Schriftenreihe Verkehrssicherheit 14: „Risiko raus“ – Fachliche - DVR

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05.12.2012 Aufrufe

ausmachen. Verkehrserziehung beginnt in Deutschland bereits im Kindergartenalter, z.B. mit dem Programm „Kinder im Straßenverkehr“ der Deutschen Verkehrswacht für Kindertageseinrichtungen. Mit erlebnispädagogisch aufbereiteten Aktionen zur Schulung der Motorik, Konzentrationsfähigkeit und Wissensvermittlung zielen diese Programme auf eine Steigerung einer „Bewegungssicherheit“ ab. Auch für größere Kinder werden Programme angeboten, die sich an den altersbedingten Formen der Verkehrsbeteiligung orientieren (z.B. Radfahrausbildung im Grundschulalter, Mofa-Kurs für Jugendliche). Da jedoch Kinder aufgrund ihrer entwicklungsbedingten Besonderheiten nicht „verkehrsgerecht“ zu erziehen sind (Limbourg, 2001), sollte die Wirkung edukativer Maßnahmen nicht überbewertet werden. Vielmehr „...dürfen die Verkehrssicherheitsmaßnahmen für Kinder nicht nur beim Kind, sondern müssen auch bei seiner Verkehrsumwelt ansetzen (Verkehrsgesetzgebung, Verkehrsraumgestaltung, Verkehrsregelung, polizeiliche und städtische Verkehrsüberwachung, Aufklärung von Kraftfahrern)...“ (Limbourg, 2001). Auch diese spezielle Zielgruppe bedarf also einer Gefährdungsanalyse für ihr Umfeld und ihr eigenes Verhalten. 80 Kategoriensysteme für Gefährdungsbeurteilungen Lehder und Skiba (2005) führen unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Beurteilung von Gefährdungen auf: faktoren-, objekt- und tätigkeitsspezifische Beurteilungen. Diese sollen zunächst erläutert werden. Faktorenspezifische Beurteilung: Diese Form ist das gängigste Vorgehen. In der GB werden die zu beurteilenden Tätigkeiten hinsichtlich verschiedener Gefährdungsfaktoren untersucht, die hierarchisch aufgebaut sind und ein systematisches Abarbeiten ermöglichen. In Checklisten, die z.B. von Unfallversicherern bereitgestellt werden, finden sich häufig entsprechende Bestimmungen, die es einzuhalten gilt. Sofern keine Bestimmungen vorliegen, wird, üblicherweise bei der Bewertung von Gefährdungen die Schwere der potentiellen Schädigung durch eine Gefahr mit der Auftretenswahrscheinlichkeit in Bezug gesetzt und damit eine Priorisierung von Präventionsmaßnahmen festgelegt (QRA, quantitative Risk Assessment). Dieses Vorgehen wird ausführlich von Nohl & Tiemecke (1988) beschrieben. Die faktorenspezifische Herangehensweise ist vergleichsweiseanwenderfreundlich und ermöglicht eine Gegenüberstellung von Gefährdungen durch verschiedene Gefährdungsquellen. Nachteilig ist jedoch, dass ein gewisser Determinismus zu Grunde gelegt wird und protektive Faktoren, die das Schädigungsausmaß oder die Auftretenswahrscheinlichkeit vermindern, nicht berücksichtigt werden. Weiterhin basieren die Bewertungen in Ermangelung statistischer Daten meist auf Expertenurteilen, die unter Umständen deutliche Subjektivität aufweisen (Papadakis & Chalkidou, 2008). Im Straßenverkehr treten je nach Tätigkeit und Person alle Gefährdungsfaktoren auf. Wesentliche psychologische Faktoren wie Stress, Ablenkung, Zeitdruck, Emotionalität, sind in gängigen Faktorenverzeichnissen und Gefährdungsanalysen meist noch nicht berücksichtigt. Objektspezifische Beurteilung: Ziel dieses Vorgehens ist die Identifikation von Gestaltungsmängeln in Arbeitssystemen und deren Elementen wie z.B. Arbeitsmittel und -abläufe. Beurteilt wird hier beispielsweise die Wirkung der Arbeitszeit hinsichtlich ihres Einflusses auf Sicherheit und Gesundheit. Insbesondere Aspekte langer Lenkzeiten von LKW-Fahrern (siehe oben) oder bestimmter Fahrzeugmängel werden hier berücksichtigt. Insbesondere Kleinunternehmen stellen mit

mehr als 3 Millionen allein in Deutschland eine besondere Zielgruppe dar. Beispiel Kleinunternehmen Trimpop und Kirkcaldy (1994) und Kirkcaldy und Trimpop (1997) zeigten, dass in ca. 2000 Kleinunternehmen mit mehreren Tausend Befragten im medizinischen Bereich, der Faktor Arbeitsstress, Partizipationsmöglichkeit und Arbeitsklima einen statistisch bedeutsameren Einfluss auf das Unfallgeschehen haben als andere Faktoren: Es zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und betriebsbedingten sowie privaten Verkehrsunfällen. Lange Pausen, Unterbrechungen, Mittagspausen erzeugten höhere Belastungen und je früher der Arbeitstag begann, desto höher war der erlebte Arbeitsstress (Kirkcaldy, Trimpop, Athanasou und Cooper, 2000). Jüngere oder risikobereitere Fahrer und Fahrerinnen hatten mehr Unfälle. Arbeitsunfälle waren generell assoziiert mit Arbeitsklima/Partizipation und Fatalismus, sowie mit Variablen Arbeitsstunden (insb. Ende der Arbeitszeit), Entfernung zwischen Wohnort und Praxis, Ortsgröße. Im Gegensatz zu diesen erwarteten Ergebnissen bei Tierarztpraxen hatten sich bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der humanmedizinischen Praxen andere Zusammenhänge gezeigt. So waren dort junge Frauen mit Kindern in der höchsten Risikogruppe für Wegeunfälle, bedingt durch die Doppelbelastung der Kinderversorgung in der Mittagspause. Arbeitsstress und Partizipationsmöglichkeit/ Arbeitsklima waren maßgebliche Prädiktoren von Arbeits- und betrieblichen Verkehrsunfällen. Somit scheint eine unabhängige Analyse und Betrachtung der beiden Zielgruppen schon bei verschiedenen Typen von Arztpraxen gerechtfertigt. In beiden Gruppen zeigten ostdeutsche Praxen signifikant höhere Stresswerte, aber besserePartizipations-/Arbeitsklimawerte. Die Verkehrsunfallquoten der Tierärzte in den neuen Bundesländern waren signifikant höher, nicht aber die Arbeitsunfallzahlen im Betrieb. Dies betraf sowohl Wegeunfälle, Dienstwegeunfälle (z.B. Kunden- oder Patientenbesuche, Tagungsbesuche etc.) als auch Arbeitsunfälle und sogar private Verkehrsunfälle. Der Stress hört somit nicht am Werkstor auf, sondern man nimmt ihn mit heim. Er sorgt für weniger Aufmerksamkeit im Verkehr, in extremen Fällen sogar zu Abreaktionen des Ärgers. Umgekehrt beginnt der Stress morgens mit den Gedanken auf dem Weg zur Arbeit, besonders, wenn man zu spät ist, sei es durch zu spätes Aufstehen oder durch unvorhersehbare Staus. Man gibt sich dann große Mühe darum, rechtzeitig anzukommen, auch auf Kosten der Verkehrssicherheit. Daraus lässt sich schließen, dass Unternehmen einen Einfluss auf das Verkehrsunfallgeschehen ausüben kann (Trimpop und Kirkcaldy, 1995, Kirkcaldy und Trimpop, 1997). Gefährdungsanalysen müssen also das Zielobjekt, seine räumliche Umgebung und die kulturell-wirtschaftlichen Faktoren berücksichtigen. Tätigkeitsspezifisches Vorgehen: Mit Hilfe dieser Methode lässt sich das Zusammenwirken der Person mit der Tätigkeit und den entsprechenden Randbedingungen am gründlichsten eruieren, indem personenbezogene Merkmale, wie die Leistungsvoraussetzungen,Risikobereitschaft, subjektives Stresserleben, Zeitdruck etc. mit berücksichtigt werden. Wenngleich das tätigkeitsspezifische Vorgehen unter Umständen einen höheren Aufwand in der Gefährdungsanalyse bedeutet, eröffnet es doch in der Maßnahmenableitung deutlich mehr Optionen, zielgerichtet Gefährdungen zu minimieren. Daher fordern auch Makin 81

ausmachen. Verkehrserziehung<br />

beginnt in Deutschland<br />

bereits im Kindergartenalter,<br />

z.B. mit dem Programm „Kinder<br />

im Straßenverkehr“ der<br />

Deutschen Verkehrswacht für<br />

Kindertageseinrichtungen. Mit<br />

erlebnispädagogisch aufbereiteten<br />

Aktionen zur Schulung<br />

der Motorik, Konzentrationsfähigkeit<br />

und Wissensvermittlung<br />

zielen diese Programme auf<br />

eine Steigerung einer „Bewegungssicherheit“<br />

ab. Auch<br />

für größere Kinder werden<br />

Programme angeboten, die<br />

sich an den altersbedingten<br />

Formen der Verkehrsbeteiligung<br />

orientieren (z.B. Radfahrausbildung<br />

im Grundschulalter,<br />

Mofa-Kurs für Jugendliche).<br />

Da jedoch Kinder aufgrund<br />

ihrer entwicklungsbedingten<br />

Besonderheiten nicht „verkehrsgerecht“<br />

zu erziehen<br />

sind (Limbourg, 2001), sollte<br />

die Wirkung edukativer Maßnahmen<br />

nicht überbewertet<br />

werden. Vielmehr „...dürfen die<br />

<strong>Verkehrssicherheit</strong>smaßnahmen<br />

für Kinder nicht nur beim<br />

Kind, sondern müssen auch bei<br />

seiner Verkehrsumwelt ansetzen<br />

(Verkehrsgesetzgebung,<br />

Verkehrsraumgestaltung, Verkehrsregelung,<br />

polizeiliche und<br />

städtische Verkehrsüberwachung,<br />

Aufklärung von Kraftfahrern)...“<br />

(Limbourg, 2001).<br />

Auch diese spezielle Zielgruppe<br />

bedarf also einer Gefährdungsanalyse<br />

für ihr Umfeld<br />

und ihr eigenes Verhalten.<br />

80<br />

Kategoriensysteme für<br />

Gefährdungsbeurteilungen<br />

Lehder und Skiba (2005)<br />

führen unterschiedliche Vorgehensweisen<br />

bei der Beurteilung<br />

von Gefährdungen auf: faktoren-,<br />

objekt- und tätigkeitsspezifische<br />

Beurteilungen. Diese sollen<br />

zunächst erläutert werden.<br />

Faktorenspezifische<br />

Beurteilung:<br />

Diese Form ist das gängigste<br />

Vorgehen. In der GB werden<br />

die zu beurteilenden Tätigkeiten<br />

hinsichtlich verschiedener<br />

Gefährdungsfaktoren untersucht,<br />

die hierarchisch aufgebaut<br />

sind und ein systematisches<br />

Abarbeiten ermöglichen.<br />

In Checklisten, die z.B. von<br />

Unfallversicherern bereitgestellt<br />

werden, finden sich häufig<br />

entsprechende Bestimmungen,<br />

die es einzuhalten gilt. Sofern<br />

keine Bestimmungen vorliegen,<br />

wird, üblicherweise bei der<br />

Bewertung von Gefährdungen<br />

die Schwere der potentiellen<br />

Schädigung durch eine Gefahr<br />

mit der Auftretenswahrscheinlichkeit<br />

in Bezug gesetzt und<br />

damit eine Priorisierung von<br />

Präventionsmaßnahmen festgelegt<br />

(QRA, quantitative Risk<br />

Assessment). Dieses Vorgehen<br />

wird ausführlich von Nohl &<br />

Tiemecke (1988) beschrieben.<br />

Die faktorenspezifische<br />

Herangehensweise ist vergleichsweiseanwenderfreundlich<br />

und ermöglicht<br />

eine Gegenüberstellung von<br />

Gefährdungen durch verschiedene<br />

Gefährdungsquellen.<br />

Nachteilig ist jedoch, dass<br />

ein gewisser Determinismus<br />

zu Grunde gelegt wird und<br />

protektive Faktoren, die das<br />

Schädigungsausmaß oder die<br />

Auftretenswahrscheinlichkeit<br />

vermindern, nicht berücksichtigt<br />

werden. Weiterhin basieren<br />

die Bewertungen in Ermangelung<br />

statistischer Daten meist<br />

auf Expertenurteilen, die unter<br />

Umständen deutliche Subjektivität<br />

aufweisen (Papadakis &<br />

Chalkidou, 2008). Im Straßenverkehr<br />

treten je nach Tätigkeit<br />

und Person alle Gefährdungsfaktoren<br />

auf. Wesentliche<br />

psychologische Faktoren wie<br />

Stress, Ablenkung, Zeitdruck,<br />

Emotionalität, sind in gängigen<br />

Faktorenverzeichnissen und<br />

Gefährdungsanalysen meist<br />

noch nicht berücksichtigt.<br />

Objektspezifische Beurteilung:<br />

Ziel dieses Vorgehens ist die<br />

Identifikation von Gestaltungsmängeln<br />

in Arbeitssystemen<br />

und deren Elementen wie z.B.<br />

Arbeitsmittel und -abläufe.<br />

Beurteilt wird hier beispielsweise<br />

die Wirkung der Arbeitszeit<br />

hinsichtlich ihres Einflusses auf<br />

Sicherheit und Gesundheit.<br />

Insbesondere Aspekte langer<br />

Lenkzeiten von LKW-Fahrern<br />

(siehe oben) oder bestimmter<br />

Fahrzeugmängel werden hier<br />

berücksichtigt. Insbesondere<br />

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