Alter - Kuratorium Deutsche Altershilfe
Alter - Kuratorium Deutsche Altershilfe
Alter - Kuratorium Deutsche Altershilfe
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Wohngemeinschaften mit Betreuung<br />
Eine Ergänzung zum KDA-Hausgemeinschaftskonzept?<br />
Umfrage:<br />
Umsetzung der bundeseinheitlichen Altenpflege-Ausbildung<br />
Rechtslage:<br />
Behandlungspflege in Heimen<br />
Herausforderung:<br />
MRSA in Altenpflegeheimen<br />
Fachmagazin des<br />
<strong>Kuratorium</strong>s <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
ISSN 1430-1911 4,80 Euro<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/2003
„Kennen Sie eine Hausgemeinschaft in unserer Nähe?“ Mit dieser Frage treten<br />
immer wieder Träger und Mitarbeiter von Altenpflegeeinrichtungen an<br />
das KDA heran. In den letzten fünf Jahren haben sich immer mehr Heime für<br />
die Betreuung und Versorgung ihrer Bewohner in Normalität und Wohnlichkeit<br />
– die vierte Generation des Altenpflegeheimbaus – entschieden. Die<br />
Hausgemeinschaften der ersten Stunde wurden schnell zum Vorbild und<br />
deren Träger und Mitarbeiter können sich vor Anfragen zum Erfahrungsaustausch<br />
und vor Besuchen kaum retten. Damit alle Interessierten an den<br />
Erfahrungen und Entwicklungen der bestehenden Hausgemeinschaften teilhaben<br />
können, hat das Bundesministerium für Gesundheit mit Unterstützung<br />
des KDA die Dokumentation „KDA Hausgemeinschaften“ herausgegeben.<br />
BMG Modellprojekte, Band 9:<br />
KDA Hausgemeinschaften. Eine<br />
Dokumentation von 34 Projekten.<br />
Hrsg.: Bundesministerium für Gesundheit.<br />
Erarbeitet vom <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Alter</strong>shilfe. Köln 2003. 25,– €<br />
zuzüglich Versandkosten. Der Band<br />
kann schriftlich bestellt werden beim<br />
KDA, Versand, An der Pauluskirche 3,<br />
50677 Köln, Fax 02 21/93 18 47-6 oder<br />
per E-Mail: versand@kda.de.<br />
Die Qualitätshandbücher<br />
des <strong>Kuratorium</strong>s<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
NEU<br />
Besselmann, Klaus; Fillibeck, Heiko; Sowinski,<br />
Christine: Qualitätshandbuch – Häusliche<br />
Pflege in Balance. Wege zu einer familienorientierten<br />
Pflege. Ein Handbuch für beruflich<br />
Pflegende, pflegende Angehörige und<br />
Menschen mit Hilfe- und Pflegebedarf.<br />
Ringbuch im Schuber.<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe, Köln 2003.<br />
ISBN 3-935299-37-0, 98,– €<br />
Maciejewski, Britta; Sowinski, Christine;<br />
Besselmann, Klaus; Rückert, Willi:<br />
Qualitätshandbuch – Leben mit Demenz.<br />
Zugänge finden und erhalten in der Pflege,<br />
Förderung und Begleitung von Menschen mit<br />
Demenz und psychischen Veränderungen.<br />
Ringbuch im Schuber<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe, Köln 2001.<br />
ISBN 3-935299-19-2, 98,– €<br />
Besselmann, Klaus; Sowinski, Christine;<br />
Rückert, Willi:<br />
Qualitätshandbuch – Wohnen im Heim.<br />
Wege zu einem selbstbestimmten und selbständigen<br />
Leben. Ein Handbuch zur internen<br />
Qualitätsentwicklung in den AEDL-Bereichen.<br />
Ringbuch im Schuber<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe, Köln 1998<br />
ISBN 3-932882-63-6, 65,45 €<br />
Bezug:<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe, Versand<br />
An der Pauluskirche 3, 50677 Köln<br />
Tel.: 0221/931847-31, Fax: 0221/931847-6<br />
E-Mail: versand@kda.de<br />
Bestellung über das Internet:<br />
http://www.kda.de/shopping/<br />
oder über den Buchhandel
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
das Thema „Wohnen“ hat im KDA eine lange Tradition. Von der bedarfsgerechten<br />
Wohnungsanpassung und der menschengerechten Wohnumfeldgestaltung bis zur<br />
Konzeption wohnlicher Pflegeheime wurden zahlreiche Anregungen zur Verbesserung<br />
der Praxis entwickelt. Dass viele dieser Anregungen auch umgesetzt werden<br />
konnten, zeigt sich darin, dass sie Eingang gefunden haben in Planungsempfehlungen,<br />
Richtlinien, Verordnungen und Gesetzen.<br />
Wir haben neben den baulich-technischen Aspekten stets die organisatorischen<br />
Rahmenbedingungen mit gleicher Intensität behandelt, weil nur ein solcher „integrativer“<br />
Ansatz geeignet ist, sich an den konkreten Bedürfnissen der (älteren) Menschen<br />
in ihrer „normalen“ häuslichen Umgebung und auch im Heim zu orientieren.<br />
Das vorliegende Heft befasst sich im Titelthema mit Formen des Wohnens im<br />
<strong>Alter</strong> und bei Hilfe- und Pflegebedürftigkeit, die den Anspruch haben, möglichst viel<br />
„Normalität“ zu sichern. Die Wohngemeinschaften mit ambulanter Betreuung (zu<br />
Fragen der Terminologie siehe Seite 6) verfolgen, wie die bereits mehrfach in Pro-<br />
<strong>Alter</strong> vorgestellten KDA-Hausgemeinschaften (siehe auch Seite 59 in diesem Heft),<br />
das Ziel, möglichst viele individuelle Freiräume zu erhalten und zu erschließen.<br />
Gleichzeitig sollen sie aber Schutz, Sicherheit und qualitativ hochwertige Pflege und<br />
Betreuung in einer überschaubaren Gruppe bieten (siehe dazu auch Praxisbeispiele<br />
auf Seite 10).<br />
Die bundeseinheitliche Altenpflegeausbildung steht vor ihrer Umsetzung. Diese<br />
stellt die praktische Ausbildung und die Schulen vor große Herausforderungen,<br />
bietet jedoch auch eine „historische Chance“. Einschätzungen von Fachleuten hierzu<br />
finden Sie in der Umfrage auf Seite 32 dieser Ausgabe. Das KDA hat sich ja intensiv<br />
für die Lernfeldorientierung eingesetzt und hierzu auch umfangreiche Materialien<br />
entwickelt (siehe Pro<strong>Alter</strong> 1/2003). Wir setzen darauf, dass sowohl durch die<br />
neuen Ausbildungsinhalte als auch durch die veränderten Praxisstrukturen, Altenhilfe<br />
zu einem attraktiveren Berufsfeld wird. Und das ist auch dringend notwendig<br />
angesichts des qualitativ wie quantitativ großen Bedarfs in naher Zukunft.<br />
Fragen der Mitarbeiterbindung standen im Mittelpunkt einer Fachveranstaltung<br />
des KDA, über die wir im nächsten Heft von Pro<strong>Alter</strong> berichten werden. Dabei<br />
wurde u.a. deutlich, dass im Hinblick auf die Pflege und Betreuung unter neuen<br />
organisatorischen Rahmenbedingungen zum Beispiel in den Haus- und Wohngemeinschaften<br />
auch neue Kooperationsformen zwischen Pflege und Hauswirtschaft<br />
entwickelt werden müssen.<br />
Auch zu wichtigen Themen des gegenwärtigen Alltags in der Pflege finden Sie in<br />
dieser Ausgabe wieder fundiertes Wissen: einerseits einen detaillierten Beitrag zum<br />
Umgang mit MRSA in Altenheimen (siehe Seite 40), zum anderen ein engagiertes<br />
Plädoyer gegen die Bettlägerigkeit (siehe Seite 48). Auch dieses zuletzt genannte<br />
Thema beschäftigt uns im KDA seit langem, und wir freuen uns darüber, hierzu<br />
wieder einmal gezielt und praxisgerecht informieren zu können.<br />
Klaus Großjohann<br />
Geschäftsführer des KDA<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03<br />
Foto: Ulli Kreifels<br />
Editorial<br />
3
Inhalt<br />
4<br />
Thema<br />
KDA-Aktiv<br />
Gesundheit<br />
und Pflege<br />
Bauen<br />
und<br />
Wohnen<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Wohngemeinschaften mit Betreuung<br />
Eine Ergänzung zum KDA-Hausgemeinschaftskonzept?..................................... 6<br />
Die Rothenfußer Wohngemeinschaft:<br />
Ein kleines Stück Glück für Menschen mit Demenz<br />
in München ................................................................................................................................................................. 10<br />
Bericht:<br />
Überregionaler Erfahrungsaustausch der Akteure<br />
von Betreuten Wohngruppen ......................................................................................................... 18<br />
Das Pro<strong>Alter</strong>-Experteninterview:<br />
„Eine hochakzeptierte <strong>Alter</strong>native zum Heim“ ............................................... 21<br />
Stellungnahme:<br />
„Wohngruppen erhalten die Würde und Lebensqualität<br />
verwirrter Menschen“ ............................................................................................................................. 24<br />
Das KDA stellt sich vor:<br />
Schneller und gezielter ins KDA mit neuer Homepage ....................... 25<br />
Neuer SOL-Schwerpunkt:<br />
KDA geht mit „Forum Seniorenarbeit NRW“ an den Start ....... 26<br />
KDA-Neuerscheinungen ........................................................................................................................ 30<br />
Pro<strong>Alter</strong>-Umfrage:<br />
Was halten ausbildende Träger, Einrichtungen der Altenhilfe<br />
und Altenpflegeschulen von der neuen<br />
Altenpflegeausbildung? ........................................................................................................................... 32<br />
Wenn Heimbewohner zu „kontaminierten Keimträgern“ werden:<br />
MRSA in Altenpflegeheimen .......................................................................................................... 40<br />
Neueste Forschungsarbeit belegt:<br />
„Bettlägerigkeit ist kein unumkehrbares Schicksal“ ............................. 48<br />
Rechtslage:<br />
Umfang der Behandlungspflege in Pflegeheimen .......................................... 54<br />
Ärztliche Mitarbeitsaufgaben bei medizinischer Diagnostik<br />
und Therapie ............................................................................................................................................................. 56<br />
Singen schafft Zugang zu verwirrten alten Menschen ......................... 58<br />
Das Hausgemeinschaftskonzept von Rablinghausen:<br />
Mit wenig Aufwand neues Konzept realisiert .................................................... 59<br />
Hauswirtschaft als Hauptaufgabe der Altenbetreuung ...................... 60
Gesellschaft<br />
und<br />
Politik<br />
Impressum<br />
Die Altenhilfe in der Informationsgesellschaft:<br />
Teil III: Einsatz und Nutzen des Intranet ................................................................... 69<br />
Nachrichten ......................................................................................................................................... 31, 47, 65<br />
Lese-Tipps ..................................................................................................................................................................... 67<br />
Leser-Forum ............................................................................................................................................................... 28<br />
Veranstaltungen ................................................................................................................................................... 74<br />
Pro<strong>Alter</strong> wird vom <strong>Kuratorium</strong><br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe herausgegeben und<br />
erschien zuvor (bis zum 28. Jahrgang) als<br />
„Presse- und Informationsdienst“.<br />
Anschrift: <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Alter</strong>shilfe, Referat Öffentlichkeitsarbeit,<br />
An der Pauluskirche 3, 50677 Köln,<br />
Telefon 02 21 / 93 18 47-0,<br />
Fax 02 21 / 93 18 47-6, E-Mail:<br />
publicrelations@ kda.de, Internet:<br />
www.kda.de<br />
Redaktion: Klaus Großjohann<br />
(V.i.S.d.P.), Ines Jonas, Harald Raabe<br />
Redaktionsassistenz: Simone Helck,<br />
Volker Kowitz<br />
Redaktionelle Mitarbeit bei<br />
dieser Ausgabe: Hans Böhme, Monika<br />
Böttjer, Gisela Crusius, Christian Koch,<br />
Ursula Kremer-Preiß, Britta Maciejewski,<br />
Birgit Nowak, Gerhard Reisig, Ulrike<br />
Scheer, Annette Scholl, Christine Sowinski,<br />
Eduard Tack, Holger Stolarz, Jürgen<br />
Wickert<br />
Textkorrektur: Karin Bergmann, Köln<br />
Satz: typeXpress, Köln<br />
Titelfoto: Katrin Simonett<br />
Druck: Moeker Merkur Druck GmbH,<br />
Köln<br />
Erscheinungsweise: Pro<strong>Alter</strong><br />
erscheint vierteljährlich.<br />
Bezugsgebühren: Jahresabonnement<br />
16,– € inkl. Porto, Einzelheft 4,80 € plus<br />
Porto. Gebühren für Bezieher im Ausland:<br />
Jahresabo 32,50 €, Einzelheft<br />
8,46 €, jeweils inkl. Porto und Versand.<br />
Das Abonnement verlängert sich um ein<br />
Jahr, wenn es nicht mindestens acht<br />
Wochen vor Ende des Kalenderjahres<br />
schriftlich gekündigt wird.<br />
Das Titelbild zeigt – wie andere Fotos in<br />
dieser Ausgabe – Szenen einer Wohngemeinschaft<br />
mit Betreuung aus Albisrieden<br />
in der Schweiz.<br />
Foto: Katrin Simonett<br />
Anzeigen: Es gilt die Anzeigenpreisliste<br />
6/03<br />
Anzeigenverwaltung: TRIAS performance<br />
Marketing + Design, Rotter Weg<br />
20, 51491 Overath, Tel. 02206/<br />
86 98 20, Fax 02206/869822, E-Mail:<br />
info@trias-performance.de, Internet:<br />
www.trias-performance.de<br />
Copyright: Die Zeitschrift sowie alle in<br />
ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und<br />
Abbildungen sind urheberrechtlich<br />
geschützt. Jede Verwertung, die nicht<br />
ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz<br />
zugelassen ist, bedarf der vorherigen<br />
schriftlichen Zustimmung des <strong>Kuratorium</strong>s<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe. Das gilt<br />
insbesondere für Vervielfältigungen,<br />
Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen<br />
und die Einspeicherung<br />
und Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />
Pro<strong>Alter</strong>, Heft 2/Juni 2003,<br />
36. Jahrgang<br />
ISSN 1430-1911<br />
Die nächste Ausgabe von Pro<strong>Alter</strong><br />
erscheint voraussichtlich Ende August<br />
2003 mit dem Titelthema „Zeitkiller in<br />
der Pflege“.<br />
Inhalt<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 5
Thema<br />
6<br />
Foto: Karin Simonett<br />
Wohngemeinschaften mit Betreuung<br />
Eine Ergänzung zum KDA-Hausgemeinschaftskonzept?<br />
Auf der Suche nach zukunftsträchtigen Wohnformen für hilfe- und pflegebedürftige ältere Menschen<br />
rücken seit geraumer Zeit Wohnformen in den Blick, bei denen Hilfe- und Pflegebedürftige<br />
in kleinen Gruppen in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben und von Betreuungskräften<br />
unterstützt werden. Wohngruppenorientierte Betreuungsformen für ältere Menschen<br />
sind nicht neu. In einigen europäischen Ländern wie Schweden, den Niederlanden, Frankreich<br />
oder der Schweiz werden sie schon seit Jahren praktiziert. Auch in Deutschland beginnen sie<br />
den Status exotischer Modellprojekte zu verlieren.<br />
Vielfalt der Begriffe und Projekte<br />
Zunehmend wächst in Fachkreisen der Konsens<br />
über das Grundkonzept als eine bedarfsgerechte<br />
Wohnalternative für ältere Menschen<br />
mit Hilfe- und Pflegebedarf. Über die Umsetzung<br />
dieses Wohnkonzeptes wird zum Teil<br />
jedoch kontrovers diskutiert, und die Praxis<br />
zeichnet sich durch eine Projekt- und Begriffsvielfalt<br />
aus: Das KDA bezeichnet Projekte, die<br />
nach diesem Konzept arbeiten, als „Hausge-<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
meinschaften“, andere sprechen von „Wohngemeinschaften<br />
für Pflegebedürftige“, „Pflegewohnungen<br />
im Quartier“ oder „Pflegewohngruppen“<br />
bzw. „Betreuten Wohngruppen“<br />
oder auch von „Wohngemeinschaften mit<br />
Betreuung“. Der letztere Begriff soll im Folgenden<br />
verwendet werden.<br />
Auch die Unterscheidung nach ordnungsrechtlichen<br />
und finanzierungstechnischen<br />
Gesichtspunkten hilft nicht immer weiter, um<br />
sich in dieser Projektlandschaft zu orientieren.
Eine Vielzahl von Projekten mit wohngruppenorientierter<br />
Betreuung wird ambulant betrieben,<br />
während die Mehrheit der KDA-Hausgemeinschaften<br />
zum stationären Typ gehören.<br />
Aber auch bei den KDA-Hausgemeinschaften<br />
gibt es den Typ mit ambulanter Betreuung, den<br />
so genannten „M-Typ“, bei dem die Bewohner<br />
den Status eines Mieters (M) haben, wie das<br />
auch bei den vorgenannten ambulant betreuten<br />
Gruppenwohnprojekten der Fall ist. Aber nicht<br />
alle Wohnprojekte, die nach diesem Konzept<br />
arbeiten, lassen sich als Hausgemeinschaften<br />
bezeichnen.<br />
Dies hat verschiedene Gründe. Die mittlerweile<br />
erhebliche Zahl von ambulant betreuten<br />
Wohngemeinschaften – Schätzungen gehen von<br />
circa 130 bis 150 Wohnprojekten dieser Art in<br />
Deutschland aus – ist sozusagen „von unten“<br />
über einen längeren Zeitraum gewachsen, und<br />
die meisten Initiatoren dieser gruppenorientierten<br />
Wohnformen wenden den (später) vom<br />
KDA geprägten Begriff der „Hausgemeinschaften,<br />
Typ ‚M‘“ nicht an. Daneben weist die<br />
Mehrheit der ambulant betreuten Wohngemeinschaften<br />
spezielle Besonderheiten auf, die<br />
sie tendenziell von den Hausgemeinschaften<br />
unterscheiden, auch wenn nicht immer eine<br />
scharfe Trennlinie zu ziehen ist und in der<br />
Praxis auch nicht gezogen wird. Diese<br />
Besonderheiten lassen sich folgendermaßen<br />
zusammenfassen:<br />
• Ergänzung der ambulanten Versorgungskette<br />
Die Besonderheit der Wohngemeinschaften<br />
mit Betreuung lässt sich am besten damit<br />
beschreiben, dass es sich um eine Wohnform<br />
handelt, die sich aus dem „normalen“ Wohnen<br />
heraus entwickelt hat. Die notwendige Hilfe<br />
wird im Prinzip genauso organisiert wie in<br />
einem privaten Haushalt, durch das „Zuschalten“<br />
ambulanter Dienste. Die Bewohner (oder<br />
deren persönliche Vertreter) sind „Herr im<br />
Hause“, und das Unterstützungspersonal hat<br />
eher einen „Gaststatus“. Wohngemeinschaften<br />
mit Betreuung sind als Ergänzung der ambulanten<br />
Versorgungskette zu sehen, die auf<br />
Hilfeleistungen in der eigenen Häuslichkeit<br />
ausgerichtet ist. Hier besteht ein konzeptioneller<br />
Unterschied zu den KDA-Hausgemeinschaften,<br />
die ja auch als „vierte Generation“ des<br />
Pflegeheims bezeichnet werden. Die Hausgemeinschaften<br />
sind in einem anderen Zusam-<br />
menhang entstanden, nämlich durch Aufbrechen<br />
starrer institutioneller Strukturen sowie<br />
mit dem Ziel möglichst weitgehender Dezentralisierung<br />
und Haushaltsorientierung in<br />
Annäherung an das „normale“ Wohnen. Vom<br />
Prinzip her stellen dagegen die Wohngemeinschaften<br />
mit Betreuung keine Weiterentwikklung<br />
des Pflegeheims oder etwa der Hausgemeinschaften<br />
dar. Vielmehr ist das Konzept der<br />
betreuten Wohngemeinschaften eine Weiterentwicklung<br />
der wohnungsnahen, quartiersbezogenen,<br />
ambulanten Versorgung hilfebedürftiger<br />
Menschen.<br />
• Barrierefreies Wohnen in „normalen“<br />
Wohnquartieren<br />
Wohngemeinschaften mit Betreuung sind<br />
keine „Einrichtungen“ und auch nicht in Einrichtungen<br />
integriert oder diesen in der Regel<br />
auch nicht angegliedert, sondern – barrierefrei<br />
Neues Programm zur Förderung<br />
Betreuter Wohngruppen in NRW<br />
Im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung<br />
bietet das Ministerium für Städtebau<br />
und Wohnen, Kultur und Sport des Landes<br />
Nordrhein-Westfalen seit Februar 2003 neue<br />
Möglichkeiten der finanziellen Förderung<br />
für „Gemeinschaftliche Wohnformen für<br />
Seniorinnen/Senioren und Behinderte“ an.<br />
Aus einem speziellen Kontingent des experimentellen<br />
Wohnungsbaus können mit zinsgünstigen<br />
Darlehen Gemeinschaftsräume<br />
und vollständige Wohnungen (einschließlich<br />
Bad/WC und Kochstelle) von Wohngemeinschaften<br />
für Seniorinnen/Senioren und<br />
Behinderte gefördert werden. Die Wohngemeinschaften<br />
sollen drei bis sechs Wohneinheiten<br />
umfassen. Pro Wohnobjekt sollen<br />
möglichst nicht mehr als zwei Wohngemeinschaften<br />
gefördert werden. Mit dieser neuen<br />
Zusatzförderung können Betreute Wohngruppen<br />
erstmals auf spezielle Fördermittel<br />
für ihren Aufbau zurückgreifen.<br />
Ansprechpartner:<br />
Ministerialrat Rainer Janssen, Ministerium<br />
für Städtebau und Wohnen, Kultur und<br />
Sport NRW, Elisabethstraße 5–11, 40217<br />
Düsseldorf, Referat IVA4, Telefon 02 11/<br />
38 43-3 52, Fax 02 11/38 43-73-3 52, Mail:<br />
rainer.janssen@mswks.nrw.de<br />
Thema<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 7
Thema<br />
8<br />
umgestaltete – Wohnungen in<br />
bestehenden „normalen“ Wohnquartieren.<br />
Die Bewohner können<br />
sehr häufig in ihrem vertrauten<br />
Wohnumfeld verbleiben,<br />
und alte nachbarschaftliche<br />
Kontakte bleiben leichter erhalten<br />
als bei einem Wechsel in eine<br />
vielfach vom eigenen Wohnquartier<br />
entfernte stationäre<br />
Einrichtung. Durch die Nutzung<br />
der vorhandenen Bausubstanz in<br />
normalen Wohnquartieren<br />
können solche Wohnprojekte<br />
relativ schnell aufgebaut, aber<br />
evtl. auch wieder abgebaut<br />
werden, wenn die Wohnungen wieder einer<br />
anderen Nutzung zugeführt werden sollen. Der<br />
Aufbau einer stationären Einrichtung ist aus<br />
vielerlei Gründen viel aufwendiger und beharrungsträchtiger.<br />
Insgesamt sind die Investitionskosten<br />
der betreuten Wohngemeinschaften<br />
geringer. Dafür liegt der bauliche Ausstattungsstandard<br />
häufig unter dem der KDA-Hausgemeinschaften,<br />
die in der Regel neben den<br />
Gemeinschaftsflächen ein Einzelzimmer mit<br />
eigenem Bad anbieten.<br />
• Wohnen in kleinen Einheiten<br />
Die Wohngemeinschaften mit Betreuung<br />
sind kleine Einheiten. So kann die Gruppengröße<br />
bis auf nur drei Personen reduziert sein,<br />
und die Wohnungen sind in der Regel nur als<br />
Einzelgruppe organisiert. Bei den KDA-Hausgemeinschaften<br />
werden häufig mehrere Gruppen<br />
zu kleinen Ensembles zusammengefasst,<br />
und die Gruppenstärke sinkt in der Regel nicht<br />
unter sechs Personen.<br />
• Von kleinen Initiativen ins Leben gerufen<br />
Die Initiatoren von Wohngemeinschaften<br />
mit Betreuung sind in der Regel Zusammenschlüsse<br />
von Einzelpersonen bzw. eher kleinere<br />
Organisationen, seien es ambulante Dienste,<br />
Angehörigeninitiativen oder sonstige Vereine.<br />
Pflege- und Betreuungskräfte rekrutieren sich<br />
meistens aus der Mitarbeiterschaft ambulanter<br />
Dienste. Die Trennung zwischen dem Anbieter<br />
von Betreuungsleistungen und dem Eigentümer<br />
bzw. Vermieter der Wohnung ist bei den<br />
betreuten Wohngemeinschaften meist deutlicher<br />
als bei den KDA-Hausgemeinschaften.<br />
Diese werden in der Regel eher von erfahrenen<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Der Umzug in eine Wohngemeinschaft mit Betreuung im<br />
„altbekannten“ Quartier hat auch zum Vorteil, dass man<br />
nicht den Supermarkt wechseln muss.<br />
Foto: Karin Simonett<br />
Trägern von Altenpflegeeinrichtungen organisiert,<br />
die ihr Angebot erweitern oder verbessern<br />
wollen. Auch als Typus mit ambulanter Betreuung<br />
sind die KDA-Hausgemeinschaften üblicherweise<br />
bereits während der Planung mit den<br />
Behörden abgestimmt und regelhafter organisiert<br />
(siehe Kasten Seite 9: zum Beispiel die<br />
Vereinbarung der Stadt Münster mit den Hausgemeinschaften<br />
der Alexianer-Krankenhaus-<br />
GmbH). Wohngemeinschaften mit Betreuung<br />
brauchen manchmal Jahre, bis sie von den<br />
Kassen (und den Sozialhilfeträgern) toleriert<br />
bzw. akzeptiert werden und ihr Leistungsspektrum<br />
mit allen Behörden abgestimmt haben.<br />
• Viele Konzepte für unterschiedliche Bedürfnisse<br />
Wohngemeinschaften mit Betreuung zeichnen<br />
sich durch eine erhebliche Konzeptvielfalt<br />
aus. Es gibt zudem in diesen Wohngemeinschaften<br />
Bewohner mit sehr unterschiedlichen<br />
Bedürfnissen. Diese Wohngemeinschaften<br />
konzentrieren sich nicht nur auf Bewohner mit<br />
hohem Hilfe- und Pflegebedarf (zum Beispiel<br />
Menschen mit Demenz), sie schließen zum Teil<br />
auch Jüngere oder Nicht-Pflegebedürftige ein.<br />
Die Betreuungsintensität ist in betreuten Wohngemeinschaften<br />
in besonderem Maße flexibel<br />
auf den individuellen Bedarf ausgerichtet und<br />
kann – je nach Klientel – auch minimal sein<br />
(zum Beispiel ohne Nachtdienst bzw. nur mit<br />
stundenweiser Anwesenheit).
Ein Ziel – unterschiedliche Wege<br />
Mit ihren jeweiligen Besonderheiten ergänzen<br />
sich die Wohngemeinschaften mit Betreuung<br />
und die KDA-Hausgemeinschaften. Die Wohngemeinschaften<br />
mit Betreuung bilden sozusagen<br />
das „zweite Standbein“ für das gruppenorientierte<br />
Wohnkonzept mit Betreuung. Beide<br />
Wohnkonzepte bewegen sich von unterschiedlichen<br />
Ausgangspunkten her in die gleiche<br />
Richtung – einmal als notwendige Erneuerung<br />
der stationären Pflege und einmal als Erweiterung<br />
der ambulanten Versorgungskette innerhalb<br />
kleinräumiger Wohnquartiere –, um deinstitutionalisierte<br />
Wohnalternativen für Hilfeund<br />
Pflegebedürftige zu schaffen.<br />
Durch das Engagement des KDA ist insbesondere<br />
dem stationären Typ der Hausgemeinschaften<br />
schon zu einem Durchbruch verholfen<br />
worden. Aufgrund des dringenden Handlungsbedarfs<br />
für eine bedarfsgerechtere Gestaltung<br />
der Wohn- und Lebenssituation in den Heimen<br />
hat sich das KDA in den vergangenen Jahren<br />
verstärkt für die Etablierung wohngruppenorientierter<br />
Betreuungsformen für ältere Menschen<br />
eingesetzt. Mit den KDA-Hausgemeinschaften<br />
ist es gelungen, solche Wohn- und<br />
Betreuungsformen für ältere Menschen auch in<br />
die stationäre Pflege zu integrieren und gleichzeitig<br />
– als vierte Generation des Pflegeheims –<br />
die stationäre Versorgung weiterzuentwickeln.<br />
Bei den Wohngemeinschaften mit Betreuung<br />
fehlt bisher noch eine entsprechende<br />
Unterstützung auf Bundesebene. Das KDA<br />
wird – zusammen mit der Bertelsmann Stiftung<br />
– auch dieses Wohnangebot für Senioren<br />
weiterentwickeln helfen und stärker nutzbar<br />
machen, um für die Zukunft das Spektrum an<br />
Wohnmöglichkeiten den unterschiedlichen<br />
Bedarfslagen besser anpassen zu können. Es<br />
soll für die Interessenten und Initiatoren von<br />
Wohngemeinschaften mit Betreuung eine Plattform<br />
geboten werden, um über die Chancen,<br />
aber auch die mit diesem Wohnkonzept verbundenen<br />
Risiken aufzuklären und entsprechende<br />
Handlungsschritte für ihre bedarfsgerechte<br />
Gestaltung und Verbreitung einzuleiten.<br />
Dies wird umso wichtiger, als von unterschiedlicher<br />
Seite Interesse an diesem Wohnkonzept<br />
geäußert wird und nicht immer vorausgesetzt<br />
werden kann, dass in Zukunft so engagierte<br />
Akteure wie bisher als Initiatoren für solche<br />
Wohnprojekte auftreten werden und deren<br />
hohe Qualität sichern. Erste Aktivitäten hierzu<br />
hat das KDA durch die Initiierung eines Erfahrungsaustauschs<br />
„betreuter Wohngruppen“<br />
(siehe Beitrag Seite 18) und einer explorativen<br />
Studie im Rahmen des Gemeinschaftsprojektes<br />
mit der Bertelsmann-Stiftung „Leben und<br />
Wohnen im <strong>Alter</strong>“ unternommen.<br />
Ursula Kremer-Preiß, Holger Stolarz<br />
Die Autoren: Ursula Kremer-Preiß und Holger Stolarz,<br />
KDA-Grundlagenreferat Wohnen im <strong>Alter</strong>. Fotos: Kreifels<br />
Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen<br />
Die pia-causa Krankenpflege GmbH und die<br />
Stadt Münster haben eine Leistungs- und<br />
Vergütungsvereinbarung miteinander abgeschlossen,<br />
die die Finanzierung der ambulant<br />
betreuten Hausgemeinschaften der Alexianer-Krankenhaus<br />
GmbH in Münster sichert.<br />
Hiernach erklärt sich die Stadt Münster<br />
bereit, die monatlichen Entgelte für die<br />
Betreuungsleistungen in den Hausgemeinschaften<br />
im Umfang ihrer Leistungsverpflichtungen<br />
nach dem BSHG zu tragen. Die<br />
Leistungen des Sozialhilfeträgers sind abhängig<br />
von der Einkommens- und Vermögensgrenze<br />
nach §§ 79/88 BSHG. Die monatlichen<br />
Entgelte entsprechen den kalkulierten<br />
Personalkosten für das Betreuungsangebot.<br />
Die GmbH verpflichtet sich im Gegenzug,<br />
bestimmte Betreuungsleistungen in betreuten<br />
Wohnangeboten für demenzkranke Menschen<br />
zu erbringen, wobei das Leistungsangebot<br />
den Erfordernissen einer bedarfsgerechten<br />
Leistungserbringung zu entsprechen<br />
hat. Die GmbH hat zur Erfüllung ihrer Aufgaben<br />
entsprechend geeignetes Fachpersonal<br />
vorzuhalten.<br />
Die pia-causa Krankenpflege GmbH ist<br />
ein ambulanter Pflegedienst mit Sitz in<br />
Münster mit einem Schwerpunkt in der Versorgung<br />
demenziell erkrankter Menschen.<br />
Kontakt: Villa Hittorfstraße 10, 48149<br />
Münster, Tel. 02 51/89580 (Hr. Beerwerth).<br />
Thema<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 9
Thema<br />
10<br />
Die Rothenfußer Wohngemeinschaft:<br />
Ein kleines Stück Glück<br />
für Menschen mit Demenz in München<br />
Als ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich die Konzepte von „Wohngemeinschaften mit Betreuung“<br />
sein können, steht die Rothenfußer Wohngemeinschaft in München. Sie weist nicht nur eine<br />
Besonderheit in der Art der Finanzierung auf, sondern auch ihre Ausrichtung auf Menschen<br />
mit fortgeschrittener Demenz zeigt, dass diese Form des Wohnens auch Menschen mit sehr starker<br />
gesundheitlicher Beeinträchtigung eine neue Heimat bieten kann. Harald Raabe hat die<br />
Wohngemeinschaft besucht.<br />
An einer verkehrsreichen Straße im Münchener<br />
Stadtteil Giesing steht ein ehemaliges, renoviertes<br />
Offiziersgebäude der US-Army. Dort in der<br />
vierten Etage werde ich erwartet von der<br />
Rothenfußer Wohngemeinschaft. Es ist 15 Uhr,<br />
als ich die Klingel in der Chiemgaustraße 28<br />
suche. An der Wohnungstür öffnet mir Ulrike<br />
Reder, die Geschäftsführerin<br />
von „Carpe Diem“, einem<br />
„Eingetragenen Verein zur<br />
Förderung der häuslichen<br />
Betreuung und Pflege für<br />
Demenzkranke, seelisch<br />
Kranke, Hirnverletzte und<br />
Sterbende“ in München, dessen<br />
Mitarbeiter die Bewohnerinnen<br />
dieser Wohngruppe<br />
pflegen und betreuen. Aus dem<br />
Flur dringt Gitarrenmusik, zu<br />
der ein Mann singt, vermischt<br />
mit Lachen und dem dünnen,<br />
etwas schräg klingenden<br />
Gesang älterer Frauen. Frau<br />
Reder flüstert mir zu, dass man<br />
gerade beim täglichen Kaffeetrinken<br />
sei und heute ein älterer Musikclown,<br />
der sich einmal in der Woche mit einem Zitherspieler<br />
abwechselte, die alten Damen vor allem<br />
mit süddeutscher und Wiener Musik unterhalte.<br />
Wir gehen über einen etwas steril wirkenden<br />
Flur in eine geräumige Wohnküche. Die<br />
Fenster stehen offen, und über eine Loggia<br />
strahlt die Sonne in den Raum. Auf den<br />
Tischen stehen Ostersträuße, und an den Wän-<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
den und Fenstern hängen Osterdekorationen.<br />
Sechs Bewohnerinnen sitzen um den großen<br />
Küchentisch. Unser leises Eintreten wird kaum<br />
wahrgenommen. Wir setzen uns still auf die<br />
Sofas einer bunten Sitzecke und beobachten die<br />
Kaffeetafel. Verteilt zwischen den Bewohnerinnen<br />
sitzen die Teamleiterin, eine ehrenamtliche<br />
Seit Oktober 2000 ist die Rothenfußer Wohngemeinschaft<br />
übergangsweise in einem ehemaligen Offiziersgebäude<br />
der US-Army untergebracht. Foto: Harald Raabe<br />
Helferin, die Tochter einer Bewohnerin, ein<br />
Zivildienstleistender sowie eine Praktikantin.<br />
Wer nicht auf den vor der Tafel stehenden<br />
Musikclown achtet, spricht mit der Person an<br />
seiner Seite. Plötzlich steht eine Dame, die
offensichtlich erbost ist, auf und will die Runde<br />
verlassen, doch schnell kümmert sich die Praktikantin<br />
um sie. „Eine typische kleine Eifersuchtsszene<br />
am Rande“, erklärt mir Ulrike<br />
Reder. „Da die Bewohnerin keine direkte<br />
Bezugsperson zur Seite hat, wurde sie wohl<br />
eifersüchtig.“ Nach einem Witz, der die alten<br />
Frauen zum Lachen bringt, schlägt der Musikclown<br />
vor, auch noch mal was echt Bayerisches<br />
zu singen: „In München steht ein Hofbräuhaus:<br />
Eins, zwei, g’suffa“, tönt es danach aus<br />
fast allen Kehlen, bis auf eine Ausnahme. Frau<br />
Neck dreht sich angenervt ihrer Tochter Hannelore<br />
Huhn zu, die sie heute besucht und die<br />
mir später aus der Sicht einer Angehörigen<br />
über das Zusammenleben in der Gruppe<br />
berichten will. „Die bayerischen Lieder sind<br />
eine echte Zumutung für die „Westpreußin“<br />
Frau Neck“, kommentiert Ulrike Reder die<br />
kleine Szene. Gegen 16 Uhr ist der nächste<br />
missmutige Kommentar in der Runde zu<br />
hören: „Jetzt loangt’s aber“, und Frau Reder<br />
weiß: „Nach etwa einer Stunde Musik und<br />
Unterhaltung ist die Grenze der Konzentrationsfähigkeit<br />
bei den meisten Damen erreicht.<br />
Das ist auch der Zeitpunkt, bei dem wir in der<br />
Regel wieder die Kaffeetafel auflösen, die als<br />
tagesstrukturierende Maßnahme dazu dient,<br />
alle Bewohner aus ihren Zimmern zu locken<br />
und die sozialen Kontakte untereinander zu<br />
fördern. Nach dem Abschiedslied „Guten<br />
Abend, gut Nacht“ gehen die Frauen nahtlos<br />
ihren individuellen Bedürfnissen nach. Eine<br />
Dame fällt erschöpft in den Sessel der Sitzgruppe,<br />
einige bleiben am Küchentisch sitzen.<br />
Eine andere Dame zieht sich sofort in ihr Zimmer<br />
zurück, und die ehrenamtliche Helferin<br />
geht mit „ihrer“ Betreuungsperson spazieren.<br />
Und ich ziehe mich mit Ulrike Reder (34) und<br />
Hannelore Huhn (60) in das Gästezimmer der<br />
Rothenfußer Wohngemeinschaft zum Gespräch<br />
zurück.<br />
Münchener Wohnverhältnisse<br />
Auf meine Frage, wie denn die Geschichte der<br />
Rothenfußer Wohngemeinschaft aussehe,<br />
berichten die beiden Frauen zunächst über<br />
einen Umstand, für den München über die<br />
Stadtgrenzen hinaus bekannt ist und der auch<br />
für diese Wohngruppe eine große Hürde darstellte:<br />
„Wir haben hier mit einem unglaub-<br />
lichen Wohnraummangel zu kämpfen. Die<br />
Konkurrenz um den heiß begehrten Wohnraum<br />
führt dazu, dass vor allem behinderte Menschen<br />
benachteiligt, ja sogar weggemobbt<br />
werden. Die Bauträger und Vermieter in München<br />
sitzen auf einem sehr hohen Ross“,<br />
beklagt Ulrike Reder. Sie hat zwei Jahre lang<br />
eine geeignete Wohnung für die jetzige Wohngemeinschaft<br />
gesucht. Nun sei man – allerdings<br />
nur vorläufig – in diesem Haus untergekommen.<br />
Die Wohnung sei eigentlich für Körperbehinderte<br />
gedacht gewesen. Deshalb seien auch<br />
die Flure so breit und der Boden sehe durch<br />
den rollstuhlgerechten Bodenbelag so ungemütlich<br />
aus. Allerdings sehe durch die individuelle<br />
Möblierung und den vielen Krimskrams die<br />
ganze 240 Quadrameter große Wohnung mittlerweile<br />
schon viel wohnlicher aus. „Es ist<br />
verständlich, dass die Angehörigen von körperbehinderten<br />
Menschen den Wohnraum, den<br />
wir ihnen jetzt wegnehmen, natürlich selbst<br />
wieder haben wollen“, so Ulrike Reder. Deshalb<br />
suchte man auch nach einer endgültigen<br />
Bleibe für die Wohngemeinschaft. „In etwa<br />
einem Jahr ziehen wir in unsere neue Wohnung,<br />
die gerade in einem anderen Stadtteil<br />
Münchens gebaut wird“, freuen sich die beiden<br />
Frauen. Dort hoffe man, dass sich alle Bewohnerinnen<br />
ebenso gut eingewöhnen werden, wie<br />
dies in der Chiemgaustraße 28 geschehen sei.<br />
„Frau Neck ist weg“ – eine leidvolle<br />
Geschichte mit Happy End<br />
Eine der sieben Bewohnerinnen ist eben die<br />
„Westpreußin“ Eva Neck. Die 82-Jährige hat<br />
eine typische Leidensgeschichte hinter sich, wie<br />
sie viele Familien erlebt haben, in denen ein<br />
Angehöriger an einer Demenz erkrankt ist.<br />
Nur, durch den knappen Wohnraum für Menschen<br />
mit Demenz in München hat die Geschichte<br />
von Frau Neck eine besondere und<br />
„unnötige“ Dramatik erfahren wie mir ihre<br />
Tochter erzählt: „Zunächst lebte meine Mutter<br />
noch lange recht gut allein in ihrer Wohnung,<br />
die nur fünf Kilometer entfernt von meiner lag.<br />
Doch weil ich berufstätig bin, sah ich mich<br />
schon bald gezwungen, sie nachmittags in Alzheimergruppen<br />
oder zur Tagespflege nach Neuperlach<br />
zu bringen“, erinnert sich die Tochter<br />
Hannelore Huhn. Meine Mutter wurde aber<br />
immer unruhiger und aggressiver. Ihr Bewe-<br />
Thema<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 11
Thema<br />
12<br />
Hannelore Huhn freut sich, dass ihre demenzkranke<br />
Mutter bis an ihr Lebensende einen Platz in der<br />
Rothenfußer Wohngemeinschaft gefunden hat.<br />
Foto: Harald Raabe<br />
gungsdrang war so stark, dass sie nirgendwo<br />
blieb. Ich konnte irgendwann nur noch mit<br />
dem Auto hinter ihr herfahren, um sie nicht<br />
aus den Augen zu verlieren. Obwohl ich mich<br />
ständig um eine Unterkunft für sie bemühte,<br />
fand ich nichts Geeignetes. Erst mit Hilfe der<br />
Alzheimergesellschaft bin ich auf Häuser der<br />
Arbeiterwohlfahrt (AWO) gestoßen, in denen<br />
gerontopsychiatrische Wohngruppen untergebracht<br />
sind. Die fünf Häuser der AWO in<br />
München bieten Wohnraum für insgesamt etwa<br />
50 Menschen mit Demenz – ein Witz für eine<br />
Großstadt. Erst nach einem dreiviertel Jahr<br />
auf dem obersten Platz auf der Warteliste bin<br />
ich zu einem ersten Vorstellungsgespräch eingeladen<br />
worden.“ „Dazu muss man sagen“, ergänzt<br />
Ulrike Reder, „dass dieses offen geführte<br />
Stationen in den Heimen sind, die zudem sehr<br />
stark therapeutisch ausgerichtet sind. Man geht<br />
dort davon aus, dass, wenn sich die Bewohner<br />
wohl fühlen, sie an Beschäftigungstherapien<br />
teilnehmen und auch dabei bleiben. Wer es<br />
nicht tut und beispielsweise eine starke Weglauftendenz<br />
aufweist, dem läuft man nicht<br />
hinterher, sondern der wird als nicht in das<br />
Wohnkonzept passend eingestuft und wieder<br />
weggeschickt. Im Zweifelsfall gelangen diese<br />
Menschen somit auf die geschlossene Abteilung<br />
von Heimen oder des Bezirkskrankenhauses,<br />
die einzigen noch bestehenden anderen „Wohnalternativen“<br />
für diese Menschen in München,<br />
die hier offensichtlich keiner haben will. Die Situation<br />
für verhaltensauffällige, demenzkranke<br />
Menschen gleicht in dieser Stadt eher einem<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Verschiebebahnhof zwischen den oft schrekklichen<br />
geschlossenen Abteilungen in den Altenheimen<br />
und Krankenhäusern.“<br />
„Richtig ermutigend sei aber auch der erste<br />
Telefonkontakt mit Frau Reder nicht gewesen“,<br />
berichtet Hannelore Huhn weiter. „Ich<br />
hörte zunächst nur, dass allein die monatliche<br />
Miete – ohne weitere Kosten – knapp 400 Euro<br />
beträgt. Meine Mutter erhält eine Rente von<br />
rund 900 Euro. Schon wieder nichts, dachte<br />
ich also. Doch Frau Reder hat mir zugeredet,<br />
nicht so schnell aufzugeben. Zudem besuchte<br />
sie meine Mutter und beschloss danach, sie<br />
auch aufzunehmen. Als dann das ganze Wohnprojekt<br />
nicht wie geplant starten konnte, verkomplizierte<br />
sich die Sache mit meiner Mutter<br />
ernorm. Als sie immer aggressiver wurde und<br />
die Tagespflege ablehnte, sprang Frau Reder<br />
ein und stellte für die Betreuung meiner Mutter<br />
zwei Mitarbeiterinnen zur Verfügung, die<br />
eigentlich für die Arbeit im zunächst einmal<br />
lahm gelegten Wohnprojekt vorgesehen<br />
waren.“ „Und das bedeutete, dass sie eigentlich<br />
acht Stunden hinter Frau Neck herrennen<br />
mussten“, wirft Ulrike Reder ein, „aus dieser<br />
Zeit stammt der Standardsatz: ‚Frau Neck ist<br />
weg.‘“ Auf Empfehlung von Frau Reder suchte<br />
Frau Huhn Professor Lauter auf, der Klinikchef<br />
des Klinikums rechts der Isar und zudem<br />
Mitglied des Münchener Förderkreises e.V. ist.<br />
Dieser Förderkreis war nicht nur Initiator,<br />
sondern später auch Vermieter der noch einzurichtenden<br />
Rothenfußer Wohngemeinschaft.<br />
„Professor Lauter empfahl mir, meine Mutter<br />
mit Medikamenten einstellen zu lassen“, so die<br />
Tochter weiter. Die Situation habe ihr keine<br />
Wahl gelassen, die Mutter musste in die<br />
geschlossene Abteilung des Bezirkskrankenhauses<br />
München-Haar. Dort riet man Frau Reder<br />
dann später, Frau Neck nicht in das geplante<br />
Wohnprojekt aufzunehmen, da sie hochgradig<br />
weglaufgefährdet und verhaltensauffällig sei<br />
sowie keine Therapie mitmache und niemanden<br />
in ihre Nähe lasse. „In meiner ganzen<br />
Verzweiflung habe ich dann noch mal einen<br />
Bittbrief an Frau Reder geschrieben, die sich<br />
schließlich hat breitschlagen lassen, meine<br />
Mutter mit der Eröffnung der Rothenfußer<br />
Wohngemeinschaft auf Probe aufzunehmen.“<br />
„Heute würden wir uns nie wieder von solchen<br />
Warnungen abschrecken lassen“, bemerkt<br />
Ulrike Reder kopfschüttelnd und erinnert sich<br />
an Sätze wie: „Diese Frau braucht Medika-
mente und gehört weg auf die ‚Geschlossene‘.<br />
Seid ihr denn verrückt, gerade diese aufzunehmen,<br />
wo es doch so viele liebe nette Demenzkranke<br />
gibt!“ „Nachdem wir die völlig<br />
zusammengefallene und abgemagerte Frau im<br />
Bezirkskrankenhaus besucht hatten und sie<br />
dabei eine unserer Betreuerinnen freudig<br />
wiedererkannte, hat man sie uns dann doch<br />
mitgegeben, sozusagen mit einer Freibriefmarke<br />
nach dem Motto: ‚Wenn es nicht klappt,<br />
dann schickt ihr sie halt wieder zurück‘.“<br />
Der Einzug in die Chiemgaustraße 28 war<br />
schließlich nicht einfach für Frau Neck. Ihrem<br />
starken Bewegungsdrang sei man aber beispielsweise<br />
entgegengekommen, indem man sie<br />
nicht nur morgens zum Semmelkaufen mitnahm,<br />
sondern sie noch zwei weitere Male am<br />
Tag vor die Tür begleitete. Doch dann, nach<br />
dieser starken Unruhephase, folgte plötzlich ein<br />
extremer Rückzug, erzählen mir meine<br />
Gesprächspartnerinnen. „Mutter baute hier<br />
zunächst noch stärker ab, da sie auch das<br />
Essen verweigerte“, berichtet Hannelore Huhn.<br />
„Diese ‚Mich-will-doch-eh-keiner-mehr-Haltung‘<br />
erleben wir hier aber öfter“, so Ulrike<br />
Reder. „Doch plötzlich kam Frau Neck wieder<br />
aus ihrem Zimmer heraus. Ihre Demenz war<br />
zwar fortgeschritten, aber sie hatte sich entschieden,<br />
wieder Nahrung zu sich zu nehmen<br />
und am Küchenleben teilzunehmen. Jetzt ist sie<br />
in ihrer Welt angekommen und fühlt sich dort<br />
auch wohl. Sie ist nur noch emotional erreichbar,<br />
nimmt aber zum Beispiel<br />
mit einer Mitbewohnerin<br />
regelmäßig Kontakt auf. Sie<br />
sitzen auf der Couch und<br />
schmusen miteinander und<br />
sagen sich liebe Sachen“,<br />
berichtet Ulrike Reder. Ab und<br />
zu beschäftige sie sich – und<br />
manchmal sogar die ganze<br />
Gruppe – damit, Skatkarten<br />
professionell zu mischen, denn<br />
Frau Neck sei früher passionierte<br />
Skatspielerin gewesen.<br />
„Wir achten darauf, dass die<br />
individuellen Bedürfnisse jeder<br />
Bewohnerin berücksichtigt<br />
werden. Frau Neck hat sich bei<br />
uns wirklich normalisiert und<br />
braucht noch nicht einmal<br />
mehr Medikamente, was bei<br />
ihrer Vorgeschichte ja sozusa-<br />
Biografiearbeit ist ein wichtiger Baustein, um die individuellen<br />
Bedürfnisse von Menschen mit Demenz zu erfassen.<br />
Eva Neck war passionierte Skat-Spielerin. Die Pokale<br />
und Auszeichnungen aus dieser Zeit hat sie in ihr<br />
Zimmer gestellt. Foto: Harald Raabe<br />
gen ein Wunder ist“, so Ulrike Reder. Dies sei<br />
wohl auch ein Grund dafür, dass die Ärzte, die<br />
Frau Neck betreut hätten, heute darüber staunten,<br />
wie positiv sie sich seit dem Einzug in die<br />
Chiemgaustraße entwickelt habe. „Unser Verhältnis<br />
zum Bezirkskrankenhaus Haar hat sich<br />
mittlerweile deutlich verbessert, man bezeichnet<br />
uns sogar als Lichtblick für die Versorgung<br />
von Menschen mit Demenz in München. Heute<br />
sagen wir: ‚Ja, Frau Neck gehört zu uns, denn<br />
bei uns fühlt sie sich wohl‘.“ Und der Grund<br />
dieser Zufriedenheit liegt unter anderem an<br />
den speziellen Strukturen des Wohnprojektes.<br />
Die zwischen zwölf und 18 qm großen Zimmer in der Chiemgaustraße 28<br />
sind individuell gestaltet. Auch Eva Neck zieht sich gerne in ihr Zimmer<br />
zurück, wenn ihr das Gemeinschaftsleben zu viel wird. Foto: Harald Raabe<br />
Thema<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 13
Thema<br />
14<br />
Konzept der Rothenfußer<br />
Wohngemeinschaft<br />
Die Rothenfußer Wohngemeinschaft hat ihren<br />
Namen durch eine Spende und das Engagement<br />
der Jacob und Maria Rothenfußer-<br />
Gedächtnisstiftung erhalten, die die Durchführung<br />
des Projektes erst möglich gemacht hat.<br />
Die Gemeinschaft der momentan sieben<br />
Bewohnerinnen wird durch das Dreieck Münchener<br />
Förderkreis e.V., „Carpe Diem“ e.V.<br />
sowie ein Angehörigengremium (siehe Schaubild<br />
sowie Seite 17) getragen. Als Grundprinzip<br />
liegt dem Münchener Wohnprojekt der „Cantou“-Gedanke<br />
zu Grunde, wie das auch bei<br />
den KDA-Hausgemeinschaften (siehe Pro<strong>Alter</strong><br />
4/2001) der Fall ist. Cantou bezeichnet<br />
ursprünglich eine offene Feuerstelle in Bauernhäusern<br />
Süd-West-Frankreichs, um die herum<br />
sich das Familienleben abspielte. Übertragen<br />
auf das Wohnen von desorientierten Menschen<br />
in einer Gemeinschaft heißt das aber auch, dass<br />
neben den Bewohnern sowohl die Angehörigen<br />
als auch die Mitarbeiter fest in die Gemeinschaft<br />
miteingebunden werden. „Wir erwarten<br />
von den Angehörigen und den gesetzlichen<br />
Betreuern, dass sie die Verantwortung für<br />
unsere Bewohnerinnen weiter mittragen“,<br />
erklärt Ulrike Reder. „Das heißt, dass sie in<br />
kritischen Situationen auch hergebeten werden:<br />
Quelle: Ulrike Reder<br />
Münchener<br />
Förderkreis e.V.<br />
• General(ver)mieter<br />
• Vermittlungsinstanz<br />
• Garant für das<br />
inhaltliche Konzept<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Struktur der<br />
Rothenfußer<br />
Wohngemeinschaft<br />
Die Gemeinschaft<br />
der<br />
BewohnerInnen<br />
Angehörigentreffen<br />
Gremium<br />
Wenn Frau Neck beispielsweise Probleme beim<br />
Baden macht, wird ihre Tochter um Unterstützung<br />
gebeten. Wenn Angehörige und Betreuer<br />
sagen: ‚Das geht uns nichts mehr an, das ist<br />
euer Problem‘, dann führt dies natürlich<br />
zunächst zu erheblichen Spannungen, die im<br />
Extremfall sogar die Wohngemeinschaft blokkieren<br />
können. Deshalb wird dann der Fall<br />
auch zur Schlichtung an das Angehörigengremium<br />
weitergeleitet.<br />
Unter dem Dach des „Carpe Diem“ e.V.<br />
wurde zunächst auch aus der Not heraus –<br />
nämlich wegen nicht zu vereinbarender, finanzieller<br />
und inhaltlicher Vorstellungen der verschiedenen<br />
ambulanten Pflegedienste – ein<br />
eigener Pflegedienst gegründet. Dieser bietet<br />
den Bewohnerinnen die nötigen Pflegedienstleistungen<br />
nach SGB XI an, die aber prinzipiell<br />
auch von jedem anderen Anbieter erbracht<br />
werden könnten. Darüber hinaus übernimmt<br />
der Verein die therapeutische Betreuung der<br />
Frauen in der Rothenfußer Wohngemeinschaft,<br />
die überwiegend über das SGB IX (siehe Seite<br />
X) finanziert werden. Nicht zuletzt deswegen<br />
ist die Personalausstattung (siehe Tabelle 1) mit<br />
insgesamt neun Personen und die sehr hohe<br />
Betreuungsquote (zwei Betreuer und zusätzlich<br />
eine ehrenamtliche Helferin auf sieben Bewohner)<br />
möglich. „Oft werden wir mit einem Heim<br />
verglichen, was aber absurd ist, denn wir sehen<br />
„Carpe Diem“<br />
e.V.<br />
Therapeut. WG<br />
für ältere seelisch<br />
behinderte<br />
Menschen<br />
SGB IX<br />
ambulanter<br />
Pflegedienst<br />
SGB XI/V
Tabelle 1: Personalausstattung<br />
Personalausstattung wöchentlicher Einsatz<br />
Carpe Diem: 1 Fachpflegekraft<br />
Therapeut. für Gerontopsychiatrie . . . . . . . 30 Std.<br />
Wohn- 1 Sozialpädagogin . . . . . . . . . . . 15 Std.<br />
gemeinschaft<br />
Carpe Diem: 1 Krankenpfleger/PDL . . . . . . . . 20 Std.<br />
Pflegedienst 1 Altenpflegerin/Teamleitung 32 Std.<br />
1 Krankenpfleger . . . . . . . . . . . . 20 Std.<br />
1 Altenpflegehelferin . . . . . . . . 20 Std.<br />
1 Altenpflegehelferin . . . . . . . . 20 Std.<br />
Quelle:<br />
Ulrike Reder<br />
1 Pflegehelferin . . . . . . . . . . . . . 35 Std.<br />
1 Zivildienstleistender<br />
bzw. Sozialbetreuer . . . . . . . . . . 38,5 Std.<br />
uns nur als Ergänzung zu den Heimen“,<br />
beklagt Ulrike Reder, die als Diplom-Sozialpädagogin<br />
die Koordinationsaufgaben innerhalb<br />
des Projektes wahrnimmt. Sie organisiert das<br />
Angehörigengremium oder leitet beispielsweise<br />
die ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen an.<br />
„Durch unsere hohe Betreuungsquote können<br />
wir uns intensiver mit den Bewohnern beschäftigen,<br />
als das je in einem Heim möglich wäre.<br />
Dort hätte beispielsweise niemand zwei Stunden<br />
lang mit Frau Neck herumlaufen können“,<br />
so Reder. Auch auf andere individuelle Bedürfnisse<br />
der Bewohnerinnen könne man so besser<br />
eingehen wie beispielsweise individuelle Aufsteh-<br />
und Frühstückszeiten. Für die Tagesgestaltung<br />
spiele zwar das gemeinsame Zubereiten<br />
des Mittagessens eine wichtige Rolle, aber<br />
eben nicht für alle, betont Ulrike Reder:<br />
„Neben ehemaligen Hausfrauen, für die die<br />
anfallenden Küchentätigkeiten sicher sehr<br />
interessant sind, wohnen bei uns ja auch zwei<br />
ehemalige Karrierefrauen. Diese werden zum<br />
Beispiel von einer Helferin zum Edelcoiffeur<br />
auf der Maximilianstraße oder in den botanischen<br />
Garten begleitet.“ Ganz wichtig sei es<br />
auch, einer Art WG-Koller vorzubeugen, der<br />
vor allem dann bei Bewohnern auftrete, wenn<br />
die Demenz noch nicht so weit fortgeschritten<br />
sei. „Hier hilft am besten ein Spaziergang<br />
draußen bei Sonnenschein“, weiß Frau Reder.<br />
Und für diesen machten sich die Damen erst<br />
richtig zurecht, um in die Stadt zum Shoppen<br />
und anschließend ins Café zu gehen. Ohne eine<br />
ausreichende Personalstärke sei das alles nicht<br />
zu gewährleisten. „Normalität heißt bei uns,<br />
dass die Damen im Prinzip immer die Wohnung<br />
verlassen können. Dafür muss eben min-<br />
destens eine zweite Betreuungsperson<br />
vor Ort sein, die dann<br />
notfalls einfach hinter der<br />
Bewohnerin herläuft. Für die<br />
Bewohnerinnen ist es doch ein<br />
unglaublicher Gewinn zu<br />
wissen, dass sie hier nicht<br />
eingeschlossen sind. Nach den<br />
Ausflügen in die Stadt sind die<br />
meisten auch wieder froh, dass<br />
sie zurück in die Geborgenheit<br />
der Wohnung können. Und<br />
was natürlich genauso wichtig<br />
ist, ist ihre Rückzugsmöglichkeit<br />
in die Privatsphäre, ins<br />
eigene Zimmer, das zumeist<br />
voll steht mit den eigenen Sachen.“<br />
Eine „neu entdeckte“ Finanzquelle<br />
Die Rothenfußer Wohngemeinschaft ist eine<br />
vom Bezirk Oberbayern anerkannte therapeutische<br />
Wohngemeinschaft für ältere seelisch<br />
Behinderte. Daraus ergibt sich auch die Finanzierungsmöglichkeit<br />
nach unterschiedlichen<br />
Sozialgesetzbüchern. Neben dem SGB XI, über<br />
das die üblichen Pflegeleistungen je nach Pflegestufe<br />
finanziert werden, erhalten die Münchener<br />
auch Betreuungssätze nach SGB IX, die<br />
für die psychosoziale Begleitung bereitgestellt<br />
und normalerweise nur körper- und geistig<br />
behinderten Menschen gewährt werden (siehe<br />
Kasten SGB IX).<br />
SGB IX: Rehabilitation und Teilhabe<br />
behinderter Menschen<br />
§ 1 Selbstbestimmung und Teilhabe am<br />
Leben in der Gesellschaft<br />
Behinderte oder von Behinderung bedrohte<br />
Menschen erhalten Leistungen nach diesem<br />
Buch und den für die Rehabilitationsträger<br />
geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung<br />
und gleichberechtigte Teilhabe<br />
am Leben in der Gesellschaft zu fördern,<br />
Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen<br />
entgegenzuwirken. Dabei wird den besonderen<br />
Bedürfnissen behinderter und von Behinderung<br />
bedrohter Frauen und Kinder Rechnung<br />
getragen.<br />
Thema<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 15
Thema<br />
16<br />
Die Finanzierung stehe somit auf mehreren<br />
Beinen, berichtet mir Ulrike Reder: „Neben<br />
den Mitteln aus der Pflegeversicherung, haben<br />
wir so noch eine weitere einkommensunabhängige<br />
Geldquelle erschlossen, die den Menschen<br />
mit Demenz unmittelbar zugute kommt. Die<br />
Zahlung wird allerdings nur nach einem psychiatrischen<br />
Gutachten eines Facharztes<br />
gewährt und muss meinerseits beantragt werden“,<br />
so die Sozialpädagogin. Gegenüber dem<br />
Geldgeber – dem Bezirk Oberbayern – muss<br />
ich begründen, warum diese Leistung, verknüpft<br />
mit dem Umzug in unsere Wohngemeinschaft,<br />
erforderlich ist. Das heißt, dass die<br />
vielen Verhaltensauffälligkeiten und alltäglichen<br />
Schwierigkeiten, die die Menschen mit<br />
Demenz verursachen, eben auch bedeuten, dass<br />
diese Menschen psychisch krank sind und<br />
ihnen genau deshalb auch Geldmittel aus dem<br />
SGB IX zustehen sollten.“<br />
Als in diesem Moment eine ehrenamtliche<br />
Helferin ihren Mantel aus dem Besucherzimmer<br />
holt, um mit ‚ihrer Bewohnerin’ spazieren<br />
zu gehen, kommt das ständig im Hintergrund<br />
zu hörende Schreien einer anderen Bewohnerin<br />
aus der Wohnküche voll zur Geltung – wie, um<br />
diesen Fakt zu unterstreichen. „Darüber haben<br />
wir rund eineinhalb Jahre mit dem Bezirk<br />
Oberbayern diskutiert“, so die Sozialpädagogin<br />
kopfschüttelnd und fährt bestimmt fort:<br />
„Denn dieser ist zuständig für die ambulante<br />
Psychiatrie und muss in unseren Augen somit<br />
Leistungen der medizinischen Rehabilitation,<br />
die behinderten Menschen zustehen, auch<br />
demenzkranken Menschen in der Altenhilfe<br />
gewähren, die per Gesetz zu den seelisch behinderten<br />
Menschen zählen. Dazu gehören Krisenintervention<br />
und tagesstrukturierende Maßnahmen<br />
ebenso wie psychosoziale Begleitung<br />
und alle Leistungen zur Teilhabe am Leben in<br />
der Gemeinschaft – eben alles, was für alle<br />
anderen Behinderten auch gilt.<br />
Geholfen hat uns schließlich sehr, dass<br />
auch das bayerische Sozialministerium anerkannt<br />
hat, das Menschen mit Demenz psychisch<br />
krank und seelisch behindert sind. Aber<br />
auch die starke Unterstützung seitens der Münchener<br />
Arbeitsgemeinschaft Gerontopsychiatrie,<br />
die gegenüber der Bezirksregierung keinen<br />
Zweifel daran gelassen hat, dass – falls sich der<br />
Bezirk weigert, bei der Finanzierung einzusteigen<br />
– man diese Ungerechtigkeit auch in der<br />
Presse diskutieren würde. Zunächst hat sich<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
der Bezirk total gewehrt, sich dann aber mit<br />
der Stadt München zusammengesetzt und das<br />
Problem gemeinsam angepackt. Mittlerweile<br />
steht man sogar dem Einrichten einer zweiten<br />
Wohngemeinschaft positiv gegenüber“, freut<br />
sich Ulrike Reder.<br />
Aus diesem zusätzlichen Topf werden 1,2<br />
Stellen (siehe Tabelle 1) innerhalb des Wohngemeinschaftsprojektes<br />
finanziert. Dazu gehört<br />
Ulrike Reders Tätigkeit als Sozialpädagogin,<br />
die sich wesentlich um organisatorische Aufgaben<br />
kümmert, wie die Koordinierung von<br />
Ausflügen und Festen, der Einsatz ehrenamtlicher<br />
Helfer sowie die Betreuung des Angehörigengremiums.<br />
Dazu kommt noch die Arbeit<br />
einer Fachpflegekraft für Gerontopsychiatrie.<br />
So könnten Leistungen abgerechnet werden,<br />
auf denen die anderen betreuten Wohngemeinschaften<br />
in Deutschland – außer in Berlin – oft<br />
sitzen blieben. „Denn, wenn man sich eine<br />
Stunde um einen Bewohner kümmert, um ihn<br />
zu beruhigen, kann das nicht über das SGB XI<br />
finanziert werden“, so die engagierte Sozialpädagogin.<br />
Tabelle 2:<br />
Kostenbeispiel für einen Bewohner<br />
Pflegestufe II (Durchschnittswerte)<br />
Kosten pro Monat Euro<br />
Miete (warm) . . . . . . . . . . . . . . .<br />
Haushaltsgeld (inkl. Strom<br />
408,–<br />
und Telefon) . . . . . . . . . . . . . 300,–<br />
Verwaltungspauschale . . . . . . . 76,–<br />
Pflege und Hauswirtschaft . . .<br />
Therapeutische<br />
2.400,–<br />
Wohngemeinschaft . . . . . . . . 692,–<br />
Gesamtkosten . . . . . . . . . . . . . . 3.876,–<br />
Kostenübernahme<br />
Zuschüsse pro Monat Euro<br />
Pflegeversicherung (II) . . . . . . . 921,–<br />
Bezirk Oberbayern . . . . . . . . . . 692,–<br />
Eigenanteil . . . . . . . . . . . . . . . . 2.263,–<br />
Quelle: Arbeitsgruppe für Sozialplanung und<br />
<strong>Alter</strong>sforschung (AfA), München
Beispielsweise reduzieren sich die Kosten für<br />
einen Bewohner der Rothenfußer Wohngemeinschaft<br />
mit Pflegestufe II von 3.876 Euro<br />
auf einen Eigenanteil von 2.263 Euro durch die<br />
Kostenübernahmen der Pflegeversicherung<br />
sowie des überörtlichen Sozialhilfeträgers, des<br />
Bezirks Oberbayern, der die psychosozialen<br />
Betreuungsleistungen übernimmt (siehe Tabelle<br />
2).<br />
Hinzu kommt ein Abkommen mit der<br />
Stadt München, nach dem diese als örtlicher<br />
Sozialhilfeträger alle Kosten trägt, die über die<br />
Leistungen der Pflegekassen hinausgehen. Auch<br />
bei Kost und Logie, die von den Bewohnern<br />
selbst getragen werden müssen, springt das<br />
Sozialamt ein, wenn die finanziellen Mittel der<br />
Betroffenen und ihrer Angehörigen nicht ausreichen.<br />
„Im Prinzip gibt es mit der Finanzierung<br />
und Abrechnung in unserer Wohngemeinschaft<br />
nun keine Probleme mehr“, stellt Ulrike Reder<br />
zufrieden fest.<br />
Die Angehörigen reden mit<br />
Etwa alle sechs Wochen ruft Ulrike Reder das<br />
Angehörigengremium zusammen, was für das<br />
Funktionieren der Wohngemeinschaft nicht<br />
unerheblich sei, berichtet mir die Organisatorin<br />
weiter: „Bei diesem Treff wird nicht nur die<br />
Haushaltskasse offen gelegt und mit einfacher<br />
Mehrheit der Stimmen von Angehörigen oder<br />
gesetzlichen Betreuern abgestimmt, was eingekauft<br />
oder gekocht wird, sondern man thematisiert<br />
auch, wie man mit den Bewohnern<br />
umgeht, die sich zum Beispiel sehr schwierig<br />
verhalten. Eine Bewohnerin, die nur noch<br />
geschrieen hat, mussten wir einmal für zwei<br />
Wochen in eine geschlossene Station bringen,<br />
weil es in unserer Wohngemeinschaft keiner<br />
mehr mit ihr ausgehalten hat“, gibt Ulrike<br />
Reder zu. „Doch dann sagte man uns, dass die<br />
einzige <strong>Alter</strong>native sei, die Dame künstlich zu<br />
ernähren und zu fixieren, da eine intensive<br />
Betreuung, so wie bei uns, nicht geleistet werde<br />
könne. Da war ganz schnell klar, dass wir sie<br />
wieder in die Gruppe zurückholen. Denn letztendlich<br />
können wir psychiatrische Krisen bei<br />
uns wohl immer noch am besten auffangen.“<br />
„Genau das ist ja das Schöne“, bestätigt Hannelore<br />
Huhn. „Hier wird keiner abgeschoben,<br />
der gesundheitlich immer mehr abbaut und der<br />
auch immer unbequemer wird.“ Und sie lässt<br />
durchblicken, dass man ja mit den eigenen<br />
Angehörigen auch jederzeit in eine solch prekäre<br />
Lage kommen könnte und dann ebenfalls<br />
hoffe, von der Gruppe und den Angehörigen<br />
getragen zu werden. Ohnehin habe diese<br />
Wohnform ja noch den entscheidenden Vorteil,<br />
dass die Bewohnerinnen alle einen normalen<br />
Mietvertrag mit dem Münchener Förderkreis<br />
als Vermieter abgeschlossen hätten, ergänzt<br />
Ulrike Reder. Durch diesen Vertrag seien die<br />
Mieter davor geschützt, einfach aus der Wohngemeinschaft<br />
ausgeschlossen zu werden. Was<br />
den Einzug eines neuen Bewohners angeht,<br />
haben die Angehörigen allerdings nur ein eingeschränktes<br />
Vetorecht. Denn sonst, so die<br />
nicht unbegründete Befürchtung des Bezirks,<br />
tendierten die Angehörigen wohl eher dazu,<br />
den nettesten neuen Mitbewohner in die<br />
Wohngemeinschaft aufzunehmen und nicht<br />
denjenigen, der es am dringendsten brauche.<br />
Für Frau Neck und ihre Tochter war der<br />
Umzug in die Rothenfußer Wohngemeinschaft<br />
jedenfalls ein Segen. „Früher habe ich oft<br />
gedacht, hoffentlich geht das alles bald zu Ende<br />
mit meiner Mutter“, so Hannelore Huhn,<br />
„heute denke ich, wie schön es ist, dass ich<br />
hierhin in die Wohngruppe kommen kann, um<br />
sie zu sehen. Das verdanke ich dieser einmaligen<br />
Einrichtung in München. Ein Glück, dass<br />
meine Mutter hier sein kann.“<br />
Literatur-Hinweis:<br />
• Rothenfußer Wohngemeinschaft – Wohngemeinschaft<br />
für verwirrte ältere seelisch behinderte Menschen in<br />
München. Ein Bericht der Arbeitsgruppe Sozialplanung<br />
und <strong>Alter</strong>sforschung (AfA) München. Hrsg.: Bayerisches<br />
Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie<br />
und Frauen, März 2003. Der Bericht steht im Internet<br />
als Download zur Verfügung: http://www.stmas.<br />
bayern.de/pflege/ambulant/wg.htm<br />
Thema<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 17
Thema<br />
18<br />
Überregionaler Erfahrungsaustausch<br />
der Akteure von betreuten Wohngruppen<br />
Im Rahmen des Kooperationsprojektes mit der Bertelsmann Stiftung (siehe Pro<strong>Alter</strong> 3/2002)<br />
organisierte das <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe im März dieses Jahres eine Fachtagung der<br />
Akteure betreuter Wohngruppen in Braunschweig. Rund 30 Initiatoren und Betreuungskräfte<br />
aus Bielefeld, Berlin, Braunschweig, Münster, München, Eigeltingen, Werther, Chemnitz sowie<br />
Projektplaner aus der Schweiz und den Niederlanden bot sich dort die Möglichkeit zu einem<br />
überregionalen Erfahrungsaustausch, der auch die Basis für eine verstärkte Zusammenarbeit<br />
der betreuten Wohngruppen untereinander legte. Ursula Kremer-Preiß, die Projektbearbeiterin<br />
im KDA, fasst die Diskussionen zusammen.<br />
Möglichkeiten und Grenzen<br />
der Selbstbestimmung und<br />
normalen Alltagsgestaltung<br />
„In den seit mehreren Jahren bestehenden<br />
Wohngruppen sind auch die hier lebenden<br />
Menschen gealtert. Viele von ihnen haben in<br />
diesem Zeitraum ihre Sebstständigkeit verloren.“<br />
Dieses Fazit zogen einige Teilnehmer zu<br />
Beginn der Diskussion im ersten Themenblock<br />
der Braunschweiger Veranstaltung. Der verschlechterte<br />
Gesundheitszustand der Bewohner<br />
macht es schwer, die Ziele Selbstbestimmung<br />
und Gestaltung eines möglichst normalen<br />
Alltags zu verwirklichen. Selbst die eigenen<br />
Grundbedürfnisse können manchen nicht mehr<br />
alleine befriedigen und auch kaum mehr an<br />
Gemeinschaftsaktivitäten oder Alltagsaktivitäten<br />
teilnehmen. „Trotzdem ist das Wohnrecht<br />
bis zum Lebensende ein wesentliches Strukturmerkmal<br />
dieses Wohnkonzepts und muss es<br />
auch bleiben“, hoben die Teilnehmer hervor.<br />
Dabei hänge es wesentlich vom Engagement<br />
und der Kreativität der Mitarbeiter ab, inwiefern<br />
die Bewohner noch an Alltagsaktivitäten<br />
teilnähmen. Das Bedürfnis nach „Selbstständigkeit“<br />
müsse jeden Tag daraufhin reflektiert<br />
werden, wie ein zufriedenes Leben der Bewohner<br />
tatsächlich erreicht werden kann. Zudem<br />
solle der Begriff der „Alltagsnormalität“ durch<br />
„Alltagsvertrautheit“ ersetzt werden, da gerade<br />
die Mitarbeiter bei demenziell erkrankten<br />
Bewohnern gefordert seien, die Maßstäbe eines<br />
normalen Alltags an den Einzelnen anzupassen,<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
ohne die anderen Bewohner und die Gemeinschaft<br />
aus dem Auge zu verlieren.<br />
Standards und Verfahren zur<br />
Qualitätssicherung<br />
In dem zweiten Themenblock wurde über<br />
Möglichkeiten der Qualitätssicherung diskutiert,<br />
denn für betreute Wohngruppen gelten<br />
beispielsweise weder verbindliche Standards,<br />
wie der Wohnraum oder die Betreuung gestaltet<br />
sein sollte, noch gibt es eine Kontrollbehörde,<br />
die deren Tun in dieser Hinsicht überwacht.<br />
Die Veranstaltungsteilnehmer waren sich<br />
einig, dass mit der Ausweitung dieses Wohnangebotes<br />
die Entwicklung von Standards zur<br />
Qualitätssicherung notwendig ist. Dabei dürfen<br />
aber Bewohnerbedürfnisse durch eine zu starke<br />
Regulierung nicht vernachlässigt werden. Einen<br />
ersten Schritt in diese Richtung hat man in<br />
Berlin gemacht. Hier wurde der „Verein für<br />
selbstbestimmtes Wohnen im <strong>Alter</strong> e.V.“<br />
gegründet. Dieser hat „Qualitätskriterien für<br />
ambulant betreute Wohngemeinschaften mit<br />
demenziell erkrankten Menschen“ erarbeitet<br />
und versteht sich als Organ freiwilliger (Qualitäts-)Selbstkontrolle<br />
und als Verbraucherschutz-Instanz,<br />
die vor allem Angehörigen von<br />
demenziell erkrankten Menschen Orientierung<br />
in dieser Versorgungslandschaft bieten will<br />
(siehe Kasten). Kontrovers wurde diskutiert,<br />
wer die Kontrolle zur Sicherung von Qualitäts-
standards bei diesen Gruppen übernehmen<br />
könnte. Die Projektvertreter verwiesen darauf,<br />
dass die Wohngruppenmitarbeiter im Rahmen<br />
ihres Versorgungsvertrages mit den Pflegekassen<br />
bereits kontrolliert würden. Darüber hinaus<br />
unterstehe in der Praxis auch ein Teil der<br />
ambulant betreuten Wohngruppen der Kontrolle<br />
durch die Heimaufsicht, ungeachtet der<br />
Tatsache, dass sie keinen Heimstatus hätten.<br />
Die Gruppenvertreter aus dem Bielefelder<br />
Raum verwiesen auf die besondere Rolle der<br />
Wohnungsbaugenossenschaften, die eine kontrollierende<br />
Funktion für ihre Mitglieder und<br />
Mieter wahrnehmen. Insgesamt waren sich die<br />
Veranstaltungsteilnehmer einig, dass pflegebedürftige<br />
Menschen, die alleine zu Hause in<br />
ihren Wohnungen leben, einen geringeren<br />
Verbraucherschutz genießen als Bewohner von<br />
Verein für Selbstbestimmtes Wohnen<br />
im <strong>Alter</strong> e. V.<br />
Im Mai 2001 wurde der Verein „SWA –<br />
Selbstbestimmtes Wohnen im <strong>Alter</strong> e.V.“<br />
gegründet. Ziel des Vereins ist die Formulierung<br />
und Weiterentwicklung von Qualitätskriterien<br />
für ambulant betreute Wohngemeinschaften.<br />
Darüber hinaus setzt sich der Verein für<br />
die Interessen von Menschen mit Demenz<br />
ein. Er unterstützt und informiert über<br />
Projekte, Wohn- und Betreuungsformen, die<br />
dazu dienen, diesen Menschen ein würdiges<br />
und ihrer Situation angemessenes Leben zu<br />
ermöglichen.<br />
Um seine Ziele zu erreichen, ist der<br />
Verein vor allem in folgenden Bereichen<br />
aktiv:<br />
• Erstellung von Broschüren und Arbeitshilfen<br />
• Angebot von Fortbildungen<br />
• Zusammentragen und Weiterleiten von<br />
Angebot und Nachfrage<br />
• Beratung und Unterstützung von Angehörigen<br />
und Betreuern<br />
Kontakt:<br />
Selbstbestimmtes Wohnen im <strong>Alter</strong> SWA e.V.<br />
c/o Annette Schwarzenau<br />
Grunewaldstraße 56, 10825 Berlin<br />
Telefon 030/8533223<br />
E-Mail: swa.e.V@gmx.de<br />
Wohngruppen. Allein durch die Mitbewohner<br />
und auch deren Angehörige, die das Hausrecht<br />
besitzen und auch die Dienstleister selbst<br />
bestimmen können, seien hier Einflussmöglichkeiten<br />
gegeben, die zum Beispiel auch schon<br />
von einigen Gruppen in Berlin genutzt worden<br />
seien. Hier wurde Pflegedienstmitarbeitern<br />
gekündigt, weil die Bewohner bzw. die Angehörigen<br />
nicht mit deren Arbeit zufrieden<br />
waren. Ganz wichtig sei, dass die Machtbalance<br />
zwischen Bewohner und Angehörigen auf<br />
der einen und Mitarbeitern auf der anderen<br />
Seite, erhalten bliebe.<br />
Stolpersteine beim Aufbau und<br />
bei der Finanzierung<br />
In einem dritten und vierten Themenblock<br />
standen die Hindernisse bei der Gründung und<br />
dem Aufbau von betreuten Wohngruppen im<br />
Vordergrund der Diskussion. „Die Finanzierung<br />
erweist sich in vielen Fällen als problematisch,<br />
da Krankenkassen und Sozialhilfeträger<br />
die Übernahme der Kosten nicht immer akzeptieren.<br />
In der Vergangenheit haben vereinzelt<br />
Krankenkassen die eigene Häuslichkeit der<br />
Bewohner in diesen Wohngruppen nicht anerkannt<br />
und zum Teil über Jahre die Zahlungen<br />
für behandlungspflegerische Leistungen verweigert“,<br />
berichteten die Teilnehmer. Dies habe<br />
Initiatoren vor erhebliche Finanzierungsprobleme<br />
gestellt. Sozialhilfeträger seien nicht<br />
immer bereit, Kosten, die erheblich über der<br />
stationären Pflege liegen, zu tragen. Sie deckelten<br />
teilweise die Individualansprüche oder<br />
verlangten unter Umständen gar einen Umzug<br />
in eine stationäre Einrichtung. Zudem wurde<br />
bemängelt, dass eine Regelfinanzierung für die<br />
Aufbauorganisation, der Ausfallzeiten sowie<br />
der investiven Kosten fehle, wie sie für den<br />
stationären Bereich üblich seien. Die Veranstaltungsteilnehmer<br />
verwiesen darauf, dass es<br />
unter diesen Umständen schwierig sei, Rücklagen<br />
zu bilden. Deshalb sei es notwendig,<br />
andere Wege der Finanzierung zu erschließen<br />
(siehe Beitrag Rothenfußer WG Seite 10). „In<br />
Zukunft müssen die Rahmenbedingungen der<br />
Finanzierung verändert und erleichtert werden,<br />
um das Wohnkonzept der betreuten Wohngruppen<br />
weiter zu verbreiten“, so das Fazit der<br />
Veranstaltungsteilnehmer.<br />
Thema<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 19
Thema<br />
20<br />
Ausbau von Beratungs- und<br />
Begleitungsstrukturen<br />
„Neben der geregelten Finanzierung müssen<br />
unterstützende Beratungs- und Begleitstrukturen<br />
für die Initiatoren von betreuten Wohngruppen<br />
ausgebaut werden“, lautete eine weitere<br />
Forderung der Teilnehmer des Erfahrungsaustauschs.<br />
Denn der Aufbau einer betreuten<br />
Wohngruppe verlange ein hohes Maß an konzeptionellem,<br />
ordnungs- und finanzrechtlichem<br />
Know-how. Dieses könne aber bei den Angehörigeninitiativen<br />
oder ambulanten Diensten, die<br />
Initiatoren solcher Wohnprojekte sind, nicht<br />
immer in entsprechendem Maße vorausgesetzt<br />
werden. Oder es müsse mit einem enormen<br />
zeitlichen und finanziellen Aufwand von jeder<br />
Wohngruppe immer wieder neu erarbeitet<br />
werden. Erste Erfahrungen zeigten, dass sich<br />
dieses Wohnangebot leichter etabliert, wenn<br />
die Gruppen auf lokale Unterstützung zurückgreifen<br />
könnten, wie dies zum Beispiel in Berlin,<br />
Braunschweig oder Münster der Fall sei. So<br />
würden diese Aufgaben in Berlin seit Jahren<br />
mit hohem Engagement vom „Verein Freunde<br />
alter Menschen e.V.“ geleistet. Ein wichtiger<br />
Beitrag in dieser Richtung könnte auch die<br />
Umsetzung des Freiburger-Modells – eines<br />
kommunalen Netzwerkes – (siehe Kasten) sein.<br />
„Diese regional operierenden Unterstützungsstrukturen<br />
bedürfen“, so die Ansicht der Veranstaltungsteilnehmer,<br />
„zukünftig einer<br />
bundesweiten Ergänzung und Koordination.“<br />
Insgesamt hat der Erfahrungsaustausch<br />
gezeigt, wie wichtig es ist, dass die Akteure und<br />
Initiatoren dieser Wohnform für alte Menschen<br />
besser untereinander kooperieren. Denn die<br />
meisten Vertreter betreuter Wohngruppen<br />
agieren häufig vereinzelt und sind höchstens in<br />
regionale Netzwerke eingebunden.<br />
Veranstaltungshinweis<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Freiburger Modell<br />
In Freiburg will man die Verbreitung von<br />
wohngruppenorientierten Betreuungskonzepten<br />
vor allem für demenziell erkrankte<br />
Menschen gezielt fördern. Hierfür soll ein<br />
kommunales Netzwerkes aufgebaut werden:<br />
Die Freiburger Träger sind aufgerufen<br />
sich an Wohngruppenprojekten mit unterschiedlichen<br />
Angeboten zu beteiligen.<br />
Weiterhin sollen eine Steuerungsgruppe, ein<br />
Wohngruppenmanagement und eine Begleitforschung<br />
aufgebaut werden, um so einen<br />
Kompetenzpool zu implementieren, den alle<br />
Interessierten nutzen können und in den die<br />
trägerspezifischen Erkenntnisse einfließen<br />
sollen. Die Verantwortung für alle am<br />
Modell beteiligten Wohngruppen und die<br />
Fachaufsicht für die Mitarbeiter soll eine<br />
trägerübergreifende Koordinierungsstelle<br />
übernehmen. Das Netzwerk des Freiburger<br />
Modells setzt dabei gezielt auf die Beteiligung<br />
von Angehörigen und Bürgern. Engagierten<br />
im Netzwerk und in den Wohngruppen<br />
soll eine systematische Beteilung in allen<br />
wichtigen Belangen ermöglicht werden.<br />
Ansprechpartner für das Freiburger Modell:<br />
• Prof. Thomas Klie<br />
Ev. Fachhochschule<br />
Bugginger Straße 32, 79114 Freiburg<br />
Tel.: 07 61/4 78 12-0<br />
• Thomas Pfundstein<br />
Kontaktstelle für praxisorientierte<br />
Forschung<br />
Bugginger Straße 38, 79114 Freiburg<br />
Tel.: 0761/4 7812-23<br />
Initiiert vom KDA und der Bertelsmann Stiftung wird am 18. Juni 2003 in Heidelberg ein<br />
weiterer Erfahrungsaustausch zum Thema „Leben und Wohnen im <strong>Alter</strong>“ unter Experten<br />
stattfinden. Dieses Mal wird das Wohnquartier im Mittelpunkt stehen. Zum Thema „Anforderungen<br />
an die Gestaltung quartiersbezogener Wohnkonzepte“ sollen analog zu der<br />
Braunschweiger Veranstaltung ein Überblick über das Spektrum der quartiersbezogenen Wohnkonzepte<br />
gewonnen werden und Informationen über die Arbeitsweise und die Probleme bei der<br />
Umsetzung ausgetauscht werden. Weiterhin sollen die Akteure durch diesen überregionalen<br />
Erfahrungsaustausch bei ihrer stärkeren Kooperation zwischen den einzelnen Projekten unterstützt<br />
werden. Eine Dokumentation der Veranstaltung wird im KDA erstellt werden.
Das Pro<strong>Alter</strong>-Experteninterview:<br />
„Eine hochakzeptierte <strong>Alter</strong>native<br />
zum Heim“<br />
Berlin hat, was die Anzahl von Wohngemeinschaften mit Betreuung angeht, so etwas wie eine<br />
Vorreiterfunktion in der Bundesrepublik. So existieren dort schätzungsweise – eine offizielle<br />
Statistik gibt es nicht – 60 solcher Projekte mit etwa 400 Zimmern. Dass es in Berlin relativ viele<br />
Wohngruppen gibt, hat viel mit dem Engagement bestimmter Initiativen wie „Freunde alter<br />
Menschen“ und dem „Verein Selbstbestimmt Wohnen im <strong>Alter</strong>“ zu tun. Doch hat man dort<br />
auch das Glück, dass diese <strong>Alter</strong>native zum Pflegeheim sehr von der Senatsverwaltung für Gesundheit,<br />
Soziales und Verbraucherschutz unterstützt wird. Warum das so ist, erklärt Holger<br />
Gerecke. Er ist bei der Senatsbehörde als Leiter der Arbeitsgruppe „Altenhilfestrukturen im ambulanten<br />
und komplementären Bereich“ in der Abteilung Soziales tätig.<br />
Pro<strong>Alter</strong>: Sie bzw. Ihre Behörde stehen den<br />
Betreuten Wohngruppen grundsätzlich positiv<br />
gegenüber. Wie unterstützen Sie diese?<br />
Gerecke: Wir thematisieren die Wohngruppen<br />
immer wieder in den entsprechenden<br />
Gremien, Fortbildungen und Fachtagungen.<br />
Dann haben wir auch für eine zusätzliche<br />
Absicherung durch die Kostenträger gesorgt,<br />
indem wir damals bei Einführung der Leistungskomplexe<br />
für die ambulante Pflege eine<br />
zusätzliche Vereinbarung abgeschlossen haben.<br />
Dieser Extra-Leistungskomplex 31, die so<br />
genannte Tagesstrukturierung, ist sehr geeignet,<br />
um die Betroffenen bedarfsgerecht zu unterstützen.<br />
Er kann allerdings nur gegenüber dem<br />
Sozialamt oder dem Selbstzahler berechnet<br />
werden. Er ist auch nicht nach Verrichtungen<br />
definiert, sondern es wird pauschal eine halbe<br />
Stunde zur Verfügung gestellt. Bei entsprechendem<br />
Bedarf kann diese Zeiteinheit auch mehrfach<br />
kombiniert werden.<br />
Pro<strong>Alter</strong>: Was schätzen Sie an den<br />
Betreuten Wohngruppen, und was sehen Sie als<br />
kritisch an?<br />
Gerecke: Für mich gibt es da mehrere<br />
positive Komponenten. Da ist zum einen der<br />
Aspekt, dass diese Wohnmöglichkeit dem<br />
Wunsch vieler Menschen, auch bei Pflegebedarf<br />
zu Hause und nicht in einem Pflegeheim<br />
versorgt zu werden, entspricht. Dementspre-<br />
Holger Gerecke: „Es ist in unserem Interesse, dass sich<br />
die Wohngruppen als Angebotsform verstetigen.“<br />
Foto: privat<br />
chend, so unsere Erfahrung, ist es eine von den<br />
Nutzern und ihren Angehörigen sehr akzeptierte<br />
Form der Lebensgestaltung. Bisher ist es<br />
auch so, dass in allen Wohngemeinschaften<br />
mehr Nachfrage besteht als Zimmer zur Verfügung<br />
stehen. Deshalb ist es natürlich in unserem<br />
Interesse, dass sich die Wohngruppen als<br />
Angebotsform verstetigen.<br />
Kontakt zwischen Pflegebedürftigen<br />
und Angehörigen bleibt erhalten<br />
Wir wissen, dass sich nach einem Einzug in ein<br />
Altenheim die Angehörigen oft zurückziehen<br />
Thema<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 21
Thema<br />
22<br />
und den Kontakt zum Pflegebedürftigen<br />
wesentlich minimieren. Bei den Wohngruppen<br />
geschieht genau das Gegenteil: Hier gestalten<br />
die meisten Angehörigen sehr aktiv den Alltag<br />
mit. So kann auch die Isolation, die leicht im<br />
Alltag der Pflegenden in der Wohnung entsteht,<br />
aufgehoben werden.<br />
Zudem bieten sie gerade demenzkranken<br />
Menschen mehr Tagesstruktur und Alltäglichkeit,<br />
was für die persönliche Identität sehr<br />
förderlich ist. Noch vorhandene Fähigkeiten<br />
können gezielt gefördert werden und bleiben<br />
länger erhalten. Auch die Tag-Nacht-Struktur<br />
normalisiert sich häufig wieder.<br />
Dann schätzen wir Niedrigschwelligkeit<br />
und Flexibilität der Angebotsstruktur sowie<br />
den geringeren Investitionsaufwand gegenüber<br />
dem stationären Bereich.<br />
Außerdem halte ich – angesichts der heutigen<br />
Pluralität von Lebensstilen und -entwürfen<br />
in unserer Gesellschaft – ein ausdifferenziertes<br />
Altenhilfe-Angebotsspektrum für wünschenswert.<br />
Die Betreuten Wohngruppen stellen dabei<br />
ein Angebot mehr da, für das sich Interessierte<br />
entscheiden können.<br />
Als kritisch bewerte ich die starke krankenpflegerische<br />
Orientierung in einigen Wohngemeinschaften.<br />
Dies ist allerdings abhängig vom<br />
Selbstverständnis des jeweilig in Anspruch<br />
genommenen Pflegedienstes. Die Stärkung der<br />
Hauswirtschaft als Berufsgruppe könnte hierzu<br />
ein Gegengewicht darstellen. Kritisch finde ich<br />
auch die relativ hohen Kosten kleiner Wohngruppen<br />
im Vergleich zur vollstationären Langzeitpflege.<br />
Pro<strong>Alter</strong>: Inwiefern sind die Kosten von<br />
Betreuten Wohngruppen denn höher? Um<br />
welche Größenordnung geht es da?<br />
Gerecke: Das kann man so pauschal<br />
nicht beantworten. Die Idee bei den Wohngemeinschaften<br />
ist ja, dass durch das Zusammenfassen<br />
der rechtlichen Einzelansprüche auch so<br />
etwas wie ein Gesamt-Budget entsteht. Durch<br />
diese Aneinanderreihung von Leistungskomplexen<br />
wird das System teurer als bei den pauschal<br />
kalkulierten pflegebedingten Entgelten im<br />
vollstationären Bereich. Die pflegebedingten<br />
Aufwendungen in den Wohngruppen können<br />
bei einem Teil der Mieter bei über 3.000 Euro<br />
im Monat liegen.<br />
Solange es einzelne vorzeigenswerte<br />
Modellprojekte waren, hat das Auseinanderklaffen<br />
der Preise die Kostenträger nicht<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
gestört. Jetzt aber, wo es sich anschickt, Teil<br />
der Regelversorgung zu werden, ist natürlich<br />
die Befürchtung groß, dass das kostenmäßig<br />
aus dem Ruder läuft.<br />
Kein rechtsfreier Raum<br />
Pro<strong>Alter</strong>: Da die Betreuten Wohngruppen<br />
nicht unter das Heimgesetz fallen (wollen),<br />
ergibt sich die Frage nach der Kontrolle. Sollte<br />
hier ein eigenes Gesetz geschaffen werden?<br />
Gerecke: Ich habe oft das Gefühl, dass<br />
viele Leute meinen, wenn das Heimgesetz nicht<br />
gilt, herrscht automatisch ein rechtsfreier<br />
Raum. Aber genau das bestreite ich –<br />
besonders bei den Betreuten Wohngruppen.<br />
Denn in der Regel sind dort ja oft die – meist<br />
sehr engagierten – Angehörigen bzw. gesetzlichen<br />
Betreuer zugegen. Damit ist die soziale<br />
Kontrolle viel größer als im konventionellen<br />
Heim. Außerdem sind die ambulanten Dienste,<br />
die die pflegerische Betreuung übernehmen, ja<br />
Vertragspartner der Pflegekassen. Das heißt, sie<br />
müssen im Zweifelsfall bei MDK-Prüfungen<br />
eindeutig nachweisen, dass sie die Qualitätsvorschriften<br />
nach dem SGB XI auch erfüllen.<br />
Insofern herrscht hier kein schutz- und rechtsfreier<br />
Raum.<br />
Zudem wird meiner Meinung nach oft die<br />
Diskussion um die Frage Heim oder Nicht-<br />
Heim überbewertet. Denn bei den Betreuten<br />
Wohngruppen ist es doch eigentlich schon von<br />
vorneherein ausgeschlossen, dass sie unter das<br />
Heimgesetz fallen. Schließlich sind die Vertragssphären<br />
getrennt: Der Wohnraum besteht<br />
unabhängig vom Dienstleistungsvertrag oder<br />
anders ausgedrückt: Der Mietvertrag ist nicht<br />
gefährdet, wenn man den Pflegedienst wechselt.<br />
Doch es wird in Deutschland ganz stark in<br />
„Einrichtungs-Kategorien“ gedacht, und so<br />
kommt in manchen Profi-Köpfen da leicht<br />
etwas durcheinander, weil durch die Rund-umdie-Uhr-Präsenz<br />
des Personals und durch das<br />
Vorhandensein bestimmter Hilfsmittel leicht<br />
die Assoziation entsteht, hier sei ein heimähnlicher<br />
Betrieb. Da muss man dann eben von der<br />
Struktur her ganz sauber argumentieren und<br />
darlegen, dass es sich aufgrund der Trennung<br />
der Rechtssphären eben nicht um ein Heim<br />
handelt.<br />
Sicher sind Einzelfälle denkbar, bei denen<br />
ein Pflegedienst eine Wohnung anmietet, dort
Klienten versorgt, die nicht mehr alleine zu<br />
Hause wohnen bleiben können, um sie nicht an<br />
den stationären Bereich zu verlieren. Bei<br />
Bekanntwerden solcher Fälle sind die Heimaufsichten<br />
gefordert, zu prüfen, ob hier eine so<br />
genannte Umgehungseinrichtung vorliegt, und<br />
entsprechende Konsequenzen daraus zu ziehen.<br />
Hauswirtschaft in Betreuten<br />
Wohngruppen stärken<br />
Pro<strong>Alter</strong>: Was sollte Ihrer Ansicht nach<br />
grundsätzlich auf landes- und auch bundespolitischer<br />
Ebene getan werden, damit sich die<br />
Betreuten Wohngruppen als eigenständige<br />
Wohn- und Betreuungsform weiter entwickeln<br />
und verbreiten können? Wo sehen Sie dabei die<br />
größten Hindernisse?<br />
Gerecke: Aus meiner Sicht stehen derzeit<br />
der weiteren Entwicklung insbesondere leistungsrechtliche<br />
Probleme im Wege. So wird<br />
nach § 36 Abs. 1 SGB XI dann eine Pflegesachleistung<br />
gewährt, wenn ein Anspruch auf häusliche<br />
Pflege besteht und diese in irgendeinem<br />
Haushalt durchgeführt wird. Einzelne Kassen<br />
bestreiten aber, dass in den Wohngruppen eine<br />
eigene Häuslichkeit im Sinne von § 37 SGB V<br />
besteht und verweigern die Finanzierung von<br />
Leistungen der häuslichen Krankenpflege.<br />
Probleme ergeben sich auch innerhalb des<br />
BSHG. Für die Sozialämter stellt sich da schon<br />
mal die Frage nach der Verhältnismäßigkeit<br />
Eine überschaubare Bewohnerzahl in<br />
den Wohngruppen erleichtert es vor<br />
allem Menschen mit Demenz, den<br />
Tag zu strukturieren. Dies fördert<br />
ihre Fähigkeiten und stärkt ihre<br />
Identität. Foto: Katrin Simonett<br />
von eventuellen Mehrkosten gegenüber der<br />
vollstationären Langzeitpflege. Angesichts der<br />
Situation der öffentlichen Haushalte ist hier in<br />
Einzelfällen eine repressive Anwendung zu<br />
befürchten.<br />
Erwähnen möchte ich noch, dass ich die<br />
Stärkung der Hauswirtschaft in den Wohngruppen<br />
für richtig und wichtig halte. Dadurch<br />
könnten sich gegebenenfalls auch noch finanzielle<br />
Einsparpotenziale ergeben. Denn bei<br />
einer Gruppengröße von sechs bis acht Personen<br />
ist es so, dass zwei Präsenzkräfte für den<br />
Vormittags- und Nachmittagsdienst reichen.<br />
Wenn dafür ausgebildete Hauswirtschafterinnen<br />
eingesetzt werden und die Pflegefachkräfte<br />
wirklich nur die unmittelbaren pflegerischen<br />
Anwendungen durchführen und somit nicht die<br />
gesamte Zeit anwesend sind, wird es preiswerter.<br />
Denn die Tätigkeiten der Hauswirtschaftskräfte<br />
werden nicht so vergütet wie die der<br />
Pflegefachkräfte. Damit kein Missverständnis<br />
entsteht: Es geht hier nicht darum, Qualität zu<br />
minimieren, sondern darum, eine andere Qualität<br />
zu erreichen.<br />
Das Interview führte Ines Jonas.<br />
Thema<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 23
Thema<br />
24<br />
„Wohngruppen erhalten die Würde und<br />
Lebensqualität verwirrter Menschen“<br />
Die Situation von Wohngemeinschaften mit Betreuung ist in den einzelnen Bundesländern sehr<br />
unterschiedlich. In Berlin beispielsweise wird ihre Verbreitung und Etablierung von der Senatsverwaltung<br />
für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz gefördert (siehe dazu Seite 21).<br />
Pro<strong>Alter</strong> wollte nun wissen, wie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und<br />
Jugend zu dieser Wohnform steht und hat Eduard Tack um eine Stellungnahme gebeten.<br />
Auf der Suche nach alternativen Wohnmöglichkeiten<br />
zum Heim wird immer wieder das<br />
Zusammenleben älterer Menschen in einer<br />
Wohngemeinschaft oder Wohngruppe als<br />
besonders sinnvolle, wenn auch ebenso schwierige<br />
Wohnform genannt. Die Vorteile des<br />
gemeinschaftlichen Wohnens liegen auf der<br />
Hand. Die Gefahr der Vereinsamung ist geringer,<br />
im Verlauf des <strong>Alter</strong>ungsprozesses auftretende<br />
körperliche oder geistige Schwächen<br />
können teilweise von den Mitbewohnerinnen<br />
und Mitbewohnern ausgeglichen werden, so<br />
dass es länger möglich ist, einen selbstständigen<br />
Haushalt aufrechtzuerhalten.<br />
Wohngemeinschaften älterer Menschen<br />
haben noch keine lange Tradition. Betreute<br />
Wohngemeinschaften und Wohngruppen haben<br />
sich noch nicht zu einer eigenständigen Wohnform<br />
für ältere Menschen und zu einer <strong>Alter</strong>native<br />
zum Heim entwickelt. Jedoch sind die<br />
Wohngemeinschaften und Wohngruppen im<br />
Begriff, ihrem Status als Modellprojekt zu<br />
entwachsen. Ambulant betreute Wohngemeinschaften<br />
sind im Rahmen bestehender sozialund<br />
ordnungsrechtlicher Regelungen zu realisieren.<br />
Sie werden aber auf lange Sicht nur eine<br />
Überlebenschance haben, wenn sie als Initiative<br />
von Angehörigen und Betreuern gestartet<br />
werden und Pflegeanbieter ausschließlich die<br />
Rolle des Dienstleisters übernehmen.<br />
Gerade für von Demenz betroffene Menschen<br />
ist die Gestaltung des Wohn- und<br />
Lebensumfelds von bestimmender, ja therapeutischer<br />
Bedeutung. Die momentane Situation<br />
und die absehbare demographische Entwicklung<br />
fordern, neue Ideen in der Versorgung<br />
zuzulassen und alternative Betreuungsformen<br />
vor allem zwischen häuslicher und stationärer<br />
Versorgung zu erproben.<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Eine interessante <strong>Alter</strong>native, die von zunehmend<br />
mehr Angehörigen und Betroffenen<br />
gewählt wird, stellt die Versorgung kleiner<br />
Gruppen in ambulanten Wohngemeinschaften<br />
im Quartier dar. Bisherige Erfahrungen zeigen,<br />
dass soziale Kontakte und Teilnahme an<br />
gemeinsamen alltäglichen Aktivitäten in einer<br />
persönlichen, häuslichen Atmosphäre zum<br />
Erhalt von Selbstständigkeit, zu Wohlbefinden<br />
und Vermeidung von herausforderndem Verhalten<br />
beitragen können. Für Angehörige und<br />
für ambulante Dienste ergeben sich im Vorfeld<br />
und in der Begleitung solcher Wohngemeinschaften<br />
allerdings noch ungewohnte Herausforderungen.<br />
Das Konzept kleiner Wohngruppen hat sich<br />
grundsätzlich bewährt, wenn es darum geht,<br />
Lebensbedingungen „wie zu Hause“ für die<br />
hochaltrigen und zum Teil verhaltensgestörten<br />
Verwirrten zu schaffen, um Würde und Lebensqualität<br />
zu erhalten. Zum Gelingen dieser<br />
Wohn- und Pflegeform müssen jedoch viele<br />
Voraussetzungen erfüllt sein, die über rein<br />
räumliche bzw. bauliche Gegebenheiten hinausgehen.<br />
Wie verschiedene Aspekte eines solchen<br />
ganzheitlichen therapeutischen Ansatzes gestaltet<br />
werden müssen, um atmosphärisch im<br />
Sinne einer Milieutherapie wirksam zu werden,<br />
bedarf noch systematischer Untersuchung.<br />
Ministerialdirektor<br />
Eduard Tack ist<br />
Leiter der Abteilung<br />
„Ältere Menschen“<br />
im Bundesministerium<br />
für Familie,<br />
Senioren, Frauen<br />
und Jugend<br />
(BMFSFJ).<br />
Foto: Jan Pauls
Das KDA stellt sich vor:<br />
Neue Homepage macht’s möglich:<br />
noch schneller und gezielter ins KDA<br />
Seit dem 26. Mai 2003 hat das KDA einen neu gestalteten Auftritt im Internet. Das umfassende<br />
Informations- und Serviceangebot steht Altenpflegern, Entscheidungsträgern, Planern, Verantwortlichen,<br />
Lehrenden, Studierenden, pflegenden Angehörigen, älteren Menschen und allen anderen<br />
am <strong>Alter</strong> Interessierten offen.<br />
Unter www.kda.de finden sich folgende<br />
Inhalte:<br />
• Projektinformationen<br />
Hier finden Sie Informationen über aktuelle<br />
KDA-Projekte: Von „Forum<br />
Seniorenarbeit“ über „Leben und Wohnen im<br />
<strong>Alter</strong>“ bis hin zu „PLAISIR © “.<br />
• Pro<strong>Alter</strong><br />
Ab sofort informiert die KDA-Internetseite<br />
über Titelthemen und Artikel der kommenden<br />
Pro<strong>Alter</strong>-Hefte sowie über noch lieferbare<br />
und preislich reduzierte Ausgaben.<br />
• Ansprechpartner/-innen<br />
Die neue Mitarbeiterdatenbank weist Ihnen<br />
den Weg zu Ihrem Ansprechpartner: Wer informiert<br />
über „Hausgemeinschaften“, über<br />
„Demenz“ oder über „Gewalt in der Pflege“?<br />
Welche Mitarbeiter/-innen helfen bei Literaturrecherchen?<br />
Wer gibt Auskunft über die Förderrichtlinien<br />
des KDA u.v.a.m.?<br />
• Bibliotheksdatenbanken<br />
Durchstöbern Sie unsere Bibliotheksdatenban-<br />
ken: Alles, was Sie hier recherchieren,<br />
können Sie auch online über<br />
den Kopierservice der KDA-Bibliothek<br />
bestellen.<br />
• Online-Shop<br />
Im Online-Shop finden Sie weiterhin<br />
KDA-Publikationen samt Kurzbeschreibungen,<br />
Leseproben und<br />
Bestellmöglichkeiten. Hier können<br />
Sie nach Autoren, Themen, Stichworten<br />
und geplanten Veröffentlichungen<br />
recherchieren.<br />
• Downloads<br />
Der Downloadbereich enthält<br />
kostenlose Broschüren, Arbeitshilfen,<br />
Poster und andere Produkte.<br />
• Newsletter<br />
Mehr als 6.000 Interessierte haben unseren<br />
Newsletter abonniert und werden so regelmäßig<br />
über Aktuelles aus dem KDA, über Neuerscheinungen,<br />
Pressemitteilungen und Veranstaltungen<br />
informiert.<br />
• FAQs<br />
Eine Liste der häufig gestellten Fragen (FAQs)<br />
bietet Ihnen grundlegende Informationen,<br />
Adresslisten und Lesetipps zum Beispiel zum<br />
„Dementia Care Mapping“ oder zur „Pflegeversicherung“.<br />
Zusätzlich finden Sie in unserer<br />
Linkliste interessante Adressen aus dem WWW,<br />
die Sie noch ausführlicher über die gewünschten<br />
Themen informieren.<br />
Britta Maciejewski<br />
Ansprechpartner:<br />
Daniel Hoffmann, Tel.: 02 21/93 18 47-72<br />
E-Mail: daniel.hoffmann@kda.de<br />
Britta Maciejewski, Tel.: 02 21/93 18 47-39<br />
E-Mail: britta.maciejewski@kda.de<br />
KDA-Aktiv<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 25
KDA-Aktiv<br />
26<br />
Neuer SOL-Schwerpunkt:<br />
KDA geht mit<br />
„Forum Seniorenarbeit NRW“ an den Start<br />
Neue Medien können einen innovativen Beitrag zur Qualifizierung haupt- und ehrenamtlicher<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten und sich positiv auf die gemeinwesenorientierte Seniorenarbeit<br />
auswirken. Im Rahmen des Folgeprojektes von Senioren OnLine (SOL II) baut das<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe (KDA) daher eine Internet-Plattform zur offenen Seniorenarbeit<br />
auf. Unter www.forum-seniorenarbeit.de gibt es Informationen, Praxishilfen und Adressen<br />
aus den Arbeitsfeldern Beratung, Prävention, Freizeitgestaltung, Bildungs- und Kulturarbeit,<br />
Engagementförderung, Partizipation, Medienarbeit sowie Wohnen im <strong>Alter</strong>. Forum Seniorenarbeit<br />
ist ein Projekt des NRW-Familienministeriums im Verbund mit dem KDA.<br />
Seit Einführung der Pflegeversicherung ist die<br />
Weiterentwicklung der offenen Seniorenarbeit<br />
in den Hintergrund geraten. Mit Hilfe des<br />
„Forum Seniorenarbeit NRW“ will das KDA<br />
die Fachdiskussion in Gang bringen und die<br />
gemeinwesenorientierte Seniorenarbeit wieder<br />
stärker ins Bewusstsein der Fachöffentlichkeit<br />
rücken. Die Einrichtungen und Träger sollen<br />
durch „Forum Seniorenarbeit“ bei der Konzeptionierung<br />
zeitgemäßer Angebote unterstützt<br />
werden, indem beispielsweise praktische Einsatzmöglichkeiten<br />
neuer Medien herausgearbeitet<br />
werden.<br />
Darüber hinaus sollen Grundlagen und<br />
Erfahrungswissen über die gemeinwesenorientierte<br />
Seniorenarbeit gesammelt, strukturiert<br />
und unter www.forum-seniorenarbeit.de<br />
weiterverbreitet werden. Die bisherigen Erfahrungen<br />
zeigen, dass es häufig schwierig ist, an<br />
Fachliteratur und Konzepte zu gelangen, und<br />
viel zu selten werden Fort- und Weiterbildungen<br />
zur offenen Altenarbeit angeboten. Innovativ<br />
will das KDA auch dahingehend wirken,<br />
indem es mit „Forum Seniorenarbeit“ die<br />
haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter für die unterschiedlichen<br />
Lebenssituationen und Interessen älterer<br />
Frauen und Männer sensibilisiert. So werden<br />
geschlechtersensible Aspekte im Sinne des<br />
„Gender Mainstreaming“ in allen fünf Arbeitsfeldern<br />
des Forums Seniorenarbeit berücksichtigt.<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Netzwerke knüpfen<br />
Der Netzwerk-Charakter, der schon in der<br />
ersten Phase von Senioren OnLine von großer<br />
Bedeutung war, spielt auch jetzt eine entscheidende<br />
Rolle. Unter Zuhilfenahme neuer<br />
Medien sollen die Akteure der sozialen Altenarbeit<br />
stärker miteinander vernetzt werden. Die<br />
interaktiven Möglichkeiten des Internets sollen<br />
dazu beitragen, den fachlichen Austausch auch<br />
virtuell zu ermöglichen. Denn Netzwerkarbeit<br />
bringt Wissen, Erfahrungen und Erleben unterschiedlicher<br />
Menschen und Institutionen<br />
zusammen und ermöglicht, gemeinsam neue<br />
Wege zur Verbesserung der Lebensqualität<br />
älterer Menschen zu entwickeln.<br />
Beratung gehört zu den klassischen Arbeitsfeldern der<br />
offenen Seniorenarbeit. Foto: Werner Krüper
Gebündelte Informationen unter<br />
www.forum-seniorenarbeit.de<br />
Die Gliederung der Materialien ist für alle fünf<br />
Arbeitsfelder der gemeinwesenorientierten<br />
Seniorenarbeit gleichermaßen aufgebaut: Hier<br />
finden Interessierte Hintergrundinformationen,<br />
rechtliche und wissenschaftliche Grundlagen,<br />
Literaturhinweise, Veranstaltungs-Tipps, Links<br />
und Materialien zum Herunterladen. Darüber<br />
hinaus werden beispielhafte Projekte, Veranstaltungs-Tipps<br />
und hilfreiche Kontaktadressen<br />
zu Beratung, Freizeit, Engagement, Medien<br />
und Wohnen aufgeführt. Die Internetseite des<br />
„Forum Seniorenarbeit“ bietet außerdem auch<br />
aktuelle Meldungen und interaktive Komponenten<br />
wie einen Newsletter und moderierte<br />
Diskussionsforen.<br />
Mitarbeit bei „Forum Seniorenarbeit“<br />
gewünscht<br />
Die Kommunikations- und Bildungsplattform<br />
befindet sich noch im Aufbau. Das „Forum<br />
Seniorenarbeit“ NRW versteht sich als eine<br />
offene Plattform, an deren Gestaltung Organisationen<br />
und Praxisstellen der gemeinwesenorientierten<br />
Seniorenarbeit mitwirken können.<br />
Der vierzehntägige Newsletter, der auf der<br />
Forum-Startseite abonniert werden kann,<br />
informiert regelmäßig und automatisch über<br />
aktuelle Ergänzungen und Erneuerungen.<br />
Kontakt<br />
www.forum-seniorenarbeit.de<br />
Senioren OnLine<br />
Forum Seniorenarbeit NRW<br />
c/o <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
An der Pauluskirche 3, 50677 Köln<br />
Tel. 02 21/93 18 47-0, Fax 02 21/93 18 47-6<br />
Daniel Hoffmann, Ansprechpartner für<br />
Freizeit und Medien: daniel.hoffmann@<br />
kda.de<br />
Annette Scholl – Ansprechpartnerin für<br />
Engagementförderung, Partizipation und<br />
Wohnen im <strong>Alter</strong>: annette.scholl@kda.de<br />
Bettina Ellerbrock – Ansprechpartnerin<br />
für Beratung, Prävention, geschlechtersensible<br />
Fragen und Aspekte sowie Migration:<br />
bettina.ellerbrock@kda.de<br />
Bürgerschaftliches Engagement zeigt sich in den buntesten<br />
Facetten. Foto: Werner Krüper<br />
Um den aktuellen fachlichen Stand auf der<br />
Internet-Plattform anbieten zu können, ist es<br />
notwendig, einen engen Kontakt und Austausch<br />
mit den in NRW aktiven Fachleuten<br />
und Praktikerinnen und Praktikern zu pflegen.<br />
Ein begleitendes Fachgremium, das sich am<br />
26. Juni konstituiert, soll diesen Austausch<br />
erleichtern.<br />
Ab dem 15. August 2003 wird das „Forum<br />
Seniorenarbeit“ monatliche Themenschwerpunkte<br />
anbieten. Für den ersten Schwerpunkt<br />
ist die Bildungsarbeit mit älteren Frauen vorgesehen.<br />
Weitere geplante Themen sind Seniorenvertretungen,<br />
Alltag in Senioren-Internet-Cafés<br />
und ältere Migrantinnen und Migranten. Die<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des „Forums<br />
Seniorenarbeit“ nehmen Anregungen und<br />
Informationen bezüglich geplanter und möglicher<br />
Themen gerne auf.<br />
„Forum Seniorenarbeit“ –<br />
mehr als eine Internet-Plattform<br />
Ergänzt wird die Plattform durch ein Informationsbüro.<br />
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
des „Forums Seniorenarbeit NRW“ stehen<br />
zu inhaltlichen und technischen Fragen telefonisch<br />
oder per E-Mail zur Verfügung. Fragen,<br />
Anregungen und Hinweise fließen wieder in<br />
das Angebot ein.<br />
Die Tradition der Fachtagungen von Senioren<br />
OnLine soll auch im Rahmen von SOL II<br />
fortgeführt werden. So werden in jährlich<br />
stattfindenden Fachtagungen aktuelle Entwicklungen<br />
zur Einbindung und Nutzung neuer<br />
Medien in der gemeinwesenorientierten Seniorenarbeit<br />
vorgestellt und mit der Fachöffentlichkeit<br />
diskutiert. Annette Scholl<br />
KDA-Aktiv<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 27
Leser-Forum<br />
28<br />
Leser-Forum<br />
Pro<strong>Alter</strong> möchte an dieser Stelle seine Leserinnen und Leser zu Wort<br />
kommen lassen. Wenn Sie Anregungen, Lob oder Kritik haben, dann<br />
schreiben Sie uns bitte. Wir möchten aus Platzgründen um möglichst<br />
kurze Leserbriefe bitten.<br />
Türen öffnen zum Menschen mit<br />
Demenz: Kommunikationshilfen<br />
für beruflich und privat<br />
Pflegende<br />
Pro <strong>Alter</strong> 3/2002<br />
Mit großem Interesse habe<br />
ich Ihren Bericht „Türen öffnen<br />
zum Menschen mit Demenz“<br />
gelesen, in dem Sie über die<br />
deutsche Version des englischen<br />
Ratgebers „Care to Communicate“<br />
berichten („Hilfen zur<br />
Kommunikation bei Demenz“,<br />
KDA, 2002, Anm. d. Red.). Der<br />
große Nutzen dieses Buches<br />
besteht darin, dass Mitarbeiter<br />
effektiv, anschaulich und dennoch<br />
theoretisch gut fundiert an<br />
genau diejenigen Aspekte in der<br />
Kommunikation und Interaktion<br />
mit Menschen mit Demenz<br />
herangeführt werden, die für die<br />
Entwicklung einer personenzentrierten<br />
Haltung wesentlich sind.<br />
Das gilt sowohl für die Deeskalationsstrategien,<br />
die geschildert<br />
werden, als auch für den beigefügten<br />
„CLIPPER-Fragebogen“,<br />
der es Pflegenden ermöglicht,<br />
ein individuelles Profil zur Verbesserung<br />
der Lebensqualität für<br />
jeden Klienten zu erstellen. Der<br />
CLIPPER versucht, genau diejenigen<br />
Aspekte in den Mittelpunkt<br />
zu rücken, die für die Betreuung<br />
wesentlich sind und vor der<br />
Pflegende oft zurückschrecken.<br />
Er motiviert zu einer Suchbewegung,<br />
die er begleitet und strukturiert.<br />
Eben dies, Struktur in die<br />
Betreuung zu bekommen, die<br />
sich am Einzelnen orientiert, ist<br />
in Deutschland ein großes<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Manko, denn in der Regel<br />
geschieht Betreuung standardisiert<br />
und wenig individuell<br />
(Gedächtnistraining etc).<br />
Der CLIPPER hilft, in Kontakt<br />
mit Menschen mit Demenz zu<br />
kommen und in Kontakt mit<br />
ihnen zu bleiben. Denn Kommunikation<br />
und Interaktion mit<br />
Menschen mit Demenz geschieht<br />
normalerweise anlassbezogen<br />
und braucht ein „Material“,<br />
damit sich der Kontakt entfalten<br />
kann.<br />
Erste Erfahrungen im Lehrgang<br />
„Fachkraft für gerontopsychiatrische<br />
Pflege“ weisen darauf<br />
hin, dass Pflegende dieses Instrument<br />
sehr hilfreich finden.<br />
Allerdings wird es von Kollegen<br />
und Kolleginnen als „artfremd“<br />
beurteilt, da es sich schwer in die<br />
defizitorientierten Sichtweisen<br />
der Dokumentations- und Planungsgewohnheiten<br />
einsortieren<br />
lässt. Zudem wird jedes neue<br />
Planungs- und Informationssammlungsinstrument<br />
als zusätzliche<br />
Belastung empfunden. Es<br />
wäre zu fragen, ob eine Planung<br />
nach dem Schema des CLIPPERs<br />
nicht für die Betreuungskräfte,<br />
den psychosozialen Dienst o. Ä.<br />
verpflichtend werden könnte<br />
und diesen davon entlasten<br />
würde, seine Maßnahmen nach<br />
dem oft für Betreuung schwierigen<br />
Schema der AEDLs zu betreiben.<br />
Christian Müller-Hergl,<br />
Altenpfleger und Theologe,<br />
Dozent am Meinwerk Institut<br />
Türen öffnen zum Menschen mit<br />
Demenz: Kommunikationshilfen<br />
für beruflich und privat<br />
Pflegende<br />
Pro <strong>Alter</strong> 3/2002<br />
Vielen Dank für den Hinweis<br />
auf den Ratgeber „Hilfen zur<br />
Kommunikation bei Demenz“ in<br />
der Pro<strong>Alter</strong>-Ausgabe 3/02. Ich<br />
habe mir den Ratgeber gleich<br />
schicken lassen und mich sofort<br />
darauf gestürzt und alles gelesen<br />
– das Erinnerungsfotoalbum ist<br />
auch schon in Arbeit. Will sagen:<br />
Ich find's prima – gut verständlich,<br />
motivierend, nicht zu sehr<br />
überfordernd (so dass man nicht<br />
gleich ein schlechtes Gewissen<br />
bekommt, wenn man feststellt,<br />
was man alles noch nicht/nie<br />
gemacht hat). Manchmal würde<br />
ich mir allerdings noch eine<br />
Hilfestellung für die Prioritätensetzung<br />
wünschen, also: Was ist<br />
wichtiger – in der Familie zu<br />
leben, auch wenn dann kein<br />
geregelter Tagesablauf möglich<br />
ist? Im Prinzip zu Hause oder in<br />
der Familie sein, auch wenn dann<br />
teilweise keine Betreuung oder<br />
Betreuung durch wechselnde<br />
Personen erfolgt?<br />
Und was mich auch beschäftigt,<br />
ist die Frage: Wie integriert<br />
man Angehörige mit Demenz am<br />
besten in die Familie? Wie viel ist<br />
gut, was ist zu viel? Wie geht<br />
man damit um, dass zum Beispiel<br />
Kinder die guten ABC-Strategien<br />
des Buches keineswegs kennen<br />
oder nicht akzeptieren?: „Das<br />
stimmt doch gar nicht, was der<br />
Opa sagt – darf der denn lügen?“<br />
Oder: „Immer gibst du dem Opa<br />
Recht und uns nie!“<br />
Petra Niesbach, Bonn,<br />
privat Pflegende
Türen öffnen zum Menschen mit<br />
Demenz: Kommunikationshilfen<br />
für beruflich und privat<br />
Pflegende<br />
Pro<strong>Alter</strong> 3/2002<br />
Ihr Artikel über den Kommunikationsratgeber<br />
bei Demenz<br />
hat mir sehr gut gefallen. Diese<br />
logisch aufgebaute Handreichung<br />
ist eine echte Kommunikationshilfe<br />
bei Menschen mit<br />
Demenz, und ich hoffe, dass sie<br />
eine weite Verbreitung findet.<br />
Wahrscheinlich können<br />
besonders die Briten eine theore-<br />
Nachruf<br />
Zum Tode von Hanna Behrends<br />
Im <strong>Alter</strong> von 94 Jahren ist Frau Dr. Hanna<br />
Behrends am 5. Mai 2003 in ihrer Heimatstadt<br />
Köln verstorben. Sie gehörte bis zuletzt<br />
als Kuratorin unserer Vollversammlung an.<br />
Nach dem Abitur studierte sie Wirtschaftswissenschaften<br />
und legte bereits 1933<br />
das Diplomexamen ab. 1937 promovierte sie<br />
an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen<br />
Fakultät der Universität ihrer Heimatstadt,<br />
der sie bis zu ihrem Tod ununterbrochen<br />
die Treue hielt.<br />
Frau Dr. Behrends hat das KDA von seiner<br />
Gründung an, nicht zuletzt durch eine<br />
enge Verbindung zu Wilhelmine und Heinrich<br />
Lübke, als wissenschaftliche Beraterin und<br />
fachkundige Begleiterin mitentwickelt und<br />
geprägt. Mit großem Erfolg hat sie sich der<br />
Öffentlichkeitsarbeit des KDA angenommen.<br />
Im Juli 1970 wurde Frau Dr. Behrends<br />
von Bundespräsident Gustav Heinemann in<br />
das <strong>Kuratorium</strong> berufen, bereits 1971 erfolgte<br />
ihre Wahl in den Vorstand, dem sie bis zu<br />
ihrem Ausscheiden aus <strong>Alter</strong>sgründen 1996<br />
angehörte.<br />
Die Verstorbene war von 1952 bis 1974<br />
als wissenschaftliche Referentin beim <strong>Deutsche</strong>n<br />
Landesausschuss der internationalen<br />
Konferenz für Sozialarbeit (<strong>Deutsche</strong>r Verein)<br />
beschäftigt und hat parallel dazu ab 1955 den<br />
Fachausschuss Altenpflege und Altenfürsorge<br />
betreut. Sie war wesentlich beteiligt an der<br />
Konzeption des Angebotes „Essen auf Rä-<br />
tisch fundierte und trotzdem gut<br />
verständliche Praxisanleitung<br />
konzipieren. Durchgängig wie<br />
ein Leitfaden werden die<br />
Zusammenhänge erklärt und<br />
viele Beispiele gegeben – gleichermaßen<br />
für beruflich und<br />
privat Pflegende geeignet. Durch<br />
die übersichtlichen Aufzählungen<br />
kann man sich die Inhalte<br />
gut merken, die Zeichnungen<br />
lockern den Text auf.<br />
Die Differenzierungen finde<br />
ich besonders gut: Schwerhörigkeit,<br />
Besonderheiten des Wohn-<br />
umfeldes u.v.a.m. werden<br />
berücksichtigt. Viele Tipps, wie<br />
zum Beispiel das Erinnerungsalbum,<br />
können leicht umgesetzt<br />
werden. Ja, und durch die<br />
Kopiervorlage des Clipper-<br />
Fragebogens kann die individuelle<br />
Pflegeplanung direkt<br />
qualifiziert werden.<br />
Rundherum ein gelungener<br />
Beitrag!<br />
Angelika Zegelin-Abt, M.A.,<br />
Pflegewissenschaftlerin,<br />
Universität Witten-Herdecke<br />
dern“, das seit Jahren zum Standardangebot in<br />
der Versorgung älterer Menschen gehört und<br />
vom KDA seit vielen Jahren gefördert wird.<br />
1993 wurde Frau Dr. Behrends von<br />
Bundespräsident Richard von Weizsäcker mit<br />
dem Bundesverdienstkreuz geehrt in Anerkennung<br />
ihrer vielfältigen Tätigkeit zum Wohle der<br />
älteren Generation in der Bundesrepublik.<br />
In den Gremien des KDA, insbesondere im<br />
Vorstand, hat sie sich mit ihrem Ideenreichtum,<br />
ihrer hohen Fachlichkeit und mit kritischem<br />
Engagement zielstrebig und liebevoll für die<br />
Verbesserung der Situation alter Menschen<br />
eingesetzt. Ihre Mitarbeit war hoch geschätzt.<br />
Frau Dr. Behrends wird auch über ihre<br />
schriftlichen Darlegungen in die Geschichte des<br />
KDA eingehen. Sie hat die Vielfältigkeit der<br />
jeweiligen Erfordernisse der Wissenschaft vom<br />
<strong>Alter</strong>n und der Altenpolitik nie aus dem Auge<br />
verloren.<br />
In ihrem Denken, Raten und Tun ließ sie<br />
sich leiten von einem Wort des Philosophen W.<br />
von Wyss: „Es ist ein Kennzeichen des Menschen,<br />
dass sein Geist noch zu triumphieren<br />
vermag, wenn die Körperkräfte ihn verlassen.“<br />
Dass sie dieses bis ins hohe <strong>Alter</strong> leben durfte,<br />
hat sie als Gnade und Hoffnung empfunden.<br />
Die Mitglieder des <strong>Kuratorium</strong>s, des Vorstandes<br />
und der Geschäftsführer nehmen<br />
Abschied von Frau Dr. Hanna Behrends in<br />
Ehrerbietung und respektvoller, großer Dankbarkeit.<br />
Dr. Hartmut Dietrich,<br />
Vorstandsvorsitzender des KDA<br />
Leser-Forum<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 29
KDA-Neuerscheinungen<br />
30<br />
Neuerscheinung<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
(Hrsg.): Kleine Datensammlung<br />
Altenhilfe (K.D.A.) – Ausgewählte<br />
Daten zu <strong>Alter</strong>, <strong>Alter</strong>n und<br />
Alten.<br />
Mit der Kleinen Datensammlung<br />
Altenhilfe sollen Fragen beantwortet<br />
werden, die immer wieder<br />
von Journalisten, politischen<br />
Entscheidern und Trägern der Altenhilfe<br />
an das KDA herangetragen<br />
werden.<br />
Das Nachschlagewerk im<br />
handlichen DIN A 6 Taschenformat<br />
beinhaltet folgende Themenbereiche:<br />
Zahlen zur Lebenssituation<br />
der Älteren, Informationen<br />
zu Gesundheit und Krankheit,<br />
Zahlen zur Pflegebedürftigkeit,<br />
Lebenssituationen der Älteren,<br />
Zahlen zur finanziellen Lebensgrundlage<br />
der Älteren, Einkommen,<br />
Rente und Inanspruchnahme<br />
staatlicher Hilfen, Zahlen<br />
zum Freizeit, Konsum, Information<br />
und politischer Anteilnahme<br />
und: 40 Jahre Leben – Was Sie<br />
schon immer über die Alten(hilfe)<br />
wissen wollten.<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe,<br />
Köln 2003, 160 Seiten, ISBN<br />
3-935299-39-7, 5,– € zuzüglich<br />
Versandkosten.<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Thema 183<br />
Helmut C. Berghaus, Heike Bermond,<br />
Marcella Knipschild (Hrsg.)<br />
Pflegestandards – Und wo bleibt<br />
der Mensch?<br />
Die Publikation beschäftigt<br />
sich mit dem Thema Pflegequalität.<br />
Vorträge und Arbeitskreisberichte<br />
stammen von der 11.<br />
Fachtagung „Behinderungen und<br />
<strong>Alter</strong>“ 2002, die jährlich an der<br />
Heilpädagogischen Fakultät der<br />
Universität zu Köln stattfindet.<br />
Unter dem Thema „Pflegestandards<br />
– Und wo bleibt der<br />
Mensch?“ findet man eine Vielzahl<br />
von Hinweisen, wie man die<br />
Pflegequalität in Einrichtungen<br />
der Altenpflege verbessern kann.<br />
Dies geht von der Sturzprävention<br />
im <strong>Alter</strong> über das Qualitätsmanagement<br />
bis hin zur Pflegevisite<br />
als eine Möglichkeit zur Verbesserung<br />
der Pflegequalität.<br />
Auch das Demntia Care Mapping,<br />
die Methode des Psycho-Dramas,<br />
Kunsttherapie in der Geriatrie,<br />
biographieorientierte Musiktherapie<br />
und Angehörigenarbeit<br />
werden als qualitätssteigernde<br />
Möglichkeiten in den Blick genommen.<br />
Ebenso werden der<br />
Strukturwandel des Gesundheitswesens<br />
und Probleme der Finanzierung<br />
der Begleitung von Menschen<br />
mit Demenz behandelt.<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe,<br />
Köln 2003, 147 Seiten, ISBN<br />
3-935299-36-2, 9,50 € zuzüglich<br />
Versandkosten.<br />
Vorankündigung<br />
Besselmann, Klaus; Fillibeck, Heiko;<br />
Sowinski, Christine: Qualitätshandbuch<br />
Häusliche Pflege in Balance<br />
– Wege zu einer familienorientierten<br />
Pflege. Ein Handbuch<br />
für beruflich Pflegende,<br />
pflegende Angehörige und Menschen<br />
mit Hilfe- und Pflegebedarf.<br />
Das Qualitätshandbuch richtet<br />
sich in erster Linie an die Mitarbeiter<br />
ambulanter Pflegedienste,<br />
kann jedoch auch von ihren<br />
Klienten und deren Angehörigen<br />
genutzt werden. Die einfache<br />
und verständliche Sprache des<br />
Qualitätshandbuches, sein klarer<br />
Aufbau und die Vielzahl der angesprochenen<br />
Themen, eröffnen<br />
eine Fülle von Möglichkeiten, das<br />
Handbuch zu nutzen: als Nachschlagewerk<br />
für den Pflegealltag,<br />
als Material zum Selbststudium<br />
für Profis, Klienten und Angehörige,<br />
als Basis für die Kommunikation<br />
zwischen privat pflegenden<br />
Angehörigen, beruflich Pflegenden<br />
und den Klienten. Darüber<br />
hinaus kann es aber auch als<br />
Arbeitsgrundlage für interne und<br />
externe Schulungsmaßnahmen<br />
eines Pflegedienstes, konzeptionell<br />
arbeitende Pflegedienstmitarbeiter<br />
und nicht zuletzt selbstorganisierte<br />
Formen der Weiterbildung<br />
z.B. im Rahmen von einrichtungsinternenQualitätszirkeln<br />
eingesetzt werden.<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe,<br />
Köln 2003, 861 Seiten, ISBN<br />
3-935299-37-0, Erscheinungsdatum:<br />
Juni, ca. 98,– € zuzüglich<br />
Versandkosten.<br />
Vorgestellt von<br />
Simone Helck
Netzwerk Pflegeschulen fördert<br />
Kooperation zwischen ausbildenden<br />
Einrichtungen<br />
Wenn das neue Altenpflegegesetz<br />
am 1. August 2003 in<br />
Kraft tritt, müssen Pädagogen<br />
der Fachseminare und die Fachkräfte<br />
von Pflegeheimen stärker<br />
miteinander kooperieren (siehe<br />
auch Pro<strong>Alter</strong>-Umfrage auf<br />
Seite 32). Wie so eine Zusammenarbeit<br />
aussehen und besser<br />
funktionieren kann, stand im<br />
Mittelpunkt einer Tagung, zu der<br />
das Netzwerk Pflegeschulen am<br />
16. Mai 2003 nach Bielefeld<br />
eingeladen hatte und zu der<br />
rund 30 Vertreter von Altenpflegeschulen,<br />
stationären und<br />
ambulanten Einrichtungen<br />
gekommen waren. Die Teilnehmer<br />
hatten nicht nur viele Fragen<br />
zur neuen Ausbildungsregelung,<br />
sondern erhielten auch wertvolle<br />
Tipps, wie das Gesetz in der<br />
Praxis umzusetzen ist. Für die<br />
Zukunft sind weitere Treffen<br />
geplant, bei denen die Ausbilder<br />
von Schulen und Einrichtungen<br />
die Möglichkeit haben, sich<br />
auszutauschen.<br />
Auf Initiative und mit Unterstützung<br />
der Robert Bosch Stiftung<br />
wurde das Netzwerk Pflegeschulen<br />
Anfang 2002 gegründet.<br />
Für einen Zeitraum von zunächst<br />
drei Jahren wurden regionale<br />
Vernetzungsstellen in Bielefeld,<br />
Nürnberg und Lehnin eingerichtet.<br />
Das Netzwerk soll dazu<br />
beitragen, dass sich in und zwischen<br />
den Pflegeschulen Visionen<br />
realisieren, Ideen multiplizieren,<br />
Initiativen vernetzen, Lernorte<br />
verbinden und Allianzen entstehen.<br />
Die drei regionalen Netzwerke<br />
sollen gemeinsam mit den<br />
Pflegeschulen ihrer Region zum<br />
Beispiel Kooperationsebenen<br />
zwischen den Schulen initiieren,<br />
Workshops organisieren, themenzentrierte<br />
Arbeitsgruppen<br />
einrichten oder Ideenbörsen<br />
eröffnen. Beteiligen können sich<br />
alle, die die Ausbildung für eine<br />
veränderte Zukunft „neu denken"<br />
und „neu gestalten" wollen.<br />
Dazu gehören Schüler,<br />
Lehrer, Schulleitungen, Pflegedienstleitungen,<br />
Mentoren und<br />
Praxisanleiter. Jeder ist eingeladen,<br />
sich mit seinen Ideen und<br />
Vorstellungen an die Vernetzungsstelle<br />
in seiner Region zu<br />
wenden und sich somit in den<br />
Prozess der Vernetzung miteinzubringen.<br />
S. H.<br />
Kontakt:<br />
Fachhochschule Bielefeld, Fachbereich<br />
Pflege und Gesundheit,<br />
Telefon: 05 21/1 06-74 33,<br />
E-Mail: netz-pflegeschulen@<br />
fh-bielefeld.de, Internet:<br />
www.fh-bielefeld.de/fb8/<br />
netz.html<br />
Nürnberg: Schulzentrum für<br />
Krankenpflegeberufe, Telefon:<br />
09 11/3 98 20 46, E-Mail: osterbrink@klinikum-nuernberg.de<br />
Lehnin: Luise-Henrietten-<br />
Stift – Lernwerkstatt, Telefon:<br />
0 33 82/76 86 11, E-Mail:<br />
lernwerkstatt@stift-lehnin.de<br />
Renate Schmidt beruft Sachverständigenkommission<br />
für den<br />
fünften Altenbericht<br />
Die Bundesministerin für<br />
Familie, Senioren, Frauen und<br />
Jugend, Renate Schmidt, hat eine<br />
interdisziplinär zusammengesetzteSachverständigenkommission<br />
berufen, die in den nächsten<br />
zwei Jahren den fünften Altenbericht<br />
zum Thema „Potenziale<br />
des <strong>Alter</strong>s in Wirtschaft und<br />
Gesellschaft – Der Beitrag älterer<br />
Menschen zum Zusammenhalt<br />
der Generationen“ erstellen<br />
wird. Der Schwerpunkt des<br />
Altenberichts werden ältere<br />
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer<br />
sein.<br />
Renate Schmidt erklärte bei<br />
der ersten konstituierenden<br />
Sitzung der Kommission, die am<br />
21. Mai 2003 in Berlin stattfand,<br />
dass man angesichts des demographischen<br />
Wandels eine Gesellschaft<br />
gestalten müsse, in der<br />
Aufgaben und Belastungen neu,<br />
aber gerecht verteilt werden.<br />
Weiterhin erklärte sie: „In<br />
der Wirtschaft zählen ältere<br />
Beschäftigte leider schnell zum<br />
alten Eisen. In 60 Prozent aller<br />
Unternehmen in Deutschland<br />
gibt es keine Arbeitnehmer und<br />
Arbeitnehmerinnen über 50<br />
Jahre mehr. Eine solche Entwicklung<br />
schadet allen, auch den<br />
Unternehmen. Die ältere Generation<br />
muss die Gelegenheit haben,<br />
ihr Können, ihr Wissen und ihre<br />
Erfahrung einzubringen und die<br />
Wirtschaftskraft in Deutschland<br />
zu stärken. Die längere durchschnittliche<br />
Lebensdauer darf<br />
nicht als Problem, sondern muss<br />
als Gewinn für die Gesellschaft<br />
und für die Wirtschaft betrachtet<br />
werden.“<br />
Der fünfte Altenbericht wird<br />
im Jahr 2005 vorgelegt werden.<br />
Der erste Altenbericht 1993 war<br />
ein Gesamtbericht, der eine<br />
umfassende Analyse der Lebenssituation<br />
älterer Menschen<br />
lieferte. Der zweite Altenbericht<br />
zum Schwerpunkt „Wohnen im<br />
<strong>Alter</strong>“ wurde 1998 von der<br />
Bundesregierung vorgelegt. Der<br />
dritte Altenbericht aus dem Jahr<br />
2001 war erneut ein Gesamtbericht<br />
zur Lebenslage älterer<br />
Menschen in Deutschland. Der<br />
vierte Altenbericht 2002 behandelte<br />
die Lebenssituation hochaltriger<br />
Menschen „unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Risikos<br />
Demenz“.<br />
Der zweite, dritte und vierte<br />
Altenbericht können auf den<br />
Internetseiten des Bundesministeriums<br />
(http://www.bmfsfj.de)<br />
unter dem Link „Publikationen“<br />
heruntergeladen oder bestellt<br />
werden. S. H.<br />
Nachrichten<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 31
Gesundheit und Pflege<br />
32<br />
Pro<strong>Alter</strong>-Umfrage<br />
Was halten ausbildende Träger, Einrichtungen<br />
der Altenhilfe und Altenpflegeschulen<br />
von der neuen Altenpflegeausbildung?<br />
Am 1. August tritt das neue Altenpflegegesetz<br />
in Kraft. Die Altenpflegeausbildung wird dann<br />
bundeseinheitlich geregelt sein (siehe Pro<strong>Alter</strong><br />
1/2003). Mit der neuen Ausbildung kommen<br />
neue Anforderungen, Regelungen und<br />
Probleme auf die Einrichtungen und Altenpflegeschulen<br />
zu. Bei vielen Trägern und Einrichtungen<br />
macht sich Ratlosigkeit breit. Auch die<br />
Schulen finden viele Kritikpunkte an der neuen<br />
Ausbildungsregelung. Schwierigkeiten sieht<br />
man vor allem in der künftigen Ausbildungsfinanzierung<br />
oder in der Umsetzung des vom<br />
KDA mitentwickelten Lernfeldkonzeptes sowie<br />
in der Neuregelung der Praktika. Auch die<br />
Angst vor Schließungen von Seminaren,<br />
bedingt durch einen Schülermangel, geht um.<br />
Es gibt aber auch konstruktive Ansätze,<br />
mit der Problemsituation umzugehen, wie ein<br />
Treffen von rund 30 Vertretern von Altenpflegeschulen<br />
sowie ambulanten und stationären<br />
Einrichtungen zeigt, zu dem das Netzwerk<br />
Pflegeschulen in Bielefeld (www.fh-bielefeld.de/<br />
fh8/netz.html, siehe Seite 31) unter dem Motto<br />
„Neue Altenpflegeausbildung – Gemeinsam<br />
Perspektiven entwickeln“ im Mai 2003 eingeladen<br />
hatte. Ein Ergebnis des Zusammentreffens<br />
war, dass zukünftig in der Altenpflege die<br />
Zusammenarbeit zwischen den Pädagogen der<br />
Fachseminare und den ausbildenden Fachkräften<br />
der Pflegeheime stärker aufeinander abgestimmt<br />
werden müsse. Aber die Teilnehmer der<br />
Tagung brachten nicht nur Ideen, sondern auch<br />
zahlreiche Fragen mit, die verdeutlichten, dass<br />
die neue Altenpflegeausbildung ein sehr brisantes<br />
Thema ist, das vielen Beteiligten unter den<br />
Nägeln brennt.<br />
Pro<strong>Alter</strong> greift dieses Thema auf und hat<br />
mit den Betroffenen von ausbildenden Einrichtungen,<br />
Schulen und Trägern über ihre Probleme<br />
mit, aber auch ihre positiven Einstellungen<br />
gegenüber der neuen Ausbildungsregelung<br />
selbst gesprochen.<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Alfred Vollmer, Referent für<br />
stationäre Altenhilfe, beim<br />
Diözesan-Caritasverband für das<br />
Erzbistum Köln e.V., NRW<br />
Die bundeseinheitliche Altenpflegeausbildung<br />
bedeutet für den Verband, unsere Einrichtungen<br />
und Fachseminare sicherlich einen erheblichen<br />
Einschnitt, der jedoch nicht negativ,<br />
sondern als eine Möglichkeit der Veränderung<br />
gesehen wird.<br />
Mit der neuen Gesetzgebung hat die praktische<br />
Ausbildungsstelle mehr Bedeutung und<br />
damit mehr Verantwortung erhalten. Die auszubildenden<br />
Einrichtungen haben die Möglichkeit,<br />
sich aktiv an der Ausbildung zu beteiligen<br />
und damit gezielt für den eigenen Fachkräftenachwuchs<br />
zu sorgen. Diese neuen Kompetenzen<br />
sind aber auch mit der Erfüllung gesetzlicher<br />
Anforderungen verbunden. So sind die<br />
Träger der Ausbildung zur Zahlung der Ausbildungsvergütung<br />
verpflichtet und müssen die<br />
Praxisanleitung sicherstellen. Damit verbessert<br />
sich die Theorie und Praxisverknüpfung, und<br />
es ist zu vermuten, dass dies einen positiven<br />
Einfluss auf die Zufriedenheit und damit auf<br />
den Verbleib im Beruf hat.<br />
Auch die Chancen und Herausforderungen<br />
für die Fachseminare sind durch dieses Gesetz<br />
gestiegen, weil es nun möglich ist, den Unterricht<br />
an der Komplexität von Pflegesituationen<br />
auszurichten und ein umfassendes und vernetzendes<br />
Lernen zu ermöglichen. Entscheidend<br />
ist, dass der Pflegeprozess jetzt im Mittelpunkt<br />
der Ausbildung steht.<br />
Bisher, so meine Einschätzung, hat die<br />
Zusammenarbeit mit den Fachseminaren bei<br />
dem einen mehr, bei dem anderen weniger gut<br />
geklappt. Durch das Gesetz entsteht eine<br />
gemeinsame Herausforderung. Dazu gehört der<br />
Abbau von Vorurteilen. Es müssen neue<br />
gemeinsame Arbeitsebenen geschaffen werden,<br />
wie zum Beispiel ein gemeinsames Auswahlver-
fahren der Bewerber oder eine gemeinsame<br />
Öffentlichkeitsarbeit. Zeitliche und inhaltliche<br />
Lern- und Ausbildungspläne sollten ebenfalls<br />
gemeinsam erstellt und abgestimmt werden.<br />
Die Praxisanleitung sollte dabei einen neuen<br />
Schwerpunkt bilden. Hierfür müsste ein Ausbildungscurriculum<br />
für die praktische Ausbildungsstätte<br />
entwickelt werden.<br />
Damit die Umsetzung der neuen Ausbildung<br />
in der Praxis gelingt, sind jedoch noch<br />
weitere Anstrengungen vonnöten. Ich befürchte,<br />
dass durch die wenigen Gemeinsamkeiten<br />
die einzelnen Bundesländer unter dem Dach<br />
der gemeinsamen Ausbildung ihren eigenen<br />
Weg gehen werden. Von Seiten der Länder<br />
müsste mehr voneinander übernommen werden<br />
(zum Beispiel ein abgestimmtes Papier zur<br />
Praxisanleitung). Ich sehe auch die Gefahr, dass<br />
der Unterricht nach einer traditionellen Aufteilung<br />
der Fächer und nicht zu Gunsten eines fächerübergreifenden<br />
Unterrichts erteilt werden<br />
wird, weil konkrete Vorgaben zur Unterrichtsgestaltung<br />
und Organisation zurzeit noch nicht<br />
vorhanden sind. Deshalb muss die Ausgestaltung<br />
der handlungsorientierten Lernfelder vorangetrieben<br />
werden, und zwar fernab von pflegetheoretischen<br />
Richtungskämpfen.<br />
Ich finde, dass die Ausbildungsbereitschaft<br />
bei unseren Einrichtungen groß ist. Sie wäre<br />
noch größer, wenn die Refinanzierung der<br />
Ausbildungsvergütungen sowohl im ambulanten<br />
als auch im stationären Bereich abgeklärt<br />
wäre. Die Landesförderung der Ausbildungsplätze<br />
ist kontingentiert, das heißt, ausbildungsfähige<br />
und -willige Jugendliche finden<br />
keinen Ausbildungsplatz. Hier müsste das<br />
Land eine Zusage geben, dass jeder Jugendliche<br />
einen Ausbildungsplatz erhält. Des Weiteren<br />
muss das Arbeitsamt Umschulungswillige, die<br />
sich für den Pflegeberuf interessieren, uneingeschränkt<br />
finanzieren.<br />
Schwester Rebecca Langer,<br />
Heimleiterin Wohnpark St. Josef<br />
der St. Elisabeth-Stiftung in<br />
Baden-Württemberg<br />
Bei unseren 16 Auszubildenden und den restlichen<br />
Mitarbeitern ist die bundeseinheitliche<br />
Altenpflegeausbildung ein aktuelles Gesprächsthema.<br />
Sie bedeutet eine Aufwertung des<br />
Berufsbildes. Die Kompetenzen der Altenpfle-<br />
ger werden dadurch<br />
klarer definiert. Die<br />
Steuerung des Pflegeprozesses<br />
als zentrale Aufgabe<br />
der Pflege wird<br />
mehr als bisher Bedeutung<br />
haben. Als weitere<br />
positive Auswirkung ist<br />
die Vereinheitlichung der<br />
Verfahrensweisen bei den Altenpflegeschulen<br />
hervorzuheben. So sind die Praxisanleiter in<br />
Zukunft grundsätzlich beim Praxisbesuch<br />
anwesend. Außerdem wird die Zusammenarbeit<br />
nicht mehr von den individuellen Wünschen<br />
der Lehrer dominiert, sondern selbst bei<br />
einer unterschiedlichen Trägerschaft der Schulen<br />
ähnlich gehandhabt werden.<br />
Die Zusammenarbeit mit den Schulen<br />
klappt jedoch gut. Es gibt positive Rückmeldungen<br />
zur Einrichtung. Es finden regelmäßige<br />
Praxisanleitertreffen statt, die protokolliert<br />
werden. Die Schulen haben Lust zur Umsetzung<br />
der Lernfelder und arbeiten kreativ an<br />
praktischen Ideen mit. Hilfreich wären jetzt<br />
Konzepte und Lehrpläne der Schulen über die<br />
geplante konkrete Umsetzung der Lernfelder<br />
und die sich daraus ergebenden genau definierten<br />
Anforderungen an die Praxisstellen.<br />
Auch eine verstärkte Präsenz der Berufsgruppe<br />
„Altenpflege“ im Krankenhaus und in<br />
der Psychiatrie ist für die Zukunft durchaus<br />
denkbar und wünschenswert.<br />
Bernhard Heisterkamp,<br />
Leiter des Fachseminars für<br />
Altenpflege in Kamp-Lintfort, NRW<br />
An unserer Schule ist die Bewerberlage derzeit<br />
gut. Träger für die praktische Ausbildung zu<br />
finden ist zumindest für den vollstationären<br />
Bereich nicht so schwierig. Bei ambulanten<br />
Einrichtungen stellt sich die Situation äußerst<br />
schwierig dar.<br />
Eine wesentliche Veränderung der neuen<br />
Ausbildungsregelung stellt das Lernfeldkonzept<br />
dar, welches ganz erhebliche – völlig neue –<br />
Anforderungen an die Lehrenden und an die<br />
Lernenden stellen wird. Bedingt durch die<br />
teilweise schon seit einigen Jahren realisierte<br />
Umstellung von der klassischen, fachsystematischen<br />
Vermittlung zum fächerintegrativen<br />
Unterricht, insbesondere bei den pflegerischen<br />
Gesundheit und Pflege<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 33
Gesundheit und Pflege<br />
34<br />
Themen ist die Umstellung<br />
sicher nicht vollkommenes<br />
Neuland. Die<br />
Umsetzung des Lernfeldkonzeptes<br />
wird zunächst<br />
in Form von Insellösungen<br />
in Anlehnung an<br />
vorhandene Ressourcen<br />
aus dem Bereich des<br />
handlungsorientierten Unterrichts stattfinden.<br />
Eine weitere Auswirkung wird sein, dass die<br />
Fachseminare die Träger der praktischen Ausbildung<br />
bei der Entwicklung eines Ausbildungsplanes<br />
unterstützen müssen und für die<br />
Begleitung bzw. Qualifizierung der Ausbilderinnen<br />
zuständig sind. Die Bemühungen aller<br />
an der Ausbildung Beteiligten sollten deshalb<br />
besser koordiniert werden. An unserer Schule<br />
funktioniert die Zusammenarbeit mit den<br />
Ausbildungseinrichtungen gut. Die Ausbildungsbereitschaft<br />
der praktischen Einrichtungen<br />
und die damit zusammenhängende Bereitschaft<br />
zur Übernahme der Verantwortung für<br />
die Vermittlung der betrieblichen Handlungskompetenz<br />
und aller damit verbundenen Konsequenzen<br />
(berufpädagogische Qualifizierung<br />
etc.) ist sehr hoch.<br />
In NRW gibt es einen landesweit verpflichtenden<br />
Kooperationsvertrag („empfohlener<br />
Ausbildungsvertrag“). Zukünftig wird es empfehlende<br />
Richtlinien geben, die von der Katholischen<br />
Fachhochschule in Köln erarbeitet<br />
werden.<br />
Andreas Koderisch,<br />
Schulleiter<br />
der ElisabethenstiftAltenpflegeschulen,<br />
Darmstadt,<br />
Groß-Gerau und<br />
Wiesbaden, Hessen<br />
Die neue Altenpflegeausbildung<br />
ist ein großer Fortschritt, weil die<br />
Ausbildung damit insgesamt an Bedeutung<br />
gewinnt und die Pflegeausbildungen untereinander<br />
ähnlicher und somit anschlussfähiger<br />
werden. Das heißt aber nicht, dass wir zufrieden<br />
sind.<br />
Eine wesentliche Veränderung wird sein,<br />
dass die schulische Ausbildung um 300 Stunden<br />
reduziert wird. Der Unterricht wird seit<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Jahren von uns kontinuierlich zusammenhängender<br />
und handlungsorientierter gestaltet.<br />
Nachdem wir in zweijähriger Arbeit einen neuen<br />
Rahmenlehrplan erarbeitet hatten, müssen<br />
wir diesen nun erneut umarbeiten. Wir müssen<br />
nicht nur die Stundenkürzung verkraften, sondern<br />
auch neue Inhalte in den Lehrplan aufnehmen.<br />
Das kostet viel internen Aufwand, der<br />
bei einer besseren Unterstützung der Schulen<br />
auf Landesebene vermeidbar wäre. Bisher ist<br />
uns jedoch noch keine Landesregelung bekannt.<br />
Eine Lehrplankommission ist installiert.<br />
Ihr gehören jedoch nach unserer Kenntnis keine<br />
Experten für berufliche Bildung an, und ihre<br />
Ergebnisse sind so spät zu erwarten, dass wir<br />
uns nicht dadurch unterstützt fühlen, denn wir<br />
beginnen im Oktober dieses Jahres mit dem<br />
neuen Kurs.<br />
Es gibt noch weitere offene Fragen: So sind<br />
wir zum Beispiel gehalten, die medizinisch-pflegerischen<br />
Kompetenzen im Unterricht noch<br />
mehr zu berücksichtigen. Doch wie sollen diese<br />
Kompetenzen in der Praxis ausgebildet werden,<br />
wenn so genannte „behandlungspflegerische“<br />
Leistungen aufgrund der Rahmenverträge mit<br />
den Kassen nicht von Auszubildenden erbracht<br />
werden dürfen? Eine ernst gemeinte Lernfeldorientierung,<br />
wie sie das Gesetz vorsieht, setzt<br />
eine minimale Teamstruktur voraus. Aber wir<br />
können uns aufgrund der Höhe des Schulgeldes<br />
weder Mediziner noch Gerontologen als<br />
Hauptamtliche leisten. Auch die Prüfungsanforderungen<br />
müssten entsprechend der neuen<br />
Lehrinhalte völlig neu konzipiert werden.<br />
Hinzu kommt, dass in Südhessen die Bewerberzahlen<br />
auf einem niedrigen Niveau<br />
schwanken. Der Beruf der Altenpflegerin kann<br />
in der Gunst von Erstauszubildenden noch lange<br />
nicht mit anderen Ausbildungen konkurrieren.<br />
Wir haben Schwierigkeiten, Ausbildungsplätze<br />
in Einrichtungen zu finden, für die eine<br />
Ausbildungsvergütung anfällt. Viele Einrichtungen<br />
würden gerne mehr ausbilden, teilen<br />
uns aber mit, dass sie damit finanziell und organisatorisch<br />
überfordert seien. Das Aufgabenfeld<br />
eines Praxisanleiters ist weder definiert,<br />
noch sind die Einrichtungen in der Lage, ohne<br />
Unterstützung der Seminare eigene Ausbildungspläne<br />
zu entwickeln. Diese Unterstützung<br />
ist aber nicht in Sicht. Nach unserem Wissen<br />
hat es bis heute (Anfang Mai) noch nicht eine<br />
offizielle Information über die veränderten<br />
Aufgaben der Praxis gegeben, weder von der
Seite des Landes Hessen, noch von den Dachverbänden<br />
der Träger. Deshalb müssen wir als<br />
Schulen hier ganz viel Beratungsarbeit leisten,<br />
die uns an den Rand unserer Möglichkeiten<br />
bringt und uns in die Rolle des ständig Fordernden<br />
drängt. Die Zusammenarbeit mit den<br />
praktischen Ausbildungsträgern gestaltet sich<br />
je nach Engagement der Träger bzw. der Einrichtungsleitungen<br />
sehr unterschiedlich. Wir<br />
beobachten aber, dass immer mehr Einrichtungen<br />
ihre Ausbildungsaufgaben ernst nehmen<br />
und sie gezielt als Instrument der Personalentwicklung<br />
einsetzen.<br />
Robert Brewer,<br />
Pflegedienstleiter<br />
im Evangelischen<br />
Altenhilfezentrum,<br />
Lünen-Süd, NRW<br />
An den zahlreichen<br />
Bewerbungen für eine<br />
Ausbildungsstelle sehen<br />
wir, dass viele junge Menschen interessiert<br />
sind, eine Pflegeausbildung zu machen. Wir<br />
haben leider sehr viel mehr Bewerberinnen<br />
gehabt, als wir einstellen können. Gute Kandidatinnen<br />
ablehnen zu müssen ist schmerzhaft,<br />
aber das war leider nicht zu umgehen. Die<br />
Auswahl der Kandidaten für die Ausbildung<br />
stellt unsere Einrichtung vor neue Herausforderungen.<br />
Die Auswahlkriterien müssen mit dem<br />
Fachseminar abgestimmt werden, damit auch<br />
wirklich geeignete Kandidaten gefunden werden.<br />
Dabei ist es ein großer Vorteil für unsere<br />
Einrichtung, Kooperationsverträge mit den<br />
Fachseminaren unserer Wahl schließen zu<br />
können.<br />
Im letzten Jahr hatten wir vielen jungen<br />
Menschen ein Berufsfindungspraktikum<br />
ermöglicht und etliche ermutigt, sich als Altenpfleger<br />
ausbilden zu lassen. Jetzt können wir<br />
nur diejenigen ermutigen, die wir auch selbst<br />
finanzieren können. Probleme sehen wir in der<br />
drastischen Abnahme der Anzahl von Praktikanten,<br />
da sie uns unter anderem geholfen<br />
haben, bewohnerorientierte Pflege zu betreiben.<br />
Die Praktikanten sind eine anregende<br />
Erinnerung an unsere eigenen Ansprüche gewesen,<br />
und ihre Hände haben Tätigkeiten ermöglicht,<br />
die jetzt wegfallen. Aber Einrichtungen,<br />
die einen guten Ruf haben, waren an einer<br />
Vielzahl von Praktikanten gewöhnt, da sie viel<br />
dazu beigetragen haben, eine anspruchsvolle<br />
Pflege zu gewährleisten. Das erkennen wir erst<br />
jetzt, wo sie nicht mehr da sind und voraussichtlich<br />
auch nicht mehr da sein werden. Der<br />
Abbau der Praktikantenstellen durch die Veränderung<br />
der Ausbildungspraxis bereitet vielen<br />
Einrichtungen Probleme. Selbst durch eine<br />
optimale Strukturierung der Arbeitszeiten und<br />
Stellen, durch die wirtschaftliche Umsetzung<br />
der Ressourcen und eine Umverteilung von<br />
Aufgaben ist die fachliche Umsetzung der<br />
vielen guten Ansätze, die u. a. vom KDA veröffentlicht<br />
und in Folge der neuen Ausbildung<br />
gelehrt werden, mangels Personal nicht zu<br />
realisieren.<br />
Schulleiter Ernst Neff,<br />
Altenpflegeschule des Caritasverbandes,<br />
St. Wendel, Saarland<br />
Die Landesgesetzgebung ist zum größten Teil<br />
deckungsgleich mit dem am 1.8.2003 in Kraft<br />
tretenden Bundesgesetz. Insofern haben sich<br />
wesentliche Änderungen in unserer Einrichtung<br />
bereits im Jahr 2002 ergeben.<br />
Die Ausbildungsträger sind jetzt die Altenheime<br />
und ambulanten Pflegedienste. Sie sind<br />
zuständig für die Akquirierung von Bewerbern.<br />
Außerdem gibt es ein Curriculum für die schulische<br />
und berufliche Ausbildung. Die schulische<br />
Ausbildung findet nach dem Lernfeldkonzept,<br />
die betriebliche Ausbildung auf der<br />
Grundlage von Ausbildungsplänen statt. Es<br />
handelt sich um eine integrierte Ausbildung.<br />
Das erste Ausbildungsjahr der Fachausbildung<br />
ist identisch mit der Altenpflegehilfeausbildung,<br />
die mit einer Prüfung und staatlicher<br />
Anerkennung endet.<br />
Es gibt keine Schwierigkeiten, Träger für<br />
die praktische Ausbildung zu finden, denn es<br />
existiert eine Absprache zwischen der zuständigen<br />
Landesbehörde bei der saarländischen<br />
Landesregierung, der saarländischen Pflegegesellschaft<br />
und den Altenpflegeschulen, dass<br />
jeder Auszubildende, der einen Ausbildungsvertrag<br />
abgeschlossen hat, vorausgesetzt die<br />
formalen Bedingungen sind erfüllt, einen Schulplatz<br />
bekommt. Der Anteil der Ausbildungsplätze<br />
verteilt sich zu ca. 80 Prozent auf stationäre<br />
und ca. 20 Prozent auf ambulante Pflegedienste.<br />
Gesundheit und Pflege<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 35
Gesundheit und Pflege<br />
36<br />
Die Zusammenarbeit zwischen den Schulen<br />
und Ausbildungseinrichtungen gestaltet sich<br />
konstruktiv. Es gibt verschiedene Formen der<br />
Zusammenarbeit, zum Beispiel gegenseitige<br />
Besuche, PDL-Treffen, Ausbildertreffen,<br />
Workshops und einen ständigen Ausschuss.<br />
Zusätzlich zur bundesgesetzlichen Regelung<br />
wird noch vor der Sommerpause ein Gesetz im<br />
saarländischen Landtag eingebracht, das die<br />
Altenpflegehilfeausbildung regeln wird.<br />
Barbara Beyer,<br />
Lehrerin am<br />
Altenpflegeseminar<br />
in Essen-Kupferdreh,<br />
NRW<br />
Aufgrund des Schulverbundes<br />
„Katholische<br />
Schule für Pflegeberufe<br />
e.V.“, dem zurzeit 20 Träger der stationären<br />
und ambulanten Altenhilfe in Essen und naher<br />
Umgebung beigetreten sind, finden jetzt intensivere<br />
Absprachen mit den Ausbildungs- und<br />
Anstellungsträgern statt. Die Zusammenarbeit<br />
mit den Ausbildungseinrichtungen klappt gut.<br />
Der neue Kurs ist mit 23 SchülerInnen belegt.<br />
Die vom KDA vorgeschlagene Lernfeldorientierung<br />
bedeutet für uns eine noch intensivere<br />
Kooperation, Kommunikation und Teamarbeit<br />
mit allen, insbesondere den freien<br />
Dozenten. Da wir an dem Modellversuch<br />
„Gemeinsame Pflegeausbildung in der Alten-,<br />
Kranken und Kinderkrankenpflege“ beteiligt<br />
waren, konnten wir schon Erfahrungen mit der<br />
fächerintegrativen Unterrichtsgestaltung sammeln.<br />
Deshalb ist für uns der Schritt zum Lernfeld<br />
auch nicht mehr so groß, und der Unterricht<br />
selbst wird nicht so sehr verändert werden<br />
müssen. Eventuell werden im Unterricht<br />
mehr Fallstudien eingesetzt. Auch das Teamteaching<br />
wird wohl ausgebaut werden müssen.<br />
Die neue Rolle des Lehrenden macht uns allerdings<br />
noch Kopfzerbrechen. Das Bild des<br />
Dozenten als Lernhelfer und Moderator ist bei<br />
immer jüngeren Teilnehmern (SchülerInnen),<br />
die eher einen steuernden Unterricht benötigen,<br />
in der Realität eher schwierig umzusetzen.<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Dr. Birgit Hoppe, Vorstandsvorsitzende<br />
des Arbeitskreises der<br />
Ausbildungsstätten für Altenpflege<br />
in der BRD, Berlin<br />
Die Umstellung auf eine „Berufsfachschule für<br />
Altenpflege“ ist derzeit noch nicht so weit<br />
gediehen, dass eine konkrete Planungsgrundlage<br />
für eine Umsetzung zum 1.8.03 gegenwärtig<br />
vorliegt.<br />
Die Veränderungen der Berliner Ausbildung<br />
sind strukturell und inhaltlich fundamental:<br />
Das Land Berlin hatte bisher die Ausbildung<br />
als Fachschulausbildung geregelt. Der<br />
Großteil der Bewerber waren Umsteiger/-innen<br />
und Berufsrückkehrer. Die Erstausbildung mit<br />
Ausbildungsvergütung und -vertrag seitens der<br />
Träger ist für das Land neu. Die berufsbegleitende<br />
Ausbildung, die ein Erfolgsmodell in der<br />
Berliner Ausbildung darstellt/-e, ist in ihrer<br />
Struktur zwar ähnlich, hat jedoch eine andere<br />
Zielgruppe: lebens- und berufserfahrene Menschen.<br />
Das Bundesgesetz regelt die Inhalte unterhalb<br />
in Berlin erreichter Standards. Dies gilt<br />
insbesondere für die Fachgebiete Recht und Sozialversicherung<br />
und der Sozialwissenschaften,<br />
das heißt der Kompetenzen zur Hilfeplanung<br />
und psychosozialen Begleitung. Die bisherige<br />
Ausbildung verliert damit an fachlichem Gewicht<br />
für die Gewinnung von Fachkräften, die<br />
dem Strukturwandel in der Altenhilfe im Sinne<br />
der Lebensqualität alter Menschen mit mehrdimensionalen<br />
Ansätzen zu begegnen vermögen.<br />
Neben den oben skizzierten Hindernissen<br />
für eine zügige Umsetzung produzieren die<br />
veränderten Strategien zur beruflichen Bildungsförderung<br />
durch die Bundesanstalt für<br />
Arbeit weitere erhebliche Reibungsverluste –<br />
bundesweit und je nach Region mehr oder<br />
minder prekär. Die Umstellung auf Bildungsgutscheine<br />
führt vielerorts dazu, dass Ausbildungsstätten<br />
ohne Planungsklarheit sind. Für<br />
eine dreijährige Fachausbildung, deren Bewerberpotenzial<br />
auch nach dem Willen des Gesetzgebers<br />
sich zu zwei Dritteln aus Umschülern/<br />
Umschülerinnen speisen soll bzw. muss, ist<br />
diese Praxis kontraproduktiv. Dies gilt auch für<br />
eine Orientierung an einer 70-prozentigen<br />
Vermittlungsquote in den 1. Arbeitsmarkt<br />
seitens der Arbeitsämter, die sich an all denjenigen<br />
bemisst, die mit der Ausbildung beginnen.<br />
Sinn machte es, sich an der Vermittlungsquote
ei erfolgreichem<br />
Abschluss zu orientieren.<br />
Eine absolute Verbleibsorientierung<br />
in der Ausbildung<br />
führt schlechtestenfalls<br />
dazu, dass Träger,<br />
die „durchschleusen“,<br />
bessere Vermittlungsquoten<br />
haben werden<br />
als die, die ihre Verantwortung im Sinne<br />
einer qualifizierten Fachkraftausbildung und<br />
mit Blick auf die Abnehmer der Dienste, die<br />
Arbeitgeber, die alten Menschen und ihre<br />
Angehörigen, wahrnehmen.<br />
Für die Altenpflegeausbildung muss ein<br />
verändertes Verfahren der Umschulungsförderung<br />
realisiert werden, dass nicht hinter die<br />
bewährten Regelungen zurückfällt. Zudem<br />
müssen für den Altenpflegeberuf auch nach<br />
2004 dreijährige Umschulungen möglich sein.<br />
Jedes Erschweren der Personalgewinnung von<br />
Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen für Altenpflege<br />
führt mittelfristig dazu, dass man veritable<br />
Pflegenotstände erst produziert. Bewerber gibt<br />
es ausreichend in beiden Gruppen: den Schulabgängern<br />
und Berufsumsteigern.<br />
Ob es Schwierigkeiten gibt, für die zahlreichen<br />
Bewerber ausreichend Ausbildungsplätze<br />
bei den Trägern zu finden, muss sich in Berlin<br />
erst zeigen. Es deutet jedoch einiges darauf hin,<br />
dass dieser Teil der Realisierung – Stichworte:<br />
Wettbewerbsverzerrung durch höhere Pflegesätze<br />
usf. bzw. Gleichwertigkeit des ambulanten<br />
Bereichs in der Ausbildungsbereitschaft<br />
und SGB-V-Leistungen – nicht leicht werden<br />
wird. Vermutlich wird dies nur dann gut funktionieren,<br />
wenn kluge Kooperationslösungen<br />
für konkrete Ausbildungspartnerschaften<br />
gefunden werden können.<br />
Inhaltlich und organisatorisch ist mit der<br />
Umsetzung des Gesetzes eine komplette Neuordnung<br />
verbunden. Vermutlich sind die neuen<br />
Anforderungen an die Praxiseinrichtungen<br />
noch größer als für die Schulen. Da letztere<br />
jedoch per definitionem die Gesamtverantwortung<br />
für die Ausbildung haben, werden sie<br />
neben der eigenen Umstellung wohl auch hier<br />
intensiv als beratender Partner gefragt sein.<br />
Inwieweit sie dies in ihren personellen und<br />
finanziellen Ressourcen vermögen, ist im Rahmen<br />
der finanziellen Ausgestaltung der Ausbildung<br />
noch ungewiss. Auch wenn im Land<br />
Berlin derzeit einiges an Kontur gewinnt, gilt<br />
mit 13.5.03 noch: Bis auf den Verbleib im<br />
Schulrecht ist zwar schon manches beraten,<br />
aber nicht entschieden. Eine prekäre Aussicht<br />
für alle, die eine Ausbildung zur Altenpflegerin<br />
absolvieren wollen!<br />
Silvia Michaelis, Dipl.-Medizinpädagogin<br />
am Caritas-Institut<br />
für Bildung und Entwicklung in<br />
München, Bayern<br />
Die bundeseinheitliche Altenpflegeausbildung<br />
ab 1.8.03 bedeutet einen Fortschritt, da das<br />
längerfristige Ziel einer generalistischen Pflegeausbildung<br />
damit verfolgt wird. Es herrscht<br />
aber dennoch Verunsicherung an bayerischen<br />
Schulen, da viele Details noch nicht geklärt<br />
sind und die neuen Regelungen wesentliche<br />
Veränderungen mit sich bringen werden. Es haben<br />
sich z. B. viele jüngere Bewerber angemeldet.<br />
Das hängt wahrscheinlich mit der hohen<br />
Arbeitslosigkeit zusammen. Es ist jedoch nicht<br />
sicher, wer nun die Ausbildung beginnen wird.<br />
Die Finanzierung der Schulen hat sich<br />
ebenfalls verändert. Es sind höhere Kosten für<br />
den Träger entstanden. Die grundsätzliche<br />
Finanzierung müsste dringend geklärt werden.<br />
Für die Jahre 2003 und 2004 müssen Schüler<br />
kein Schulgeld (230 Euro) zahlen. Die Finanzierung<br />
für 2005 ist unklar.<br />
Die Praxisbegleitung der Ausbildungseinrichtungen<br />
ist zwar gesetzlich gesichert, aber<br />
auch hier liegt noch vieles im Unklaren. Es<br />
werden mehr Fortbildungen für die Pflegelehrer<br />
in der Konzeption der Lernfeldorientierung<br />
(Vernetzung der Fäche und die lernfeldorientierte<br />
Prüfung) gebraucht. Der bayerische<br />
Lehrplan liegt auch noch nicht vor. Ansonsten<br />
gibt es große Unklarheiten über die Lernfeldorientierung.<br />
Didaktisch fehlen Methoden der<br />
Lehrvorbereitung, des Unterrichtes und der<br />
Prüfung. Organisatorisch muss ebenfalls eine<br />
Umstellung stattfinden. Der Prüfungsmodus<br />
hat sich verändert. Er ist praxisnäher und<br />
daher aufwendiger für die Schulen geworden.<br />
Bei der Zusammenarbeit mit den Ausbildungseinrichtungen<br />
bestehen ebenfalls viele<br />
Unklarheiten: So müssten zum Beispiel die<br />
Bedeutung und die Konsequenzen der Praxisbegleitung<br />
für die Einrichtungen noch deutlicher<br />
herausgearbeitet werden. Wer macht<br />
Praxisanleiter? Wie ist der Praxisanleiter im<br />
Gesundheit und Pflege<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 37
Gesundheit und Pflege<br />
38<br />
Organigramm eingegliedert? Wie sollen die<br />
Praxisanleiter honoriert werden (Gehalt, Fortbildungen)?<br />
Oder wie viel Zeit pro Schüler darf<br />
ein Praxisanleiter verwenden? Auch inhaltlich<br />
muss die Praxisanleitung noch besser definiert<br />
werden. Wir unterscheiden die Lernberatung<br />
(in der eine Lernreflexion und Lernvereinbarung<br />
stattfindet) von der praktischen Anleitung<br />
(Anleitung am Bewohner) in unserer Weiterbildung<br />
zum Praxisanleiten. Insgesamt gibt es<br />
noch zu wenig Praxisanleiter mit einer Weiterbildung.<br />
Schwierigkeiten, Träger der praktischen<br />
Ausbildung zu finden, haben wir nicht,<br />
da wir innerhalb des Verbandes einige Einrichtungen<br />
haben. Ferner bestehen einige Kontakte<br />
zu anderen Trägern.<br />
Ulrich Schindler,<br />
Heimleiter im<br />
Altenzentrum<br />
St. Josef in Sassenberg,<br />
NRW<br />
Die Pflegeheime werden<br />
in Zukunft die Anstellungsträger<br />
für die Auszubildenden<br />
sein und sind damit viel stärker in<br />
die Verantwortung für die Ausbildung involviert.<br />
Sie erhalten außerdem mehr Einfluss auf<br />
die praktische und theoretische Ausbildung<br />
und können gezielt quantitativ und qualitativ<br />
für den eigenen Bedarf ausbilden.<br />
Für uns als Einrichtung mit dem Schwerpunkt<br />
der gerontopsychiatrischen Pflege und<br />
Betreuung bedeutet das beispielsweise, dass wir<br />
Kooperationsverträge mit Ausbildungsträgern<br />
abschließen, die das Thema Demenz in ihrer<br />
Ausbildung entsprechend berücksichtigen. Es<br />
wird auch eine Vernetzung mit anderen Trägern,<br />
wie akut-geriatrischen und psychiatrischen<br />
Krankenhäusern, ambulanten Diensten<br />
und Tagespflegen in Form von Kooperationsverträgen<br />
geben, um eine Vielfältigkeit der<br />
Ausbildung zu gewährleisten. Für die praktische<br />
Ausbildung wären klarere strukturelle und<br />
inhaltliche Vorgaben hilfreich. Es sollte auch<br />
über die Einrichtung einer Pflegekammer oder<br />
die Anbindung an eine bestehende Kammer<br />
nachgedacht werden, um die Ausbildung zu<br />
vereinheitlichen und um die Ausbildungsbetriebe<br />
bei der Ausbildung zu unterstützen.<br />
Ein großes Problem stellt die Deckelung<br />
der Ausbildung durch die Landesregierung dar.<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Es ist schon paradox: Da existiert ein Lehrstellenmangel,<br />
der der Politik große Sorgen bereitet.<br />
Gleichzeitig wären zahlreiche Altenheime<br />
und Sozialstationen bereit, mehr Auszubildende<br />
einzustellen. Doch der Staat reglementiert<br />
die Zahl der Ausbildungsplätze und senkt sie –<br />
aus finanziellen Gründen – ab. Bewerber, auch<br />
mit entsprechenden schulischen Voraussetzungen,<br />
sind in ausreichender Zahl vorhanden.<br />
Angesichts des großen Bedarfs und des sich<br />
abzeichnenden Pflegenotstandes müssten und<br />
könnten viel mehr Fachkräfte ausgebildet<br />
werden als die 2.280 Menschen, die 2003<br />
landesweit eine landesgeförderte Ausbildung<br />
beginnen werden. Als Gründe für die Kontingentierung<br />
gibt die Landesregierung vor, mehr<br />
als 25 Millionen Euro ständen aufgrund der<br />
Haushaltslage nicht zur Verfügung. Mehr<br />
Ausbildungsplätze seien auch nicht nötig, weil<br />
der Bedarf mit Zahlen nicht zu belegen sei, so<br />
die Landesregierung. Damit ignoriert sie Fakten,<br />
wie die Zunahme von Pflegebedürftigkeit,<br />
die Zunahme von Menschen mit Demenz, die<br />
hohe Fluktuation von Pflegekräften aus dem<br />
Beruf sowie Forderungen der Heimaufsicht. Sie<br />
ignoriert, dass Einrichtungen und Dienste der<br />
Altenpflege bei leer gefegtem Arbeitsmarkt<br />
händeringend Fachkräfte suchen.<br />
Erschwerend hinzu kommen Änderungen<br />
bei der Finanzierung von Umschulungsmaßnahmen<br />
durch die Hartz-Reformen. Bislang<br />
trugen das Land und die Arbeitsämter die<br />
Betriebskosten der Ausbildung zur Pflegefachkraft<br />
etwa hälftig. Mit der Selbstverwaltung<br />
der Arbeitsämter stellten sich einige auf den<br />
Standpunkt, dass in ihren Arbeitsamtsbezirken<br />
keine Umschulungsmaßnahmen zu Altenpflegern<br />
mehr nötig seien, so beispielsweise die<br />
Entscheidungen in den Bezirken Münster und<br />
Recklinghausen. Bisher gab es feste Umschulungsplatzzusagen<br />
der Arbeitsämter an die<br />
Fachseminare. Diese Zusage fällt nun weg,<br />
nachdem die so genannten Bildungsgutscheine,<br />
eine Errungenschaft der Hartz-Kommission,<br />
eingeführt wurden. Danach kann jeder Inhaber<br />
eines Bildungsgutscheines seine Ausbildungsstätte<br />
auch über die Grenzen des jeweiligen<br />
Arbeitsamtsbezirkes hinaus frei wählen. Damit<br />
werden ab sofort deutlich weniger als 50 Prozent<br />
der Schüler in der Altenpflege über die<br />
Arbeitsverwaltung finanziert. Das stellt die<br />
Existenz von Ausbildungskursen und ganzen<br />
Fachseminaren in Frage.
Dr. Hans Hochheiser, Fachleiter<br />
Altenpflege des Europäischen<br />
Bildungswerks für Beruf und Gesellschaft<br />
e.V., Sachsen-Anhalt<br />
Das Gesetz bedeutet eine<br />
starke Verunsicherung im<br />
Bereich der staatlich<br />
anerkannten Schulen in<br />
freier Trägerschaft. Auf<br />
die bisherige Gesetzgebung<br />
in Sachsen-Anhalt<br />
bezogen bestehen die<br />
Veränderungen vor allem<br />
darin, dass die Fachschule zur Berufsfachschule<br />
umgewandelt wird.<br />
Für die Schule bedeutet das Bundesgesetz<br />
den Übergang von bisher fachwissenschaftlich<br />
orientierter Lehre hin zu einer handlungs- und<br />
lernfeldorientierten Gestaltung. Wichtige Kompetenzbereiche,<br />
wie gerontologisches und<br />
psychosoziales Wissen werden kaum angesprochen,<br />
der sozial-pflegerische Bereich ist unterrepräsentiert.<br />
Während die schulische Ausbildung<br />
thematisch in Lernfeldern beschrieben<br />
wird, fehlt eine solche Beschreibung für die mit<br />
2.500 Stunden überwiegende praktische Ausbildung.<br />
Die bisherige und gegenwärtige<br />
Zusammenarbeit mit den Ausbildungseinrichtungen<br />
verlief sowohl für die schulische Ausbildung<br />
als auch für die Entwicklung der Pflegepraxis<br />
in den Einrichtungen kooperativ und<br />
anregend. Theoretische und praktische Ausbildung<br />
werden aufeinander abgestimmt. Wohnbereichsleiter/-innen<br />
und Praxisanleiter/-innen<br />
hospitieren regelmäßig an der Schule. Da zum<br />
Beispiel Projekt- und Fallarbeit, Internet- und<br />
Literaturrecherchen sowie andere kreative<br />
Methoden zum festen Unterrichtsbestandteil<br />
unserer Schulen gehören, werden sich die<br />
Veränderungen hauptsächlich auf die Umsetzung<br />
des Lernfeldkonzeptes beziehen. Dazu<br />
wird das Teamwork der Lehrkräfte zur Ausarbeitung<br />
und Gestaltung von Lernsituationen,<br />
welche die Entwicklung der beruflichen Kompetenzen<br />
ermöglichen, ausgebaut.<br />
Als positive Veränderung für die Schüler<br />
sind die Einführung einer Ausbildungsvergütung<br />
und die deutliche Senkung der Voraussetzungen<br />
für den Zugang zur Ausbildung sowie<br />
die Herabsetzung des Zugangsalters zu nennen.<br />
Probleme in der neuen Gesetzgebung sehe<br />
ich vor allem darin, dass die Bundeseinheitlich-<br />
keit durch die Erprobungsregelung und Experimentierklausel<br />
aufgeweicht wird. Das wird von<br />
einigen Ländern genutzt, um Schwierigkeiten<br />
bei der Umsetzung des Gesetzes vorerst aus<br />
dem Wege zu gehen. Die Zahlung einer Ausbildungsvergütung<br />
wird gesetzlich festgeschrieben,<br />
jedoch weder deren Aufbringung noch<br />
deren Höhe geregelt. Für Umschüler enthält<br />
das Gesetz keine Verkürzungsmöglichkeiten.<br />
Sollte die dreijährige Förderung durch die<br />
Bundesanstalt für Arbeit nach 2004 nicht<br />
fortgesetzt werden, wird Berufsumsteigern und<br />
arbeitslosen Umschülern der Weg in den Altenpflegeberuf<br />
versperrt. Unsere Beobachtungen<br />
seit über zehn Jahre belegen eindeutig, dass 90<br />
Prozent der Absolventen noch heute im Beruf<br />
erfolgreich tätig sind. Es ist zu befürchten, dass<br />
die Schülerzahlen trotz eines hohen Bedarfs an<br />
Fachkräften wegen fehlender Plätze für die<br />
praktische Ausbildung drastisch zurückgehen<br />
werden. Der Bedarf an hoch qualifiziertem<br />
Pflegepersonal mit gerontologischem Profil<br />
wird entsprechend der prognostizierten Entwicklung<br />
auf dem Arbeitsmarkt in den nächsten<br />
Jahren weiter ansteigen. Helfen würde<br />
gegenwärtig die Bereitstellung finanzieller<br />
Mittel für Ausbildungsbetriebe und Schulen,<br />
um entsprechende Schülerzahlen ausbilden zu<br />
können und den Bestand der bestehenden<br />
Schulen zu sichern, sowie die weitere dreijährige<br />
Förderung vom Umschulungen. Die<br />
Anzahl der Bewerber mit Aussicht auf einen<br />
Ausbildungsplatz ist zurzeit nicht ausreichend.<br />
Da die Träger der praktischen Ausbildung<br />
zur Zahlung einer Ausbildungsvergütung verpflichtet<br />
sind und der Schule auf Dauer Plätze<br />
für die praktische Ausbildung zusichern müssen,<br />
bestehen Schwierigkeiten, die potenziellen<br />
Träger der praktischen Ausbildung auch weiter<br />
vertraglich zu binden. Sie halten sich gegenwärtig<br />
vor allem wegen der nicht geklärten<br />
Finanzierung der Ausbildungsvergütung eher<br />
zurück.<br />
Gegenwärtig wird in Sachsen-Anhalt die<br />
Verordnung über Berufsbildende Schulen überarbeitet.<br />
Eine Rahmenrichtlinie für die Altenpflegeausbildung<br />
ist ebenfalls in Vorbereitung.<br />
Die Stundentafel liegt vor. Die Ausbildung von<br />
Altenpflegehelfern wird nach der bisherigen<br />
Gesetzlichkeit weitergeführt.<br />
Konzeption und Bearbeitung:<br />
Simone Helck<br />
Gesundheit und Pflege<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 39
Gesundheit und Pflege<br />
40<br />
Wenn Heimbewohner zu „kontaminierten Keimträgern“ werden:<br />
MRSA in Altenpflegeheimen<br />
Zwei Gestalten in weißen Overalls und mit<br />
Kopfhauben gehen mit einer Trage über den<br />
steril aussehenden Flur einer Rehaklinik. Sie<br />
treten in das Zimmer des 66-jährigen Hans<br />
Anton* ein und sprechen durch ihre an Gasmasken<br />
erinnernde Schutzmasken zu dem<br />
Mann, der durch eine schwere Gehirnblutung<br />
aus seinem bisherigen Leben gerissen wurde,<br />
ins Koma fiel und sieben Wochen intensivmedizinisch<br />
in einem Krankenhaus betreut werden<br />
musste. Zwar erlangte er dort sein Bewusstsein<br />
wieder, doch sein Schluckreflex funktionierte<br />
nicht mehr. Sein Leben hängt nun an Tracheostoma<br />
und Magensonde, noch immer – trotz<br />
zwölf-wöchigen Aufenthalts in der Frührehabilitation.<br />
Nun, am Ende dieser Therapie, muss<br />
er von dem neurologischen Rehabilitationszentrum<br />
in ein Pflegeheim umziehen. Die vermummten<br />
Männer berühren ihn mit Handschuhen<br />
und betten ihn auf die Trage um. Seine<br />
anwesende Tochter Katja* spürt seine Angst<br />
und Nervosität – auch sie trägt Schutzkleidung.<br />
„Ich fühlte mich an den Film ‚Outbreak‘<br />
erinnert, in dem ein Tod bringendes Virus eine<br />
Stadt in Kalifornien heimsucht. Die beiden<br />
Zivis, die meinen Vater auf der so genannten<br />
Isolationsfahrt in sein zukünftiges Pflegeheim<br />
bringen sollten, erinnerten mich an die in<br />
Spezialanzügen verschnürten Seuchenexperten<br />
des Kinofilms: gesichtslos, steril und ohne<br />
jegliche Identität, sogar ihre Gesten waren für<br />
mich schwer zu erkennen. Für meinen Vater<br />
muss es schrecklich gewesen sein.“<br />
Die Geschichte kann beispielhaft stehen für<br />
immer mehr Pflegeschicksale in Deutschland.<br />
Denn bei Hans Anton wurde während seines<br />
Aufenthalts in dem neurologischen Rehabilitationszentrum<br />
der multi- oder Methicillinresistente<br />
Staphylococcus aureus (MRSA)<br />
nachgewiesen. Staphylococcus aureus (SA) ist<br />
ein an sich harmloses Bakterium, das auch<br />
viele gesunde Menschen mit sich tragen. Es<br />
* Name von der Redaktion geändert.<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
wird erst unter bestimmten Bedingungen zur<br />
Gefahr, nämlich wenn es beispielsweise seinen<br />
normalen Lebensort wie Nasenvorhof, Haaransatz,<br />
Achselhöhle oder Dammbereich verlässt<br />
und Wunden oder künstliche Körperöffnungen<br />
besiedelt. Dort oder weitergeleitet im<br />
Körperinneren kann es schwere Infektionen<br />
hervorrufen. Und wenn der Keim zudem zu<br />
den Stämmen gehört, die eine Resistenz gegen<br />
bestimmte Antibiotika wie Methicillin oder<br />
Oxacillin (MRSA) entwickelt haben, kann eine<br />
folgende Lungenentzündung oder Blutvergiftung<br />
tödlich verlaufen. Gefährdet sind vor<br />
allem Personen mit künstlichen Körperzugängen<br />
und Körperausgängen wie Katheter, Sonden<br />
und Tracheostomata. Aber auch Menschen<br />
mit offenen Wunden wie Ulcus cruris oder<br />
Dekubitalgeschwüren sind dem erhöhten<br />
Risiko einer MRSA-Besiedelung und -Infektion<br />
Menschen mit MRSA dürfen nur unter strengen Hygienevorschriften<br />
berührt werden – ein Stück Menschlichkeit<br />
bleibt dabei auf der Strecke. Foto: Stefan Priesteroth
ausgesetzt. Lange Krankenhausaufenthalte, ein<br />
schlechter Allgemeinzustand sowie der übermäßige<br />
Einsatz bestimmter Antibiotika tragen<br />
dazu bei, dass das Risiko einer MRSA-Infektion<br />
weiter steigt.<br />
Bei Hans Anton wurde die Besiedlung mit<br />
dem resistenten Bakterienstamm nach etwa<br />
zwei Monaten in der Frührehabilitationsphase<br />
diagnostiziert. Wann das genau passiert ist, ist<br />
nicht oder nur schwer nachzuweisen: „Eines<br />
Morgens kam ich zu Besuch und ich fand an<br />
der Türe meines Vaters das Schild ‚Isolationszimmer‘“,<br />
erinnert sich die Tochter. „Die Stationsärztin<br />
berichtete mir aufgeregt, dass sich<br />
der Zimmernachbar meines Vaters mit MRSA<br />
infiziert hätte“ und zitiert die Ärztin weiter:<br />
„Das ist eine Katastrophe für den Mann, denn<br />
durch die nun zwingend vorgeschriebenen<br />
Schutzmaßnahmen wie die Isolierung in einem<br />
Einzelzimmer und der Kontakt nur über<br />
Schutzkleidung werden die Erfolge der Rehabilitation<br />
erheblich eingeschränkt. Wollen wir<br />
hoffen, dass Ihr Vater nicht auch mit MRSA<br />
besiedelt ist.“ Die Hoffnung zerschlug sich<br />
schnell, denn der gleiche Erregerstamm wurde<br />
auch bei Hans Anton bei der Laboruntersuchung<br />
eines Nasen- und Rachenabstrichs nachgewiesen.<br />
Es besteht immer die Gefahr, dass es<br />
zur Übertragung zwischen Zimmernachbarn<br />
kommt. Denn der Übertragungsweg von<br />
MRSA ist einfach. Es genügt ein einfacher<br />
Händekontakt. Da die beiden immobilen,<br />
pflegebedürftigen Männer diesen aber gar nicht<br />
hatten, kann die Übertragung wohl indirekt<br />
erfolgt sein: über Pflegepersonal und Ärzte,<br />
Gegenstände oder auch möglicherweise Angehörige,<br />
zu denen die Männer Kontakt hatten.<br />
Dabei ist noch nicht einmal gesagt, dass sich<br />
Herr Anton bei seinem Zimmernachbarn angesteckt<br />
hat. Er kann den Erreger auch schon aus<br />
dem Akutkrankenhaus mitgebracht haben.<br />
Seine Entdeckung erfolgt leider oft erst dann,<br />
wenn bei einer besiedelten Person eine Infektion<br />
auftritt, bei der die gängigen Antibiotika<br />
nicht anschlagen.<br />
MRSA-Träger dürfen nicht<br />
abgewiesen werden<br />
Mit dem Nachweis von MRSA bei Herrn<br />
Anton begann eine Tortur für den ohnehin<br />
schon gesundheitlich stark angeschlagenen 66-<br />
Jährigen. Die Isolationsfahrt vom Rehabilitationszentrum<br />
ins Pflegeheim war dabei erst der<br />
Anfang. Für seine Familie stellte sich schon<br />
vorher ein großes Problem: „Wie finden wir ein<br />
Heim, dass unseren Vater aufnimmt?“<br />
„‚MRSA – nein danke‘, ‚Darauf sind wir nicht<br />
spezialisiert‘ oder ganz einfach ‚Unsere Wartelisten<br />
sind ohnehin zu lang‘, waren die gängigsten<br />
Antworten nachdem ich die Heimleiter<br />
informiert hatte, dass unser Vater ‚MRSA-<br />
Träger‘ ist. Wir haben mit fast 15 Heimen<br />
telefoniert, bis ich zwei in vertretbarer Nähe zu<br />
unserem Wohnort gefunden habe, die bereit<br />
waren, unseren Vater aufzunehmen. Das Heim,<br />
für das wir uns letztlich entschieden haben, gab<br />
sogar an, sich auf die Aufnahme von Bewohnern<br />
mit MRSA spezialisiert zu haben“, berichtet<br />
Katja Anton. Doch die meisten Heime sind<br />
nicht auf MRSA spezialisiert, viele sind sogar<br />
völlig unvorbereitet, wenn sie mit diesem Keim<br />
das erste Mal in Kontakt geraten.<br />
„Wir waren 1997 bis 1998 eines der ersten<br />
Heime im Raum Duisburg, das plötzlich mit<br />
MRSA konfrontiert wurde“, erinnert sich<br />
Stefan Helder, Altenpfleger und Pflegedienstleiter<br />
im Seniorenzentrum Altenbrucher Damm<br />
des Evangelischen Christopheruswerkes. „Ich<br />
wurde damals von einem Anruf aus einem<br />
Krankenhaus überrascht, bei dem ein Arzt mir<br />
mitteilte, dass ein Bewohner nach der Behandlung<br />
eines Akutleidens wieder ins Heim entlassen<br />
werden sollte, allerdings nun kontaminiert<br />
mit MRSA. Ich hatte noch nie etwas davon<br />
gehört und wusste auch nicht, was zu tun war,<br />
weshalb ich beim Gesundheitsamt der Stadt<br />
Duisburg um Rat gefragt habe. Gott sei Dank<br />
hat uns die Amtsärztin dort auch zur Seite<br />
gestanden und veranlasst, dass der Bewohner<br />
weiterhin im Krankenhaus verbleiben konnte<br />
und in sechs Wochen erfolgreich durch ein<br />
noch wirkungsvolles Antibiotikum saniert<br />
wurde, also frei war von MRSA.“<br />
Die rechtliche Situation stellt sich wie so<br />
oft wieder einmal ganz anders dar, als die<br />
Realität zeigt. „Bei einem vorübergehenden<br />
Krankenhausaufenthalt muss ein Pflegeheim<br />
einen infizierten Bewohner, mit dem ja schon<br />
ein Heimvertrag abgeschlossen ist, wieder<br />
aufnehmen. Ebenso ist die Kündigung des<br />
Heimvertrags seitens der Einrichtung aufgrund<br />
einer Keimträgerschaft nicht möglich“, berichtet<br />
Hans Böhme, Jurist und wissenschaftlicher<br />
Leiter des Instituts für Gesundheitsrecht und<br />
Gesundheit und Pflege<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 41
Gesundheit und Pflege<br />
42<br />
-politik (IGRP). Aber auch eine Neuaufnahme<br />
kann nicht abgelehnt werden, wenn als alleiniger<br />
Grund eine bekannte Keimträgerschaft<br />
vorliegt. „Hinzu kommt, dass die Krankenkasse<br />
für einen unnötig verlängerten Krankenhausaufenthalt<br />
die Kosten nicht übernimmt. Ist<br />
das Heim an der Entlassungsverzögerung<br />
Schuld, weil es sich weigert, einen infizierten<br />
Bewohner wieder aufzunehmen, kann ihm eine<br />
Kostenerstattung gegenüber der Klinik drohen.<br />
Im Gegenzug kann eine Einrichtung keinen<br />
Schadensersatz von der Klinik fordern, denn in<br />
aller Regel fehlt nämlich ein Beweis, dass die<br />
Infektion in der Klinik verursacht wurde. Das<br />
Krankenhaus muss allerdings unbedingt dem<br />
Heim die Keimträgerschaft mitteilen und haftet,<br />
wenn es seiner Mitteilungspflicht nicht<br />
nachkommt“, so Böhme. Haftbar sei darüber<br />
hinaus die Einrichtung oder der Mitarbeiter,<br />
der eine Verbreitung des Bakteriums grob<br />
fahrlässig provoziere.<br />
Das Duisburger Heim hatte damals das<br />
Glück, dass die weitsichtige Amtsärztin dem<br />
Heimpersonal nicht den Umgang mit MRSA<br />
zumutete, auf die es noch nicht vorbereitet war.<br />
Anders im Falle von Hans Anton. Dort hatte<br />
der Pflegedienstleiter ja anfangs angegeben, auf<br />
Die Besucher von mit MRSA befallenen Personen sehen<br />
alle gleich aus. Der Hygiene angemessene Schutzkleidung<br />
bei MRSA macht Betroffenen und Angehörigen Angst.<br />
Foto: Harald Raabe<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Bewohner mit MRSA spezialisiert zu sein, doch<br />
seine Tochter hatte eher das Gefühl, dass sich<br />
die Mitarbeiter durch mangelnde Kenntnisse<br />
und schlampige Arbeitsweisen auszeichneten.<br />
„Die in der Rehaklink begonnene Nasenvorhofsanierung<br />
mit Mupirocin-Salbe (Turixin“)<br />
wurde im Heim zunächst nicht weitergeführt.<br />
Das von der Rehaklinik mitgegebene<br />
Päckchen mit Pflegeutensilien, in dem sich<br />
auch die Nasensalbe befand, lag einige Tage<br />
ungeöffnet im Zimmer meines Vaters. Der vom<br />
Heim empfohlene Hausarzt hat uns sogar<br />
gefragt, wie denn das in der Rehabilitation mit<br />
den Kontrollabstrichen gemacht worden wäre,<br />
und zugegeben, dass er nicht so genau wisse,<br />
auf was man alles achten müsse. Zwischendurch<br />
kam schon mal eine Pflegerin des<br />
Wochenenddienstes ohne Schutzkleidung herein<br />
– ‚um schnell was zu erledigen‘ – ich<br />
konnte beobachten, dass Angehörige und<br />
Pflegekräfte uneinheitlich mit der Schutzkleidung<br />
umgingen. Zudem hatte ich das Gefühl,<br />
dass ich meine Hände definitiv gründlicher<br />
desinfizierte als ich das bei den meisten Pflegekräften<br />
beobachten konnte“, berichtet die<br />
Tochter, die sich dadurch veranlasst sah, sich<br />
bei der Pflegedienstleitung zu beschweren, was<br />
zu großen Konflikten führte.<br />
Information ist das A und O<br />
Im Seniorenzentrum Altenbrucher Damm sind<br />
solche Probleme bisher nicht aufgetreten, denn<br />
nach dem MRSA-Fall vor einigen Jahren blieb<br />
das Heim verschont von den resistenten Bakterien<br />
– soweit dies eben überhaupt bei Bewohnern<br />
getestet wurde. Doch aus der plötzlichen<br />
Konfrontation mit MRSA hat man längst<br />
Konsequenzen gezogen. Dort und in allen<br />
anderen Einrichtungen des Duisburger Trägers<br />
wurde eine Art Notfallplan erarbeitet, um in<br />
Zukunft auf möglicherweise auftretende<br />
MRSA-Fälle ‚angemessen‘ reagieren zu können.<br />
Man hält spezielle Wagen mit Hygieneartikeln<br />
wie Desinfektionsmittel, desinfizierende<br />
Waschlotionen oder Schutzkleidung vor – auch<br />
Infomaterial zum Thema ist vorhanden und<br />
wird dem Personal nahe gelegt zu lesen. „Dies<br />
alles gibt den Pflegenden im Falle des Falles<br />
eben auch Sicherheit im Umgang mit MRSA“,<br />
so Stefan Helder, der sich auch aufgrund seiner<br />
damaligen Erfahrung mittlerweile gut in die
Thematik eingearbeitet hat und so etwas wie<br />
ein interner „MRSA-Beauftragter“ für die<br />
Einrichtungen des Evangelischen Christopheruswerkes<br />
in Duisburg geworden ist. In diesem<br />
Zusammenhang pflegt er natürlich umso mehr<br />
einen guten Kontakt zur zuständigen Amtsärztin<br />
des örtlichen Gesundheitsamtes, die ihm<br />
beim ersten MRSA-Fall zur Seite stand.<br />
„Als ich in Duisburg meine Arbeit als<br />
Amtsärztin begann, habe ich mir natürlich<br />
auch einen Überblick über die Hygienesituation<br />
in den Alteneinrichtungen meines Arbeitsgebietes<br />
verschafft und dort Mängel feststellen<br />
können, die beispielsweise auch dazu hätten<br />
beitragen können, die Übertragung von MRSA<br />
zu fördern“, so Dr. Ute Martin. „Es war sehr<br />
wichtig für mich, vor allem in diesem Zusammenhang<br />
gewisse Hygienestandards in den<br />
Heimen zu setzen. Das Führen von Hygieneplänen<br />
oder das Angebot von Personalschulungen<br />
hat auch Früchte getragen. Gegenüber<br />
damals hat sich der heutige Informationsstand<br />
zur MRSA-Problematik zumindest in den<br />
Duisburger Alteneinrichtungen deutlich verbessert“,<br />
berichtet die Amtsärztin weiter. Auch die<br />
Krankenhäuser kooperierten gut und informierten<br />
die Heime rechtzeitig, wenn beim<br />
Krankenhausaufenthalt eine MRSA-Besiedlung<br />
nachgewiesen wurde. Nur die Hausärzte seien<br />
leider noch zu oft unwissend und würden<br />
beispielsweise die angebotenen Fortbildungen<br />
zu selten annehmen.<br />
Studien zu MRSA in Alten- und<br />
Pflegeheimen<br />
Wie wichtig diese sind, zeigt ein Blick auf die<br />
Verbreitung von MRSA in Deutschland und<br />
anderen Ländern. Zunächst hatten Wissenschaftler<br />
ihr Augenmerk nur auf Krankenhäuser<br />
gerichtet. In den letzten zehn Jahren ist dort<br />
die Prävalenz (Besiedlungshäufigkeit) mit<br />
MRSA von rund zwei Prozent auf circa 20<br />
Prozent angestiegen. „Damit liegen wir in<br />
Deutschland aber noch gut in der Mitte“,<br />
berichtet Dr. Dagmar Heuck vom Robert<br />
Koch-Institut (RKI) in Wernigerode. Deutlich<br />
höhere Häufigkeiten werden beispielsweise aus<br />
den USA berichtet. Im Gegensatz zu Deutschland<br />
ist dort auch die Situation in den Altenund<br />
Altenpflegeheimen gut dokumentiert,<br />
allerdings mit Besorgnis erregenden Zunahmen<br />
der MRSA-Vorkommen. So liegt die Prävalenz<br />
dort inzwischen bei acht bis 53 Prozent. Mit<br />
34 Prozent kämpft auch Japan mit einer sehr<br />
hohen Rate. Wesentlich besser ist die Situation<br />
in den Niederlanden. Dort liegen die MRSA-<br />
Prävalenzen in Pflegeheimen bei unter einem<br />
Prozent.<br />
1999 nahmen erstmals Alten- und Pflegeheime<br />
an einer überregionalen Studie vom<br />
Robert Koch-Institut (RKI) in Deutschland teil.<br />
Dabei wurden 1.342 Bewohnern aus 31 Heimen<br />
in fünf Bundesländern erfasst. Als Ergebnis<br />
wurde eine durchschnittliche Besiedlungshäufigkeit<br />
von 2,4 Prozent ermittelt. (Eine<br />
Regionalstudie von 1999 bis 2000 aus dem<br />
Rhein-Neckar-Raum um Heidelberg untersuchte<br />
3.238 Bewohner in 62 Heimen und<br />
ermittelte sogar nur eine Prävalenzrate von 1,1<br />
Prozent.) In einer neueren Querschnittsstudie<br />
aus Nordrhein-Westfalen, die vom Landesinstitut<br />
für den Öffentlichen Gesundheitsdienst in<br />
NRW (lögd) und den Gesundheitsämtern<br />
durchgeführt wurde, wurden bis März 2001 in<br />
einem Jahr 1.057 Bewohner und 193 Pflegekräfte<br />
auf MRSA untersucht. Die durchschnittliche<br />
Prävalenzrate beträgt in dieser Studie drei<br />
Prozent. Allerdings wurde als Bezugsgröße für<br />
die Prävalenzen in den Alten- und Pflegeheimen<br />
immer die Gesamtzahl der Altenheimbewohner<br />
herangezogen. „Sobald man allerdings<br />
wie bei den Untersuchungen in den Krankenhäusern<br />
als Bezugsgröße alle Bewohner nimmt,<br />
die Träger von Staphylococcus aureus, also<br />
auch vom Methicillin-sensiblen Staphylococcus<br />
aureus, sind, und das sind durchweg fast 50<br />
Prozent – steigt auch die MRSA-Prävalenz um<br />
mehr als das Doppelte auf 6,3 Prozent“,<br />
erklärt Dr. Barbara Neuhaus vom lögd. „Es<br />
muss heute generell damit gerechnet werden,<br />
dass sich Bewohner von Altenpflegeheimen mit<br />
MRSA infizieren können“, so die Ärztin weiter.<br />
Eine Ursache dafür sei auch, dass sich Einrichtungen<br />
der Altenpflege zunehmend zu Krankenpflegeeinrichtungen<br />
wandelten, mit immer<br />
mehr schwerstpflege- bzw. intensivpflegebedürftigen<br />
Menschen. „Durch die immer kürzer<br />
werdende Krankenhausverweildauer entwickeln<br />
sich Altenpflegeeinrichtungen immer<br />
mehr zu postoperativen Nachsorgeeinrichtungen.<br />
So kann es bei pflegerischen Maßnahmen<br />
insbesondere bei Wundpflege in den Heimen<br />
bei MRSA-Trägern zur MRSA-Infektion bzw.<br />
von diesen Patienten zur Übertragung auf<br />
Gesundheit und Pflege<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 43
Gesundheit und Pflege<br />
44<br />
andere Bewohner kommen, betont auch noch<br />
einmal Dr. Dagmar Heuck vom RKI. Beide<br />
Ärztinnen plädieren dafür, dass das einzig<br />
effektive Mittel zur Bekämpfung von MRSA<br />
eben sei, hygienische Standardmaßnahmen<br />
auch in den Altenheimen strikt einzuhalten,<br />
vor allem dann, wenn es zu einem Ausbruch<br />
kommen sollte. Dass MRSA manchmal in<br />
einem Heim einfach nicht verschwinden will,<br />
liege oft daran, dass eben viele notwendige<br />
Maßnahmen nicht konsequent durchgeführt<br />
würden, beklagt Neuhaus: „Da werden Dekubitalgeschwüre<br />
nicht ausgeheilt, die Behandlung<br />
mit der Nasensalbe nicht konsequent<br />
durchgeführt oder die Händedesinfektion<br />
einfach schlampig durchgeführt, nach dem<br />
Motto ‚husch, husch drüber – fertig‘.“<br />
Hygiene kontra soziale Isolation<br />
„Unser Dilemma ist, dass Hygienemaßnahmen<br />
schnell die Atmosphäre kaputtmachen können“,<br />
bedenkt der Altenpfleger und „MRSA-<br />
Beauftragte“ Stefan Helder aus Duisburg, der<br />
sehr gut verstehen kann, „dass, wenn die Fachleute<br />
ihr Hygieneprogramm sehr seriös abspulen,<br />
Betroffene und Angehörige sich eher an<br />
‚Outbreak‘ erinnert als aufgehoben fühlen. Bei<br />
dieser Maschinerie bleibt dann leider ein Stück<br />
Menschlichkeit auf der Strecke. Vielleicht auch,<br />
weil man nicht offensiv genug mit dem Thema<br />
im Heimbereich umgeht.“ So stünden oft die<br />
Angst vor einem schlechten Ruf, MRSA im<br />
Heim zu haben, und die Furcht vor Zusatzkosten<br />
durch einen zusätzlichen Pflege- und<br />
Hygienemittelaufwand, einem transparenten<br />
Umgang mit MRSA, wie ihn zum Beispiel die<br />
Niederländer praktizierten, im Wege. „Dort<br />
wird schon bei geringstem Verdacht in einer<br />
Einrichtung ein Abstrich genommen und auf<br />
MRSA untersucht.“<br />
Auch die Duisburger Amtsärztin Ute Martin<br />
sieht durchaus das Spannungsfeld zwischen<br />
Hygiene bzw. Infektionsschutz und Wohnlichkeit<br />
in den Heimen. Sie hält aber zur Bekämpfung<br />
der MRSA die Hygienemaßstäbe, die für<br />
die Krankenhäuser gelten, auch für die Pflegeheime<br />
für unabdingbar. „Es ist allerdings wichtig,<br />
dass die alten Menschen, vor allem wenn<br />
sie isoliert sind, sozial betreut werden. Dass<br />
dies neben personellen Zusatzkosten natürlich<br />
auch zu weiteren Kosten bezüglich zusätzlicher<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Hygieneartikel wie Kittel oder Desinfektionsmittel<br />
führt, wird wahrscheinlich auch ein<br />
Grund sein, warum Heime nicht unbedingt<br />
Menschen mit MRSA neu aufnehmen wollen“,<br />
bedenkt Martin. Bei einer gesicherten Finanzierung<br />
hätte man die Probleme sicher besser im<br />
Griff.<br />
Auch Stefan Helder betont, dass Heimbewohner,<br />
die wegen MRSA isoliert würden, von<br />
allen Mitarbeitern inklusive des sozialen Dienstes<br />
sehr intensiv betreut werden müssten: „Es<br />
gilt, den Alltag ins Zimmer zu bringen. Dazu<br />
gehören tägliche Besuche durch soziale Dienste,<br />
durch Angehörige und auch die Bewohner.<br />
Aber auch mehr Gespräche mit dem Personal,<br />
das zudem die Angehörigen motivieren sollte,<br />
ihre Besuche auszudehnen und zu häufen.<br />
Dazu kommen ein gemütliches Zimmer mit<br />
vielen persönlichen Gegenständen, aber auch<br />
Radio, Fernsehen und Telefon. Außerdem<br />
sollten möglichst alle nötigen MRSA-Hygiene-<br />
Utensilien aus dem Blickfeld der Betroffenen<br />
geräumt werden.“<br />
Zudem, betonen auch die Ärztinnen Dr.<br />
Barbara Neuhaus vom lögd und Dr. Dagmar<br />
Heuck vom RKI, könnten bei Einhaltung der<br />
hygienischen Standardmaßnahmen und ohne<br />
Ausbruch einer Infektion, Bewohner, die mit<br />
MRSA besiedelt sind, ohne Probleme am<br />
Gemeinschaftsleben und an Therapiemaßnahmen<br />
eines Altenheims teilhaben. Vor allen<br />
Dingen gelte dies für Bewohner, bei denen<br />
lediglich der Nasenvorhof besiedelt sei und die<br />
mit Nasensalbe therapiert würden. Besiedelte<br />
offene Wunden oder Harnwegssysteme ließen<br />
sich in der Regel problemlos abdecken,<br />
wodurch für die Mitbewohner und Pflegekräfte<br />
keine Infektionsgefahr mehr bestünde. Allerdings<br />
sollten derartige Bewohner auch zur<br />
Händedesinfektion angehalten werden.<br />
„Um die soziale Isolation zu durchbrechen,<br />
wäre auch bei Menschen mit besiedeltem Tracheostoma<br />
– trotz des durch Husten erhöhten<br />
Übertragungsrisikos – die Überlegung wert, das<br />
Zimmer beispielsweise mit einem Rollstuhl zu<br />
verlassen. Dabei wäre allerdings zu beachten,<br />
dass ein gewisser Abstand zu den Mitbewohnern<br />
eingehalten wird, vor allen Dingen zu den<br />
besonders gefährdeten Personen“, so Dr. Barbara<br />
Neuhaus.<br />
Aber auch hier scheinen Anspruch und<br />
Realität wieder einmal weit auseinander zu<br />
klaffen. So hat leider im Falle von Hans Anton
Foto: Werner Krüper<br />
Händedesinfektion<br />
Eine Händedesinfektion ist erst dann ausreichend,<br />
wenn mindestens drei Milliliter Desinfektionslösung<br />
mindestens eine Minute<br />
sorgfältig in den Händen verrieben wird.<br />
Dabei ist darauf zu achten, dass auch Nagelpfalz<br />
und die Haut in den Fingerzwischenräumen<br />
benetzt wird. Auch nach dem Tragen<br />
von Latexhandschuhen sollten die<br />
Hände desinfiziert werden, denn ein erheblicher<br />
Prozentsatz der Handschuhe ist nicht<br />
dicht. Der Spender darf dabei nie mit den<br />
Händen bedient werden.<br />
die wünschenswerte und wichtige soziale<br />
Betreuung während seiner Isolation im Einzelzimmer<br />
überhaupt nicht stattgefunden: „Meine<br />
Schwester und ich, wir haben bei unseren<br />
täglichen Besuchen im Altenpflegeheim nie<br />
erlebt, dass mein Vater auch nur einmal sein<br />
Zimmer verlassen durfte – auch nicht mit<br />
ausreichenden Schutzmaßnahmen – wir waren<br />
eigentlich schon froh, wenn er innerhalb seines<br />
Zimmers überhaupt aus dem Bett kam. Sonstige<br />
soziale Betreuung, die über die pflegerischen<br />
Handlungen hinausging, hat nicht stattgefunden.<br />
Wir fanden jedes Mal einen einsamen<br />
Mann vor, der über Wochen nur seine vier<br />
Wände, zwei vermummte Töchter und verschleiertes<br />
Pflegepersonal gesehen hat“, berichtet<br />
Katja Anton. Dies alles zeigt, dass in der<br />
Altenpflege die hygienischen Aspekte bei<br />
MRSA weit mehr ethisch-soziale Fragen aufwerfen,<br />
als dies in der Krankenpflege der Fall<br />
ist.<br />
Juristische Aspekte im Alten- und<br />
Pflegeheim<br />
„Auf gar keinen Fall muss eine Einrichtung der<br />
stationären Altenhilfe ein speziell ausgestattetes<br />
Zimmer zur Keimverschleppungsprophylaxe<br />
oder gar eine Isolierstation vorhalten. Das<br />
Interesse der Bewohner an einem Leben in<br />
angemessener Umgebung und in Gemeinschaft<br />
steht immer im Vordergrund. Eine MRSA-<br />
Besiedelung rechtfertigt keine Seuchenmaßnahmen“,<br />
betont Hans Böhme. Dies betreffe beispielsweise<br />
auch die Doppelzimmerproblematik<br />
bei mobilen Bewohnern. Zwar sollten<br />
möglichst nur Bewohner zusammenwohnen,<br />
die auch Keime desselben Stammes tragen, ist<br />
allerdings der Partner oder ein Mitbewohner<br />
keimfrei, stünde bei ihm das Selbstbestimmungsrecht<br />
vor etwaigen Sicherungsmaßnahmen,<br />
wie beispielsweise ein hausinterner<br />
Umzug und verstärkte Hygienemaßnahmen.<br />
Verzichte der nicht infizierte Bewohner auf<br />
diese, sollte dies allerdings gut dokumentiert<br />
werden, um etwaigen späteren Vorwürfen und<br />
Ansprüchen zuvorzukommen, so Böhme.<br />
Würden freiheitseinschränkende Maßnahmen<br />
in Betracht gezogen, wären diese ohne richterlichen<br />
Erlass nicht möglich. An solche Maßnahmen<br />
würde zumeist dann gedacht, wenn<br />
bei einem Bewohner mit Demenz und starkem<br />
Bewegungsdrang MRSA aufgetreten sei. Denn<br />
dies stelle die Verantwortlichen oft vor das<br />
große Problem, andere gefährdete Hausbewohner<br />
vor einer Ansteckung zu schützen.<br />
Eine der zentralsten Fragen, die sich Böhme<br />
bei dem Thema MRSA stelle, sei, was man an<br />
Hygienmaßnahmen umsetzen müsse und wie<br />
man das so umsetzen könne, dass die häusliche<br />
Atmosphäre erhalten bleibe. „Ein Altenheim<br />
darf auf keinen Fall in eine Infektionsstation<br />
umgestaltet werden“, fordert der Jurist. Die<br />
Beobachtung, dass die Anforderungen an<br />
Medizin, Pflege und Sicherheit immer größer<br />
werden, lässt ihn befürchten, dass man aus<br />
organisatorischen und finanziellen Gründen im<br />
Pflegeheimbau wieder zu größeren Einrichtungen<br />
tendiere, die man doch eigentlich erst<br />
überwunden glaubte. Große Sorge bereitet<br />
Hans Böhme die Entwicklung, dass viele Entscheidungsträger,<br />
die für Hygiene-Fragen<br />
zuständig sind, aus den Krankenhäusern kommen.<br />
Dies führe auch dazu, dass in den Heimen<br />
leider immer mehr Reglementierungen<br />
Gesundheit und Pflege<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 45
Gesundheit und Pflege<br />
46<br />
Tritt in Heimen MRSA auf, sollten nicht nur die erforderlichen<br />
Hygieneartikel bereitstehen. Auch auf den erschwerten<br />
„persönlichen“ Umgang mit den Betroffenen<br />
Menschen sollten die Pflegepersonen vorbereitet sein.<br />
Foto: Stefan Priesteroth<br />
eingeführt würden, die oft in einen wahren<br />
Papierkrieg mündeten. „Ich denke, dass viele<br />
Heime mit immer mehr Regelungen langsam<br />
überfordert sind. Sie kapitulieren davor und<br />
machen dann dabei einfach auch katastrophale<br />
Fehler“, so Böhme. Andererseits würde seitens<br />
der Politik versäumt, abgestufte Versorgungssysteme<br />
zu etablieren, die die aufkommende<br />
Frage nach Spezialheimen für Schwerst-Pflegebedürftige<br />
überflüssig machen würden.<br />
Weiterbildung in Hygiene<br />
Zudem bleibt die Frage, wie bei ohnehin bestehendem<br />
Personalmangel im Altenpflegebereich<br />
die in der Pflege arbeitenden Personen sich des<br />
immer stärker ausweitenden MRSA und damit<br />
verbundenen Hygiene-Problems annehmen<br />
können. Neben gezielter Information gibt es<br />
auch in diesem Segment die Möglichkeit zur<br />
Fort- und Weiterbildung. Das Bildungsinstitut<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
für Gesundheitswesen gGmbH (BIG) in Duisburg<br />
bietet beispielsweise gezielt für die<br />
Hygiene in Alten- und Pflegeheimen eine 240stündige<br />
berufsbegleitende Ausbildung mit dem<br />
Zertifikat „Hygienebeauftragter in der stationären<br />
Altenhilfe“ an und gehört damit zu den<br />
Vorreitern in Nordrhein-Westfalen. Hermann<br />
Heil-Ferrari, Geschäftsführer des BIG, ist sich<br />
des Spagats bewusst, den die Altenpflege<br />
bezüglich MRSA oft leisten muss: „Neben der<br />
grundsätzlichen Befähigung, Hygieneprobleme<br />
erkennen zu lernen und Lösungsansätze zusammen<br />
mit der Heimleitung umzusetzen, wird<br />
ebenfalls vermittelt, dass neben den Hygienestandards<br />
auch die Wahrung des wohnlichen<br />
Umfeldes gewährleistet bleiben muss. Wir<br />
wollen also keine reinen Hygienepäpste ausbilden“,<br />
betont Heil-Ferrari die Zielsetzung dieser<br />
Weiterbildung, die ein Überblickswissen zur<br />
Hygieneproblematik vermittelt. Des Weiteren<br />
kann in Nordrhein-Westfalen über das BIG<br />
und die Caritas-Akademie in Köln auch eine<br />
berufsbegleitende zweijährige Weiterbildung<br />
zur Hygienefachkraft wahrgenommen werden,<br />
die allerdings mehrere Haken hat. Zum einen<br />
kann diese nur von Krankenpflege- und Kinderkrankenpflegekräften,<br />
die in der Altenpflege<br />
arbeiten, wahrgenommen werden. Des Weiteren<br />
fallen durch Umfang und Dauer der Ausbildung<br />
für den Arbeitgeber die betreffenden<br />
Personen in der Pflege aus, was bei der derzeitigen<br />
Personalnot gegen diese Weiterbildungsmöglichkeit<br />
spricht. Zudem handelt es sich bei<br />
diesen Beispielen auch ‚nur‘ um NRW-spezifische<br />
Angebote. Denn verkompliziert wird alles<br />
durch die unterschiedlichen Kursangebote in<br />
den einzelnen Bundesländern mit ihren eigenen<br />
Weiterbildungs- und Prüfungsverordnungen.<br />
Nicht zuletzt durch das in Sachen MRSA<br />
sehr aktive Gesundheitsamt in Duisburg, das in<br />
enger Kooperation mit dem BIG steht, hat sich<br />
die Hygienesituation in den Alten- und Pflegeheimen<br />
Duisburgs verbessert, wie die Beteiligten<br />
dort berichten. „Ob allerdings der schwierige<br />
Spagat zwischen Hygiene und Wohnlichkeit<br />
nicht nur in der Weiterbildung theoretisch<br />
gelingt, sondern auch zufrieden stellend in der<br />
Praxis umgesetzt wird, dann, wenn MRSA<br />
auftritt, muss sich eben von Fall zu Fall entscheiden<br />
und obliegt keiner echten Kontrolle“,<br />
gibt auch Heil-Ferrari zu bedenken.<br />
Das Beispiel von Hans Anton gibt diesen<br />
Bedenken recht. Sein Heim und dessen Pflege-
personal, das sich ausdrücklich auf die Aufnahme<br />
von Menschen, die MRSA-Träger sind,<br />
spezialisiert hat, hat sich diesbezüglich nicht<br />
ausgezeichnet. Weder durch seine hygienische,<br />
noch durch seine soziale Kompetenz. Mittlerweile<br />
hat Hans Anton es geschafft, die resistenten<br />
Bakterien loszuwerden. Auch wenn der<br />
Preis dafür sehr hoch war; elf Wochen in absoluter<br />
Isolation, in denen er weder Gesichter<br />
ohne Masken sehen noch Berührungen ohne<br />
Latexhandschuhe spüren konnte, stellten eine<br />
enorme psychische Belastung dar. Die Töchter<br />
jedenfalls sehen in diesem Heim keine Zukunft<br />
für ihren Vater. Sie machen sich wieder auf die<br />
Suche nach einer neuen Unterkunft für ihn –<br />
dieses Mal in der Hoffnung – weil „MRSA-frei<br />
– nicht von fast allen angefragten Heimen<br />
abgewiesen zu werden.<br />
Harald Raabe<br />
Literatur<br />
• Heuck, D. et al.: Erste Ergebnisse einer überregionalen<br />
Studie zur MRSA-Besiedlung bei Bewohnern<br />
von Alten- und Pflegeheimen, in: HygMed 2000, 25 (5),<br />
S. 191–192<br />
• Neuhaus, B. et al.: Studie zum Vorkommen von<br />
MRSA in Alten- und Pflegeheimen. Bielefeld 2002,<br />
lögd (Hrsg.), 48 Seiten<br />
• Umgang mit MRSA-Infektionen – Pflegerische, medizinische,<br />
hygienische und juristische Aspekte – Dokumentation<br />
einer Fachtagung im Februar 2002, Diakonisches<br />
Werk Württemberg<br />
• Hans Böhme: Rechtliche Fragestellungen im Umgang<br />
mit MRSA-infizierten Bewohnern in Pflegeheimen,<br />
Teil 1, in: Pflege- & Krankenhausrecht (PKR) 1/2000,<br />
S. 2–6; Teil 2, in: PKR 2/2000, S. 29–33<br />
• Ratgeberbroschüre: MRSA – Mücke oder Elefant,<br />
Hrsg. Evangelischer Verband für Altenarbeit im Rheinland.<br />
Bestellung unter: http://www.eva-rheinland.de/<br />
bestellungen.html#muecke<br />
Kontakte<br />
• Robert Koch-Institut, Burgstr. 37, 38855 Wernigerode,<br />
Telefon 0 39 43/6 79-0, Internet: www.rki.de<br />
• Lögd, Landesinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst<br />
NRW, Westerfeldstr. 35/37, 33611 Bielefeld,<br />
Telefon 05 21/80 07-0, Internet: www.loegd.nrw.de/<br />
• Institut für Gesundheitsrecht und -politik (IGRP),<br />
Rostocker Str. 15, 72116 Mössingen, Telefon 07473/<br />
71676<br />
• BIG-Bildungsinstitut im Gesundheitswesen gGmbH,<br />
Duisburg, Telefon 02 03/35 10 90, Internet:<br />
www.big-duisburg.de<br />
• Caritas-Akademie, Köln, Telefon 02 21/4 68 60-0<br />
Verstärkte „Interkulturelle Öffnung“ der Altenhilfe<br />
in Bremen angestrebt<br />
Die Einrichtungen der Altenhilfe in Bremen<br />
sollen ihre Angebote verstärkt auf die Bedürfnisse<br />
älterer Migranten ausrichten, forderten<br />
der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit,<br />
Jugend und Soziales sowie die Arbeiterwohlfahrt<br />
(AWO) in Bremen. In den Bremer Heimen<br />
seien bisher nur wenige ältere Türken oder<br />
Aussiedler anzutreffen. Die Migranten hätten<br />
zu wenig Kenntnis über die Angebote der<br />
Altenhilfe – auch wenn sie schon seit Jahrzehnten<br />
in Deutschland lebten. Trotz Bemühungen<br />
der Träger um diese Personengruppe seien die<br />
Einrichtungen der Altenhilfe in den Konzepten<br />
und in der Ausgestaltung der Angebote noch<br />
unzureichend auf Migranten eingestellt. Deshalb<br />
habe die AWO eine entsprechende Projektidee<br />
entwickelt und ein Konzept zur „Interkulturellen<br />
Öffnung der Altenhilfe“ erarbeiten<br />
lassen, das auch anderen Trägern im Land<br />
Bremen zur Verfügung stehe. Dieses beinhaltet<br />
eine Bestandsaufnahme, Befragungsergebnisse,<br />
Dimensionen der kulturellen Öffnung sowie<br />
differenzierte Handlungsempfehlungen. In den<br />
AWO Einrichtungen im Bremer Westen, ein<br />
Stadtteil, in dem besonders viele Migranten<br />
leben, setzt jetzt die Phase der Umsetzung ein.<br />
In Bremen leben rund 126.000 Migrant/-innen.<br />
Im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung<br />
nutzen sie die unterschiedlichen Formen<br />
der Unterstützung, wie Nachbarschaftshilfe,<br />
häusliche Krankenpflege, Tages- oder Langzeitpflege,<br />
nur unterdurchschnittlich. S. H.<br />
Ausschreibung des Förderpreises Pflegeschulen<br />
2003/2004<br />
Zum fünften Mal hat die Robert Bosch<br />
Stiftung den Förderpreis Pflegeschulen ausgeschrieben.<br />
Dieser zielt darauf ab, Aktivitäten<br />
anzuregen und zu fördern, die auf ein übergreifendes,<br />
Synergieeffekte bewirkendes Lehren<br />
und Lernen ausgerichtet sind. Unter dem Titel<br />
„Gemeinsam lernen und handeln“ müssen bis<br />
zum 24. Oktober 2003 Unterlagen zur Projektplanung<br />
und bis zum 30. Juni 2004 der Projektbericht<br />
eingereicht werden. Der erste Preis ist in<br />
Höhe von 5.000 Euro dotiert. Weitere Informationen<br />
gibt es unter: www.bosch-stiftung.de<br />
und Foerderpreis.Pflegeschulen@t-online.de.<br />
S. H.<br />
Gesundheit und Pflege<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 47
Gesundheit und Pflege<br />
48<br />
Neueste Forschungsarbeit belegt:<br />
„Bettlägerigkeit ist kein unumkehrbares<br />
Schicksal“<br />
Das Pro<strong>Alter</strong>-Experteninterview<br />
Dass „alte und kranke Menschen für längere Zeit ins Bett gehören“, ist für die Pflegewissenschaftlerin<br />
Angelika Abt-Zegelin eine Überlieferung aus dem 19. Jahrhundert. Seit rund vier<br />
Jahren beschäftigt sich die Doktorandin aus Witten-Herdecke mit dem Thema Bettlägerigkeit<br />
und ist unter anderem zu der Erkenntnis gekommen, dass dieser Zustand für viele Menschen<br />
auch einen sozialen Tod bedeutet. In ihrer Forschungsarbeit hat sie 32 Fälle von Bettlägerigkeit<br />
in der häuslichen und stationären Pflege untersucht. Die Arbeit wird in Kürze eingereicht und<br />
im Verlauf dieses Jahres beim Hans-Huber-Verlag als Buch erscheinen. Für die Leserschaft von<br />
Pro<strong>Alter</strong> hat die renommierte Pflegewissenschaftlerin schon einmal vorab einen Einblick in<br />
ihre Forschungsarbeit gegeben.<br />
Pro<strong>Alter</strong>: Wie kamen Sie auf das Thema<br />
Ihrer Doktorarbeit?<br />
Abt-Zegelin: Ich habe festgestellt, dass<br />
der Begriff „Bettlägerigkeit“ überhaupt nicht<br />
gefüllt ist und von vielen Menschen ganz unterschiedlich<br />
gebraucht wird. Ich war richtig<br />
erschrocken, dass dieser Begriff nicht richtig<br />
definiert ist, aber sehr häufig in der Pflege<br />
benutzt wird. Da ich mich sehr mit Pflege und<br />
Sprache beschäftige, hat mich dieses begriffliche<br />
Vakuum herausgefordert und sozusagen<br />
meinen Forschergeist geweckt. In den Pflegebüchern<br />
zum Beispiel gibt es Bettlägerigkeit nicht<br />
als Stichwort, obwohl es eigentlich in aller<br />
Munde ist. Bei meiner weltweiten Literaturrecherche<br />
musste ich feststellen, dass es über die<br />
Ursachen und Formen von Bettlägerigkeit<br />
keine wissenschaftlichen Untersuchungen gibt.<br />
Das fand ich natürlich sehr spannend, und bei<br />
meiner Forschungsarbeit kam ich mir manchmal<br />
vor wie ein „Kommissar“ in einem Krimi,<br />
der irgendwas Neues entdeckt oder aufdeckt.<br />
Ich hatte aber auch beruflich und privat<br />
viel mit Bettlägerigkeit zu tun, und das ist ein<br />
weiterer Grund, warum mir dieses Thema so<br />
interessant erschien.<br />
Pro<strong>Alter</strong>: Was sind die wesentlichen Merk-<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Angelika<br />
Abt-Zegelin.<br />
Foto: privat<br />
male für diesen Zustand? Und lässt sich Bettlägerigkeit<br />
danach eindeutig definieren?<br />
Abt-Zegelin: Zunächst muss man den<br />
Begriff Bettlägerigkeit abgrenzen von dem<br />
Begriff Bettruhe. Bettruhe ist eine befristete<br />
und häufig vom Arzt angeordnete Therapie<br />
und Schonung. Das ist etwas anderes als „Bettlägerigkeit“.<br />
Ich habe eine vorläufige beschreibende<br />
Definition in meiner Forschungsarbeit<br />
vorgenommen, und mir ist es wichtig, dass<br />
dieser Begriff in der Pflege jetzt differenzierter<br />
gehandhabt wird:
Bettlägerigkeit ist auf jeden Fall ein längerfristiger<br />
Daseinszustand, bei dem sich der Mensch<br />
die überwiegende Zeit des Tages und in der<br />
Nacht liegend aufhält. Es ist egal, ob man<br />
übrigens im Bett liegt oder auf dem Sofa, ob<br />
man halb sitzt oder aufrecht liegt. Entscheidend<br />
ist, dass die Beine oben sind.<br />
Viele Bettlägerige liegen gar nicht<br />
im Bett<br />
Viele Bettlägerige liegen gar nicht im Bett,<br />
sondern zum Beispiel auf dem Sofa oder anderen<br />
bettähnlichen Liegemöbeln. Das wesentliche<br />
Element der Definition ist, dass sich die<br />
Betroffenen die überwiegende Zeit des Tages<br />
liegend aufhalten, egal auf welchem Möbel.<br />
Man muss nun verschiedene Formen von<br />
Bettlägerigkeit unterscheiden. Ich habe in der<br />
Doktorarbeit drei unterschiedliche Schweregrade<br />
beschrieben. In der strikten Form von<br />
Bettlägerigkeit steht der Mensch überhaupt<br />
nicht mehr auf. Dann liegt er 24 Stunden. Bei<br />
einer leichten Ausprägung von Bettlägerigkeit<br />
ist es so, dass sich der Mensch vier bis fünf<br />
Stunden in einem Rollstuhl oder Sessel außerhalb<br />
des Bettes aufhalten kann. Dazwischen<br />
gibt es eine mittlere Ausprägung von Bettlägerigkeit.<br />
Die Menschen liegen die überwiegende<br />
Zeit des Tages, auch wenn sie das Bett für<br />
einige Handlungen verlassen können (zum<br />
Beispiel zur Toilette gehen). Man kann auch<br />
noch unterscheiden, ob jemand die Hilfe von<br />
einer oder zwei Personen braucht, ob er das<br />
alleine machen kann oder dabei auf Hilfsmittel<br />
angewiesen ist.<br />
Pro<strong>Alter</strong>: Ist Bettlägerigkeit bei alten<br />
Menschen ein „Massenphänomen“?<br />
Abt-Zegelin: Das ist ein Tabuthema und<br />
eine Grauzone, je nachdem wie man „Bettlägerigkeit“<br />
definiert. Man kann zum Beispiel<br />
sagen, dass im Grunde jeder Mensch, bevor er<br />
stirbt, irgendwann auch bettlägerig ist. Insoweit<br />
kommt es wahrscheinlich recht häufig vor.<br />
Ich persönlich glaube, dass das ein häufiger<br />
Zustand ist.<br />
Wenn sie zum Beispiel im Altenheim nach<br />
bettlägerigen Bewohnern fragen, wird zumeist<br />
behauptet, dass es keine gäbe. Denn die Pflegenden<br />
denken, dass sobald sie einen Bewohner<br />
kurzfristig (zum Beispiel zweimal am Tag<br />
für eine halbe Stunde) „raussetzen“, dieser<br />
dann nicht mehr dauerhaft liegt, obwohl er<br />
eigentlich nur disloziert wird und sich gar nicht<br />
selbst bewegt. Im Sinne der aktivierenden<br />
Pflege darf aber keiner dauerhaft liegen. Deshalb<br />
werden immer vordergründig alle Betroffenen<br />
aus dem Bett in einen Stuhl gesetzt. Es ist<br />
aber nur eine Frage der Definition, ob dieser<br />
Zustand etwas anderes ist als Bettlägerigkeit.<br />
Foto: Werner Krüper<br />
Gesundheit und Pflege<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 49
Gesundheit und Pflege<br />
50<br />
Die betroffenen Menschen definieren diesen<br />
Zustand der „Bettlägerigkeit“ übrigens anders.<br />
Und diese Definition ist das zentrale Konzept<br />
meiner Arbeit. Es handelt sich hierbei um eine<br />
allmähliche Ortsfixierung: „Ich bin wie festgenagelt“,<br />
sagten die Befragten. Für die Menschen<br />
ist nicht entscheidend, ob sie im Bett<br />
liegen oder an einem anderen Ort fixiert sind.<br />
Sie brauchen aber auf jeden Fall Hilfe, um<br />
diesen Ort zu verlassen. Wenn sie beispielsweise<br />
im Altenheim gesagt bekommen, dass<br />
keiner bettlägerig sei, dann kann es aber sein,<br />
dass einige Bewohner am Sessel oder am Sitzstuhl<br />
„fixiert“ sind in dem Sinne, dass sie von<br />
dort alleine nicht wegkönnen. Und leider gibt<br />
es davon ganz viele Fälle.<br />
<strong>Alter</strong> ist nicht der entscheidende<br />
Punkt, ob ein Mensch bettlägerig<br />
wird<br />
Pro<strong>Alter</strong>: Worin liegen Ihrer Meinung nach<br />
die entscheidenden Ursachen für die Bettlägerigkeit?<br />
Abt-Zegelin: Eine wichtige Erkenntnis<br />
meiner Untersuchungen ist, dass es sich dabei<br />
um einen schleichenden Prozess handelt und<br />
dass es ein Bündel verschiedener und miteinander<br />
verketteter Einflussfaktoren und Ursachen<br />
für Bettlägerigkeit gibt. Dazu habe ich 32<br />
Personen in Altenheimen und zu Hause sehr<br />
ausführlich befragt. Ich habe bei allen die<br />
Entwicklung nachgezeichnet und festgestellt,<br />
dass es da immer wieder die gleichen wiederkehrenden<br />
Muster gibt. Die Ursachen liegen<br />
gar nicht so sehr im Krankheitsbereich. Ich<br />
habe bettlägerige Menschen mit ganz unterschiedlichen<br />
Diagnosen untersucht. Auch das<br />
<strong>Alter</strong> ist nicht der entscheidende Punkt, ob ein<br />
Mensch bettlägerig wird oder nicht. Am<br />
Anfang meiner Forschung habe ich gedacht,<br />
dass Bettlägerigkeit mit dem <strong>Alter</strong> zusammenhängt.<br />
Aber ich habe ganz aktive 95-Jährige<br />
getroffen, die dagegen ankämpfen, und ich<br />
habe 65-Jährige gesehen, die ganz passiv liegen<br />
geblieben sind.<br />
Ein entscheidender Teil der Ursachen liegt<br />
also in dem bettlägerigen Menschen selbst. Ein<br />
großes Problem ist hierbei die Rücksichtnahme.<br />
Das heißt, wenn der Mensch sich selbst<br />
als lästig empfindet und wenn er erlebt, dass<br />
das Personal knapp ist und dass noch andere<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
deren Hilfe brauchen, dann wollen die Hilfsbedürftigen<br />
keine „Zumutung“ sein und sagen:<br />
„Ach, heute muss ich nicht aufstehen.“ Die<br />
Betroffenen nehmen sich zurück und wollen<br />
liegen bleiben oder nur ganz kurz vor das Bett<br />
gestellt werden, was aber nicht ausreicht,<br />
damit sich der Kreislauf umstellen kann. Auch<br />
jemanden einmal am Tag 15 Minuten aus dem<br />
Bett zu nehmen, ist noch nicht genug. Die<br />
Menschen müssen wie in der Normalität ganz<br />
viel Zeit außerhalb des Bettes verbringen, mit<br />
den Beinen nach unten. Das ist aber aus strukturellen<br />
und personellen Gründen in der häuslichen<br />
und stationären Pflege nicht machbar.<br />
Durch die Zeitkorridore schaffen das die beruflich<br />
Pflegenden in der häuslichen Pflege gar<br />
nicht, die pflegenden Angehörigen sind oft<br />
selbst gebrechlich und überfordert. Die Betroffenen<br />
nehmen also Rücksicht, und die Pflegenden<br />
denken, die wollen nicht aufstehen.<br />
In diesem Zusammenhang spielt auch die<br />
Individualität der Betroffenen eine wichtige<br />
Rolle. Es ist entscheidend, ob der- oder diejenige<br />
noch Ziele hat, ob er sein Dasein als sinnvoll<br />
erlebt und wie die ganze Situation gedeutet<br />
wird. Auch soziale Bindungen sind sehr wichtig.<br />
Wenn jemand sich sehr gut aufgehoben<br />
fühlt oder wenn er familiär eingebunden ist,<br />
dann fühlen sich die Menschen noch zu was<br />
nütze, und da ist es wahrscheinlicher, dass die<br />
Betroffenen wieder „auf die Beine kommen“<br />
wollen.<br />
Schon nach kurzer Zeit<br />
Liegepathologie<br />
Pro<strong>Alter</strong>: Worin besteht denn die Gefahr,<br />
wenn Menschen zu lange an einem Ort fixiert<br />
sind?<br />
Abt-Zegelin: Wenn jemand mehrere<br />
Tage liegen bleibt, gibt es schon nach kurzer<br />
Zeit eine Liegepathologie. Das sind organische<br />
Veränderungen, die eine Kreislaufumstellung,<br />
Schwindelanfälle, Übelkeit, Angst, Zittern und<br />
Muskelschwäche zur Folge haben können.<br />
Wenn man Menschen ruhig stellt und sie auf<br />
einen Ort fixiert, dann kommt es auch zu<br />
kognitiven Einbußen. Viele Menschen können<br />
sich nicht mehr konzentrieren. Ihnen wird alles<br />
zu viel. Am Ende meiner Doktorarbeit gebe ich<br />
viele Beispiele dafür, dass durch die Ortsfixierung<br />
auch das Zeitgefühl verloren geht. Da
schrumpfen Monate und Jahre zusammen, und<br />
die Menschen bekommen eine gleichgültige<br />
Haltung. Sie fügen sich in diesen Zustand ein.<br />
Bei einer Geschichte, die ich sehr traurig<br />
fand, hat mir ein Mann erzählt, wie langweilig<br />
es ihm durch das Liegen sei und dass er<br />
dadurch geistig veröde. Er war einmal Arzt,<br />
und nun ist er bei allem auf Hilfe angewiesen.<br />
Alles wird von außen an ihn herangetragen. Er<br />
hat überhaupt keine geistige Nahrung, und er<br />
hat keine Rückzugsmöglichkeit. Ich habe ein<br />
Kapitel meiner Doktorarbeit dem Umstand<br />
gewidmet, dass, wenn man bettlägerig ist,<br />
überhaupt kein Privatraum mehr vorhanden<br />
ist. Das Bett wird zur letzten Wohnstätte, und<br />
jeder darf darin „rumwurschteln“. Das hat<br />
dieser Mann sehr deutlich dargestellt, und das<br />
hat mich nachhaltig beeindruckt.<br />
Menschen brauchen Anreize,<br />
um das Bett zu verlassen<br />
Wir „gesunden“ Menschen bewegen uns ja<br />
zielgerichtet, „um etwas zu tun“ – eine Bewegung<br />
(zum Teil mit Anstrengung) nur um der<br />
Bewegung willen erscheint sinnlos. Ich will<br />
damit sagen, dass auch Anreize gegeben werden<br />
müssen, um das Bett zu verlassen – zwei<br />
Meter weiter in eine Ecke zu starren, ist langweilig!<br />
Die „Mobilisationen“ müssten verknüpft<br />
werden mit anderen Ereignissen.<br />
Pro<strong>Alter</strong>: Gibt es noch andere Faktoren,<br />
die zu Bettlägerigkeit führen können, aber<br />
nicht in der Motivation des betroffenen Menschen<br />
selbst begründet liegen und deshalb für<br />
Außenstehende leichter zu erfassen sind?<br />
Abt-Zegelin: Eine ganz wichtige Rolle<br />
spielt auch die Umgebung, wie zum Beispiel die<br />
Möbel – und vor allem das Bett. Viele Betroffene<br />
antworteten auf die Frage, seit wann sie<br />
bettlägerig seien: „Seitdem ich im Pflegebett<br />
liege.“ Wenn zu Hause zum Beispiel ein Pflegebett<br />
aufgestellt wird, dann stehen die Menschen<br />
weniger auf. Das Aufstehen wird mit den<br />
Pflegebetten auch schwieriger, da diese ja höher<br />
als normale Betten sind.<br />
Eine Frau lag zum Beispiel zu Hause auf<br />
einer Gartenliege aus Rattan. Sie lebte noch<br />
mit ihrem Mann zusammen und wollte das<br />
Wohnzimmer nicht mit einem Krankenbett<br />
verschandeln. Da ist mir noch mal deutlich<br />
geworden, dass dort, wo Pflege agiert, alles<br />
sofort zum Krankenhaus umgestellt wird. Es<br />
gab auch keinen Pflegedienst in diesem Haushalt.<br />
Es leuchtet mir völlig ein, dass viele Menschen<br />
versuchen, in ihrem Zuhause so etwas<br />
wie Gemütlichkeit und die bisherige soziale<br />
Ordnung beizubehalten. Das wird durch Pflege<br />
leider sehr schnell gestört. Ich denke, da muss<br />
Pflege lernen, in den Hintergrund zu treten. In<br />
dieser Situation muss die Wohnlichkeit im<br />
Vordergrund stehen. Die Betten, die ich in der<br />
häuslichen Pflege gesehen habe, waren billige,<br />
abgestoßene und weiß lackierte Pflegebetten.<br />
Dabei produziert die Industrie doch bessere<br />
und wohnlichere Möbel. Aber diese habe ich<br />
bei keinem angetroffen.<br />
Das Bett wird zur letzten<br />
Wohnstätte, und jeder darf<br />
darin „rumwurschteln“.<br />
Foto: Werner Krüper<br />
Gesundheit und Pflege<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 51
Gesundheit und Pflege<br />
52<br />
Wohnlichkeit muss im Vordergrund<br />
stehen<br />
Ein weiteres großes Problem ist auch der fehlende<br />
Komfort der Sessel und Rollstühle. Ich<br />
habe ganz häufig in Altenheimen gesehen, wie<br />
ungemütlich diese Rollstühle sind. Oftmals gibt<br />
es die Transportrollstühle aus dem Krankenhaus,<br />
die ja eigentlich nur für einen kurzen<br />
Transport gedacht sind. Die Menschen brauchen<br />
jedoch gepolsterte und individuell angepasste<br />
Rollstühle. Die großen Greifräder nutzen<br />
alte Leute oft gar nicht. Sie haben entweder<br />
keine Kraft oder möchten sich nicht schmutzig<br />
machen und versuchen, mit Hilfe ihrer Füße<br />
vorwärts zu „tippeln“. In den engen Zimmern<br />
lassen sich die Rollstühle nur schwer manövrieren.<br />
Eine gute <strong>Alter</strong>native sind Rollstühle mit<br />
kleinen Leichtlaufrädern, die sich leichter<br />
bewegen lassen.<br />
Wenn die Menschen in unbequeme Sitzgelegenheiten<br />
oder Rollstühle gesetzt werden<br />
dann kann man sicher sein, dass sie nach kurzer<br />
Zeit lautstark klagen und wieder zurück ins<br />
Bett wollen, weil sie Schmerzen bekommen.<br />
Dann überlegen sie sich, „Mensch jetzt haben<br />
die mich hier angezogen und so viel Aufhebens<br />
gehabt, um mich aus dem Bett zu holen.“<br />
Dann nehmen sie sich vor, sitzen zu bleiben, bis<br />
es für sie unerträglich wird. So haben die<br />
Betroffenen mir das geschildert. Die Folge<br />
davon ist, dass die Menschen dann am zweiten<br />
oder dritten Tag sagen: „Ach, ich bleibe doch<br />
lieber im Bett.“ So kann es sein, dass diese<br />
Menschen nicht mehr zustimmen, wenn eine<br />
Pflegeperson sie trotzdem mobilisieren will.<br />
Die Betroffenen können sich ganz einfach steif<br />
machen oder sich fallen lassen. Solch ein<br />
erschwerter Transfer führt auf beiden Seiten<br />
dazu, dass der Betroffene eher liegen bleibt.<br />
Diese Entwicklung kann man als Pflegender<br />
kaum kontrollieren. In meiner Studie habe ich<br />
immer wieder festgestellt, dass die Menschen<br />
unprofessionell aus dem Bett geholt werden,<br />
Transferkonzepte zum Beispiel aus der Kinästhetik<br />
waren kaum bekannt.<br />
Pro<strong>Alter</strong>: Sie haben von einem schleichenden<br />
Prozess der Ortsfixierung gesprochen,<br />
an dessen Ende oftmals die völlige Bettlägerigkeit<br />
des Menschen steht. Haben sie auch die<br />
Auslöser dieser „Bettlägerigkeitskarriere“<br />
untersucht, und was waren dabei Ihre Erkenntnisse?<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Abt-Zegelin: Bei fast allen untersuchten<br />
Fällen war eine Sturzgeschichte oder ein Krankenhausaufenthalt<br />
der Auslöser für die Bettlägerigkeit.<br />
Viele der Befragten sind x-mal<br />
gestürzt. Sie sind operiert worden und haben<br />
zum Beispiel neue Hüftgelenke bekommen.<br />
Aber keiner hat zusammen mit den Betroffenen<br />
überlegt, warum sie stürzen oder was man zu<br />
Hause an Prophylaxe machen kann. Sturzprophylaxe<br />
halte ich für ganz wichtig.<br />
Auch bei einem intakten Bewegungsapparat<br />
kann ein Krankenhausaufenthalt der Auslöser<br />
für eine Bettlägerigkeit sein. Es hat mich<br />
sehr erschüttert, dass die Menschen im Krankenhaus<br />
oftmals einfach liegen bleiben. Es gab<br />
Fälle wo den Menschen nicht gesagt wurde,<br />
dass sie aufstehen sollen, mit der Folge, dass<br />
eine Woche lang das Bett nicht verlassen<br />
wurde. Wenn diese Patienten dann entlassen<br />
werden sollen, haben sie beim erstmaligen<br />
Aufstehen große Probleme. Im Krankenhaus<br />
gibt es immer noch diese alte Patientenrolle<br />
und den Aufforderungscharakter sich ins Bett<br />
zu legen. Die Menschen ziehen sofort ein<br />
Nachthemd an, legen sich hin und bleiben<br />
liegen. In den meisten Krankenhäusern gibt es<br />
beispielsweise keine gemütlichen Aufenthaltsräume,<br />
und zudem müssen die Patienten ja<br />
immer verfügbar sein.<br />
Pro<strong>Alter</strong>: Was können Ihrer Meinung<br />
nach Pflegende tun, um die Gefahr der Bettlägerigkeit<br />
zu erkennen bzw. dagegen anzugehen?<br />
Abt-Zegelin: Ich habe mich sehr darüber<br />
aufgeregt, dass Bettlägerigkeit als schicksalhaft<br />
angenommen wird. Die Geschichte, warum<br />
jemand bettlägerig geworden ist, wird nicht<br />
nachverfolgt. Die Pflegenden müssen lernen,<br />
bei jedem, der bettlägerig geworden ist, nach<br />
den Ursachen zu forschen. Ein Ergebnis meiner<br />
Doktorarbeit ist, dass bei den meisten zu einem<br />
bestimmten Zeitpunkt diese Entwicklung<br />
reversibel gewesen wäre.<br />
Pflegende müssen nach Ursachen<br />
forschen<br />
Da kein betroffener Mensch glücklich mit<br />
seiner Bettlägerigkeit ist, sondern die meisten<br />
sich sogar darüber beklagen, denke ich, dass es<br />
sich lohnt, diesen Zustand wieder rückgängig<br />
zu machen. Das funktioniert allerdings nicht
ohne ein Konzept. Wenn man jemand auftrainieren<br />
will, muss dies ganz langsam geschehen.<br />
Bettlägerige Menschen können nicht einfach<br />
aus dem Bett in die Senkrechte gestellt werden.<br />
Ich werde nach der Doktorarbeit an der Entwicklung<br />
eines Assessment-Instruments zur<br />
Einschätzung der Situation weiterarbeiten. Ich<br />
bin überzeugt, dass es möglich ist, viele Menschen,<br />
die sonst jahrelang liegen, wieder in ein<br />
„bewegtes“ Leben zurückzuholen. Durch gute<br />
Mobilisierung kann auch etwas gegen fortgeschrittene<br />
Bettlägerigkeit getan werden. Das<br />
habe ich aber leider während meiner Untersuchung<br />
in der Pflege nur ganz selten angetroffen.<br />
Pro<strong>Alter</strong>: Welche Konsequenzen stellen<br />
sich für die Pflege nach Ihrer Arbeit?<br />
Abt-Zegelin: Ich selbst werde sehr viel<br />
dafür tun, dass die Arbeit bekannt wird und<br />
dass Bettlägerigkeit nicht als schicksalhafter<br />
Endzustand definiert wird. Die Arbeit richtet<br />
sich eindeutig an die Pflege und ist ein Beitrag,<br />
um deutlich zu machen, was Pflege ist und<br />
Pflege leisten kann. Das unreflektierte „Ausdem-Bett-Zerren“<br />
der Menschen im Sinne einer<br />
zu eng verstandenen aktivierenden Pflege ist<br />
nicht gut. Es muss differenzierter mit dieser<br />
Problematik umgegangen werden, dazu kann<br />
auch gehören, zu akzeptieren, wenn ein<br />
Mensch wirklich nicht mehr aufstehen möchte,<br />
wenn er seine Energie für wichtigere Dinge<br />
braucht. In den nächsten Jahren werde ich<br />
versuchen, diese wesentliche Erkenntnis meiner<br />
Doktorarbeit überall zu transportieren.<br />
Ich möchte auch, dass an dem Thema<br />
Bettlägerigkeit weiter geforscht wird, dass es in<br />
die Lehrbücher kommt, in die Bildungsgänge<br />
und an die Hochschulen. Es soll als pflegerische<br />
Aufgabe begriffen werden, etwas gegen<br />
Bettlägerigkeit zu tun, wenn die Betroffenen<br />
das möchten.<br />
Das Interview führte Simone Helck.<br />
Bereits 1979 lagen dem KDA schlüssige<br />
Erkenntnisse zum Thema „Pflegebedürftigkeit<br />
und Bettlägerigkeit“ vor, aus denen sich<br />
eine klare politische Forderung ableiten ließ:<br />
Das Merkmal „Bettlägerigkeit“ sollte als<br />
Kriterium für die Beurteilung des Ausmaßes<br />
der Pflegebedürftigkeit aus den Länderrichtlinien<br />
in Zukunft ausgeschlossen und dauerhafte<br />
Bettlägerigkeit somit verhindert werden.<br />
Durch die damaligen Länderrichtlinien<br />
wurden Bettlägerige in die höchste Pflegestufe,<br />
mit dem günstigsten Personalschlüssel<br />
und den höchsten Pflegesätzen eingestuft.<br />
Einrichtungen der Altenhilfe, die ihren<br />
Bewohnern durch unnötige Bettruhe Schaden<br />
zufügten, wurden dadurch ökonomisch<br />
belohnt. Nach Auffassung des KDA war die<br />
Bettlägerigkeit jedoch kein objektives Merkmal<br />
des pflegerischen Zustandes eines Menschen,<br />
sondern ein Indikator für die pflegerische<br />
Grundhaltung der Einrichtung.<br />
Auf einer Studienreise durch niederländische<br />
Pflegeheime im Jahr 1980 stellten KDA-<br />
Mitarbeiter fest, dass der Anteil von Bettlägerigen<br />
in den Pflegeheimen unseres Nachbarlandes<br />
lediglich fünf Prozent betrug und<br />
damit deutlich niedriger lag als in deutschen<br />
Pflegeheimen. Eine daraufhin vom KDA<br />
durchgeführte Untersuchung bei 472 Bewohnern<br />
in 16 Pflegeheimen in NRW vertiefte<br />
diese Erkenntnisse, und man kam zu dem<br />
Schluss, dass Bettlägerigkeit das schlechteste<br />
Pflegebedürftigkeitskriterium überhaupt sei<br />
und als Bewertungskriterium für die Einschätzung<br />
der Pflegebedürftigkeit von<br />
Bewohnern von Pflegeheimen untauglich.<br />
Das KDA warnte vor den negativen Effekten<br />
einer solchen Einschätzung, die auf eine<br />
Erhaltung dieses Zustandes und nicht auf<br />
dessen Überwindung abziele.<br />
Die KDA-Forschungsergebnisse und die<br />
daran geknüpften Forderungen, die Bettlägerigkeit<br />
als Pflegebedürftigkeitskriterium<br />
auszuschließen, zeigten in den darauf folgenden<br />
Jahren auch auf bundespolitischer Ebene<br />
ihre Wirkung. Die damalige Bundesregierung<br />
versprach auf Drängen der Opposition und<br />
des KDA, das Merkmal Bettlägerigkeit durch<br />
objektivere Kriterien zur Bestimmung der<br />
Pflegebedürftigkeit zu ersetzten und aus den<br />
Länderrichtlinien zu streichen.<br />
Simone Helck<br />
Gesundheit und Pflege<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 53
Gesundheit und Pflege<br />
54<br />
Umfang der Behandlungspflege<br />
in Pflegeheimen<br />
Da immer wieder Fragen zu juristischen Problem aus der Pflegepraxis an das KDA gerichtet<br />
werden, wird Pro<strong>Alter</strong> in Zukunft diese regelmäßig aufgreifen und vom Juristen und Soziologen<br />
Hans Böhme beantworten lassen. Dieser ist wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Gesundheitsrecht<br />
und -politik (IGRP) in Mössingen.<br />
Schon einmal hat Pro<strong>Alter</strong> in der Ausgabe 3/2002 die Schnittstellproblematik zwischen Behandlung<br />
und Pflege und die rechtliche Situation bezüglich der Dekubitusbehandlung in Heimen<br />
in einem Experteninterview mit dem Juristen dargestellt. In dieser Ausgabe veröffentlichen<br />
wir die an uns gerichtete Frage einer Pflegedienstleitung aus einem Seniorenheim, die ebenfalls<br />
die Abgrenzung zwischen Behandlung und Pflege betrifft und lassen den Juristen darauf antworten.<br />
Frage: Seit Anfang des Jahres wenden sich<br />
immer mehr Haus- und Fachärzte an uns. Sie<br />
werden von den Kassen informiert, dass delegierbare<br />
ärztliche Leistungen grundsätzlich bei<br />
uns in Rechnung gestellt werden können. Die<br />
Qualifizierung des Pflegepersonals wird als<br />
gegeben angesehen. Mein Einwand besteht<br />
darin, dass ein Wechsel einer Trachealkanüle<br />
nicht praktischer genereller Ausbildungsinhalte<br />
zur Kranken- bzw. Altenpflegeausbildung ist.<br />
Ferner ist das Katheterisieren eines Mannes<br />
vom Pflegepersonal verboten. Auch wenn eine<br />
medizinische Indikation vorliegt, kann das<br />
Pflegepersonal vom Verweigerungsrecht<br />
Gebrauch machen.<br />
Die Krankenkassen zahlen den Ärzten diese<br />
Leistungen nicht mehr, also werden wir als<br />
stationäre Altenpflegeeinrichtung in die Pflicht<br />
genommen. Wir erhalten nur Pauschalkostensätze,<br />
wo die Behandlungspflege enthalten ist.<br />
Wird es soweit kommen, dass wir bald – egal<br />
in welchem Umfang – Behandlungspflege all<br />
inclusive anbieten müssen? Es ist für uns nicht<br />
detailliert abrechenbar und somit auch nicht<br />
nachvollziehbar.<br />
Können Sie mir eine verbindliche Mitteilung<br />
auch rechtlich zukommen lassen?<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Hans Böhme.<br />
Foto: privat<br />
Antwort des Juristen Hans Böhme<br />
Maßgebend ist zum einen § 11 des Heimgesetzes<br />
– Anforderungen an den Betrieb eines<br />
Heimes – und sind zum anderen die §§ 43 ff.<br />
SGB XI, in denen als Inhalt der Leistungen im<br />
Rahmen der vollstationären Pflege auch „Aufwendungen<br />
für Leistungen der medizinischen<br />
Behandlungspflege“ bis 31. Dezember 2004<br />
mit aufgenommen sind.<br />
In § 11 Abs. 1 Nr. 3 des Heimgesetzes ist<br />
u.a. als Anforderungen an den Betrieb eines<br />
Heimes geregelt, dass das Heim nur betrieben<br />
werden darf, wenn der Träger und die Leitung<br />
eine „angemessene Qualität der Betreuung der<br />
Bewohnerinnen und Bewohner, auch soweit sie<br />
pflegebedürftig sind, in dem Heim selbst oder<br />
in angemessener anderer Weise einschließlich<br />
der Pflege nach dem allgemein anerkannten
Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse<br />
sowie die ärztliche und gesundheitliche Betreuung<br />
sichern“. Die Sicherstellung der ärztlichen<br />
und gesundheitlichen Betreuung ist im Hinblick<br />
auf § 43 SGB XI keineswegs umfangmäßig<br />
festgestellt. Zum einen ist damit das Hausrecht<br />
des Heimes eingeschränkt, in dem Sinne,<br />
dass dem Arzt Zutritt zu gewähren ist, der Arzt<br />
notfalls gerufen werden muss und eine<br />
Zusammenarbeit mit dem Arzt zu erfolgen hat.<br />
Dabei ist zu beachten, dass der Arzt nur Besucher<br />
ist, den Heimmitarbeitern gegenüber also<br />
kein Weisungsrecht hat. Es handelt sich um ein<br />
gleichgeordnetes Kooperationsverhältnis (Hans<br />
Böhme/Gerhard Göttert: PQsG/HeimG –<br />
Praxiskommentar zu den neuen Gesetzen,<br />
WEKA Media, Kissing, 2002, S. 305).<br />
Meines Erachtens bedeutet Behandlungspflege<br />
im Sinne der §§ 43 ff. SGB XI alle Katalogleistungen<br />
der ambulanten Dienste in der<br />
Behandlungspflege; dazu gehört auch der<br />
Blasenkatheterismus und Wechseln einer Trachealkanüle.<br />
Der Leistungskatalog Behandlungspflege<br />
im Sinne von medizinischen Leistungen,<br />
die nicht vom Arzt selbst erbracht<br />
werden müssen, lautet wie folgt (vgl. auch das<br />
Stichwort „Behandlungspflege“ in Hans<br />
Böhme: Rechtshandbuch für Pflegeeinrichtungen<br />
von A–Z, WEKA Media, Kissing, Loseblatt,<br />
3. Aktualisierungslieferung, Stand: Mai<br />
2003, unter Arbeitshilfen, S. 3):<br />
• Verbandswechsel/Wundpflege<br />
• Injektionen<br />
• Katheterpflege/-wechsel<br />
• Dekubitusbehandlung<br />
• Einlauf/Darmentleerung<br />
• Spezielle Krankenbeobachtung/-überwachung<br />
• Einreibungen, Wickel<br />
• Medikamentenüberwachung/-Verabreichung<br />
• Bronchialtoilette/Tracheal-Kanülenpflege<br />
inkl. Wechsel<br />
• Künstliche Ernährung.<br />
Ein Verbot der Katheterisierung beim Mann<br />
gibt es wahrlich nicht – das Gegenteil ist der<br />
Fall. Der Wechsel einer Trachealkanüle ist für<br />
Krankenpflegepersonal und medizinisch pflegerisch<br />
ausgebildetes Altenpflegepersonal ebenso<br />
erlernbar wie das Legen und Ziehen von<br />
Kathetern. Ein Weigerungsrecht gibt es für das<br />
Pflegepersonal nur dann, wenn es nicht in der<br />
Lage ist, diese Manipulationen durchzuführen.<br />
Für diesen Fall ist der Arbeitgeber berechtigt,<br />
das Personal nachzuqualifizieren. Maßgebend<br />
ist nicht, was praktisch genereller Ausbildungsinhalt<br />
in der Kranken- bzw. Altenpflegeausbildung<br />
ist, sondern was erlernbar ist.<br />
Es gibt keinen Beruf, in dem die Ausbildung<br />
deckungsgleich mit der Praxis ist. Es ist für die<br />
Einrichtungen überhaupt kein Problem, Mitarbeiter,<br />
die eine pflegerische Ausbildung haben,<br />
nachzuqualifizieren. Dies übrigens ist auch<br />
Sinn und Zweck des sogenannten Befähigungsnachweises,<br />
mit dem bestätigt wird, dass über<br />
die Ausbildung hinaus Mitarbeiter auch in<br />
anderen Bereichen die rein handwerkliche<br />
Durchführung erlernt haben und voll beherrschen.<br />
Übrigens: Wenn die Heimeinrichtung nicht<br />
in der Lage ist, mit dem vorhandenen Personal<br />
die Behandlungspflegeleistungen zu erbringen,<br />
dann muss die Heimeinrichtung eben entsprechend<br />
qualifiziertes Personal beschäftigen. Im<br />
Klartext: Personal, das zur Durchführung von<br />
Behandlungspflege nicht geeignet ist, muss<br />
eventuell entlassen werden und Personal, das in<br />
der Lage ist, entsprechende Leistungen zu<br />
erbringen, eingestellt werden. Hier hat die<br />
stationäre Pflegeeinrichtung einen kassenpflegerischen<br />
Sicherstellungsauftrag, der auch zu<br />
erfüllen ist. Noch ist es so, dass sich der Leistungsumfang<br />
nicht nach dem Wollen der Ausgebildeten<br />
richtet, sondern nach dem Bedarf<br />
am Markt und damit nach den Kundenwünschen.<br />
Ich kann den Bewohner nicht in einen<br />
grundpflegerischen und behandlungspflegerischen<br />
Teil aufteilen und sagen, dafür ist der<br />
eine und dafür ist der andere verantwortlich.<br />
Es muss gewährleistet sein, dass in der Einrichtung<br />
selbst die notwendigen und erforderlichen<br />
Leistungen auch erbracht werden können.<br />
Was die Einrichtung kostenmäßig erhält, ist<br />
Verhandlungssache und hat mit der Frage des<br />
Umfanges der Behandlungspflege überhaupt<br />
nichts zu tun. Somit ist der Standpunkt der<br />
Krankenkassen in der Tat richtig und wird<br />
auch von der Mehrheit der Gerichte und Mehrheit<br />
der Juristen so geteilt.<br />
Nur zur Information: Der Autor schult<br />
schon seit Jahren im Auftrag des Medizinischen<br />
Dienstes der Spitzenverbände die Qualitätsprüfer<br />
des MDK in Rechtsfragen und überlässt<br />
dem Autor die Beantwortung etlicher<br />
diesbezüglicher Anfragen von Einrichtungen<br />
und deren Mitarbeiter.<br />
Gesundheit und Pflege<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 55
Gesundheit und Pflege<br />
56<br />
Abschließend noch ein Wort zur Qualifikation<br />
von Leitungskräften: Wer nicht in der Lage ist,<br />
mit dem vorhandenen – eventuell nachzuqualifierenden<br />
Personal – die kassenpflegerische<br />
Sicherstellung zu organisieren, ist als Leitungskraft<br />
nicht geeignet.<br />
Der Umfang der so genannten „Behandlungspflege“<br />
in stationären Einrichtungen nimmt<br />
immer mehr zu. Inzwischen verwendet man<br />
weniger den Begriff „Behandlungspflege“ und<br />
spricht eher von „Mitarbeitsaufgaben“ bei<br />
medizinischer Diagnostik und Therapie. Die<br />
Pflege hat hier die Durchführungsverantwortung,<br />
die Anordnungsverantwortung obliegt<br />
dem Arzt. Die ärztlichen Mitarbeitsaufgaben<br />
gehören also nicht zum Kern des pflegerischen<br />
Handelns; die Pflege arbeitet hier nicht selbständig,<br />
sondern nach Anweisungen des Arztes.<br />
Seit Jahrzehnten gibt es immer wieder<br />
Streit darüber, wie viel ärztliche Mitarbeitsaufgaben<br />
denn von der Pflege übernommen werden<br />
sollen. Werden die in Herrn Böhmes Beitrag<br />
beschriebenen Aufgaben für die Ärzte<br />
entsprechend honoriert, dann sind es selbstverständlich<br />
ärztliche Aufgaben, bei der die Pflege<br />
nichts zu suchen hat. Werden sie von den<br />
Kassen nicht bezahlt, werden sie in den Bereich<br />
der Pflege hinein definiert, so geschehen in<br />
§§ 43 ff. SGB XI, die noch bis zum<br />
31.12.2004 gültig sind.<br />
Wir sind im <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
der Meinung, dass die pflegerischen Kernaufgaben,<br />
also die Begleitung des Pflegeprozesses<br />
mit seinen Schritten der Pflegediagnostik,<br />
Pflegeplanung, Durchführung der Pflege, Anleitung<br />
und Supervision der am Pflegeprozess<br />
Beteiligten und Evaluation der Pflege, so<br />
umfangreiche Aufgaben darstellen, so dass<br />
man sich sehr gut überlegen muss, ob man in<br />
der Lage ist, zusätzliche Aufgaben aus anderen<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Anschrift des Verfassers: Hans Böhme, Jurist<br />
und Soziologe, Wissenschaftlicher Leiter des<br />
Instituts für Gesundheitsrecht und -politik,<br />
Rostocker Straße 15, 72116 Mössingen, Tel.<br />
07473/271676, Fax 07473/271677, E-<br />
Mail: Boehme-IGRP@t-online.de<br />
Ärztliche Mitarbeitsaufgaben<br />
bei medizinischer Diagnostik und Therapie<br />
Von Christine Sowinski<br />
Berufen mit zu übernehmen. Wie Hans Böhme<br />
eindeutig darstellt, hat die Pflege nun in stationären<br />
Einrichtungen keine Wahl. Die aufgezählten<br />
Aufgaben müssen als Mitarbeitsaufgaben<br />
übernommen werden. Folgende Aspekte<br />
sollte man dabei bedenken:<br />
• Gefahrengeneigte Tätigkeiten, wie z. B. das<br />
Wechseln der Trachealkanüle oder das Wechseln<br />
eines Katheters, sollten nur dann von einer<br />
Pflegefachperson übernommen werden, wenn<br />
sie über ausreichende Erfahrung verfügt. Das<br />
heißt also, sie muss sie unter Anleitung häufig<br />
durchgeführt haben, so dass sie sich sicher ist,<br />
dass sie diese ärztliche Mitarbeitsaufgabe fachlich<br />
beherrscht. Da aber das Wechseln zum Beispiel<br />
von Blasenkathetern nicht täglich vorkommt,<br />
sollten nur die Pflegefachpersonen diese<br />
Aufgaben übernehmen, die diese auch häufig<br />
durchführt haben. Das KDA rät also hier, das<br />
Bezugspflegesystem zu durchbrechen und gefahrengeneigte<br />
ärztliche Mitarbeitsaufgaben<br />
von geeigneten Pflegefachpersonen durchführen<br />
zu lassen, selbst wenn diese nicht im entsprechenden<br />
Wohnbereich arbeiten, sondern in<br />
einem anderen Wohnbereich eingesetzt werden.<br />
• Speziell für die selbständige Durchführung<br />
von ärztlichen Mitarbeitsaufgaben, sind Krankenschwestern<br />
und Pfleger ausgebildet, die<br />
über eine Fachweiterbildung Anästhesie und<br />
Intensivpflege verfügen. Sie arbeiten auch in<br />
der stationären Altenpflege und in ambulanten<br />
Pflegediensten. Das KDA rät, diese Experten<br />
gezielt einzusetzen, um anderen Pflegefachpersonen<br />
bei schwierigen ärztlichen Mitarbeitsauf-
gaben zu helfen bzw. diese fachgerecht anzuleiten,<br />
so dass sie die für sie neuen ärztlichen Mitarbeitsaufgaben<br />
erlernen können.<br />
• Ärztliche Mitarbeitsaufgaben, die täglich<br />
durchgeführt werden, wie z. B. das Säubern<br />
und Wechseln der Trachealkanüle, müssen von<br />
der Pflegebezugsperson erlernt werden. Eine<br />
nicht ausgebildete Pflegeperson, die weder Altenpflegerin/-pfleger<br />
noch Krankenschwester/pfleger<br />
ist, könnte hier nicht Bezugsperson<br />
werden (siehe Forum 36).<br />
• Laufende Fortbildung, wie zum Beispiel der<br />
Umgang mit künstlicher Ernährung, sollte<br />
dann geschehen, wenn ein Klient erstmalig mit<br />
diesem Problem in die Pflegeeinrichtung<br />
kommt. Hier rät das KDA, einen hausinternen<br />
Standard zu erarbeiten, an dem sich alle Mitarbeiter<br />
orientieren können, wie die fachgerechte<br />
Durchführung vonstatten geht. Hilfreich sind<br />
hier die gut recherchierten Pflegestandards von<br />
Adelheid von Stösser (genauere Informationen<br />
unter www.stoesser-standard.de).<br />
• Problematisch ist oft die Dekubitusbehandlung.<br />
Hier verfügen viele Pflegefachpersonen<br />
über ein fundierteres Wissen als der Arzt. Im<br />
Idealfall gehen Pflege und Medizin partnerschaftlich<br />
miteinander um, aber häufig gibt es<br />
Konflikte. Man kann keine Pflegefachperson<br />
dazu zwingen, eine in ihren Augen falsche ärztliche<br />
Mitarbeitsaufgabe zu übernehmen (siehe<br />
dazu Hans Böhme in Pro<strong>Alter</strong> 3/2002, S.<br />
50–55).<br />
Literatur-Hinweise:<br />
• Böhme, Hans (2002): Die Rolle der Pflegefachkräfte<br />
bei fragwürdiger Dekubitusbehandlung. „Zivilcourage<br />
trotz perfider Rechtslage“. In: Pro<strong>Alter</strong> 3, S. 50–55<br />
• Böhme, Hans unter Mitwirkung von Haß, Peter<br />
(1997): Haftungsfragen und Pflegeversicherungsgesetz –<br />
Haftung von Trägern, Pflegemanagement, Pflegefachund<br />
Pflegehilfskräften. KDA-Schriftenreihe Forum 35.<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe, Köln<br />
• Schröder, Gerhard (2002): Tipps für die Therapie<br />
von Druckgeschwüren. Chronisch sind nicht nur die<br />
Wunden. In: Pro<strong>Alter</strong> 3, S. 41–49<br />
• Sowinski, Christine; Gennrich, Rolf; Schmitz, Thomas;<br />
Schwantes, Harro; Warlies, Christine (1999):<br />
Organisation und Stellenbeschreibungen in der Altenpflege.<br />
Planungshilfen für ambulante Dienste, Hausgemeinschaften,<br />
teilstationäre und stationäre Einrichtungen.<br />
Teil I: Fachkraftquote, vorbehaltene und Supervisions-Aufgaben<br />
von Pflegefachkräften, Aufgaben von<br />
Pflegehilfskräften. KDA-Schriftenreihe Forum 36. <strong>Kuratorium</strong><br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe, Köln<br />
– Anzeige –<br />
Gesundheit und Pflege<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 57
Gesundheit und Pflege<br />
58<br />
Singen schafft Zugang<br />
zu verwirrten alten Menschen<br />
Eine Möglichkeit, das KDA Türöffnungskonzept<br />
(siehe Pro<strong>Alter</strong> 3/2001) in die Praxis<br />
umzusetzen, ist unter anderem Musik. Insbesondere<br />
das gemeinsame Singen alter Schlager<br />
und volkstümlicher Lieder kann Zugang zu<br />
alten und verwirrten Menschen schaffen, da<br />
die bekannten Melodien das Erinnerungsvermögen<br />
der alten Menschen aktivieren. Gerade<br />
verwirrte Bewohner werden durch das gemeinsame<br />
Singen zum Sich-Äußern angeregt und<br />
damit aus ihrer inneren Isolation herausgeholt.<br />
Die Lebensqualität der Bewohner lässt sich<br />
somit entscheidend verbessern.<br />
Doch in vielen Alten- und Pflegeheimen ist<br />
selten Musik zu hören. Denn es fehlt dem<br />
betreuenden Personal oftmals an Zeit. Viele der<br />
Pflegepersonen sind einfach auch zu jung und<br />
kennen keine Musikstücke der älteren Generation.<br />
Andere trauen sich das Singen einfach<br />
nicht zu oder spielen kein Instrument.<br />
Um das Singen in Pflegeeinrichtungen zu<br />
erleichtern, hat die Alzheimer Gesellschaft<br />
Mittelhessen eine Reihe von Playback-CDs mit<br />
Melodien bekannter Volkslieder, Schlager,<br />
Kirchenlieder und Schunkellieder herausgebracht,<br />
die durch Liederbücher komplettiert<br />
werden und sich für den Gesang im Altenheim<br />
und bei Treffen von älteren Menschen eignen.<br />
Bundesweit sind bisher ungefähr 20.000 Liederbücher<br />
und 10.000 CDs an Einrichtungen<br />
der Altenhilfe verkauft worden.<br />
Mit diesem Set können auch unmusikalische<br />
Menschen, die weder Singen noch ein<br />
Instrument spielen können, mit einer Gruppe<br />
von älteren oder pflegebedürftigen Menschen<br />
musizieren. Auch auf die Bedürfnisse der älteren<br />
Sänger und Sängerinnen hat man bei der<br />
Produktion der CD-Sets Rücksicht genommen.<br />
Die Lieder sind in einer angemessenen<br />
Geschwindigkeit und der richtigen Tonhöhe<br />
eingespielt, weil ältere Menschen langsamer<br />
und tiefer Singen als junge. Zwischen den<br />
Liedern und Strophen gibt es längere Atempausen,<br />
und die Wiederholungen bei jeder Strophe<br />
sind in den Liederbüchern ausgeschrieben, so<br />
dass die Sängerinnen nicht gezwungen sind, im<br />
Text hin und her zu springen.<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Im Tageszentrum am Geiersberg in Wetzlar,<br />
eine Einrichtung für demenzkranke Menschen,<br />
wird das gemeinsame Singen anhand der CDs<br />
und Liederbücher der Alzheimer Gesellschaft<br />
schon seit acht Jahren praktiziert. Nach Möglichkeit<br />
wird jeden Tag mit den Menschen 30<br />
bis 40 Minuten anhand der Liederbücher und<br />
CDs gesungen. Man hat dabei die Erfahrung<br />
gemacht, dass das tägliche Singen nicht nur<br />
den gesunden und den pflegebedürftigen<br />
Bewohnern, sondern auch den Betreuenden<br />
gut tut. Das Singen, erklärt die Initiatorin<br />
Bettina Rath und Vorsitzende der Alzheimer<br />
Gesellschaft Mittelhessen im Vorwort der<br />
Liederbücher, sei neben der liebevollen Zuwendung<br />
oft der wichtigste und manchmal der<br />
einzige Zugang zu verwirrten alten Menschen.<br />
S. H.<br />
Weitere Informationen sowie die CDs<br />
(Preis 8,50 Euro + 7 % MwSt. + Porto) und<br />
die dazugehörigen Liederbücher (4,50 Euro<br />
+ 16 % MwSt. + Porto, ab 20 Exemplare:<br />
3,50 Euro) können Sie über das Tageszentrum<br />
Geiersberg beziehen: Alzheimer Gesellschaft<br />
Mittelhessen e.V., Tageszentrum am<br />
Geiersberg, Geiersberg 15, 35578 Wetzlar,<br />
Tel. 0 64 41/4 37 42, Fax 0 64 41/4 38 13,<br />
E-Mail: alges-mittelhessen@debitel.net,<br />
Web: www.tageszentrum-am-geiersberg.de.n<br />
Auswahl an bisher erschienenen<br />
Liederbüchern:<br />
• Volkslieder, Band 1 + 2<br />
• Weihnachtslieder<br />
• Schlager 20–40er<br />
• Schunkel- und Stimmungslieder<br />
• Jahreszeit- und Fahrtenlieder<br />
• Kirchenlieder, Band 1<br />
Zurzeit wird gerade das Liederbuch<br />
„Schlager nach 1945“ hergestellt.
Das Hausgemeinschaftskonzept<br />
von Rablinghausen<br />
Es sollte ein ganz „normaler“ und konventioneller Neubau eines Pflegeheims werden. Doch<br />
nach einer Beratung durch das KDA ließ sich der Träger, die Bremer Heimstiftung, von der Idee<br />
der Hausgemeinschaften überzeugen.<br />
Gisela Crusius, KDA-Architektin, schildert kurz den Planungs- und Bauverlauf.<br />
Monika Böttjer, Ulrike Scheer, Birgit Nowak und Gerhard Reisig beschreiben in einem weiteren<br />
Beitrag, wie sich das Hausgemeinschafts- und Wohnküchenkonzept auf den Alltag von Bewohnern,<br />
Angehörigen und Mitarbeitern im Stiftungsdorf Rablinghausen auswirkt.<br />
Nach KDA-Beratung:<br />
mit wenig Aufwand<br />
neues Konzept realisiert<br />
Das Stiftungsdorf Rablinghausen ist wesentlicher<br />
Bestandteil der Versorgungsstruktur im<br />
gleichnamigen Bremer Stadtteil. Unmittelbar<br />
an der Rablinghauser Landstraße gelegen,<br />
erinnert heute noch das Restaurant an den<br />
ehemaligen Bauernhof der Familie Vagt. Dieses<br />
Restaurant befindet sich in dem eingeschossigen,<br />
inzwischen renovierten alten Bauernhaus.<br />
Das Restaurant, räumlich Bestandteil des<br />
Stiftungsdorfs Rablinghausen, wird als eigenständiger<br />
Wirtschaftsbetrieb geführt und wird<br />
von den Rablinghausener Bürgern gerne als<br />
Veranstaltungsort für beispielsweise Geburtstage<br />
und Familienfeiern ausgewählt. Neben<br />
dem Restaurant gehört zum Stiftungsdorf<br />
Rablinghausen – Tönjes Vagt Hof –, das Wohnen<br />
mit Service. Hierzu gehören 56 barrierefreie<br />
Zwei- und Dreiraumwohnungen, deren<br />
Nutzern selbstverständlich die Gemeinschaftseinrichtungen<br />
des Pflegezentrums Rablinghausen<br />
zur Verfügung stehen. Das Pflegezentrum<br />
selbst umfasst in einem dreigeschossigen<br />
Gebäude insgesamt 58 Einpersonenapartments<br />
und zwei Doppelapartments. Die einzelnen<br />
Apartments sind heute zu Wohngruppen nach<br />
dem Hausgemeinschaftskonzept zusammengefügt.<br />
Die ursprüngliche Planung beruhte<br />
zunächst auf einem konventionellen Betreuungskonzept<br />
für den Neubau des Pflegezentrums<br />
mit 62 Bewohnern. Danach sollte jede<br />
Ebene einen Wohnbereich mit jeweils 20 und/<br />
Jede Wohnebene wurde in zwei<br />
kleinere Hausgemeinschaften<br />
untergliedert, denen nun jeweils<br />
eine circa 40 Quadratmeter große<br />
Wohnküche zugeordnet wurde.<br />
Foto: Stiftungsdorf Rablinghausen<br />
Bauen und Wohnen<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 59
Bauen und Wohnen<br />
60<br />
oder 21 Bewohnern aufnehmen. In diesem<br />
Kontext war für jede Wohnbereichsebene ein<br />
Gruppenraum mit integrierter Küche vorgesehen.<br />
Die Speisenversorgung sollte dennoch<br />
zentral erfolgen. Der während der Bauphase<br />
des dreigeschossigen Altenpflegeheims geführte<br />
Dialog des Bauherrn mit dem KDA führte zu<br />
gravierenden konzeptionellen Veränderungen.<br />
Die vorgesehene zentrale hauswirtschaftliche<br />
Versorgung sollte konsequent umgestellt werden<br />
auf eigenständige Bewohnergruppen mit<br />
dezentraler hauswirtschaftlicher Versorgung. In<br />
dieser fortgeschrittenen Bauphase bestand<br />
nicht mehr die Chance der grundsätzlichen<br />
Veränderung des ursprünglichen Architekturkonzeptes<br />
(zweibündig konzipierte Anlage mit<br />
Mittelflur und aneinander aufgereihten Bewohnerzimmern).<br />
Umso überzeugender ist das Ergebnis der<br />
Überplanung: Jede Wohnebene wurde noch<br />
einmal untergliedert in zwei kleinere Hausgemeinschaften,<br />
denen nun jeweils eine circa 40<br />
Quadratmeter große Wohnküche zugeordnet<br />
wurde. Zu diesem Zweck wurde das ursprünglich<br />
geplante Dienstzimmer mit Dienstübergabe-,<br />
Besprechungsraum etc. auf die tatsächlich<br />
notwendige Größe eines Pflegearbeits-<br />
Das Modellprojekt, das die Bremer Heimstiftung<br />
in Kooperation mit dem Paritätischen<br />
Pflegedienst und dem Bremer Stiftungs-Service<br />
seit zwei Jahren im Gesamtkonzept des Stiftungsdorfes<br />
Rablinghausen betreibt, verfolgt<br />
den Gedanken der Hausgemeinschaft. Die<br />
Grundidee dabei ist, das „Primat der Pflege“<br />
durch ein „Primat des Wohnens“ abzulösen.<br />
Der Anteil hauswirtschaftlicher Versorgung soll<br />
nicht länger als Begleit-Dienstleistung zur<br />
Pflege aufgefasst werden, sondern als Haupt-<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
raums zurückgeführt, und die Wohnküche in<br />
Winkelform parallel zur Fassade positioniert.<br />
Die in den Flur hineingestellten transparenten<br />
Raumbegrenzungen geben in ihrer bogenförmigen<br />
Ausführung die Zielrichtung für die jeweilige<br />
Bewohnergruppe vor und fördern somit<br />
die Orientierung. Diese wird zudem unterstützt<br />
durch die unterschiedliche Ausführung der<br />
beiden Wohnküchen; das liegt zum einen an<br />
der Grundrissform und zum anderen an der<br />
Küchenaufstellung. Bedingt durch den trapezförmigen<br />
Grundriss der beiden Wohnküchen<br />
befindet sich die Wohnküche in einem Fall an<br />
der Gebäudeinnenseite und im anderen Fall<br />
unmittelbar an der Außenwand. Beide Küchen<br />
sind in den Raum hineingestellt, so dass sie den<br />
Bewohnern jederzeit Einblick in das Geschehen<br />
gewähren.<br />
Für gruppenübergreifende Aktivitäten wird der<br />
im ersten Abschnitt überaus breite Flur von<br />
vier Metern in regelmäßigen Abständen als<br />
„Kegelraum“ genutzt.<br />
Mit vertretbarem Aufwand konnte die<br />
ursprünglich ausschließlich auf Funktion ausgerichtete<br />
Architektur zugunsten individueller<br />
überschaubarer Bewohnergemeinschaften<br />
verändert werden. G. C.<br />
Hauswirtschaft als Hauptaufgabe der Altenbetreuung<br />
Die Notwendigkeit einer Reform der Institution Pflegeheim ist inzwischen unbestritten. Weder<br />
angesichts der demographischen Entwicklung noch vor dem Hintergrund zukünftig knapperer<br />
finanzieller Ressourcen können Altenheime weitermachen wie bisher. Hinzu kommt ein wachsendes<br />
Unbehagen gegenüber der Pflegelastigkeit heutiger stationärer Altenhilfeeinrichtungen.<br />
In der Diskussion um notwendige Veränderungen steht das Hausgemeinschaftskonzept (siehe<br />
dazu auch Pro<strong>Alter</strong> 4/2001 und 4/2000) derzeit besonders hoch im Kurs.<br />
aufgabenfeld der Betreuung alter Menschen<br />
eigenständig gestaltet werden. Dazu gehören<br />
die Abschaffung der zentralen Essensversorgung,<br />
an deren Stelle kleinere Wohnküchen<br />
treten. Auch die anderen Bereiche wie Bettenmachen,<br />
Reinigungsarbeiten und Wäscheversorgung<br />
finden, sofern möglich, in den Hausgemeinschaften<br />
statt.<br />
Dezentrale hauswirtschaftliche Versorgung<br />
steht also im Mittelpunkt, verbunden mit<br />
weitestgehender Aktivierung der Bewohner
durch Beteiligung an diesen Tätigkeiten. Prinzip<br />
ist, nur da Hilfe zu leisten, wo individueller<br />
Bedarf wirklich besteht. Angestrebt wird nicht<br />
eine „Total-Versorgung“, sondern „aktive<br />
Mitarbeit“. Das heißt: Auch Angehörige sollen<br />
aktiv ihren Beitrag an der Betreuung des<br />
Bewohners leisten. Für Bewohner wie Angehörige<br />
war dies zunächst durchaus ungewöhnlich<br />
und führte auch zu gelegentlichen Irritationen.<br />
Ergänzt wird das Konzept durch ein Restaurant,<br />
das sowohl Bewohner und Angehörige<br />
als auch das Pflegezentrum selbst für gesellschaftliche<br />
Aktivitäten sowie Gruppen und<br />
Gäste aus dem Stadtgebiet nutzen. Weit mehr<br />
als nur eine Ausweichmöglichkeit für ein Kaffeetrinken<br />
außerhalb der Wohngruppe stellt<br />
das Restaurant eine echte Verbindung zwischen<br />
der Innenwelt Pflegeheim und der Öffentlichkeit<br />
dar. Es genießt im Stadtteil als Mittagstisch<br />
für Geschäftsleute, Handwerker und Senioren<br />
und als Veranstaltungsort für Familienfeiern<br />
große Akzeptanz und trägt so dazu bei, den<br />
Übergang vom „Heim“ nach „draußen“ fließend<br />
zu gestalten.<br />
Betreuung durch hauswirtschaftliches<br />
Personal<br />
Die Schwerpunktverschiebung hin zu mehr<br />
Wohnnormalität verlangte eine Restrukturierung<br />
der Betreuungsaufgaben und die Verlagerung<br />
betreuerischer Kompetenz auf das hauswirtschaftliche<br />
Personal. Die hauswirtschaftlichen<br />
Arbeitskräfte wurden erfolgreich mit<br />
dem Fähigkeiten-Profil der klassischen „Hausfrau“<br />
für diesen Bereich der Altenpflege ausgewählt.<br />
Wie zufrieden diese mit ihrer Tätigkeit<br />
Effekte zeigen sich nicht in vorzeigbaren<br />
neuen Aktivitäten,<br />
sondern eher versteckt in kleinen,<br />
unerwarteten Tätigkeiten des<br />
Alltags.<br />
Foto: Stiftungsdorf Rablinghausen<br />
sind, zeigt ihre Identifikation mit dem neuen<br />
Tätigkeitsprofil. Eine interne Auswertung<br />
belegt, dass diese Fähigkeitenbeschreibung als<br />
Kompetenzkriterium in der Betreuungsarbeit<br />
einen neuen Stellenwert erhalten kann, denn sie<br />
beinhaltet Aspekte, die für die Gestaltung des<br />
Wohnalltags in der Hausgemeinschaft eines<br />
Altenheimes gebraucht werden. Die Kernkompetenzen<br />
sind:<br />
• ein hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit<br />
(soziale Kompetenz)<br />
• die Fähigkeit zu übergreifender Alltagsorganisation<br />
• die Fähigkeit, eine integrierende Wohnatmosphäre<br />
zu schaffen.<br />
Team aus Alltagsmanagerinnen und<br />
Bereichskräften<br />
Diese Kompetenzen wurden durch interne<br />
Schulungen zu Krankheitsbildern, Dokumentation<br />
von Betreuungsleistungen und zu Möglichkeiten<br />
der Aktivierung der Bewohner in Alltags-<br />
und Freizeitaktivitäten unterstützt. So<br />
genannte „Alltagsmanagerinnen“ bereiten das<br />
Essen zu und achten dabei auf die individuellen<br />
Bedürfnisse und Gewohnheiten der Bewohner.<br />
Sie sind jeweils einer Wohnküche als Integrationsfaktor<br />
und zentrale Ansprechperson zugeordnet.<br />
Die Aufgaben der so genannten<br />
„Bereichkräfte“ liegen in der häuslichen Versorgung,<br />
wie zum Beispiel Bettenmachen,<br />
Reinigen des Inventars, Materialverteilung,<br />
Geschirrspülen, Unterstützung der Küchenfachkräfte,<br />
Essensanreichungen, Bereitung von<br />
Zwischenmahlzeiten und insbesonders das<br />
Begleiten der Bewohner und bei der Gestaltung<br />
Bauen und Wohnen<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 61
Bauen und Wohnen<br />
62<br />
der Nachmittagsaktivitäten.<br />
Sie unterstützen die Pflegebedürftigen auch<br />
bei kleineren Toilettengängen, motivieren sie<br />
zum Mobilitätstraining und kontrollieren ihre<br />
Flüssigkeitszufuhr.<br />
Sie übernehmen damit teilweise Angehörigen-Funktionen,<br />
wie sie üblicherweise in der<br />
häuslichen Pflege geleistet werden. Doch sollen<br />
die Mitarbeiter nicht Familienersatz sein. Ihre<br />
Aufgabe ist, Hilfe nur anzubieten, wo diese<br />
erforderlich ist, und schon gar nicht in Konkurrenz<br />
zu Angehörigen oder anderen Hilfe-<br />
Akteuren zu treten, wie es gelegentlich in Pflegeheimen<br />
alten Stils geschieht.<br />
Angehörige bringen sich mehr ein<br />
Feststellbar sind im Vergleich zu anderen Einrichtungen<br />
deutlich häufigere und regelmäßigere<br />
Besuche der Angehörigen und ein unkomplizierter<br />
und offener Umgang mit dem Betreuungspersonal.<br />
Die Schwellenangst, partiell oder<br />
sogar ganz die Versorgung von Mutter, Vater,<br />
Ehemann oder -frau zu übernehmen, ist deutlich<br />
niedriger. Dabei wird nicht nur die Versorgung<br />
eigener Angehöriger übernommen; ganz<br />
selbstverständlich kümmern sich Besucher auch<br />
um Mitbewohner, leisten Hilfe bei Tisch und<br />
beziehen Bewohner ins Gespräch ein. Dabei<br />
bewegen sie sich in den Wohnküchen, als<br />
wären auch sie hier zu Hause; sie kaufen ein,<br />
lesen vor oder richten den Nachmittagskaffee<br />
aus. Es scheint gelungen zu sein, Bewohnern<br />
und Angehörigen zu vermitteln, dass sie sich<br />
im eigenen Umfeld bewegen und dieses<br />
„Heim“ auch entsprechend autonom nutzen<br />
Alltagsnormalität bedeutet eben<br />
auch die bewusste, aber unverkrampfte<br />
Gestaltung alltäglicher<br />
Lebenssituationen.<br />
Foto: Stiftungsdorf Rablinghausen<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
dürfen. Die unterstützende Rolle hauswirtschaftlichen<br />
Personals kann von Angehörigen<br />
offenbar leichter angenommen werden, als dies<br />
bei Pflegekräften (auch den ambulanten Kräften<br />
des Projektes) der Fall ist. Womöglich ist<br />
hier die „Qualifizierungsbarriere“ – damit ist<br />
der Abstand zwischen Fachpersonal und Angehörigen<br />
gemeint – weit weniger hoch und lässt<br />
es eher zu, dass Angehörige sich in den Betreuungsalltag<br />
mit eigenen Beiträgen einbringen.<br />
Hauswirtschaft als Vermittler und<br />
Ansprechpartner<br />
Die Hauswirtschafts-Kräfte sind inzwischen<br />
mehr und mehr zu den ersten Ansprechpartnern<br />
geworden. Gab es anfangs noch häufig<br />
Beschwerden, dass „nie eine Schwester da ist“,<br />
so akzeptieren Angehörige und Bewohner nun,<br />
dass die hauswirtschaftlichen Kräfte sehr wohl<br />
immer da sind und bei Bedarf die „Schwester“<br />
gerufen werden kann. Es ist ein Vertrauensverhältnis<br />
entstanden, das den Sinn von Hauswirtschaft<br />
als Hauptdienstleistung in der Altenbetreuung<br />
bestätigt.<br />
Zuweilen zeigt dieses Verhältnis aber auch<br />
Nachteile, denn durch die niedrige Hemmschwelle<br />
der Angehörigen, mit ihren Wünschen<br />
die hauswirtschaftlichen Betreuerinnen anzusprechen,<br />
erwarten sie ganz selbstverständlich,<br />
dass diese auch umgesetzt werden. Diese<br />
gewollte „Einmischung“ reicht von Vorschlägen<br />
zu betrieblichen Abläufen über Versorgungsvorgaben<br />
bis zum Eingriff in private<br />
Angelegenheiten anderer Bewohner und kann<br />
dann auch zu Konflikten führen. Dann müssen
die Mitarbeiter ihre eigene Position behaupten.<br />
Fingerspitzengefühl bzw. kommunikative<br />
Kompetenz sind dann gefordert, um den Beitrag<br />
der Angehörigen einerseits zu würdigen,<br />
sie aber andererseits mit den auch in diesem<br />
Projekt unumgänglichen Beschränkungen eines<br />
Heimbetriebes und mit der bei aller Vertrautheit<br />
einer Hausgemeinschaft notwendigen<br />
Respektierung der Privatsphäre anderer<br />
Bewohner zu konfrontieren.<br />
Hinzu kommt die Anspruchshaltung mancher<br />
Angehöriger. Auch hier sind die Hauswirtschaftskräfte<br />
gefordert, das Konzept der<br />
Bewohner-Aktivierung zu vermitteln und Angehörige<br />
zu eigenen Beiträgen zu ermuntern, statt<br />
Leistungen anderer einzufordern. Die<br />
Ressource Zeit ist eben auch hier nicht uneingeschränkt<br />
verfügbar. Das Agieren zwischen<br />
Motivieren, Vermitteln und Abgrenzen stellt<br />
eine stetige Herausforderung für Alltagsmanagerinnen<br />
und Bereichkräfte dar und erfordert<br />
ein hohes Maß an sozialer Kompetenz und<br />
Lebenserfahrung.<br />
Gemeinsame Dokumentation<br />
mit Pflegekräften<br />
Die meisten Befürchtungen auf allen Seiten<br />
erzeugte zu Projektbeginn die Frage, wie der<br />
Austausch und die Zusammenarbeit der Hauswirtschaft<br />
mit den „ambulanten“ Pflegekräften<br />
zu organisieren ist. Zum einen mussten Informationstransfer<br />
und Absprachen gewährleistet<br />
sein, andererseits sollten nicht unzählige<br />
gemeinsame Besprechungszeiten anfallen. Auch<br />
musste eine übergroße Abgrenzungen der<br />
Berufsgruppen vermieden werden, um nicht als<br />
„geteilte“ Einrichtung zu erscheinen. Vorgesehen<br />
war, ganz auf gemeinsame Übergaben zu<br />
verzichten und konsequent auf die gemeinsame<br />
schriftliche Alltagsdokumentation zu setzen. Es<br />
erforderte nicht geringe Anstrengungen, durchzusetzen,<br />
dass die Dokumentation nicht allein<br />
von den Pflegekräften benutzt wurde, sondern<br />
auch die Beobachtungen der Hauswirtschaftskräfte<br />
darin einzutragen sind. Inzwischen<br />
nutzen sie ganz selbstverständlich den zwischen<br />
zwei Wohngruppen gelegenen Tresen als<br />
„Büro-Arbeitsplatz“, der zuvor als „Hoheitsgebiet“<br />
der Pflege angesehen wurde. Es hat sich<br />
ein Informations- und Dokumentationssystem<br />
herausgebildet, in dem es zwar nun eine haus-<br />
übergreifende Übergabe der Pflegekräfte gibt,<br />
das sich aber in der Hauptsache auf die schriftliche<br />
Dokumentation und den direkten Austausch<br />
der Mitarbeiter in den Wohngruppen<br />
stützt. Eine gemeinsame Alltagsplanung ließ<br />
sich aus Kostengründen nicht verwirklichen.<br />
Stattdessen erarbeiten die Hauswirtschaftskräfte<br />
ihre Sicht der Bewohnerkompetenzen,<br />
die dann von speziell beauftragten Pflegekräften<br />
in die standardisierte Alltagsplanung aufgenommen<br />
wird.<br />
Einbindung demenzerkrankter<br />
Bewohner<br />
Zentrale Herausforderung für die Hauswirtschaftskräfte<br />
ist die Förderung demenziell<br />
erkrankter Bewohner. Nach den vorliegenden<br />
Erfahrungen ist ein hoher Anteil Demenzerkrankter<br />
in den Wohnküchenalltag integrierbar<br />
und bietet enorme Chancen für den Ressourcen-Erhalt<br />
und die Wiedererlangung bereits<br />
verschütteter Fähigkeiten. Denn fast alle<br />
Bewohner kennen in irgendeiner Form<br />
hauswirtschaftliche Tätigkeiten und verrichten<br />
diese mehr oder weniger intuitiv. Um allerdings<br />
herauszufinden, mit welcher Tätigkeit Bewohner<br />
etwa beruhigt oder angeregt werden können,<br />
bedurfte es intensiverer Beobachtung. Die<br />
mittlerweile fast dreijährige Erfahrung der<br />
Hauswirtschaftskräfte ist dabei von unschätzbarem<br />
Wert, denn Effekte zeigen sich nicht in<br />
„vorzeigbaren“ neuen Aktivitäten, sondern<br />
eher versteckt in kleinen unerwarteten Tätigkeiten<br />
des Alltags: Zehn Minuten Geschirr-<br />
Abtrocknen und Plaudern eines sonst verwirrten<br />
alten Herrn oder das kurzzeitige Hinsetzen<br />
und Serviettenfalten einer sonst von zwanghafter<br />
Unruhe getriebenen älteren Dame sind<br />
Erfolge, die den Hauswirtschaftskräften selbst<br />
manchmal gar nicht mehr auffallen und daher<br />
als gering eingestuft werden. Dabei ist dieses<br />
Potenzial möglicherweise noch gar nicht ganz<br />
ausgeschöpft.<br />
Neues Berufsbild<br />
in der Altenbetreuung<br />
Bei den Auswahlkriterien für hauswirtschaftliche<br />
Mitarbeiter war die soziale Qualifikation<br />
bisher ausschlaggebend. Mittlerweile hat sich<br />
Bauen und Wohnen<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 63
Bauen und Wohnen<br />
64<br />
aber auch in der Ausbildung zur Hauswirtschafterin<br />
einiges verändert. Die über 20 Jahre<br />
existierende Ausbildungsordnung wurde 1999<br />
erneuert. Neben klassisch hauswirtschaftlicher<br />
Versorgung sind nun auch personenorientierte<br />
Betreuungsleistungen verankert. Das neue<br />
Leitbild reagiert damit auf veränderte Rahmenbedingungen.<br />
Die klassischen Einsatzgebiete in<br />
Privathaushalten wurden durch Beschäftigung<br />
in Großhaushalten wie zum Beispiel Altenhilfe-<br />
Einrichtungen ersetzt. Dementsprechend werden<br />
den Auszubildenden heute Fertigkeiten wie<br />
Kommunikationsfähigkeit und Teamarbeit,<br />
Lösungsorientierung und Eigenverantwortung,<br />
Kreativität und Flexibilität vermittelt.<br />
Es zeichnet sich dadurch eine zunehmende<br />
Professionalisierung ab, die langfristig flankiert<br />
durch ergänzende Qualifikationen, speziell im<br />
Bereich der Betreuung Demenzerkrankter, ein<br />
eigenständiges Berufsbild „Hauswirtschafterin<br />
in der Altenpflege“ entwickeln wird.<br />
Die Eigenständigkeit professioneller hauswirtschaftlicher<br />
Betreuung im Projekt Rablinghausen<br />
zeigt sich insbesondere in der Art, wie<br />
Mitarbeiter eigene Aktivitäten in den Wohngruppen<br />
ergriffen haben. Durch entsprechende<br />
Anleitung angeregt, werden inzwischen wie<br />
selbstverständlich Ausflüge geplant, Feiern<br />
einschließlich der dafür notwendigen Einkäufe<br />
organisiert oder Kegelnachmittage veranstaltet.<br />
Alltagsnormalität, wie sie in der Konzeptidee<br />
als Abkehr vom „Pflegealltag“ und Hinwendung<br />
zum „Wohnalltag“ beschrieben ist,<br />
bedeutet eben auch die bewusste aber unverkrampfte<br />
Gestaltung alltäglicher Lebenssituationen:<br />
Feiern und Geselligkeit gehören<br />
genauso dazu wie der Abwasch und das Aufräumen<br />
danach.<br />
Kompetenzpartnerschaft als Mittel<br />
für mehr Pflegequalität<br />
Bemerkenswert ist, dass die anfangs befürchtete<br />
Konkurrenz zwischen Hauswirtschaftsund<br />
Pflegekräften nicht eingetreten ist, sondern<br />
es gelungen ist, eine Kompetenzpartnerschaft<br />
zweier gleichberechtigt sich ergänzender Professionen<br />
zu etablieren und Angehörige und<br />
andere Hilfeleistende darin einzubeziehen.<br />
Höhere Eigenverantwortlichkeit und die<br />
Zusammenarbeit mit anderen Akteuren ermöglichen,<br />
eine effektivere, lebendigere und trans-<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
parentere Betreuung alter Menschen auch in<br />
stationären Einrichtungen. Grundlage der<br />
erfolgreichen Zusammenarbeit der Mitarbeitergruppen<br />
war und ist eine entsprechende<br />
Zusammenarbeit der beteiligten Träger. Durch<br />
eigenständige Verantwortungsbereiche (Pflege –<br />
Hauswirtschaft – Verwaltung/Leitung) entsteht<br />
ein hohes Maß an Transparenz über zu erbringende<br />
und tatsächlich erbrachte Leistungen. Es<br />
entwickelt sich nicht nur ein stärkeres Bewusstsein<br />
über notwendige oder effektiver zu organisierende<br />
Dienstleistungen, sondern es wird<br />
auch ein weitaus höheres Maß an Kontrolle<br />
der Auswirkungen bei den Bewohnern möglich.<br />
Die Aufwertung der Hauswirtschaft als<br />
Hauptdienstleistung in der Altenpflege ist<br />
zukunftsweisend. Dies muss dann aber auch<br />
Konsequenzen in der Beurteilung solcher Einrichtungen<br />
haben. Im Projekt Rablinghausen<br />
konnte durch mit der Sozialbehörde abgestimmte,<br />
schwerpunktmäßig die betreuerischen<br />
Fähigkeiten der Mitarbeiter unterstützende<br />
Schulungsmaßnahmen, die gesetzlich geforderte<br />
Fachkraftquote erreicht werden. Für die<br />
zukünftige Verbreitung solcher Konzepte<br />
bedeutet das, dass der Begriff „Fachkraft“ vom<br />
Gesetzgeber differenzierter definiert wird.<br />
Hauswirtschaftlich-betreuerische Qualifikationen,<br />
sofern sie der geänderten Ausbildungsverordnung<br />
und den Inhalten des neuen Berufsbildes<br />
entsprechen, müssen generell anerkannt<br />
werden können.<br />
Die Autoren:<br />
• Monika Böttjer, Geschäftsführerin der<br />
Bremer Stiftungs-Service gGmbH, Bremen<br />
• Ulrike Scheer, Heimleiterin, Stiftungsdorf<br />
Rablinghausen, Bremen<br />
• Birgit Nowak, Hauswirtschaftlerin,<br />
Pflege-Centrum Rablinghausen, Bremen<br />
• Gerhard Reisig, Innovations- und Organisationsberater,<br />
Reisig-Consulting, Sottrum<br />
Literatur<br />
• Künzel, Alexander: „Ende gut – alles gut? Zur<br />
Pflegesatzgestaltung in den Hausgemeinschaften der<br />
Bremer Heimstiftung“, in: Pro<strong>Alter</strong> 2/2002
Landeskoordination der Wohnberatung<br />
Rückschritt in Baden-Württemberg<br />
Das Land Baden-Württemberg hat den Zuschuss<br />
zur Finanzierung seiner zentralen Beratungsstelle<br />
(zbw) zum Anfang dieses Jahres gestrichen.<br />
Dadurch wird hier die Qualifizierung von Wohnberatern<br />
und damit auch eine Qualitätssicherung der<br />
Wohnberatung in Frage gestellt.<br />
In den vergangenen zehn Jahren ist deutlich<br />
geworden, dass, wie in Nordrhein-Westfalen und<br />
Baden-Württemberg, nur dort ein umfassendes<br />
Angebot an Beratungsstellen entstehen konnte, wo<br />
eine zentrale Qualifizierungs- und Koordinierungsstelle<br />
für Wohnberater eingerichtet war. Im vergangenen<br />
Jahr wurden aufgrund dieser Erfahrungen<br />
und als ein Ergebnis des Bundesmodellprogramms<br />
„Selbstbestimmt wohnen im <strong>Alter</strong>“ in drei weiteren<br />
Bundesländern – Bayern, Hessen und Niedersachsen<br />
– Fachstellen für Wohnberatung eingerichtet.<br />
Zu ihren Aufgaben gehört der Aufbau örtlicher<br />
Beratungsstellen durch zentrale Qualifizierungsangebote<br />
sowie die Unterstützung durch Informa-<br />
tionsmaterialien. Finanziell gefördert werden sie<br />
durch die jeweiligen Landesministerien. Dies war<br />
ein Meilenstein in der Entwicklung der Wohnberatung<br />
(siehe Pro<strong>Alter</strong> 2/02).<br />
Unter dem Dach der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
Wohnungsanpassung e.V. wurde daraufhin<br />
im Mai 2002 eine Arbeitsgruppe der nunmehr fünf<br />
Landesstellen für Wohnberatung eingerichtet. Ziele<br />
sind unter anderem die Abstimmung von Qualifizierungsmaßnahmen<br />
und die Verbesserung der Rahmenbedingungen<br />
für die Wohnberatung auf<br />
Bundesebene. Die Streichung der Zuschüsse für die<br />
zbw verschlechtert nicht nur die Situation in Baden-<br />
Württemberg, sondern schwächt auch die gerade<br />
erreichte Bündelung von Kräften für eine bundesweite<br />
Regelung der Beratungsfinanzierung. Es<br />
bleibt zu hoffen, dass der Landeswohlfahrtsverband<br />
Württemberg-Hohenzollern als Träger der bisherigen<br />
zbw deren Aufgaben zumindest teilweise<br />
weiterführen kann und – besser noch – die Landesregierung<br />
ihren Schritt rückwärts wieder korrigiert.<br />
Holger Stolarz<br />
HANDLAUF<br />
Fachblatt für Wohnungsanpassung und Wohnberatung<br />
Herausgeber: Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung e.V.<br />
Thema Ausgabe 11:<br />
Vom Krankenhaus in die eigene Wohnung –<br />
Die Rolle der Wohnberatung in der Überleitung<br />
außerdem lieferbar:<br />
Ausgabe 6: Ergotherapie in der Wohnberatung<br />
Ausgabe 9: Neue Anforderungen an die Wohnberatung<br />
Ausgabe 10: Anpassungsmaßnahmen im Bad<br />
Broschüre: Qualitätsanforderungen für Wohnberatungsstellen<br />
Broschüre: Finanzierung von Wohnberatungsstellen<br />
Kosten je Heft: 7 Euro zzgl. Versandgebühren<br />
Kontaktadresse:<br />
Erscheinungsdatum<br />
Herbst 2003<br />
Bestellanschrift:<br />
BAG Wohnungsanpassung e.V.<br />
Versand, c/o Albatros e.V.<br />
Breite Straße 3, 13187 Berlin<br />
Tel.: 0 30/47 53 17 19<br />
Fax: 0 30/47 53 18 92<br />
versand@wohnungsanpassung.de<br />
BAG Wohnungsanpassung e.V.<br />
c/o SoFoB-Institut Bielefeld<br />
Berenskamp 5E, 33611 Bielefeld<br />
Tel.: 05 21/98 25 56 64, Fax: 05 21/8 75 03 01<br />
info@wohnungsanpassung.de, Internet: www.wohnungsanpassung.de<br />
Bauen und Wohnen<br />
– Anzeige –<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 65
Stationäre Altenhilfe<br />
• Becker, Clemens; Lindemann,<br />
Ulrich; Rissmann, Ulrich: Sturzprophylaxe.<br />
Sturzgefährdung<br />
und Sturzverhütung in Heimen.<br />
Hannover: Vincentz, 2003. ISBN<br />
3-87870-635-9. 12,80 €<br />
Stürze im <strong>Alter</strong> haben<br />
schwer wiegende Folgen und<br />
verursachen hohe Kosten. Dabei<br />
sind Stürze vermeidbar, wie<br />
dieses Buch zeigt. Mit Hilfe von<br />
vielen Übungen, Fallbeispielen<br />
und Checklisten liefern die<br />
Verfasser informative Anleitungen<br />
zur Sturzprophylaxe. Da das<br />
Buch ein Resultat eines mehrjährigen<br />
Modellprojektes ist, hat es<br />
einen hohen Praxisbezug.<br />
Nachschlagewerke<br />
• Altenheim Adressbuch 2003.<br />
Alle Einrichtungen der stationären<br />
Altenhilfe in Deutschland.<br />
Hannover: Vincentz, 2003. ISBN<br />
3-87870-479-8. 49,– €<br />
Mittlerweile in der 19.<br />
Ausgabe präsentiert sich das<br />
Altenheim Adressbuch wieder<br />
mit einer Fülle von aktuellen<br />
Informationen zu den einzelnen<br />
Einrichtungen der stationären<br />
Altenhilfe. Auch aufgenommen<br />
sind Tages- und Kurzzeitpflegeheime<br />
sowie klinisch-geriatrisch<br />
und gerontopsychiatrisch orientierte<br />
Institutionen.<br />
• Arbeitskreis Gesundheit e.V.<br />
(Hrsg.): Rehabilitations-Kliniken<br />
stellen sich vor. 10. Aufl. 2003.<br />
Bonn: Arbeitskreis Gesundheit,<br />
2003<br />
Dieses Nachschlagewerk<br />
kann kostenfrei von Ärzten,<br />
Sozialdiensten und Kostenträgern<br />
angefordert werden bei:<br />
Arbeitskreis Gesundheit e.V.,<br />
Bonn-Center, Bundeskanzlerplatz<br />
2–10, 53113 Bonn. Fax 02 28/<br />
21 22 11, E-Mail: reha@bonnonline.com.<br />
Bei Privatpersonen<br />
wird eine Schutzgebühr in Höhe<br />
von 12,45 € erhoben.<br />
Gedächtnistraining<br />
• Klauer, Karl Josef: Denksport<br />
für Ältere. Geistig fit bleiben.<br />
Bern u. a.: Huber, 2002. ISBN<br />
3-456-83896-4. 19,95 €<br />
Dieses Training ist speziell<br />
für SeniorInnen konzipiert. Ein<br />
Vorteil des Programmes mit<br />
seinen 121 Aufgaben ist, dass es<br />
von den SeniorInnen alleine<br />
durchgeführt werden kann.<br />
Anleitungen zur Bearbeitung<br />
sowie Informationen zum Hintergrund<br />
des Trainings als auch die<br />
Lösungen werden zur Verfügung<br />
gestellt.<br />
Pflege<br />
• Hellmann, Stefanie; Kundmüller,<br />
Petra: Pflegevisite in Theorie<br />
und Praxis für die ambulante<br />
und stationäre Pflege. Checklisten<br />
für die praktische Anwendung<br />
und Schulungsunterlagen<br />
für die innerbetriebliche Fortbildung.<br />
Hannover: Schlütersche,<br />
2003. ISBN 3-87706-642-9. 12,90 €<br />
Die Pflegevisite ist ein praktikables<br />
Instrument für die interne<br />
Qualitätssicherung in Pflegeeinrichtungen.<br />
Doch es geht um<br />
mehr: Es geht um den Anspruch<br />
der Einrichtungen, die Qualität<br />
der erbrachten Leistungen zu<br />
sichern und weiterzuentwickeln.<br />
Das Buch informiert in leicht<br />
verständlicher Sprache über die<br />
Entwicklung und den Einsatz der<br />
Pflegevisite und ist mit vielen<br />
Checklisten und Folienvorlagen<br />
für die innerbetriebliche Fortbildung<br />
geeignet.<br />
• Lotze, Eckhard: Humor im therapeutischen<br />
Prozess. Dimensionen,<br />
Anwendungsmöglichkeiten<br />
und Grenzen für die Pflege.<br />
Frankfurt a.M.: Mabuse, 2003.<br />
ISBN 3-935964-19-6. 18,– €<br />
Humor ist dazu geeignet, der<br />
Beziehung zwischen Pflegenden<br />
und Pflegeempfängern neue<br />
Qualität zu verleihen und sie<br />
somit zu verbessern. Mit diesem<br />
Ziel sollte der Humor in den<br />
Katalog der professionellen<br />
Handlungskompetenzen von<br />
Pflegenden aufgenommen<br />
werden.<br />
• Diakonisches Werk Württemberg<br />
(Hrsg.): Dekubitusprophylaxe.<br />
Nationaler Expertenstandard,<br />
fachliche und juristische Aspekte.<br />
Dokumentation einer Fachtagung<br />
im April 2002. Stuttgart:<br />
Diakonisches Werk, 2003. 10,– €<br />
zzgl. 2,55 € Versand. Zu beziehen<br />
bei: Diakonisches Werk der evangelischen<br />
Landeskirche in Württemberg<br />
e.V., Postfach 10 11 51,<br />
70010 Stuttgart, Fax 07 11/<br />
1 65 63 65, E-Mail: krczal.u@diakonie-wuerttemberg.de.<br />
• Schindler, Ulrich (Hrsg.): Die<br />
Pflege demenziell Erkrankter neu<br />
erleben. Mäeutik im Praxisalltag.<br />
Hannover: Vincentz, 2003. ISBN<br />
3-87870-300-7. 14,80 €<br />
Mit der erlebnisorientierten<br />
Pflege wird ein neuartiges Konzept<br />
zur Pflege dementer Menschen<br />
vorgestellt. Hierbei geht es<br />
um den gefühlsmäßigen Kontakt,<br />
der mit der demenzkranken<br />
Person aufzubauen und zu<br />
halten ist. Verschiedene AutorInnen<br />
– darunter auch die Begründerin<br />
der Mäeutik, Cora van der<br />
Kooij – stellen dazu Ideen und<br />
Anregungen vor. Dabei geht es<br />
neben den Grundzügen der<br />
Mäeutik um konkrete Anwendungsformen<br />
wie Dementia Care<br />
Mapping (DCM) oder die 10-<br />
Minuten-Aktivierung.<br />
Therapie<br />
• Nölke, Eberhard; Willis, Marylin<br />
(Hrsg.): Klientenzentrierte<br />
Kunsttherapie in institutionalisierten<br />
Praxisfeldern. Bern u.a.:<br />
Huber, 2002. ISBN 3-456-83883-2.<br />
24,95 €<br />
Erfahrene PraktikerInnen<br />
führen ihre Arbeit in Bild und<br />
Text vor und gewähren dem<br />
Leser Einblick in die institutionel-<br />
Lese-Tipps<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 67
Lese-Tipps<br />
68<br />
len Rahmenbedingungen. Sie<br />
versuchen, Antworten auf die<br />
Frage der Bedeutung der kreativen<br />
Ausdrucksformen auf die<br />
Psychotherapie zu geben, und<br />
versuchen zu klären, wie sich<br />
künstlerisches Handeln zu therapeutischen<br />
Vorgängen verhält.<br />
• Price, Shirley; Price, Len: Aromatherapie.<br />
Praxishandbuch für<br />
Pflege- und Gesundheitsberufe.<br />
Bern u. a.: Huber, 2003. ISBN 3-<br />
456-83440-3. 39,95 €<br />
Die Aromatherapie erfreut<br />
sich bei zahlreichen Gesundheitsberufen<br />
immer größerer Beliebtheit.<br />
Zur Aromatherapie gibt es<br />
zwar schon etliche Veröffentlichungen,<br />
die sich aber zum<br />
großen Teil an Laien richten.<br />
Dieses Buch bietet eine wissenschaftlich<br />
belegte Darstellung<br />
und Anwendung der Aromatherapie<br />
für Pflege- und Gesundheitsberufe<br />
und wendet sich<br />
speziell an diese Personengruppe.<br />
Management<br />
• Schubert, Hans-Joachim (Hrsg.):<br />
Management von Gesundheitsund<br />
Sozialeinrichtungen. Handlungsfelder,<br />
Methoden, Lösungen.<br />
Neuwied u.a.: Luchterhand,<br />
2002. ISBN 3-472-04953-7. 55,– €<br />
Vor dem Hintergrund der<br />
immer knapper werdenden<br />
öffentlichen Mittel und der<br />
immer stärkeren Nachfrage nach<br />
Leistungen aus dem Gesundheitsund<br />
Sozialsystem will dieses<br />
Werk, durch eine intensive<br />
Auseinandersetzung mit Fragen<br />
der Existenzsicherung und Steigerung<br />
der Wettbewerbsfähigkeit,<br />
das erforderliche (Grundlagen-)Wissen<br />
und die notwendigen<br />
Kompetenzen vermitteln,<br />
um diese Aufgaben zu meistern.<br />
Zu den Kernthemen gehören u.a.<br />
Strategisches Management,<br />
Personalmanagement und -<br />
entwicklung, Kundenorientie-<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
rung oder Beschwerdemanagement.<br />
Das Werk richtet sich an<br />
Fach- und Führungskräfte aus<br />
Gesundheits- und Sozialeinrichtungen<br />
und an Personen, die<br />
eine leitende Funktion in diesem<br />
Bereich anstreben.<br />
• Balk; Eisenreich, Thomas<br />
(Hrsg.): Handbuch Pflegemanagement.<br />
Erfolgreich führen<br />
und wirtschaften in der Pflege.<br />
2., komplett überarb. Aufl. Neuwied<br />
u.a.: Luchterhand, 2003.<br />
ISBN 3-472-05210-4. 64,– €<br />
Nachdem die erste Auflage<br />
innerhalb von drei Monaten<br />
vergriffen war, haben die Herausgeber<br />
das Werk komplett neu<br />
überarbeitet und aktualisiert. Als<br />
neuer Schwerpunkt wurde das<br />
Thema „Recht in der Pflege“<br />
aufgenommen. Nachdem zum 1.<br />
Januar 2002 das Gesetz zur<br />
Qualitätssicherung und zur<br />
Stärkung des Verbraucherschutzes<br />
in der Pflege (PQsG) in Kraft<br />
getreten ist, geht das Buch<br />
speziell auf dieses Thema ein.<br />
Auch haftungsrechtliche Aspekte<br />
im Pflegedienst werden behandelt,<br />
da zunehmend auch Pflegekräfte<br />
mit Vorwürfen und<br />
Ansprüchen von Patienten konfrontiert<br />
sind.<br />
Ausbildung<br />
• Kogler, Monika: Lehrbuch der<br />
Pharmakologie für Pflegehelfer.<br />
Mit einem ausführlichen Teil zum<br />
Thema Diabetes. Wien, München,<br />
Bern: Maudrich, 2003. ISBN<br />
3-85175-792-0. 16,– €<br />
Dieses Lehr buch enthält in<br />
übersichtlicher Form die für das<br />
Fach Pharmakologie benötigten<br />
Informationen. Arten und Darreichungsformen,<br />
Dosierung und<br />
Lagerung, Vorbereitung und<br />
Verabreichung von Medikamenten,<br />
Wirkungsweise, Nebenwirkungen<br />
u. a.<br />
Soziologie<br />
• Huber, Andreas: Sog des Südens.<br />
<strong>Alter</strong>smigration von der<br />
Schweiz nach Spanien am Beispiel<br />
Costa Blanca. Zürich: Seismo,<br />
2003. ISBN 3-908239-94-X.<br />
32,– €<br />
Sog des Südens beschäftigt<br />
sich mit der <strong>Alter</strong>smigration von<br />
Schweizern nach Spanien. Die<br />
Studie stellt den Alltag und das<br />
Leben der Rentnerinnen und<br />
Rentner aufgrund einer schriftlichen<br />
Befragung dar, thematisiert<br />
aber auch die Probleme, die<br />
sich aufgrund der vielen älteren<br />
ausländischen Residenten für die<br />
bestehenden regionalen Versorgungssysteme<br />
der Altenhilfe<br />
ergeben.<br />
Neues aus dem DZA:<br />
• Engstler, Heribert; Menning,<br />
Sonja: Die Familie im Spiegel der<br />
amtlichen Statistik. Lebensformen,<br />
Familienstrukturen, wirtschaftliche<br />
Situation der Familien<br />
und familiendemographische<br />
Entwicklung in Deutschland. Erw.<br />
Neuaufl. 2003. Berlin: Bundesministerium<br />
für Familie, Senioren,<br />
Frauen und Jugend, 2003.<br />
Kostenlos zu beziehen bei:<br />
Bundesministerium für Familie,<br />
Senioren, Frauen und Jugend,<br />
Postfach 20 15 51, 53145 Bonn,<br />
Telefon 01 80/5 32 93 29,<br />
E-Mail: broschuerenstelle@<br />
bmfsfj.bund.de, Internet:<br />
www.bmfsfj.de.<br />
Zusammenstellung:<br />
Jürgen Wickert
Die Altenhilfe in der<br />
Informationsgesellschaft<br />
Internet, Intranet und E-Mails sind aus dem Arbeitsalltag vieler „Schreibtischtäter“ nicht mehr<br />
wegzudenken. Mit der Altenpflege und ihrem täglichen Praxis-Einsatz „am“ und für den Menschen<br />
haben sie – auf den ersten Blick – wenig zu tun. Warum diese modernen Informationstechnologien<br />
aber gerade auch für die Pflege-Branche wichtig sind und wie sie optimal genutzt<br />
werden können, zeigt Christian Koch in der vierteiligen Pro<strong>Alter</strong>-Reihe „Die Altenhilfe in<br />
der Informationsgesellschaft“.<br />
Teil III: Einsatz und Nutzen des Intranet<br />
Begriff und Anwendungsbereich<br />
Intranet bezeichnet die Anwendung der Internettechnologien,<br />
zum Beispiel E-Mail und<br />
Webseiten, in einem lokalen Netz (LAN).<br />
Typisch ist der geschlossene Benutzerkreis im<br />
Gegensatz zum öffentlichen Internet. Extranet<br />
bezeichnet eine geschlossene Anwendung, die<br />
über das lokale Netz hinaus geht und der<br />
Vernetzung verschiedener Standorte oder mit<br />
Geschäftspartnern dient. Schließlich wird noch<br />
der Begriff VPN („virtual private network“)<br />
für ein Extranet verwendet, das über das Internet<br />
realisiert wurde, aber durch Verschlüsselung<br />
und Authentifizierung gegen Zugriffe von<br />
Dritten abgeschirmt ist. Umgangssprachlich<br />
werden oft alle drei Formen als Intranet<br />
bezeichnet: im lokalen Netz, standortübergreifend<br />
über eigene Leitungen und geschützte<br />
Benutzergruppen, die über öffentliche Leitungen<br />
verbunden sind.<br />
Da innerhalb einer Organisation technische<br />
Ausstattung und Schulung der Mitarbeiter<br />
gezielt gesteuert werden können, sind die Voraussetzungen<br />
für eine zügige Umsetzung neuer<br />
Kommunikationswege recht gut. Trotzdem<br />
wird die Komplexität der Einführung eines<br />
Intranets oft unterschätzt. Die Schwierigkeiten<br />
resultieren daraus, dass Hardware, Software,<br />
Kommunikationsverbindungen, Anwender-<br />
kenntnisse und organisatorische Regelungen<br />
bestens ineinander greifen müssen.<br />
Besonders vorteilhaft ist ein Intranet, wenn<br />
• verteilte Standorte stärker integriert werden<br />
können,<br />
• ein hoher Anteil an Mitarbeitern erreicht<br />
wird, also ausreichend Zugang zu PCs besteht,<br />
oder mobile Geräte (PDA, Smartphone) integriert<br />
werden,<br />
• darüber möglichst viele gemeinsame<br />
Ressourcen zugänglich gemacht werden, z. B.<br />
Adressen, Terminkalender, Organisationsoder<br />
Qualitätsmanagement-Handbuch, Dokumentenmanagement,<br />
Fachliteratur…,<br />
• Geschäftsprozesse im Internet abgebildet<br />
werden, so dass beispielsweise über Webformulare<br />
unmittelbar Daten für den Leistungsprozess<br />
gewonnen werden,<br />
• externe Partner gezielt in das System integriert<br />
werden können.<br />
Bei Verbänden als Trägern der Altenhilfe<br />
treten neben die Zielgruppe der Mitarbeiter<br />
noch die Mitglieder und Vereinsgremien. In der<br />
Tabelle auf der folgenden Seite werden nur<br />
erstere betrachtet.<br />
Bei dem Einsatz sind drei Ebenen denkbar,<br />
die einzeln oder integriert realisiert werden<br />
können.<br />
1. Intranet innerhalb der Einrichtung: Dies<br />
entspricht weitgehend den bisherigen Möglich-<br />
Gesellschaft und Politik<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 69
Gesellschaft und Politik<br />
70<br />
Nutzungsmöglichkeiten des Intranet in Einrichtungen der Altenhilfe<br />
Angebot Umsetzung<br />
E-Mail mit Verteilern, Autorespondern, Filtern, Weiterleitungen<br />
Handbücher Organisationshandbuch, Qualitätshandbuch mit allen Satzungen,<br />
Ordnungen, Dienstanweisungen, Formulare, Checklisten und<br />
Arbeitshilfen als verlinkte Webseiten und ggf. Webformulare<br />
Berichtswesen Verteilung von Controllingauswertungen, Auswertungen auf<br />
Nachfrage<br />
Groupware Terminkalender, Verwaltung von Sitzungsräumen und Fuhrpark,<br />
Aufgabenlisten, Projektmanagement<br />
Dokumenten- strukturierte Ablage, Volltextindizierung, Zuordnung von Schlagmanagement<br />
wörtern, Suche nach Bearbeiter und Datum<br />
Workflow- automatische Vorgangssteuerung mit Weiterleitung, Genehmigung,<br />
management Wiedervorlage, Archivierung, Vorgangsverfolgung, Integration von<br />
Datenbanken, Modellierung von Geschäftsprozessen<br />
keiten eines lokalen Netzes mit gemeinsamer<br />
Ressourcennutzung. Durch die Internettechnologie<br />
wird die Benutzung vereinfacht. Alle<br />
Angebote sind zum Beispiel über Browser<br />
zugänglich und Dokumente können durch<br />
Links vielfältig verbunden werden. Gemeinsame<br />
Ressourcen reichen von der Telefonliste<br />
und dem Speisenplan bis zum Qualitätshandbuch.<br />
2. Intranet innerhalb eines Trägers: Hier<br />
steht die Kommunikation zwischen verteilten<br />
Standorten, vor allem der Zentrale und den<br />
Einrichtungen, im Vordergrund. Dienstanweisungen<br />
lassen sich aktualisieren, Besprechungsprotokolle<br />
verteilen, und E-Mail ersetzt so<br />
manches Telefonat.<br />
3. Intranet innerhalb eines Verbandes:<br />
Neben der räumlichen Verteilung spielt innerhalb<br />
von Spitzen- oder Fachverbänden vor<br />
allem die Informationsmenge eine wesentliche<br />
Rolle. Hier spielt das Intranet seine Stärke<br />
durch hierarchisch strukturierte Aufbereitung,<br />
laufende Aktualisierung und komfortable<br />
Suchfunktionen aus. So könnte die Suche nach<br />
„DCM“ auf Knopfdruck Fachbeiträge,<br />
aktuelle Nachrichten und Veranstaltungen zu<br />
Tage fördern.<br />
Ergänzend sind Angebote für Bewohner<br />
und Angehörige denkbar, denen zum Beispiel<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Zugriff auf eine Heimzeitung, Veranstaltungsmitschnitte,<br />
eine Webcam, Mitteilungen des<br />
Heimbeirates oder Kontaktdaten der Mitarbeiter<br />
und Bewohner gewährt wird. Da in den<br />
letzten Jahren zahlreiche Senioren-Internetcafés<br />
eingerichtet wurden, erscheinen diese Perspektiven<br />
zunehmend realistischer, auch wenn sie<br />
sicher nur einen Teil der Heimbewohner und<br />
Angehörigen erreichen werden.<br />
Das Beispiel „Controlling im Intranet“<br />
verdeutlicht den Nutzen: Alle Berichte werden<br />
als PDF-Datei erzeugt und strukturiert in Verzeichnissen<br />
nach Einrichtung, Kostenstelle und<br />
Jahr abgelegt. Neben den Übersichten können<br />
auch Einzelkostennachweise elektronisch<br />
publiziert werden, auf die sonst wegen des<br />
Umfangs oft verzichtet wird. Kosten und Zeitaufwand<br />
für Produktion und Distribution sind<br />
gegenüber der Papiervariante deutlich niedriger.<br />
Der neu eingestellten Heimleitung stehen<br />
auch von den Vorjahren alle Berichte sofort zur<br />
Verfügung. Zugriffsrechte lassen sich leicht<br />
über das Betriebssystem oder ein Contentmanagementsystem<br />
verwalten. Die Erstellung und<br />
Wiedergabe der Berichte erfolgt weitgehend<br />
hersteller- und betriebssystemunabhängig.<br />
Auch nach Jahren werden die Berichte noch<br />
auf Knopfdruck verfügbar sein.
Vorteilhaftes Intranet/Extranet<br />
1. Der Anwender muss sich nur einmal mit<br />
der Clientsoftware (Browser, E-Mail-Programm)<br />
vertraut machen, um sowohl extern<br />
wie intern zu kommunizieren.<br />
2. Systemverwaltung und Schulung<br />
beschränken sich auf wenige, verbreitete<br />
Programme.<br />
3. Selbst leistungsfähige Software ist größtenteils<br />
kostenlos erhältlich, zum Beispiel<br />
Apache-Webserver.<br />
4. Die technischen Voraussetzungen sind<br />
eher gering. Als Webserver kann oft ein<br />
„ausrangierter“ PC genutzt werden.<br />
5. Die Kommunikation kann problemlos<br />
über Betriebssystemgrenzen hinweg geführt<br />
werden.<br />
6. Durch die offenen Standards wird eine<br />
Abhängigkeit von einzelnen Herstellern<br />
vermieden.<br />
7. Mit dynamisch erzeugten Webseiten und<br />
Datenbankanbindung ist eine schrittweise<br />
Integration in bestehende Systeme möglich.<br />
Realisierung<br />
Der Aufbau eines Intranets ist wie jedes Projekt<br />
mit klaren Zielen, Verantwortlichen, Budget<br />
und Zeitplan auszustatten. Spezifische Arbeitsschritte<br />
sind<br />
• Zielgruppen bestimmen<br />
• Standorte festlegen<br />
• Anwendungsschwerpunkte vereinbaren<br />
• Anwendungen festlegen, dabei zuerst Anwendungen<br />
mit höchstem Nutzen und geringen<br />
Anforderungen an Technik sowie Anwenderkompetenz<br />
realisieren<br />
• Technische Standards festlegen und Voraussetzungen<br />
prüfen, zum Beispiel Ausstattung<br />
vor Ort<br />
• Personelle Voraussetzungen schaffen für<br />
Aufbau und laufende Pflege von Technik, Benutzerverwaltung<br />
und inhaltliche Betreuung<br />
• Hardware und Software anschaffen, installieren<br />
und testen, ggf. Aufträge fremd vergeben<br />
• Schulungsplan aufstellen und umsetzen<br />
• Projektcontrolling durchführen und Erfolge<br />
bzw. Hemmnisse feststellen sowie angemessen<br />
reagieren.<br />
Der Aufbau eines Intranets und die Internetnutzung<br />
bedürfen fundierter Planung und<br />
kompetenter fachlicher Betreuung. Sie sollten<br />
in überschaubaren Phasen realisiert und als<br />
Organisationsentwicklungsmaßnahme verstanden<br />
werden. Die technischen Aspekte sind für<br />
die Sozialwirtschaft nicht spezifisch. Sie müssen<br />
zweifelsohne angemessen berücksichtigt<br />
werden, aber der Nutzen entsteht durch ein<br />
branchenspezifisches Verständnis der organisatorischen<br />
Anforderungen und der Entwicklung<br />
adäquater Lösungen. Arbeitsrechtliche Bestimmungen<br />
bezüglich Informations- und Mitbestimmungsrechten<br />
sind dabei zu beachten.<br />
Folgende grundsätzliche technische Varianten<br />
sind möglich:<br />
1. Webhosting als Basis für ein einfaches<br />
Intranet<br />
Für wenige Euro im Monat wird ein standardisiertes<br />
Webhosting-Paket eingekauft. Im<br />
Gegensatz zu einer öffentlichen Website wird<br />
das Angebot durch ein Kennwort geschützt<br />
und nur den Mitarbeiter zugänglich gemacht.<br />
Diese Lösung kann mit minimalen Kosten<br />
schnell realisiert und leicht verwaltet werden.<br />
Allerdings müssen für alle Zugriffe externe<br />
Verbindungen zum Internet aufgebaut werden,<br />
selbst für interne Mails, und die Sicherheitsanforderungen<br />
für die geplanten Anwendungen<br />
sollten nicht zu hoch sein. Von einer Ablage<br />
von Patientendaten auf einem solchen Standardserver<br />
wäre beispielsweise abzuraten.<br />
Bewertung: bei räumlich verteilten Standorten,<br />
für Verbände zur Mitgliederkommunikation<br />
und als erster Einstieg auch für Einrichtungen<br />
gut denkbar.<br />
2. Linuxserver im LAN<br />
Mit kostenloser Software kann auch auf<br />
einem älteren PC ein Web- und Mailserver<br />
installiert und in das lokale Netz eingebunden<br />
werden. Dem großen Gestaltungsspielraum<br />
und der optimalen Anbindung stehen erheblich<br />
größere Anforderungen an die technische<br />
Kompetenz gegenüber. Die Kosten für die<br />
Administration können diejenigen für Hardund<br />
Software leicht um ein Mehrfaches übersteigen.<br />
Bewertung: bei technischer Kompetenz<br />
im Hause und für größere Träger eine reizvolle<br />
Lösung.<br />
3. Das Intranet mittels Standardsoftware<br />
Gerade wenn weniger Know-how im<br />
Betrieb verhanden ist, bietet sich der Rückgriff<br />
auf Standardlösungen an. Bei einem Standard-<br />
Gesellschaft und Politik<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 71
Gesellschaft und Politik<br />
72<br />
Intranet werden Benutzerverwaltung, Terminkalender,<br />
Adressbuch und andere Standardanwendungen<br />
bereits vorgegeben. Einerseits sind<br />
einige Funktionen sofort verfügbar, andererseits<br />
sind die individuellen Anpassungsmöglichkeiten<br />
entweder beschränkt oder aufwendig.<br />
Ein oft positiv beurteiltes Produkt dieser Kategorie<br />
ist z. B. Intrexx. Bewertung: Kleinere und<br />
mittlere Betriebe kommen mit vertretbarem<br />
Aufwand schnell zu einer Lösung.<br />
4. ASP – Das Intranet im Internet<br />
Application-Service-Provider (ASP) bieten<br />
Standardlösungen auf ihrem Webserver an, so<br />
dass der Anwender keine eigene Software<br />
installieren und warten muss. Auch die Speicherung<br />
und Sicherung der Daten wird ihm<br />
abgenommen. Offensichtlich bedarf es eines<br />
großen Vertrauens in den Provider, seine sensiblen<br />
und für den betrieblichen Ablauf existienziellen<br />
Daten einem Dritten anzuvertrauen.<br />
Andererseits ist die zeitliche Entlastung durch<br />
ein solches Outsourcing nicht zu unterschätzen.<br />
Bewertung: Auf jeden Fall sollte eine<br />
Planung für den Ausfall des Anbieters erstellt<br />
werden.<br />
Die Grenzen zwischen der ersten (Webhosting-Paket)<br />
und letzten (ASP) Lösung verwischen<br />
in der Praxis zunehmend, da die standardisierten<br />
Webhosting-Pakete immer häufiger<br />
mit Intranet-Funktionalität aufgewertet<br />
werden.<br />
Fazit<br />
Durch ein Intranet können Informationen<br />
schnell, kostengünstig und für den Empfänger<br />
gut strukturiert verteilt werden. Mittels E-Mail<br />
und Diskussionsforen wird die Kommunikation,<br />
vor allem zwischen verschiedenen Standorten,<br />
vereinfacht. Der Einstieg erfolgt am<br />
besten mit einfachen Anwendungen, deren<br />
Nutzen für den Anwender sofort ersichtlich ist:<br />
Adressenliste der Mitarbeiter, Speisenplan,<br />
Besprechungsprotokolle. Über komplexere<br />
Dokumente, wie Qualitätshandbuch und Fachinformationen,<br />
kann schließlich der Schritt zur<br />
Integration von Geschäftsprozessen angegangen<br />
werden: Terminkalender, Urlaubsgenehmigung,<br />
Fortbildungsdatenbank und vieles mehr.<br />
Werden jetzt noch mobile Erfassungsgeräte,<br />
zum Beispiel in der ambulanten Pflege, integriert,<br />
ist das technisch Machbare ausgereizt.<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
Aber wie beim Internetauftritt gilt auch für das<br />
Intranet: Letztlich hängt der Wert von den<br />
Inhalten und der Akzeptanz bei den Nutzern<br />
ab.<br />
Weiterführende Informationen<br />
• Heuser, Jürgen und Anja Lüthy (Hrsg.): Praxishandbuch<br />
Internet und Intranet @ Krankenhaus. Baumann<br />
Fachzeitschriften Verlag (Kulmbach) 1998, 344 Seiten,<br />
ISBN 3-922091-47-4<br />
Auch wenn auf das Krankenhaus statt auf die Altenhilfe<br />
bezogen und schon ein paar Jahre alt, bieten die<br />
Beiträge von 20 Autoren einen interessanten, facettenreichen<br />
Einstieg in das Thema.<br />
• Koch, Christian: Professionelle Kommunikation<br />
durch das Intranet. Der erfolgreiche Einsatz in Verbänden<br />
und sozialen Unternehmen. In: Handbuch Sozialmanagement.<br />
Raabe (Berlin), 8. Ergänzungslieferung,<br />
10/2001<br />
In der Pro<strong>Alter</strong>-Reihe „Die Altenhilfe in<br />
der Informationsgesellschaft“ sind bisher<br />
erschienen:<br />
• Teil I – Erfolgreich kommunizieren im<br />
Web<br />
• Teil II – E-Mail und mehr. Elektronische<br />
Kommunikation optimieren.<br />
Der letzte Beitrag aus dieser Reihe wird sich<br />
mit dem Thema „Gesellschaft – soziale<br />
Organisationen – Individuum: Was macht<br />
das Sabine, Netz mit bitte uns?“ als Kasten beschäftigen.<br />
setzen:<br />
Christian Koch,<br />
Dipl.-Kfm.<br />
Der Autor ist als<br />
Unternehmensberater<br />
für Nonprofit-Organisationen (www.npoconsult.de)<br />
bundesweit tätig. Die Arbeitsschwerpunkte sind<br />
Verbandsorganisation, Management und Controlling. Als<br />
Geschäftsführer der socialnet GmbH berät er bei der<br />
Konzeption von Internet-/Intranetprojekten und ist für<br />
das Portal www.socialnet.de verantwortlich.
Glossar:<br />
• ASP: Ein Application-Service-Provider bietet<br />
einen Server an, auf dem Anwendungssoftware<br />
(z. B. Lohnabrechnung) läuft, so dass der<br />
Kunde diese Software nicht mehr bei sich installieren<br />
muss, sondern über das Internet auf<br />
diese Anwendungssoftware zugreift und seine<br />
Daten auch auf dem Server des Anbieters speichert<br />
• Autoresponder: informiert automatisch alle<br />
Absender eingehender E-Mails z. B. über die<br />
Abwesenheit des Empfängers wegen Urlaub<br />
• Client(-software): stellt Daten (E-Mails,<br />
Webseiten) beim Anwender dar, die vom Server<br />
(Webserver, Mailserver) geliefert werden<br />
• Extranet: ein Intranet, dass nicht nur Anwendern<br />
im lokalen Netz (LAN), sondern auch<br />
anderen Anwendern, z. B. in anderen Einrichtungen<br />
oder Geschäftspartnern, zur Verfügung<br />
steht<br />
• Filter: können E-Mails automatisch in verschiedene<br />
Ordner sortieren, so dass die Bearbeitung<br />
vereinfacht und die Ablage automatisiert<br />
wird<br />
• Groupware: ist ein Sammelbegriff für Software,<br />
die Teamarbeit unterstützt, z. B. Terminkalender<br />
im Netz mit automatischem Vorschlag<br />
für gemeinsame Sitzungstermine<br />
• Intranet: firmeninternes, lokales Computernetz,<br />
bei dem die Internetprotokolle und<br />
-dienste zum Einsatz kommen. Die wichtigsten<br />
Anwendungen sind firmeninterne E-Mails und<br />
ein interner Webserver, z. B. mit Dienstanweisungen<br />
und Mitarbeiterzeitung.<br />
• LAN: Local-Area-Network bezeichnet ein<br />
lokales Computernetz, bei dem mehrere Rechner<br />
in einem Gebäude, oft in einer Abteilung,<br />
verbunden werden, so dass Daten ausgetauscht<br />
werden können.<br />
• Links/Verlinkung: Ein Link (wörtlich: Verbindung,<br />
treffender Adresse) verweist auf ein<br />
Dokument im Internet, das durch einfaches<br />
Anklicken des Links aufgerufen werden kann,<br />
und Verlinkung bezeichnet das Einfügen von<br />
Links in ein Dokument.<br />
• PDA: Personal Digital Assistant, z. B. von<br />
Palm, ist ein Kleinstcomputer für die Westentasche,<br />
meist mit Adressverwaltung, Textverarbeitung,<br />
Terminkalender, Mailprogramm und<br />
Browser, zunehmend mit integriertem Handy<br />
• PDF: Das Portable Dokument-Format von<br />
der Firma Adobe kann mit einem kostenlosen<br />
„Reader“ auf praktisch allen Computern und<br />
Betriebssystemen gelesen werden und eignet<br />
sich besonders zum Vertrieb von Prospekten<br />
und ansprechend gestalteten Dokumenten über<br />
das Internet, die zum Download angeboten<br />
werden.<br />
• Server: bezeichnet manchmal nur Software,<br />
oft auch Soft- und Hardware, die zentral Daten<br />
bereithält oder verarbeitet, z. B. einen Webserver,<br />
der Webseiten ausliefert, siehe auch Client.<br />
• Site: verkürzt für Website, bezeichnet alle<br />
zusammengehörenden Seiten einer Internetpräsenz,<br />
i. d. R. alle Seiten, die unter einer Domain,<br />
z. B. www.kda.de, erreichbar und untereinander<br />
verlinkt (Verlinkung) sind<br />
• Smartphone: eine Kombination von Handy<br />
und PDA, die gegenüber einem einfachen Handy<br />
z. B. Empfang und Versand von E-Mails<br />
oder eine, ggf. stark vereinfachte Anzeige von<br />
Webseiten erlaubt<br />
• Verteiler: hier Zusammenfassung von mehreren<br />
E-Mail-Adressen unter einem Begriff, so<br />
dass z. B. eine Mail an „heimA@traeger.de“<br />
automatisch an alle MitarbeiterInnen dieses<br />
Heims verteilt wird, ohne dass der Absender<br />
alle Adressen kennen muss<br />
• Volltextindizierung: erstellt einen Index<br />
(Verzeichnis) über alle Begriffe in einem Text<br />
und ermöglicht eine sehr schnelle Suche nach<br />
beliebigen Begriffen in den indexierten Dokumenten<br />
• VPN: Virtual Private Network: ein Extranet,<br />
dessen Kommunikation über das Internet<br />
abgewickelt wird, wobei alle übertragenen Daten<br />
verschlüsselt und der Zugriff auf befugte<br />
Personen beschränkt wird<br />
• Webcam: eine preiswerte Videokamera, die<br />
eher niedrigauflösende Bilder zur Veröffentlichung<br />
im Internet liefert<br />
• Webhosting: bezeichnet die Dienstleistung,<br />
für einen Kunden einen Webserver (exklusiv<br />
oder meist zur Mitnutzung) bereitzustellen und<br />
ihm die Veröffentlichung einer Website ohne eigenen<br />
Webserver zu ermöglichen<br />
• Webserver: siehe Server<br />
• Workflowmanagement-Software: soll die<br />
Geschäftsprozesse einer Organisation abbilden<br />
und automatisieren, z. B. die Daten eines Urlaubsantrags<br />
an den Vorgesetzten und bei dessen<br />
Abwesenheit automatisch an seinen Vertreter<br />
weiterleiten sowie das Ergebnis in die Datenbank<br />
der Personalabteilung einfügen und<br />
den Antragsteller informieren<br />
Gesellschaft und Politik<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 73
Veranstaltungen<br />
74<br />
Veranstaltungshinweise müssen rechtzeitig vor Redaktionsschluss<br />
bei uns eingehen. Der Redaktionsschluss für Heft 3/03 von<br />
Pro<strong>Alter</strong> ist am 4. August 2003.<br />
Zusammenstellung: Volker Kowitz<br />
Fachtagung „Auch Migranten<br />
werden alt!“, Hansesaal Lünen-<br />
Mitte<br />
• Lünen, 30. Juni bis 1. Juli<br />
• Information/Ansprechpartner:<br />
Multikulturelles Forum Lünen<br />
e.V., Bahnstraße 31, 44532 Lünen,<br />
Telefon 0 22 06/93 39-18, Fax<br />
0 23 06/93 39 29, E-Mail:<br />
info@multikulti-forum.de, Homepage:<br />
www.multkulti-forum.de<br />
Tagung „Gut in Ausbildung –<br />
Stark in Pflege.“ Chancen durch<br />
integrierendes Lehren und<br />
Lernen<br />
• Flensburg, 26. Juni<br />
• Information/Veranstalter: Ökumenisches<br />
Bildungszentrum für<br />
Berufe im Gesundheitswesen<br />
gGmbH, Knuthstraße 1, 24939<br />
Flensburg, Telefon 04 61/8 12-<br />
21 10, Fax 04 61/8 12-21 13, E-<br />
Mail: fwb@oebiz.de<br />
6. Internationaler Demenzkongress,<br />
Kulturhalle<br />
• Saarlouis, 30. Juni<br />
• Information/Veranstalter:<br />
Demenz-Verein Saarlouis e.V.,<br />
Ludwigstraße 5, 66740 Saarlouis,<br />
Telefon 0 68 31/4 88 18-0, Fax<br />
0 68 31/4 88 18-14, Homepage:<br />
www.demenz-saarlouis.de<br />
Ganztägiger Workshop<br />
„Validation – Umgang mit <strong>Alter</strong>sverwirrten“<br />
mit der Begründerin<br />
der Validationsmethode Naomi<br />
Feil, Kulturhalle<br />
• Saarlouis, 1. Juli<br />
• Information/Veranstalter:<br />
Demenz-Verein Saarlouis e.V.,<br />
Ludwigstraße 5, 66740 Saarlouis,<br />
Telefon 0 68 31/4 88 18-0, Fax<br />
0 68 31/4 88 18-14, Homepage:<br />
www.demenz-saarlouis.de<br />
Pro<strong>Alter</strong> 2/03 <strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe<br />
„Einführung milieutherapeutisch<br />
orientierter Demenzwohngruppen:<br />
Ergebnisse eines<br />
Modellprojektes“<br />
• Stuttgart, 8. Juli<br />
• Information/Veranstalter: Demenz<br />
Support Stuttgart gGmbH,<br />
Hölderlinstraße 4, 70174 Stuttgart,<br />
Telefon 07 11/9 97 87 14, Fax<br />
07 11/9 97 87 29, Homepage:<br />
www.demenz-support.de<br />
Wuppertaler Altenpflegekongress,<br />
Historische Stadthalle<br />
am Johannisberg<br />
• Wuppertal, 5. September<br />
• Information/Veranstalter:<br />
Bildungsinstitut Fachbereiche Gesundheitswesen,<br />
Südstraße 12,<br />
42489 Wülfrath, Telefon<br />
02058/7808-126<br />
2003: Senioren- und Behindertenmesse<br />
„Vital leben“,<br />
Hansesaal und Rundturnhalle<br />
• Lünen, 6. bis 7. September<br />
• Information/Veranstalter:<br />
Stadtverwaltung Lünen, Koordinierungsstele<br />
Altenarbeit, Willi-<br />
Brandt-Platz 1, 44532 Lünen,<br />
Telefon 0 23 06/1 04-12 07, Fax<br />
0 23 06/1 04-14 80, E-Mail:<br />
Annette.Goebel.14@luenen.de<br />
2003: Symposium End-of-Life<br />
Care – Versorgung von<br />
Menschen in der letzten Lebensphase,<br />
Stadthalle Bielefeld<br />
• Bielefeld, 11. bis 12. September<br />
• Information/Veranstalter: Institut<br />
für Pflegewissenschaft an der<br />
Universität Bielefeld (IPW), Universitätsstr.<br />
25, 33615 Bielefeld,<br />
Tel. 05 21/1 06-48 15, Fax 05 21/<br />
1 06-64 37, E-Mail: ina.horn@<br />
uni-bielefeld.de, Homepage:<br />
www.uni-bielefeld.de/IPW<br />
2. Kongress der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Gesellschaft für Körperpsychotherapie<br />
(DGK) „Körper-Seele-<br />
Selbst, Freie Universität Berlin<br />
• Berlin, 18. bis 21. September<br />
• Information/Veranstalter: CTW<br />
– Congress Organisation Thomas<br />
Wiese, Goßlerstraße 30, 12161<br />
Berlin, Telefon 0 30/85 99 62, Fax<br />
0 30/85 07 98 26, E-Mail: dak@<br />
ctw-conaress.de, Homepage:<br />
www.koerperpsychotherapiedgk.de<br />
Messe „50+“, Messezentrum<br />
• Erfurt, 19. bis 21. September<br />
• Information/Veranstalter: RAM<br />
Regio Ausstellungs GmbH, Futterstraße<br />
14, 99084 Erfurt, Telefon<br />
03 61/5 65 55-0, Fax<br />
03 61/5 65 55-10, Homepage:<br />
www.raumausstellung.de<br />
„Snoezelen – ein Beitrag zur<br />
Verbesserung der Lebensqualität<br />
im <strong>Alter</strong>?“ Abschlusstagung der<br />
Snoezelen-Studie am BRK-<br />
Seniorenheim Regensburg<br />
• Regensburg, 20. September<br />
• Information/Veranstalter: Rotkeuzheim,<br />
Rilkestraße 8, 93049<br />
Regensburg, Telefon 09 41/<br />
2 98 80, Fax 09 41/27 02 56, E-<br />
Mail: info@ahregensburg.brk.de<br />
Pflegemesse Leipzig – Fachmesse<br />
und Kongress für ambulante und<br />
stationäre Versorgung, Leipziger<br />
Messe<br />
• Leipzig, 23. bis 25. September<br />
• Information/Veranstalter: Leipziger<br />
Messe GmbH, Postfach<br />
10 07 20, 04007 Leipzig, Telefon<br />
03 41/6 78-0, Fax 03 41/6 78-<br />
87 62, Homepage:<br />
www.leipziger-messe.de
Interkulturelle Bildung in der<br />
Altenpflege – Abschlusstagung<br />
des Projektes [iku:] Interkulturelle<br />
Fortbildungen für das<br />
Personal in der Altenpflege<br />
• Bonn, 24. September<br />
• Information/Veranstalter:<br />
<strong>Deutsche</strong>s Institut für Erwachsenenbildung,<br />
Evelyn Schoppa,<br />
Friedrich-Ebert-Allee 38, 53113<br />
Bonn, Telefon 02 28/32 94-3 32,<br />
Fax 02 28/32 94-43 32, E-Mail:<br />
schoppa@die-bonn.de, Homepage:<br />
www.gsi-bonn.de<br />
4. internationale Konferenz und<br />
DBfK Pflegeforschungstag<br />
„Pflege und Pflegewissenschaft“,<br />
Rathaussaal Nürnberg/Stadthalle<br />
Fürth<br />
• Nürnberg/Fürth,<br />
28. bis 30. September<br />
• Information/Veranstalter: MCN<br />
Nürnberg AG, Zerzabelshofstraße<br />
29, 90478 Nürnberg, Telefon<br />
09 11/3 93 16 16, Fax 09 11/<br />
33 12 04, E-Mail: iknn@mcnag.<br />
info, Homepage: www.<br />
mcn-nuernberg.de<br />
7. Altenpflegetage Hessen-<br />
Thüringen „GePflegt 2003“,<br />
Congress Park Hanau<br />
• Hanau, 30. September bis<br />
1. Oktober<br />
• Information/Veranstalter:<br />
Alten- und Pflegezentren des<br />
Main-Kinzig-Kreises, Lortzingstraße<br />
5, 63452 Hanau, Telefon<br />
0 60 59/9 07 97 06, Homepage:<br />
www.gepflegt.net<br />
– Anzeige –<br />
7. <strong>Deutsche</strong>r Seniorentag<br />
„SenNova“, Kongresszentrum<br />
Hannover (Hcc)<br />
• Hannover, 6. bis 8. Oktober<br />
• Information/Veranstalter:<br />
Bundesarbeitsgemeinschaft der<br />
Seniorenorganisationen (BAG-<br />
SO), Eifelstraße 9, 53119 Bonn,<br />
Telefon 02 28/24 99 93-0, Fax<br />
02 28/24 99 93-20, Homepage:<br />
www.bagso.de<br />
7. DEVAP-Bundeskongress und<br />
Fachmesse, Messe Essen<br />
• Essen, 7. bis 8. Oktober<br />
• Information/Veranstalter:<br />
DEVAP Geschäftsstelle, Stafflenbergstraße<br />
76, 70184 Stuttgart,<br />
Telefon 07 11/2 15 95 28, Fax<br />
07 11/2 15 95 50, E-Mail:<br />
devap@diakonie.de, Homepage:<br />
www.devap.de<br />
4. Bad Arolser Studientage in der<br />
Altenpflege „Lieben, lachen,<br />
genießen im <strong>Alter</strong> – Altenpflege<br />
als Wohlfühlpflege!?“, Fürstliche<br />
Reitbahn<br />
• Bad Arolsen, 7. bis 9. Oktober<br />
• Information/Kontakt: Alfred T.<br />
Hoffmann, Schlossstraße 11,<br />
34454 Bad Arolsen, Telefon<br />
0 56 91/38 04, Fax 0 56 91/28 31,<br />
Homepage: www.Innovative-<br />
Qualifikation.de<br />
– Anzeige –<br />
REHACARE‚ international,<br />
Messe Düsseldorf<br />
• Düsseldorf, 15. bis 18. Oktober<br />
• Information/Veranstalter: Messe<br />
Düsseldorf GmbH, Messeplatz<br />
1, 40474 Düsseldorf, Telefon<br />
02 11/4 56 05 99, Fax 02 11/<br />
4 56 08 75 99, E-Mail:<br />
PetermannE@<br />
messe-duesseldorf.de,<br />
Homepage: www.rehacare.de<br />
Hospiztagung „In Würde sterben?“,<br />
Evangelische Akademie<br />
• Mülheim, Ruhr, 16. Oktober<br />
• Information/Veranstalter:<br />
Evangelische Akademie Mülheim,<br />
Uhlenhorstweg 29, 45479<br />
Mülheim/Ruhr, Telefon 02 08/<br />
5 99 06-0, Fax 02 08/5 99 06-6 00,<br />
Homepage: www.eamh.de<br />
5. Fachmesse und Congress für<br />
den Sozialmarkt in Deutschland<br />
„ConSozial 2003“, Messezentrum<br />
Nürnberg<br />
• Nürnberg, 22. bis 23. Oktober<br />
• Information/Veranstalter: KI<br />
Consult, Zugspitzstraße 46, 86163<br />
Augsburg, Telefon 08 21/<br />
2 62 03 36, Fax 08 21/2 62 03 37,<br />
E-Mail: consozial@ki-consult.de,<br />
Homepage: www.consozial.de<br />
Bundeskongress 2003 „Soziale<br />
Arbeit im Gesundheitswesen“,<br />
Kurfürstliches Schloss Mainz<br />
• Mainz, 30. bis 31. Oktober<br />
• Information/Veranstalter:<br />
Geschäftsstelle <strong>Deutsche</strong> Vereinigung<br />
für den Sozialdienst im<br />
Krankenhaus e. V. (DVSK), Kaiserstraße<br />
42, 55116 Mainz, Telefon<br />
0 61 31/22 24-22, Fax 0 61 31/<br />
22 24-58, Homepage:<br />
www.dvsk.org<br />
Veranstaltungen<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe Pro<strong>Alter</strong> 2/03 75
KURATORIUM DEUTSCHE ALTERSHILFE<br />
KLEINE DATENSAMMLUNG<br />
ALTENHILFE<br />
NEUERSCHEINUNG!<br />
<strong>Kuratorium</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe, An der Pauluskirche 3, 50677 Köln<br />
Aus dem Inhalt:<br />
Krank und pflegebedürftig?<br />
• Zahlen zur Lebenssituation der Älteren<br />
Arme Alte?<br />
• Zahlen zur finanziellen Lebensgrundlage<br />
der Älteren<br />
Einsamer Ruhe-Stand im Schaukelstuhl?<br />
• Zahlen zu Freizeit, Konsum, Information<br />
und politischer Anteilnahme<br />
Materialien und Hintergründe:<br />
• Demografische Daten<br />
• Gesundheit und Sterben<br />
• Pflege<br />
• Beruflich und privat Pflegende<br />
• Heimstrukturen und Architektur<br />
Ausblicke und Herausforderungen:<br />
• Demografische Entwicklung<br />
• Pflege von Menschen mit Demenz<br />
• Menschenwürdige Pflege<br />
• Kultursensible Altenhilfe<br />
DIE „KLEINE DATENSAMMLUNG ALTENHILFE“<br />
Wie viele Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig? Welches sind eigentlich die „<strong>Alter</strong>skrankheiten“? Wer<br />
lebt im Heim? Und wie viele Heime gibt es? Mit der Kleinen Datensammlung Altenhilfe möchten wir die Fragen<br />
beantworten, die immer wieder von Journalisten, politischen Entscheidern und Trägern der Altenhilfe an uns<br />
herangetragen werden.<br />
Mit der Datensammlung bieten wir mehr als Zahlen und Fakten, denn wir versuchen noch eine andere Frage zu<br />
beantworten: Wie leben die Menschen über 65 Jahre in Deutschland? Sind sie gesund, „rüstig“ und genießen<br />
ihren Lebensabend? Oder sind sie pflegebedürftig, krank, arm und einsam?<br />
Alles davon ist richtig. Diese über 13,7 Mio. Menschen, die älter als 65 Jahre sind, bilden eine sehr inhomogene<br />
Gruppe. In den Medien sind die vernachlässigten hilfebedürftigen Alten in den Magazinen präsent, in den Serien<br />
die lebenslustigen Omas und Opas.<br />
Seit 40 Jahren ist es die Aufgabe des <strong>Kuratorium</strong>s <strong>Deutsche</strong> <strong>Alter</strong>shilfe, die Lebensqualität der Älteren zu verbessern.<br />
Dazu muss man ihre Lebensumstände gut kennen und Entwicklungen vorher sehen. Mit der Kleinen Datensammlung<br />
Altenhilfe laden wir auch Sie ein, mehr über das <strong>Alter</strong>, das <strong>Alter</strong>n und die Alten zu erfahren.<br />
KDA (Hrsg.): Kleine Datensammlung Altenhilfe, zusammengestellt und bearbeitet von Anne Kleiber, April 2003, Preis 5 Euro plus Versand,<br />
DIN A6, 160 Seiten, ISBN 3-935299-39-7<br />
KURATORIUM DEUTSCHE ALTERSHILFE<br />
An der Pauluskirche 3 • 50677 Köln • Telefon: 02 21/93 18 47-0 • www.kda.de