E&W Mai 2005 - GEW
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Auch für <strong>2005</strong> keine<br />
Entwarnung:<br />
Nach wie vor<br />
machen im deutschenSchulsystem<br />
viel zu wenig<br />
junge Menschen<br />
Abitur.<br />
30<br />
E&W 5/<strong>2005</strong><br />
Im Schneckentempo voran<br />
Mehr Abiturienten? Mehr Schulabbrecher! Im Schulsystem bewegt sich wenig<br />
Ein Viertel mehr Abiturienten verlassen<br />
heute im Vergleich zu vor zehn Jahren<br />
die Schulen – meldete Ende März<br />
das Statistische Bundesamt. Also geht<br />
es endlich aufwärts mit der seit Jahren<br />
im internationalen Vergleich dahindümpelnden<br />
deutschen Bildungsbeteiligung?<br />
Mitnichten. Denn es gibt zugleich<br />
auch mehr Schulabbrecher. Der<br />
Abiturienten-Zuwachs ist im Wesentlichen<br />
demographisch bedingt. Eine<br />
positive Entwicklung weisen nur berufliche<br />
Schulen auf.<br />
<strong>GEW</strong>-Vorstandsmitglied<br />
Marianne Demmer ging<br />
der Sache auf den Grund<br />
und analysierte nicht nur<br />
die absoluten Abgängerzahlen,<br />
sondern auch die<br />
Jahrgangsquoten bei der Bildungsbeteilung.<br />
Das heißt: Wie viele von 100<br />
Schülern einer bestimmten Schulform<br />
machen welchen Abschluss? Nur diese<br />
Quoten der Bildungsbeteiligung geben<br />
einen klaren Hinweis auf die bildungspolitische<br />
Entwicklung. Demmer: „Es<br />
besteht auch <strong>2005</strong> kein Grund zur Entwarnung.<br />
Die Kultusminister aller Bundesländer<br />
müssen sich nach wie vor dem<br />
Problem stellen, dass das deutsche<br />
Schulsystem im internationalen Vergleich<br />
viel zu wenige Menschen mit Studienberechtigung<br />
hervorbringt.“<br />
Das Statistische Bundesamt nennt für<br />
2004 rund 385700 Schülerinnen und<br />
Schüler, die in Deutschland an allgemeinen<br />
und beruflichen Schulen die Fachhochschulreife<br />
(FHR) oder die allgemeine<br />
Hochschulreife (AHR) erworben haben.<br />
Das entspricht, gemessen an der<br />
ABI <strong>2005</strong><br />
gleichaltrigen Bevölkerung, einer Absolventenquote<br />
(FHR plus AHR) von<br />
41,6 Prozent. Die Quote liegt damit 5,8<br />
Prozentpunkte höher als 1995 und rund<br />
zwei Prozentpunkte höher als 2003 –<br />
aber immer noch weit entfernt vom<br />
OECD-Durchschnitt von knapp 60<br />
Prozent (Frauen: 60 Prozent, Männer:<br />
54 Prozent.). Ganz zu schweigen von<br />
Ländern wie Australien, Finnland oder<br />
Schweden, die Anteile von nahezu 80<br />
Prozent erreichen.<br />
Seit 1995 ist somit durchschnittlich eine<br />
jährliche Steigerung von zirka 0,6 Prozentpunkten<br />
zu verzeichnen. Ginge es<br />
in diesem „Tempo“ weiter, so rechnet<br />
Demmer vor, wäre der Anschluss an den<br />
internationalen Standard erst in etwa 30<br />
Jahren erreicht – vorausgesetzt, die anderen<br />
Länder stagnieren und „warten<br />
auf Deutschland“. Selbst wenn die Steigerung<br />
ab jetzt jährlich zwei Prozentpunkte<br />
betrüge, wäre ein Gleichstand<br />
erst in zehn Jahren erreicht.<br />
Demmer: „Wir brauchen Pläne, wie<br />
die Quote der Studienberechtigten in<br />
Deutschland ohne Qualitätsverlust erhöht<br />
werden kann. Ansonsten droht der<br />
Republik, dauerhaft den Anschluss an die<br />
internationale Entwicklung zu verlieren.“<br />
Der geringe Zuwachs der Abiturientenquote<br />
ist in den vergangenen zehn Jahren<br />
zudem kaum den Gymnasien, sondern<br />
vor allem den beruflichen Schulen zu verdanken,<br />
die mehr junge Leute zur Fachhochschulreife<br />
führen. Der Rest verteilt<br />
sich auf Abendschulen, Kollegs, Waldorfschulen<br />
und Externenprüfungen.<br />
Übergangsquoten konstant<br />
Grundlegendes wird sich in den Klassenstufen<br />
7 bis 10 der allgemein bildenden<br />
Schulen in den nächsten Jahren<br />
nicht verändern. In ihrer Prognose geht<br />
die Kultusministerkonferenz (KMK)<br />
davon aus, dass die Übergangsquoten<br />
zu den Schulformen bis 2020 nahezu<br />
konstant bleiben.<br />
Während der Zuwachs bei den absoluten<br />
Abiturientenzahlen dem Statistischen<br />
Bundesamt eine optimistische Pressemitteilung<br />
wert ist, wird eine andere Zahl leider<br />
nicht gemeldet: die der Abgänger ohne<br />
Hauptschulabschluss. Hier liegen der<br />
Öffentlichkeit derzeit nur die Angaben<br />
bis 2003 vor. Die absolute Zahl der<br />
Schulabbrecher ist zwischen 1995 und<br />
2003 um 10,6 Prozent gestiegen und<br />
entspricht damit in etwa dem demographischen<br />
Zuwachs. Das heißt: Zwischen<br />
1995 und 2003 haben pro Jahr zwischen<br />
8,8 und 9,9 Prozent eines Abgängerjahrgangs<br />
ihre Schule ohne Abschluss verlassen.<br />
Das soll entgegen den Beteuerungen der<br />
Kultusminister offensichtlich weiter so<br />
bleiben. Nach der noch druckfrischen<br />
KMK-Schülerprognose soll zwar die absolute<br />
Abbrecherzahl von 84000 (2003)<br />
auf 66000 (2020) sinken. Doch dies ist<br />
wiederum nur demographisch bedingt.<br />
Zieht man den erwarteten Schülerrückgang<br />
ab und vergleicht das Ergebnis mit<br />
der Anzahl der Schüler pro Jahrgang, so<br />
werden nach der KMK-Prognose auch<br />
im Jahr 2020 noch immer 8,6 bis 8,7 Prozent<br />
einer Altersgruppe über keinen Abschluss<br />
verfügen.<br />
In Lissabon haben die EU-Staatschefs<br />
zugesichert, die Zahl der Jugendlichen<br />
ohne Schulabschluss bis 2010 zu halbieren.<br />
Die deutschen Kultusminister haben<br />
ihr Votum dazu gemeinsam mit der<br />
Bundesregierung abgegeben. Und im<br />
Herbst noch haben sie dies in einem<br />
neuen Vertrag mit der Bundesagentur<br />
für Arbeit besiegelt. Doch Papier ist offenbar<br />
geduldig. Max Loewe<br />
Foto: David Ausserhofer