Schriftenreihe Verkehrssicherheit 14: „Risiko raus“ – Fachliche - DVR
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� Welche Motivation wirkt in<br />
Richtung Übertretung, gibt es<br />
differentielle Unterschiede?<br />
� Was begünstigt Fehler und<br />
werden Übertretungen<br />
als kontrollierbar erlebt?<br />
� Was ist das dominante Problem<br />
und wo liegen Ansatzpunkte<br />
zur Veränderung?<br />
Geschwindigkeitsüberschreitungen<br />
sind die häufigsten<br />
Regelverletzungen im Straßenverkehr<br />
(Siegrist & Roskova,<br />
2001). Eine Verringerung der<br />
gefahrenen Geschwindigkeit<br />
führt zu einer Senkung der<br />
Unfallzahlen und zu einer<br />
überproportionalen Reduzierung<br />
der Unfallschwere.<br />
Nilsson (1982) geht von folgendem<br />
Modell aus: Wenn<br />
es gelänge, die Geschwindigkeit<br />
um ein Prozent zu<br />
senken, würde sich die Zahl<br />
der Unfälle mit Verletzten um<br />
zwei Prozent, die Zahl der<br />
Unfälle mit Schwerverletzten<br />
um 3 Prozent und die Zahl<br />
der Unfälle mit Getöteten um<br />
vier Prozent reduzieren. Nach<br />
Rothengatter (1997) ist keine<br />
andere Maßnahme so effektiv<br />
in ihrer geschwindigkeitsreduzierenden<br />
Wirkung wie intensive<br />
Verkehrsüberwachung,<br />
insbesondere in Verbindung<br />
mit Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Geschwindigkeitsüberschreitungen<br />
(vgl. Abb. 5) können situativ<br />
begünstigt sein, z.B. durch<br />
34<br />
eine Straßenbreite und Straßengestaltung,<br />
die schnelles<br />
Fahren nahelegt (Affordanz)<br />
und beim Fahrer durch entsprechende<br />
Hinweisreize ein fehlerhaftes<br />
Situationsverständnis<br />
entstehen lässt. Oft überwiegt<br />
zudem der vermeintliche<br />
Gewinn aus zu schnellem<br />
Fahren die Furcht, dadurch aufzufallen.<br />
Die Gefährdung wird<br />
gering geschätzt, informelle<br />
Normen, die diesem Verhalten<br />
entgegen stehen, sind schwach<br />
ausgeprägt, Illegitimitätssignale<br />
gering. Die Motivation für<br />
Geschwindigkeitsübertretungen<br />
ist - wenn auch differentiell<br />
nach Alter, Geschlecht und<br />
anderen Einflüssen unterschiedlich<br />
- dominant positiv geprägt,<br />
die Übertretungen werden<br />
als kontrollierbar erlebt. Aus<br />
Verstärkungserfahrungen<br />
kann sich zudem regelmäßig<br />
eine starke Habituation für<br />
solche Übertretungen herausbilden.<br />
Insgesamt handelt<br />
es sich bei Geschwindigkeitsvergehen<br />
dominant um<br />
ein Übertretungsproblem mit<br />
hoher sozialer Akzeptanz,<br />
schwacher sozialer Kontrolle<br />
und falscher Verstärkung.<br />
Eine Problemgruppe gerade<br />
beim Geschwindigkeitsverhalten<br />
sind junge Fahrer. Die<br />
Unfallursache „Nicht angepasste<br />
Geschwindigkeit“ nimmt<br />
erst ab einem Alter von 35 Jahren<br />
ab. In WINKOVER (Stern,<br />
Schlag u.a., 2006) zeigte sich<br />
für die Altersgruppe der 16-<br />
bis 34- Jährigen, dass bei dieser<br />
jungen Gruppe Abschreckung<br />
einen deutlich höheren<br />
Stellenwert zur Vorhersage von<br />
Geschwindigkeitsverstößen einnahm<br />
als für die Gesamtstichprobe.<br />
Dies unterstützt die<br />
Vermutung, dass gerade in<br />
einer frühen Phase der Fahrpraxis<br />
die Wahrscheinlichkeit<br />
einer Entdeckung in Verbindung<br />
mit der Furcht vor Strafe<br />
das Geschwindigkeitsverhalten<br />
maßgeblich mitbestimmt.<br />
Die nach diesen Ergebnissen<br />
zunächst notwendige externale<br />
Kontrolle des Verhaltens kann<br />
vermutlich die spätere Norminternalisierung<br />
erleichtern.<br />
Einen ganz anderen Hintergrund<br />
hat das Fahren unter<br />
Alkoholeinfluss. Hier handelt<br />
es sich vorrangig um das Problem<br />
einer Teilgruppe, der eine<br />
Trennung von Alkohol und Fahren<br />
nicht hinreichend gelingt.<br />
Im Hintergrund steht insofern<br />
ein Kontrollproblem, meist verbunden<br />
mit einer Fehleinschätzung<br />
der individuellen Problematik.<br />
Im Übergang zu Abhängigkeit<br />
oder Alkoholmissbrauch<br />
ist starke Habituation, verbunden<br />
mit schwacher Selbstkontrolle<br />
und großer Wiederholungsgefahr<br />
charakteristisch<br />
– auch wenn die sozialen<br />
Normen dem entgegenstehen.<br />
Bei Rotlichtvergehen finden<br />
sich demgegenüber