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E&W Mai 2005 - GEW

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<strong>GEW</strong>ERKSCHAFTSTAG <strong>2005</strong><br />

Alle Infos und die<br />

aktuelle Berichterstattung<br />

über<br />

den Gewerkschaftstag<br />

finden<br />

Sie unter:<br />

www.gew.de<br />

„Es wird in<br />

Deutschland<br />

keine Schmalspur-Qualifizierung<br />

für<br />

Jugendliche<br />

geben.“<br />

20<br />

E&W 5/<strong>2005</strong><br />

die Konzerne ihre Standortentscheidungen<br />

nicht mehr danach treffen, in welchem<br />

Land, welcher Region der Sozialstaat<br />

am schwächsten ist oder wo der geringste<br />

Umweltschutz besteht. Und drittens<br />

müssen wir die Zivilgesellschaft stärken,<br />

denn Parlamente und Regierungen<br />

sind ja geografisch auf den Nationalstaat<br />

beschränkt und daher wohl zu schwach,<br />

um dem internationalen Kapital alleine<br />

die Stirn zu bieten. Wir brauchen<br />

Ihr Auftritt ist von Pfiffen und gelben<br />

Karten mit der Aufschrift „Weg mit<br />

Hartz IV“ begleitet worden; sie musste<br />

sich kritischen Fragen und Vorwürfen<br />

stellen: Bundesfamilienministerin<br />

Renate Schmidt (SPD) hatte als Vertreterin<br />

der rot-grünen Bundesregierung<br />

keinen leichten Stand auf dem<br />

Gewerkschaftstag in Erfurt. <strong>GEW</strong>-<br />

Vorsitzender Ulrich Thöne glättete am<br />

Ende die Wogen: Trotz Differenzen in<br />

Einzelfragen sehe er „viele Ansatzpunkte<br />

für die Zusammenarbeit“.<br />

Das gemeinsame Ziel heiße: „Vorrang<br />

für die frühkindliche Bildung“.<br />

E&W: Seit 1. Januar<br />

gilt das Tagesbetreuungsausbaugesetz<br />

(TAG), mit dessen<br />

Hilfe die Kommunen<br />

bis 2010 für<br />

unter Dreijährige<br />

230 000 Plätze neu<br />

schaffen sollen. Die<br />

<strong>GEW</strong> wollte mehr.<br />

Renate Schmidt:<br />

Richtig, aber einen<br />

individuellen<br />

Rechtsanspruch<br />

für jedes Kind –<br />

das können die<br />

Kommunen derzeit nicht leisten. Unser<br />

Ziel ist, bis 2010 den westeuropäischen<br />

Standard zu erreichen. Der Bund übernimmt<br />

den Löwenanteil der Finanzierung.<br />

Wir haben zugleich sichergestellt,<br />

dass 1,5 Milliarden Euro jährlich für den<br />

Ausbau der Kinderbetreuung bereit<br />

stehen, selbst wenn die Einsparung aus<br />

der Zusammenlegung von Arbeitslosenund<br />

Sozialhilfe geringer als geplant ausfallen<br />

sollte. Eine Unsicherheit gibt es<br />

trotzdem: Der Bund kann die Mittel<br />

nicht selbst zielgenau an die Kommu-<br />

Bündnispartner aus Gewerkschaften und<br />

Nicht-Regierungs-Organisationen, die<br />

über die Strategien der Konzerne und Finanzlöwen<br />

weltweit wachen.<br />

E&W: Was wäre hier die Rolle der Akteure<br />

des Bildungssystems?<br />

von Weizsäcker: Zunächst einmal ist<br />

Aufklärung eine zentrale Aufgabe von<br />

Bildung. Zur Zeit Kants und Voltaires durfte<br />

ein Adam Smith noch annehmen, dass<br />

die Entfaltung des Marktes ein Akt der<br />

„Unterstützung mit Augenmaß“<br />

Interview mit Bundesfamilienministerin Renate Schmidt<br />

nen geben – das geht nur über die Länder.<br />

E&W: Sie wollen wohnortnahe Elternarbeit<br />

fördern, kümmern sich um Schulverweigerer<br />

und ihre Familien. Was passiert, wenn die<br />

jeweiligen Modellprojekte zu Ende sind?<br />

Können Sie nachhaltige Wirkungen sicherstellen?<br />

Schmidt: So gerne wir viele gelungene<br />

Modellprojekte nach drei Jahren weiter<br />

finanzieren würden – uns sind durch die<br />

föderale Verfassung unseres Landes die<br />

Hände gebunden. Der Bund nutzt aber<br />

seine Kompetenz, Anstöße mit Modellprojekten<br />

zu geben – den Rahmen ausfüllen<br />

müssen Länder und Kommunen.<br />

E&W: Sie plädieren ausdrücklich für Ganztagsschulen,<br />

die „nicht einfach den alten<br />

Halbtagsunterricht verlängern“. Tatsächlich<br />

gibt der Bund Zuschüsse zum Ausbau von<br />

Ganztagsschulen, qualitative Ansprüche<br />

ans pädagogische Konzept blieben allerdings<br />

nach den Verhandlungen mit den Ländern<br />

unverbindlich.<br />

Schmidt: In der Bildungspolitik haben<br />

die Länder bekanntermaßen für eine zukunftsweisende<br />

Schulpolitik zu sorgen<br />

und für Konsequenzen aus PISA. Das<br />

tun sie auf höchst unterschiedliche Weise.<br />

Ich bin stolz darauf, dass der Bund<br />

vier Milliarden Euro bereitstellt für den<br />

Ausbau von Ganztagsschulen, denn ich<br />

halte Ganztagsangebote für wegweisend.<br />

Wichtig ist, dass es dort eine Verzahnung<br />

von Lern- und Lebenswelten<br />

gibt, Jugendhilfe und Schule also eng<br />

kooperieren. Leider gibt es Länder, die<br />

dieses Geld zweckentfremden und beispielsweise<br />

damit alleine die schnelle<br />

Realisierung des G 8* finanzieren.<br />

E&W: Sie können also nur zuschauen, wenn<br />

es schief läuft?<br />

Schmidt: Der Bund entwickelt – z. B.<br />

gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft<br />

für Jugendhilfe und dem Bundesjugendkuratorium<br />

– Visionen, wie sich<br />

Bildung und Jugendhilfe unter dem<br />

Aufklärung und Befreiung (von den autoritären<br />

Fürstenstrukturen) war. Damals<br />

entstand die angelsächsische Vorstellung,<br />

dass Markt und Demokratie Hand in<br />

Hand gehen. In den letzten 15 Jahren ist<br />

eine Situation entstanden, in der mehr<br />

Markt fast immer mit weniger demokratischer<br />

Mitbestimmung einhergeht. Über<br />

diesen Bruch müssen wir uns selber und<br />

die anderen Völker aufklären.<br />

Interview: Helga Haas-Rietschel<br />

Dach der Ganztagsschule ergänzen können.<br />

Wir werden gute Beispiele an die<br />

Öffentlichkeit geben. In einem anderen<br />

Feld, bei unserem Aktionsprogramm gegen<br />

Rechtsradikalismus, Fremdenfeindlichkeit<br />

und Antisemitismus dagegen<br />

bin ich überzeugt, dass es auch nach<br />

2006 seine Fortsetzung finden wird und<br />

dafür Mittel zur Verfügung stehen.<br />

E&W: Auf dem Gewerkschaftstag wurde die<br />

Sorge laut, dass mit dem Arbeitslosengeld<br />

(ALG) II bei jungen Arbeitslosen unter 25<br />

Jahren der berufliche Qualifizierungsaspekt<br />

zugunsten kostengünstigerer Maßnahmen<br />

vernachlässigt wird. Wie kann Ihr Ministerium<br />

darauf Einfluss nehmen?<br />

Schmidt: Wir wollen sicherstellen, dass<br />

diese jungen Menschen nicht nur irgend<br />

etwas machen, sondern in ein vernünftiges<br />

Qualifizierungsprogramm kommen.<br />

Es wird in Deutschland keine<br />

Schmalspur-Qualifizierung für Jugendliche<br />

geben, dafür stehe auch ich ein.<br />

E&W: Sie haben beschrieben, wo die Grenzen<br />

einer Bundesministerin im föderalen<br />

Staat liegen: Hilft Ihnen Druck von außen?<br />

Schmidt: Ich wünsche mir die Unterstützung<br />

von Elternverbänden und Organisationen<br />

wie der <strong>GEW</strong>: Auf den<br />

Anfang kommt es an, in den ersten Lebensjahren<br />

wird über die Lebenschancen<br />

entschieden. Eltern und Familien<br />

bilden eine schwache Lobby. Es ist traurig,<br />

dass andere Lobbygruppen stärker<br />

vertreten sind. Ich wünsche mir mehr<br />

„Power“ von den Eltern. Davon profitiert<br />

auch die Schule, denn nur starke Eltern<br />

können ihre Kinder stärken.<br />

E&W: Was erwarten Sie von der <strong>GEW</strong>?<br />

Schmidt: Unterstützung mit Augenmaß<br />

für bessere Bildung, Betreuung<br />

und Erziehung unserer Kinder: Anwalt<br />

von Kindern sein.<br />

Interview: Helga Ballauf<br />

*Anm. der Red: G8 bezeichnet die verkürzte Gymnasialzeit,<br />

also das Abitur nach zwölf Jahren.

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