Schriftenreihe Verkehrssicherheit 14: „Risiko raus“ – Fachliche - DVR
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Nachdem ein Überblick über betriebliche Strukturen bzw. Tätigkeiten geschaffen wurde, werden konkrete Gefährdungen erfasst. Diese Diagnose erfolgt entweder in Bezug auf Tätigkeiten oder auf Personen(gruppen). Mit Hilfe von Checklisten werden Gefährdungen in verschiedenen Gefährdungsfaktoren (z.B. mechanische, biologische, chemische, psychische Gefährdungen) erfasst, sowie hinsichtlich ihres Schädigungspotenzials und ihrer Auftretenswahrscheinlichkeit bewertet, sofern nicht gesetzliche Richtlinien oder sonstige Bestimmungen zu berücksichtigen sind. Es können daraufhin konkrete Arbeitsschutzmaßnahmen geplant und umgesetzt werden. Eine entsprechende Dokumentation ermöglicht die Überprüfung der Umsetzung und es können ggf. Modifikationen der Maßnahmen vorgenommen werden. Die Fortschreibung der Gefährdungsbeurteilung unterstützt die langfristige systematische Einbindung von Unfall- und Krankheitsprävention in die Arbeitsabläufe. Verbreitung und Wirksamkeit von Gefährdungsbeurteilungen Die Verantwortung für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung liegt bei den Unternehmen selbst. Dadurch wird einerseits die Eigenverantwortung gestärkt 76 und die Möglichkeit eröffnet, betriebsspezifisch und situationsangepasst vorgehen zu können. Andererseits wird so der Überblick über die Möglichkeiten des Vorgehens, Übernahme von Best- Practice-Methoden und die Vergleichbarkeit von Vorgehensweisen eingeschränkt. Um den unterschiedlichen Anforderungen der Unternehmen Rechnung zu tragen, werden von kommerziellen Anbietern, Behörden und vor allem von den Gesetzlichen Unfallversicherungsträgern ausführliche und vielfältige Leitlinien, Checklisten und sonstige Dokumentationen bereitgestellt, die die praktische Umsetzung unterstützen. So gibt es anschauliche Gefährdungsbeurteilungen im betrieblichen aber auch für den öffentlichen Bereich (www.sichere-kita.de bzw. www.sichere-schule.de). Einträge in einschlägigen Internetforen zeigen jedoch zum Teil eine große Unsicherheit in der Umsetzung. Besonders die Einbettung von Unfallverhütungsvorschriften in die Gefährdungsbeurteilung scheint für Praktiker häufig noch ein Prioritätsproblem darzustellen (vgl. z.B. www.sifa-community.de). Während in einer repräsentativen Befragung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zum Arbeitsschutz in NRW im Jahr 2000 nur 36 % der Befragten angaben, dass an ihrem Arbeitsplatz eine GB durchgeführt worden sei (Ministerium für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie des Landes NRW, TNS EMNID, Landesanstalt für Arbeitsschutz NRW, 2000) konnte in einer Untersuchung von über 1400 Kleinstunternehmen mit insgesamt knapp 6500 Mitarbeitern durch das LAS Brandenburg/ Berlin (Grüneberg & Dieckhoff, 2008) festgestellt werden, dass in 58 % der Betriebe alle Arbeitsplätze und Tätigkeiten und in weiteren 38 % der überwiegende Teil der Arbeitsplätze einer GB unterzogen worden waren. Eine nachprüfbare Dokumentation der GB konnten im Rahmen dieser Studie jedoch nur etwa 70 % der Betriebe vorlegen. Erfreulicherweise berichten 80 % der Kleinstbetriebe, GB bereits vor der Einrichtung neuer Arbeitsplätze durchzuführen. Die Ergebnisse der Beurteilung wurden bei 55 % der Betriebe als Grundlage für Unterweisungen genutzt. Eine Ableitung von Maßnahmen und deren Umsetzung erfolgte in 82 % vollständig oder überwiegend. Als förderliche Faktoren für die Umsetzung des GB-Prozesses werden eine gute Arbeitsschutzorganisation und eine beratende und überwachende Einflussnahme durch Aufsichtsdienste
der Arbeitsschutzbehörden und Unfallversicherungen herausgestellt (Grüneberg & Dieckhoff, 2008). Seit 2002 überprüft die Hessische Arbeitsschutzverwaltung die Durchführung von GB in Betrieben (Hessisches Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit, 2008). Acht Jahre nach Einführung der Verpflichtung zur Durchführung von GB fanden in der Hälfte der 900 untersuchten Unternehmen noch keine GB statt. In einer folgenden Untersuchung von Ursachen stellte sich heraus, dass ein mangelndes Verantwortungsverständnis der Unternehmensleitung, unklare Zuständigkeitsregelungen und mangelnde Bereitstellung von Ressourcen (z.B. Zeit, Befugnis) der Durchführung der GB entgegen stehen. Weiterhin stellte sich v.a. in kleineren Unternehmen, die über keine interne Sicherheitsbetreuung verfügen, heraus, dass es an Kompetenzen in der Umsetzung mangelt. Betrachtet man die Wirksamkeit von Sicherheitsfachkräften im Arbeitsschutz, so zeigt sich im Rahmen der Sifa-Langzeitstudie, die mehr als 2000 Sicherheitsfachkräfte über acht Jahre begleitet, und die Wirksamkeit in Abhängigkeit von Rahmen-, Betriebs- und Personenfaktoren analysiert, dass die Gesamtkonzepterstellung für Gefährdungsanalysen mit besonders hoher Wirksamkeit verbunden ist. Diejenigen Fachkräfte, die ihre Führungskräfte in der Gefährdungsanalyse unterstützen, diese aber nicht selbst und allein durchführen, erzielen besonders hohe Wirksamkeitswerte (Trimpop et al., 2007; Hamacher et al. 2009). 70 % von ca. 1000 befragten Fachkräften für Arbeitssicherheit geben an, dieses zu tun, weil sie von der Wirksamkeit überzeugt sind. Diejenigen, die sich nicht um ein betriebliches Gesamtkonzept kümmern, führen als Begründung an, dass dieses nicht zu ihrem Zuständigkeitsbereich gehört (36 %), sie hierfür noch mehr Kompetenzen benötigen (23 %) bzw. weil es im Betrieb nicht anerkannt wird (20 %) (Trimpop et al., 2008) . Schließlich lässt sich aus der Studie ableiten, dass bei den Themen des Arbeitsschutzes, die sich aus der reinen Arbeitssicherheit herausbewegen, z.B. Gesundheitsförderung, psychische Prozesse und auch Verkehrssicherheit, mit Abstand die niedrigsten Werte für die Wirksamkeit der Fachkräfte für Arbeitssicherheit angegeben werden. Auch Geschäftsführer, Betriebsräte und Betriebsärzte geben an, bei diesen Themen wenig bewirken zu können und gehen davon aus, dass sie Sicherheitsfachkräfte sich intensiv engagieren würden. Es scheint sich niemand konsequent um den Verkehrsbereich zu kümmern, was erneut eine umfassende Gefährdungsanalyse mit Risikobewertung als unbedingt wichtig erscheinen lässt. In vielen Gefährdungsbeurteilungen werden bereits Aspekte des Fahrens und Transportierens berücksichtigt. So sind vielfältige Vorlagen für die Gefährdungsbeurteilung im innerbetrieblichen Verkehr zu finden, die beispielsweise die Sicherheit beim Betrieb von Flurförderfahrzeugen darstellen können. Hier stehen technische Bedingungen (z.B. Kennzeichnung von Wegen, regelmäßige Prüfung der Betriebssicherheit), die persönliche Eignung der Mitarbeiter, sowie Sicherheitsunterweisungen und das Vorhandensein von PSA im Vordergrund. Organisationale und vor allem situationale Gefährdungen sind hier nicht abgebildet. Im Zusammenhang mit organisationaler Mobilität finden sich im Ratgeber für GB der BAuA (2004) unter „Mechanische Gefährdungen“ im Abschnitt 1.3. „Gefährdungen durch Transport und bewegte Arbeitsmittel“, in dem Fahrzeuge (z.B. Lkw, Kipper), Flurförderzeuge sowie Krane / Hebewerkzeuge im Vordergrund stehen und 77
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betriebliche Strukturen bzw.<br />
Tätigkeiten geschaffen wurde,<br />
werden konkrete Gefährdungen<br />
erfasst. Diese Diagnose<br />
erfolgt entweder in Bezug auf<br />
Tätigkeiten oder auf Personen(gruppen).<br />
Mit Hilfe von Checklisten<br />
werden Gefährdungen in<br />
verschiedenen Gefährdungsfaktoren<br />
(z.B. mechanische,<br />
biologische, chemische,<br />
psychische Gefährdungen)<br />
erfasst, sowie hinsichtlich ihres<br />
Schädigungspotenzials und<br />
ihrer Auftretenswahrscheinlichkeit<br />
bewertet, sofern nicht<br />
gesetzliche Richtlinien oder<br />
sonstige Bestimmungen zu<br />
berücksichtigen sind. Es können<br />
daraufhin konkrete Arbeitsschutzmaßnahmen<br />
geplant<br />
und umgesetzt werden. Eine<br />
entsprechende Dokumentation<br />
ermöglicht die Überprüfung<br />
der Umsetzung und es können<br />
ggf. Modifikationen der<br />
Maßnahmen vorgenommen<br />
werden. Die Fortschreibung<br />
der Gefährdungsbeurteilung<br />
unterstützt die langfristige<br />
systematische Einbindung von<br />
Unfall- und Krankheitsprävention<br />
in die Arbeitsabläufe.<br />
Verbreitung und Wirksamkeit<br />
von Gefährdungsbeurteilungen<br />
Die Verantwortung für die<br />
Durchführung der Gefährdungsbeurteilung<br />
liegt bei<br />
den Unternehmen selbst.<br />
Dadurch wird einerseits die<br />
Eigenverantwortung gestärkt<br />
76<br />
und die Möglichkeit eröffnet,<br />
betriebsspezifisch und situationsangepasst<br />
vorgehen zu<br />
können. Andererseits wird<br />
so der Überblick über die<br />
Möglichkeiten des Vorgehens,<br />
Übernahme von Best-<br />
Practice-Methoden und die<br />
Vergleichbarkeit von Vorgehensweisen<br />
eingeschränkt.<br />
Um den unterschiedlichen<br />
Anforderungen der Unternehmen<br />
Rechnung zu tragen,<br />
werden von kommerziellen<br />
Anbietern, Behörden und vor<br />
allem von den Gesetzlichen<br />
Unfallversicherungsträgern<br />
ausführliche und vielfältige Leitlinien,<br />
Checklisten und sonstige<br />
Dokumentationen bereitgestellt,<br />
die die praktische Umsetzung<br />
unterstützen. So gibt es<br />
anschauliche Gefährdungsbeurteilungen<br />
im betrieblichen<br />
aber auch für den öffentlichen<br />
Bereich (www.sichere-kita.de<br />
bzw. www.sichere-schule.de).<br />
Einträge in einschlägigen Internetforen<br />
zeigen jedoch zum<br />
Teil eine große Unsicherheit<br />
in der Umsetzung. Besonders<br />
die Einbettung von Unfallverhütungsvorschriften<br />
in die Gefährdungsbeurteilung<br />
scheint für<br />
Praktiker häufig noch ein Prioritätsproblem<br />
darzustellen (vgl.<br />
z.B. www.sifa-community.de).<br />
Während in einer repräsentativen<br />
Befragung von Arbeitnehmerinnen<br />
und Arbeitnehmern<br />
zum Arbeitsschutz in NRW<br />
im Jahr 2000 nur 36 % der<br />
Befragten angaben, dass<br />
an ihrem Arbeitsplatz eine<br />
GB durchgeführt worden sei<br />
(Ministerium für Arbeit und<br />
Soziales, Qualifikation und<br />
Technologie des Landes NRW,<br />
TNS EMNID, Landesanstalt<br />
für Arbeitsschutz NRW, 2000)<br />
konnte in einer Untersuchung<br />
von über <strong>14</strong>00 Kleinstunternehmen<br />
mit insgesamt knapp<br />
6500 Mitarbeitern durch das<br />
LAS Brandenburg/ Berlin (Grüneberg<br />
& Dieckhoff, 2008)<br />
festgestellt werden, dass in 58<br />
% der Betriebe alle Arbeitsplätze<br />
und Tätigkeiten und in weiteren<br />
38 % der überwiegende<br />
Teil der Arbeitsplätze einer GB<br />
unterzogen worden waren.<br />
Eine nachprüfbare Dokumentation<br />
der GB konnten im Rahmen<br />
dieser Studie jedoch nur<br />
etwa 70 % der Betriebe vorlegen.<br />
Erfreulicherweise berichten<br />
80 % der Kleinstbetriebe,<br />
GB bereits vor der Einrichtung<br />
neuer Arbeitsplätze durchzuführen.<br />
Die Ergebnisse der<br />
Beurteilung wurden bei 55 %<br />
der Betriebe als Grundlage für<br />
Unterweisungen genutzt. Eine<br />
Ableitung von Maßnahmen<br />
und deren Umsetzung erfolgte<br />
in 82 % vollständig oder<br />
überwiegend. Als förderliche<br />
Faktoren für die Umsetzung<br />
des GB-Prozesses werden<br />
eine gute Arbeitsschutzorganisation<br />
und eine beratende<br />
und überwachende Einflussnahme<br />
durch Aufsichtsdienste