Schriftenreihe Verkehrssicherheit 14: „Risiko raus“ – Fachliche - DVR

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05.12.2012 Aufrufe

LIMBOURG (2008: 57f) referiert eine Studie von ARNBERG et al. (1978), die 144 5- bis 13-jährigen Kindern unterschiedliche Fahraufgaben stellten. Die motorische Entwicklung zeigt erst ab dem Alter von etwa sechs Jahren eine starke Zunahme der Lernfähigkeit. Die in Bild 2 zusammengestellten Ergebnisse dieser Untersuchung lassen die Autorin zwei Entwicklungssprünge – die sich in deutlichen Fahrleistungsverbesserungenausdrücken – identifizieren, einmal im Alter zwischen sieben und acht Jahren und ein weiteres mal im Alter von 13 oder 14 Jahren (vgl. LIMBOURG 2008: 58 sowie Bild 2). 2.4 Konsequenzen für das Fahrradfahren von Kindern und Jugendlichen Eine Durchsicht empirischer Studien zum Verhalten von Kindern und Jugendlichen als Fahrradfahrer fasst LIM- BOURG (2008: 65) derart zusammen, dass eine Reihe notwendiger Fertigkeiten zum Fahrradfahren sich erst im Alter von acht bis 14 Jahren entwickeln. Während bis zu 8-jährige Kinder in Deutschland beim Radfahren gesetzlich zur Benutzung des Gehwegs verpflichtet sind und auch 9- und 10-Jährigen dies noch erlaubt ist, sind ältere Kinder bei ihrer Fahrradmobilität auf die Straßenbenutzung 46 angewiesen. In dieser Situation kommt erschwerend eine unter 12- bis 15-Jährigen pubertätsbedingt erhöhte Risikobereitschaft dazu, die sich in hohen Unfallzahlen ausdrückt. Die Autorin kommt zu dem Schluss, „… dass bis zum Alter von 14 Jahren das Radfahren im realen Straßenverkehr für Kinder und Jugendliche riskant bleibt“ (LIMBOURG 2008: 65). Für die Verkehrsbeteiligung von Kindern folgt aus diesen entwicklungspsychologischen Erkenntnissen, dass � selbst die Teilnahme von Kindern als Fußgänger im Straßenverkehr bis zum Alter von acht Jahren sehr riskant und wenig zuverlässig (vgl. LIMBOURG 2008: 55), 100% 80% 60% 40% 20% 0% 1, 1 9 12 89 84 1 0, 3 3 0, 1 28 67 57 5 0, 4 9 0, 2 53 14 0, 6 34 33 32 48 42 36 19 22 � die Verkehrsteilnahme als Radfahrer aufgrund der defizitären motorischen Entwicklung bis zu diesem Alter gar nicht zu empfehlen (vgl. LIMBOURG 2008: 65) und � von einem ausgebildeten Gefahrenbewusstsein im Straßenverkehr erst ab dem Alter von ca. elf Jahren, mit der Fähigkeit zum sicheren Radfahren erst ab 14 Jahren auszugehen ist (vgl. hierzu LIMBOURG 2008: 96, 120; BORGERT, HENKE 1997; BOURAUEL 1996). Geht man von der Entwicklung der Kinder in den hier unterschiedenen Dimensionen aus, muss man zu dem Ergebnis kommen, dass Kinder im Straßenverkehr zwangsläufig überfordert sind (vgl. LIMBOURG 2001b: 10). 0, 8 1, 0 0, 6 1, 3 1, 0 1, 0 1, 4 2 35 37 36 26 36 28 31 34 34 26 28 45 25 25 48 21 22 55 18 22 58 7 17 23 54 3 3 10 23 34 4 6 7 24 33 < 1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 R a d fa h r e r P k w -M itfa h r e r F u ß g ä n g e r M o to r z w e ir ä d e r Quelle: DESTATIS (2009b: 224) Bild 3: Verunglückte Kinder und Jugendliche 2008 – nach der Verkehrsbeteiligungsart 22 4 3 7 17

In neuerer Zeit mehren sich jedoch kritische Einwände gegen eine allzu rigide Auslegung der von Piaget formulierten Stufen und festgestellten Altersgrenzen. HAFFNER et al. (2001: 5) verweisen darauf, dass in der Literatur hinsichtlich der kognitiven Entwicklung von Kindern im Zeitverlauf Normverschiebungen bei Leistungstests nachgewiesen wurden, die auf Verbesserungen kindlicher Fähigkeiten und Kenntnisse in speziellen Bereichen visueller und nichtsprachlichlogischerInformationsverarbeitung, aber auch auf Verschlechterungen bei bestimmten erlernten Fähigkeiten, wie z. B. Kopfrechnen oder Rechtschreiben, hinweisen. 3 Verunfallung von Kindern mit dem Fahrrad Während Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis etwa 15 oder 16 Jahre entwicklungspsychologisch immer besser für die Teilnahme mit dem Fahrrad am Straßenverkehr ausgerüstet sind, wirkt die pubertätsbedingte Zunahme der Risikobereitschaft (riskante Fahrmanöver, Ablehnung des Fahrradhelms, Missachtung von Verkehrsregeln) in dieser Altersgruppe dem Entwicklungsfortschritt entgegen. Die Exposition 10- bis 15- / 16-Jähriger mit dem Fahrrad ist deshalb mit einem ausgeprägten Unfallrisiko verbunden. Verletzte je 100.000 Altersgleicher 300 250 200 150 100 50 0 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 Während im Vorschulalter die Verunfallung als Pkw-Insasse dominiert, nimmt bereits im Kindergartenalter der Anteil der Fußgängerunfälle auf bis etwa ein Drittel zu. Mit dem Schuleintrittsalter steigt auch der Anteil als Fahrradfahrer verunglückter Kinder. Die interessierende Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen verunfallt am häufigsten, die 12- bis 14-Jährigen sogar deutlich mehr als zur Hälfte, mit dem Fahrrad (vgl. Bild 3). Mit der altersabhängigen Möglichkeit zum Fahren motorisierter Zweiräder steigt entsprechend auch dieses verkehrsmittelspezifische Risiko. 2000 Jah r F u ß g ä n g e r R a d fa h r e r M o to r r a d (m it )fa h r e r P k w - M it fa h r e r 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Quelle: DESTATIS (2009c: 101ff; 2009d; 2008; 2007); Bild 4: Verletzte 10- bis unter 15-Jährige im Zeitverlauf – nach der Verkehrsbeteiligungsart 47

LIMBOURG (2008: 57f) referiert<br />

eine Studie von ARNBERG<br />

et al. (1978), die <strong>14</strong>4 5- bis<br />

13-jährigen Kindern unterschiedliche<br />

Fahraufgaben stellten.<br />

Die motorische Entwicklung<br />

zeigt erst ab dem Alter<br />

von etwa sechs Jahren eine<br />

starke Zunahme der Lernfähigkeit.<br />

Die in Bild 2 zusammengestellten<br />

Ergebnisse dieser<br />

Untersuchung lassen die Autorin<br />

zwei Entwicklungssprünge<br />

– die sich in deutlichen Fahrleistungsverbesserungenausdrücken<br />

– identifizieren, einmal<br />

im Alter zwischen sieben<br />

und acht Jahren und ein weiteres<br />

mal im Alter von 13 oder<br />

<strong>14</strong> Jahren (vgl. LIMBOURG<br />

2008: 58 sowie Bild 2).<br />

2.4 Konsequenzen für das<br />

Fahrradfahren von Kindern<br />

und Jugendlichen<br />

Eine Durchsicht empirischer<br />

Studien zum Verhalten von<br />

Kindern und Jugendlichen<br />

als Fahrradfahrer fasst LIM-<br />

BOURG (2008: 65) derart<br />

zusammen, dass eine Reihe<br />

notwendiger Fertigkeiten<br />

zum Fahrradfahren sich erst<br />

im Alter von acht bis <strong>14</strong> Jahren<br />

entwickeln. Während<br />

bis zu 8-jährige Kinder in<br />

Deutschland beim Radfahren<br />

gesetzlich zur Benutzung des<br />

Gehwegs verpflichtet sind und<br />

auch 9- und 10-Jährigen dies<br />

noch erlaubt ist, sind ältere<br />

Kinder bei ihrer Fahrradmobilität<br />

auf die Straßenbenutzung<br />

46<br />

angewiesen. In dieser Situation<br />

kommt erschwerend eine unter<br />

12- bis 15-Jährigen pubertätsbedingt<br />

erhöhte Risikobereitschaft<br />

dazu, die sich in hohen<br />

Unfallzahlen ausdrückt. Die<br />

Autorin kommt zu dem Schluss,<br />

„… dass bis zum Alter von <strong>14</strong><br />

Jahren das Radfahren im realen<br />

Straßenverkehr für Kinder<br />

und Jugendliche riskant bleibt“<br />

(LIMBOURG 2008: 65).<br />

Für die Verkehrsbeteiligung<br />

von Kindern folgt aus diesen<br />

entwicklungspsychologischen<br />

Erkenntnissen, dass<br />

� selbst die Teilnahme von<br />

Kindern als Fußgänger im<br />

Straßenverkehr bis zum Alter<br />

von acht Jahren sehr riskant<br />

und wenig zuverlässig (vgl.<br />

LIMBOURG 2008: 55),<br />

100%<br />

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� die Verkehrsteilnahme als<br />

Radfahrer aufgrund der<br />

defizitären motorischen Entwicklung<br />

bis zu diesem Alter<br />

gar nicht zu empfehlen (vgl.<br />

LIMBOURG 2008: 65) und<br />

� von einem ausgebildeten<br />

Gefahrenbewusstsein im<br />

Straßenverkehr erst ab dem<br />

Alter von ca. elf Jahren, mit<br />

der Fähigkeit zum sicheren<br />

Radfahren erst ab <strong>14</strong> Jahren<br />

auszugehen ist (vgl. hierzu<br />

LIMBOURG 2008: 96,<br />

120; BORGERT, HENKE<br />

1997; BOURAUEL 1996).<br />

Geht man von der Entwicklung<br />

der Kinder in den hier<br />

unterschiedenen Dimensionen<br />

aus, muss man zu dem<br />

Ergebnis kommen, dass Kinder<br />

im Straßenverkehr zwangsläufig<br />

überfordert sind (vgl.<br />

LIMBOURG 2001b: 10).<br />

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Quelle: DESTATIS (2009b: 224)<br />

Bild 3: Verunglückte Kinder und Jugendliche 2008 – nach der Verkehrsbeteiligungsart<br />

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