Dem Neoliberalismus d 25. Gewerkschaftstag macht weitere Schritte auf dem Weg zur Bildungsgewerkschaft 6 E&W 5/<strong>2005</strong>
ie „Rote Karte“ gezeigt alle Fotos: Christian v. Polentz Mittwoch, 27. April, 14 Uhr. Fototermin: In der mächtigen gläsernen Eingangshalle der Erfurter Messe haben sich die acht Mitglieder des neuen <strong>GEW</strong>-Vorstands zum Gruppenbild mit Dame(n) versammelt. Nebenan, im lichtdurchfluteten Foyer des Gebäudekomplexes, hasten eifrige Helfer hin und her, transportieren Gerüststangen, Stellwände und Plakate. Knapp zwei Stunden nach dem Ende des Gewerkschaftstages erinnern nur noch letzte Reste von Ausstellungsständen und die im Wind flatternden <strong>GEW</strong>- Fahnen an die engagierten Diskussionen der letzten fünf Tage. Die Halbwertszeit der Entscheidungen und Beschlüsse, die die Delegierten gefasst haben, soll eine höhere sein als die der Dekoration. Dieser Aufgabe stellen sich die neuen Vorstandsmitglieder – in Zusammenarbeit mit den Landesverbänden, Gliederungen, Fach- und Personengruppen. Beim Fototermin sind sie dafür schon eng genug zusammengerückt. Zeitsprung. Sonntag, 24. April, früher Abend: Im schwarzen Bauch der Messehalle ist die angespannte Stimmung der Delegierten mit Händen zu greifen. Warten auf das Wahlergebnis für den Vorsitz der <strong>GEW</strong>. Punkt 19 Uhr verkündet Wahlleiter Kai Niemann: „Habemus Vorsitzender: Ulrich Thöne.“ Die Spannung löst sich, Delegierte gratulieren dem Neuen, der Mitteldeutsche Rundfunk (mdr) fordert das erste Interview. 64,3 Prozent der Delegierten votierten für Ulrich Thöne (53). Der neue Vorsitzende ist zufrieden. In der rund zweistündigen Kandidaten-Aussprache hatte er sich engagiert für seine Positionen eingesetzt. „Ich werbe für eine kämpferische <strong>GEW</strong>, kämpferisch für unsere Arbeitsbedingungen und für eine bessere Bildung von Anfang an und ein Leben lang für alle“, lautete sein Credo. „Ich setze mich aber auch dafür ein, dass die öffentlichen Haushalte in die Lage versetzt werden, dies auch dauerhaft und sicher finanzieren zu können.“ Dabei betonte der neue Vorsitzende, dass er sich in der Tradition der scheidenden Vorsitzenden Eva-Maria Stange sehe. Eva-Maria Stange (48) hatte nach acht Jahren aus persönlichen Gründen nicht wieder kandidiert. Ulrich Thöne war seit 1999 Landesvorsitzender der <strong>GEW</strong> Berlin. Kämpferisch zeigten sich auch die Delegierten in den Personal- und Antragsdiskussionen. Sie geißelten den Neoliberalismus, der in unserer Gesellschaft immer mehr um sich greife. Die <strong>GEW</strong>-Vertreter kritisierten die Steuerpolitik der Bundesregierung, die Konzerne und Großverdiener entlaste und die öffentlichen Kassen schröpfe. Deshalb fehlten dringend für die Bildung benötigte Gelder. Die Folgen seien die zunehmende Ökonomisierung des Bildungsbereiches und die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Gleichzeitig würden sozial Schwächeren und Arbeitslosen immer mehr Lasten aufgebürdet. Sie würden mit den Hartz IV- Gesetzen an die Kandare genommen, müssten nach kurzer Zeit der Arbeitslosigkeit jeden Job annehmen und würden mit Ein-Euro-Jobs ausgebeutet – meist ohne dass damit für sie eine berufliche Perspektive verbunden wäre. Die soziale Spaltung der Gesellschaft werde weiter vorangetrieben. Mit mehreren Anträgen positionierte sich die <strong>GEW</strong> deutlich gegen die Politik der Bundesregierung. Mut zur Gerechtigkeit Insbesondere die Vertreterinnen und Vertreter der Vorstandsbereiche Jugendhilfe und Sozialarbeit, Berufliche Bildung/Weiterbildung sowie Hochschule und Forschung mahnten an, dass sich die <strong>GEW</strong> schneller und konsequenter in Richtung Bildungsgewerkschaft weiterentwickeln müsse. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist mit der Verabschiedung der „Bildungspolitischen Reformpositionen“ getan. Mit diesem Papier hat die <strong>GEW</strong> nach 20 Jahren wieder eine programmatische Grundlage. Der außerordentliche Gewerkschaftstag in Würzburg, der sich 1999 für die Selbstständigkeit der <strong>GEW</strong> und gegen den Zusammenschluss zur Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ausgesprochen hatte, gab damals die Erarbeitung des Konzepts in Auftrag. In den vergangenen sechs Jahren ist über die bildungspolitische Positionierung der <strong>GEW</strong> unter der Federführung von Norbert Hocke, ehemaliger stellvertretender <strong>GEW</strong>-Vorsitzender, auf vielen Ebenen unter Einbezug internen und externen Sachverstands viel und auch kontrovers diskutiert worden. Das Ergebnis fand die große Mehrheit der Delegierten – aber auch einen harten Kern von Gegnern, der es vor allem wegen der Aussagen zur Eigenverantwortung und Eigenständigkeit von Bildungseinrichtungen ablehnt. Die Programmarbeit soll nach dem Gewerkschaftstag fortgesetzt werden. Das neue Führungsteam der <strong>GEW</strong> ❞ Ich werbe für eine kämpferische <strong>GEW</strong>, kämpferisch für unsere Arbeitsbedingungen und für eine bessere Bildung. ❝ Ulrich Thöne Der neue <strong>GEW</strong>-Vorsitzende Ulrich Thöne mit seiner Vorgängerin Eva-Maria Stange E&W 5/<strong>2005</strong> 7