speicherung<br />

und Sicherung der Daten wird ihm<br />

abgenommen. Offensichtlich bedarf es eines<br />

großen Vertrauens in den Provider, seine sensiblen<br />

und für den betrieblichen Ablauf existienziellen<br />

Daten einem Dritten anzuvertrauen.<br />

Andererseits ist die zeitliche Entlastung durch<br />

ein solches Outsourcing nicht zu unterschätzen.<br />

Bewertung: Auf jeden Fall sollte eine<br />

Planung für den Ausfall des Anbieters erstellt<br />

werden.<br />

Die Grenzen zwischen der ersten (Webhosting-Paket)<br />

und letzten (ASP) Lösung verwischen<br />

in der Praxis zunehmend, da die standardisierten<br />

Webhosting-Pakete immer häufiger<br />

mit Intranet-Funktionalität aufgewertet<br />

werden.<br />

Fazit<br />

Durch ein Intranet können Informationen<br />

schnell, kostengünstig und für den Empfänger<br />

gut strukturiert verteilt werden. Mittels E-Mail<br />

und Diskussionsforen wird die Kommunikation,<br />

vor allem zwischen verschiedenen Standorten,<br />

vereinfacht. Der Einstieg erfolgt am<br />

besten mit einfachen Anwendungen, deren<br />

Nutzen für den Anwender sofort ersichtlich ist:<br />

Adressenliste der Mitarbeiter, Speisenplan,<br />

Besprechungsprotokolle. Über komplexere<br />

Dokumente, wie Qualitätshandbuch und Fachinformationen,<br />

kann schließlich der Schritt zur<br />

Integration von Geschäftsprozessen angegangen<br />

werden: Terminkalender, Urlaubsgenehmigung,<br />

Fortbildungsdatenbank und vieles mehr.<br />

Werden jetzt noch mobile Erfassungsgeräte,<br />

zum Beispiel in der ambulanten Pflege, integriert,<br />

ist das technisch Machbare ausgereizt.<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

Aber wie beim Internetauftritt gilt auch für das<br />

Intranet: Letztlich hängt der Wert von den<br />

Inhalten und der Akzeptanz bei den Nutzern<br />

ab.<br />

Weiterführende Informationen<br />

• Heuser, Jürgen und Anja Lüthy (Hrsg.): Praxishandbuch<br />

Internet und Intranet @ Krankenhaus. Baumann<br />

Fachzeitschriften Verlag (Kulmbach) 1998, 344 Seiten,<br />

ISBN 3-922091-47-4<br />

Auch wenn auf das Krankenhaus statt auf die Altenhilfe<br />

bezogen und schon ein paar Jahre alt, bieten die<br />

Beiträge von 20 Autoren einen interessanten, facettenreichen<br />

Einstieg in das Thema.<br />

• Koch, Christian: Professionelle Kommunikation<br />

durch das Intranet. Der erfolgreiche Einsatz in Verbänden<br />

und sozialen Unternehmen. In: Handbuch Sozialmanagement.<br />

Raabe (Berlin), 8. Ergänzungslieferung,<br />

10/2001<br />

In der Pro<strong>Alter</strong>-Reihe „Die Altenhilfe in<br />

der Informationsgesellschaft“ sind bisher<br />

erschienen:<br />

• Teil I – Erfolgreich kommunizieren im<br />

Web<br />

• Teil II – E-Mail und mehr. Elektronische<br />

Kommunikation optimieren.<br />

Der letzte Beitrag aus dieser Reihe wird sich<br />

mit dem Thema „Gesellschaft – soziale<br />

Organisationen – Individuum: Was macht<br />

das Sabine, Netz mit bitte uns?“ als Kasten beschäftigen.<br />

setzen:<br />

Christian Koch,<br />

Dipl.-Kfm.<br />

Der Autor ist als<br />

Unternehmensberater<br />

für Nonprofit-Organisationen (www.npoconsult.de)<br />

bundesweit tätig. Die Arbeitsschwerpunkte sind<br />

Verbandsorganisation, Management und Controlling. Als<br />

Geschäftsführer der socialnet GmbH berät er bei der<br />

Konzeption von Internet-/Intranetprojekten und ist für<br />

das Portal www.socialnet.de verantwortlich.


Glossar:<br />

• ASP: Ein Application-Service-Provider bietet<br />

einen Server an, auf dem Anwendungssoftware<br />

(z. B. Lohnabrechnung) läuft, so dass der<br />

Kunde diese Software nicht mehr bei sich installieren<br />

muss, sondern über das Internet auf<br />

diese Anwendungssoftware zugreift und seine<br />

Daten auch auf dem Server des Anbieters speichert<br />

• Autoresponder: informiert automatisch alle<br />

Absender eingehender E-Mails z. B. über die<br />

Abwesenheit des Empfängers wegen Urlaub<br />

• Client(-software): stellt Daten (E-Mails,<br />

Webseiten) beim Anwender dar, die vom Server<br />

(Webserver, Mailserver) geliefert werden<br />

• Extranet: ein Intranet, dass nicht nur Anwendern<br />

im lokalen Netz (LAN), sondern auch<br />

anderen Anwendern, z. B. in anderen Einrichtungen<br />

oder Geschäftspartnern, zur Verfügung<br />

steht<br />

• Filter: können E-Mails automatisch in verschiedene<br />

Ordner sortieren, so dass die Bearbeitung<br />

vereinfacht und die Ablage automatisiert<br />

wird<br />

• Groupware: ist ein Sammelbegriff für Software,<br />

die Teamarbeit unterstützt, z. B. Terminkalender<br />

im Netz mit automatischem Vorschlag<br />

für gemeinsame Sitzungstermine<br />

• Intranet: firmeninternes, lokales Computernetz,<br />

bei dem die Internetprotokolle und<br />

-dienste zum Einsatz kommen. Die wichtigsten<br />

Anwendungen sind firmeninterne E-Mails und<br />

ein interner Webserver, z. B. mit Dienstanweisungen<br />

und Mitarbeiterzeitung.<br />

• LAN: Local-Area-Network bezeichnet ein<br />

lokales Computernetz, bei dem mehrere Rechner<br />

in einem Gebäude, oft in einer Abteilung,<br />

verbunden werden, so dass Daten ausgetauscht<br />

werden können.<br />

• Links/Verlinkung: Ein Link (wörtlich: Verbindung,<br />

treffender Adresse) verweist auf ein<br />

Dokument im Internet, das durch einfaches<br />

Anklicken des Links aufgerufen werden kann,<br />

und Verlinkung bezeichnet das Einfügen von<br />

Links in ein Dokument.<br />

• PDA: Personal Digital Assistant, z. B. von<br />

Palm, ist ein Kleinstcomputer für die Westentasche,<br />

meist mit Adressverwaltung, Textverarbeitung,<br />

Terminkalender, Mailprogramm und<br />

Browser, zunehmend mit integriertem Handy<br />

• PDF: Das Portable Dokument-Format von<br />

der Firma Adobe kann mit einem kostenlosen<br />

„Reader“ auf praktisch allen Computern und<br />

Betriebssystemen gelesen werden und eignet<br />

sich besonders zum Vertrieb von Prospekten<br />

und ansprechend gestalteten Dokumenten über<br />

das Internet, die zum Download angeboten<br />

werden.<br />

• Server: bezeichnet manchmal nur Software,<br />

oft auch Soft- und Hardware, die zentral Daten<br />

bereithält oder verarbeitet, z. B. einen Webserver,<br />

der Webseiten ausliefert, siehe auch Client.<br />

• Site: verkürzt für Website, bezeichnet alle<br />

zusammengehörenden Seiten einer Internetpräsenz,<br />

i. d. R. alle Seiten, die unter einer Domain,<br />

z. B. www.kda.de, erreichbar und untereinander<br />

verlinkt (Verlinkung) sind<br />

• Smartphone: eine Kombination von Handy<br />

und PDA, die gegenüber einem einfachen Handy<br />

z. B. Empfang und Versand von E-Mails<br />

oder eine, ggf. stark vereinfachte Anzeige von<br />

Webseiten erlaubt<br />

• Verteiler: hier Zusammenfassung von mehreren<br />

E-Mail-Adressen unter einem Begriff, so<br />

dass z. B. eine Mail an „heimA@traeger.de“<br />

automatisch an alle MitarbeiterInnen dieses<br />

Heims verteilt wird, ohne dass der Absender<br />

alle Adressen kennen muss<br />

• Volltextindizierung: erstellt einen Index<br />

(Verzeichnis) über alle Begriffe in einem Text<br />

und ermöglicht eine sehr schnelle Suche nach<br />

beliebigen Begriffen in den indexierten Dokumenten<br />

• VPN: Virtual Private Network: ein Extranet,<br />

dessen Kommunikation über das Internet<br />

abgewickelt wird, wobei alle übertragenen Daten<br />

verschlüsselt und der Zugriff auf befugte<br />

Personen beschränkt wird<br />

• Webcam: eine preiswerte Videokamera, die<br />

eher niedrigauflösende Bilder zur Veröffentlichung<br />

im Internet liefert<br />

• Webhosting: bezeichnet die Dienstleistung,<br />

für einen Kunden einen Webserver (exklusiv<br />

oder meist zur Mitnutzung) bereitzustellen und<br />

ihm die Veröffentlichung einer Website ohne eigenen<br />

Webserver zu ermöglichen<br />

• Webserver: siehe Server<br />

• Workflowmanagement-Software: soll die<br />

Geschäftsprozesse einer Organisation abbilden<br />

und automatisieren, z. B. die Daten eines Urlaubsantrags<br />

an den Vorgesetzten und bei dessen<br />

Abwesenheit automatisch an seinen Vertreter<br />

weiterleiten sowie das Ergebnis in die Datenbank<br />

der Personalabteilung einfügen und<br />

den Antragsteller informieren<br />

Gesellschaft und Politik<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 73


Veranstaltungen<br />

74<br />

Veranstaltungshinweise müssen rechtzeitig vor Redaktionsschluss<br />

bei uns eingehen. Der Redaktionsschluss für Heft 3/03 von<br />

Pro<strong>Alter</strong> ist am 4. August 2003.<br />

Zusammenstellung: Volker Kowitz<br />

Fachtagung „Auch Migranten<br />

werden alt!“, Hansesaal Lünen-<br />

Mitte<br />

• Lünen, 30. Juni bis 1. Juli<br />

• Information/Ansprechpartner:<br />

Multikulturelles Forum Lünen<br />

e.V., Bahnstraße 31, 44532 Lünen,<br />

Telefon 0 22 06/93 39-18, Fax<br />

0 23 06/93 39 29, E-Mail:<br />

info@multikulti-forum.de, Homepage:<br />

www.multkulti-forum.de<br />

Tagung „Gut in Ausbildung –<br />

Stark in Pflege.“ Chancen durch<br />

integrierendes Lehren und<br />

Lernen<br />

• Flensburg, 26. Juni<br />

• Information/Veranstalter: Ökumenisches<br />

Bildungszentrum für<br />

Berufe im Gesundheitswesen<br />

gGmbH, Knuthstraße 1, 24939<br />

Flensburg, Telefon 04 61/8 12-<br />

21 10, Fax 04 61/8 12-21 13, E-<br />

Mail: fwb@oebiz.de<br />

6. Internationaler Demenzkongress,<br />

Kulturhalle<br />

• Saarlouis, 30. Juni<br />

• Information/Veranstalter:<br />

Demenz-Verein Saarlouis e.V.,<br />

Ludwigstraße 5, 66740 Saarlouis,<br />

Telefon 0 68 31/4 88 18-0, Fax<br />

0 68 31/4 88 18-14, Homepage:<br />

www.demenz-saarlouis.de<br />

Ganztägiger Workshop<br />

„Validation – Umgang mit <strong>Alter</strong>sverwirrten“<br />

mit der Begründerin<br />

der Validationsmethode Naomi<br />

Feil, Kulturhalle<br />

• Saarlouis, 1. Juli<br />

• Information/Veranstalter:<br />

Demenz-Verein Saarlouis e.V.,<br />

Ludwigstraße 5, 66740 Saarlouis,<br />

Telefon 0 68 31/4 88 18-0, Fax<br />

0 68 31/4 88 18-14, Homepage:<br />

www.demenz-saarlouis.de<br />

Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />

„Einführung milieutherapeutisch<br />

orientierter Demenzwohngruppen:<br />

Ergebnisse eines<br />

Modellprojektes“<br />

• Stuttgart, 8. Juli<br />

• Information/Veranstalter: Demenz<br />

Support Stuttgart gGmbH,<br />

Hölderlinstraße 4, 70174 Stuttgart,<br />

Telefon 07 11/9 97 87 14, Fax<br />

07 11/9 97 87 29, Homepage:<br />

www.demenz-support.de<br />

Wuppertaler Altenpflegekongress,<br />

Historische Stadthalle<br />

am Johannisberg<br />

• Wuppertal, 5. September<br />

• Information/Veranstalter:<br />

Bildungsinstitut Fachbereiche Gesundheitswesen,<br />

Südstraße 12,<br />

42489 Wülfrath, Telefon<br />

02058/7808-126<br />

2003: Senioren- und Behindertenmesse<br />

„Vital leben“,<br />

Hansesaal und Rundturnhalle<br />

• Lünen, 6. bis 7. September<br />

• Information/Veranstalter:<br />

Stadtverwaltung Lünen, Koordinierungsstele<br />

Altenarbeit, Willi-<br />

Brandt-Platz 1, 44532 Lünen,<br />

Telefon 0 23 06/1 04-12 07, Fax<br />

0 23 06/1 04-14 80, E-Mail:<br />

Annette.Goebel.14@luenen.de<br />

2003: Symposium End-of-Life<br />

Care – Versorgung von<br />

Menschen in der letzten Lebensphase,<br />

Stadthalle Bielefeld<br />

• Bielefeld, 11. bis 12. September<br />

• Information/Veranstalter: Institut<br />

für Pflegewissenschaft an der<br />

Universität Bielefeld (IPW), Universitätsstr.<br />

25, 33615 Bielefeld,<br />

Tel. 05 21/1 06-48 15, Fax 05 21/<br />

1 06-64 37, E-Mail: ina.horn@<br />

uni-bielefeld.de, Homepage:<br />

www.uni-bielefeld.de/IPW<br />

2. Kongress der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Gesellschaft für Körperpsychotherapie<br />

(DGK) „Körper-Seele-<br />

Selbst, Freie Universität Berlin<br />

• Berlin, 18. bis 21. September<br />

• Information/Veranstalter: CTW<br />

– Congress Organisation Thomas<br />

Wiese, Goßlerstraße 30, 12161<br />

Berlin, Telefon 0 30/85 99 62, Fax<br />

0 30/85 07 98 26, E-Mail: dak@<br />

ctw-conaress.de, Homepage:<br />

www.koerperpsychotherapiedgk.de<br />

Messe „50+“, Messezentrum<br />

• Erfurt, 19. bis 21. September<br />

• Information/Veranstalter: RAM<br />

Regio Ausstellungs GmbH, Futterstraße<br />

14, 99084 Erfurt, Telefon<br />

03 61/5 65 55-0, Fax<br />

03 61/5 65 55-10, Homepage:<br />

www.raumausstellung.de<br />

„Snoezelen – ein Beitrag zur<br />

Verbesserung der Lebensqualität<br />

im <strong>Alter</strong>?“ Abschlusstagung der<br />

Snoezelen-Studie am BRK-<br />

Seniorenheim Regensburg<br />

• Regensburg, 20. September<br />

• Information/Veranstalter: Rotkeuzheim,<br />

Rilkestraße 8, 93049<br />

Regensburg, Telefon 09 41/<br />

2 98 80, Fax 09 41/27 02 56, E-<br />

Mail: info@ahregensburg.brk.de<br />

Pflegemesse Leipzig – Fachmesse<br />

und Kongress für ambulante und<br />

stationäre Versorgung, Leipziger<br />

Messe<br />

• Leipzig, 23. bis 25. September<br />

• Information/Veranstalter: Leipziger<br />

Messe GmbH, Postfach<br />

10 07 20, 04007 Leipzig, Telefon<br />

03 41/6 78-0, Fax 03 41/6 78-<br />

87 62, Homepage:<br />

www.leipziger-messe.de


Interkulturelle Bildung in der<br />

Altenpflege – Abschlusstagung<br />

des Projektes [iku:] Interkulturelle<br />

Fortbildungen für das<br />

Personal in der Altenpflege<br />

• Bonn, 24. September<br />

• Information/Veranstalter:<br />

<strong>Deutsche</strong>s Institut für Erwachsenenbildung,<br />

Evelyn Schoppa,<br />

Friedrich-Ebert-Allee 38, 53113<br />

Bonn, Telefon 02 28/32 94-3 32,<br />

Fax 02 28/32 94-43 32, E-Mail:<br />

schoppa@die-bonn.de, Homepage:<br />

www.gsi-bonn.de<br />

4. internationale Konferenz und<br />

DBfK Pflegeforschungstag<br />

„Pflege und Pflegewissenschaft“,<br />

Rathaussaal Nürnberg/Stadthalle<br />

Fürth<br />

• Nürnberg/Fürth,<br />

28. bis 30. September<br />

• Information/Veranstalter: MCN<br />

Nürnberg AG, Zerzabelshofstraße<br />

29, 90478 Nürnberg, Telefon<br />

09 11/3 93 16 16, Fax 09 11/<br />

33 12 04, E-Mail: iknn@mcnag.<br />

info, Homepage: www.<br />

mcn-nuernberg.de<br />

7. Altenpflegetage Hessen-<br />

Thüringen „GePflegt 2003“,<br />

Congress Park Hanau<br />

• Hanau, 30. September bis<br />

1. Oktober<br />

• Information/Veranstalter:<br />

Alten- und Pflegezentren des<br />

Main-Kinzig-Kreises, Lortzingstraße<br />

5, 63452 Hanau, Telefon<br />

0 60 59/9 07 97 06, Homepage:<br />

www.gepflegt.net<br />

– Anzeige –<br />

7. <strong>Deutsche</strong>r Seniorentag<br />

„SenNova“, Kongresszentrum<br />

Hannover (Hcc)<br />

• Hannover, 6. bis 8. Oktober<br />

• Information/Veranstalter:<br />

Bundesarbeitsgemeinschaft der<br />

Seniorenorganisationen (BAG-<br />

SO), Eifelstraße 9, 53119 Bonn,<br />

Telefon 02 28/24 99 93-0, Fax<br />

02 28/24 99 93-20, Homepage:<br />

www.bagso.de<br />

7. DEVAP-Bundeskongress und<br />

Fachmesse, Messe Essen<br />

• Essen, 7. bis 8. Oktober<br />

• Information/Veranstalter:<br />

DEVAP Geschäftsstelle, Stafflenbergstraße<br />

76, 70184 Stuttgart,<br />

Telefon 07 11/2 15 95 28, Fax<br />

07 11/2 15 95 50, E-Mail:<br />

devap@diakonie.de, Homepage:<br />

www.devap.de<br />

4. Bad Arolser Studientage in der<br />

Altenpflege „Lieben, lachen,<br />

genießen im <strong>Alter</strong> – Altenpflege<br />

als Wohlfühlpflege!?“, Fürstliche<br />

Reitbahn<br />

• Bad Arolsen, 7. bis 9. Oktober<br />

• Information/Kontakt: Alfred T.<br />

Hoffmann, Schlossstraße 11,<br />

34454 Bad Arolsen, Telefon<br />

0 56 91/38 04, Fax 0 56 91/28 31,<br />

Homepage: www.Innovative-<br />

Qualifikation.de<br />

– Anzeige –<br />

REHACARE‚ international,<br />

Messe Düsseldorf<br />

• Düsseldorf, 15. bis 18. Oktober<br />

• Information/Veranstalter: Messe<br />

Düsseldorf GmbH, Messeplatz<br />

1, 40474 Düsseldorf, Telefon<br />

02 11/4 56 05 99, Fax 02 11/<br />

4 56 08 75 99, E-Mail:<br />

PetermannE@<br />

messe-duesseldorf.de,<br />

Homepage: www.rehacare.de<br />

Hospiztagung „In Würde sterben?“,<br />

Evangelische Akademie<br />

• Mülheim, Ruhr, 16. Oktober<br />

• Information/Veranstalter:<br />

Evangelische Akademie Mülheim,<br />

Uhlenhorstweg 29, 45479<br />

Mülheim/Ruhr, Telefon 02 08/<br />

5 99 06-0, Fax 02 08/5 99 06-6 00,<br />

Homepage: www.eamh.de<br />

5. Fachmesse und Congress für<br />

den Sozialmarkt in Deutschland<br />

„ConSozial 2003“, Messezentrum<br />

Nürnberg<br />

• Nürnberg, 22. bis 23. Oktober<br />

• Information/Veranstalter: KI<br />

Consult, Zugspitzstraße 46, 86163<br />

Augsburg, Telefon 08 21/<br />

2 62 03 36, Fax 08 21/2 62 03 37,<br />

E-Mail: consozial@ki-consult.de,<br />

Homepage: www.consozial.de<br />

Bundeskongress 2003 „Soziale<br />

Arbeit im Gesundheitswesen“,<br />

Kurfürstliches Schloss Mainz<br />

• Mainz, 30. bis 31. Oktober<br />

• Information/Veranstalter:<br />

Geschäftsstelle <strong>Deutsche</strong> Vereinigung<br />

für den Sozialdienst im<br />

Krankenhaus e. V. (DVSK), Kaiserstraße<br />

42, 55116 Mainz, Telefon<br />

0 61 31/22 24-22, Fax 0 61 31/<br />

22 24-58, Homepage:<br />

www.dvsk.org<br />

Veranstaltungen<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 75


KURATORIUM DEUTSCHE ALTERSHILFE<br />

KLEINE DATENSAMMLUNG<br />

ALTENHILFE<br />

NEUERSCHEINUNG!<br />

<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe, An der Pauluskirche 3, 50677 Köln<br />

Aus dem Inhalt:<br />

Krank und pflegebedürftig?<br />

• Zahlen zur Lebenssituation der Älteren<br />

Arme Alte?<br />

• Zahlen zur finanziellen Lebensgrundlage<br />

der Älteren<br />

Einsamer Ruhe-Stand im Schaukelstuhl?<br />

• Zahlen zu Freizeit, Konsum, Information<br />

und politischer Anteilnahme<br />

Materialien und Hintergründe:<br />

• Demografische Daten<br />

• Gesundheit und Sterben<br />

• Pflege<br />

• Beruflich und privat Pflegende<br />

• Heimstrukturen und Architektur<br />

Ausblicke und Herausforderungen:<br />

• Demografische Entwicklung<br />

• Pflege von Menschen mit Demenz<br />

• Menschenwürdige Pflege<br />

• Kultursensible Altenhilfe<br />

DIE „KLEINE DATENSAMMLUNG ALTENHILFE“<br />

Wie viele Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig? Welches sind eigentlich die „<strong>Alter</strong>skrankheiten“? Wer<br />

lebt im Heim? Und wie viele Heime gibt es? Mit der Kleinen Datensammlung Altenhilfe möchten wir die Fragen<br />

beantworten, die immer wieder von Journalisten, politischen Entscheidern und Trägern der Altenhilfe an uns<br />

herangetragen werden.<br />

Mit der Datensammlung bieten wir mehr als Zahlen und Fakten, denn wir versuchen noch eine andere Frage zu<br />

beantworten: Wie leben die Menschen über 65 Jahre in Deutschland? Sind sie gesund, „rüstig“ und genießen<br />

ihren Lebensabend? Oder sind sie pflegebedürftig, krank, arm und einsam?<br />

Alles davon ist richtig. Diese über 13,7 Mio. Menschen, die älter als 65 Jahre sind, bilden eine sehr inhomogene<br />

Gruppe. In den Medien sind die vernachlässigten hilfebedürftigen Alten in den Magazinen präsent, in den Serien<br />

die lebenslustigen Omas und Opas.<br />

Seit 40 Jahren ist es die Aufgabe des <strong>Kuratorium</strong>s <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe, die Lebensqualität der Älteren zu verbessern.<br />

Dazu muss man ihre Lebensumstände gut kennen und Entwicklungen vorher sehen. Mit der Kleinen Datensammlung<br />

Altenhilfe laden wir auch Sie ein, mehr über das <strong>Alter</strong>, das <strong>Alter</strong>n und die Alten zu erfahren.<br />

KDA (Hrsg.): Kleine Datensammlung Altenhilfe, zusammengestellt und bearbeitet von Anne Kleiber, April 2003, Preis 5 Euro plus Versand,<br />

DIN A6, 160 Seiten, ISBN 3-935299-39-7<br />

KURATORIUM DEUTSCHE ALTERSHILFE<br />

An der Pauluskirche 3 • 50677 Köln • Telefon: 02 21/93 18 47-0 • www.kda.de

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