Schriftenreihe Verkehrssicherheit 14: „Risiko raus“ – Fachliche - DVR

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05.12.2012 Aufrufe

stellen. Verständnis dafür, dass viele anderen sich nicht an die Regeln halten, ist zu erzielen, damit der Einzelne in seinem Bemühen, sich dennoch so weit als möglich prosozial zu verhalten, bekräftigt wird. Von Psychologen entwickelte edukative Methoden erweisen sich denn auch meist als wirksam. McKenna hat die Effekte des sogenannten „Thames Valley Speed Awareness course“ untersucht und gezeigt, dass dieser Kurs signifikante und auch zeitlich überdauernde Auswirkungen auf die Einstellungen zu Geschwindigkeitsübertretungen und Geschwindigkeitskontrollen hat 11 . Überwachung kann, wenn sie den psychologischen Lernregeln folgt – also mit aus subjektiver Sicht ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit erfolgt und ausreichend relevante Konsequenzen in Aussicht stellt - individuelles Verhalten effizient beeinflussen 12 . Weiters ist Vorhersagbarkeit zu vermeiden - die Möglichkeit der Entdeckung und Bestrafung von Fehlverhalten sollte idealerweise grundsätzlich für jeden Verkehrsteilnehmer zu jeder Zeit und an jedem Ort bestehen 13 . Auch die Öffentlichkeitsarbeit ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Das Ziel öffentlicher Kampagnen ist ja, dass 16 möglichst viele Menschen ihr Verhalten auf gewisse Weise ändern. Und idealerweise sollte man ja viele Menschen erreichen, um systematische Effekte zu erzielen, denn – siehe oben – Verhaltensänderungen einzelner Personen sind schwierig, anstrengend und möglicherweise sogar problematisch (Stichwort „Mitschwimmen im Strom“). Öffentlichkeitsarbeit und Marketing Für die für den Verkehr zuständigen Personen und Institutionen ist eine wichtige Frage sicher die, wie man sich an die Verkehrsteilnehmer wenden soll. Vielfach scheint man davon auszugehen, dass die Präsentation von Information ausreicht um erwünschtes Verhalten zu erreichen. Aber wenn das stimmte dürfte es keine rauchenden Ärzte geben. Das Problem ist wohl, dass wir Menschen in vielen Situationen unterschiedliche, auch widersprüchliche Motive haben, die mit demselben Verhalten in Verbindung stehen können. So kann der Wunsch danach, sich an die Geschwindigkeitsregeln zu halten dem Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer hinter und vor mir widersprechen, die mich eigentlich zu schnellerem Fahren motivieren. Letztgenannte Motivation ist unmittelbar und sehr direkt wirksam, während die Entscheidung, sich an das Limit zu halten, in dieser Situation einer sehr abstrakten Motivation folgt, wobei der Nutzen einer solchen Entscheidung noch dazu fraglich ist. Dass möglicherweise mancher hinter mir fahrende sich entspannt und vom Gas geht statt zu drängeln, wird mir vielleicht gar nicht bewusst. Der andere kann sich von mir aber auch bevormundet fühlen, was Widerstand und Stress erzeugt und der Verkehrssicherheit nicht dienlich ist (siehe dazu auch den Begriff der „Reaktanz“) 14 . 11 McKenna F.P & Poulter D. 2008, Speed awareness – The effect of education versus punishment on driver attitudes, in: Nickel W.R. & Koran M., Fit to drive, 3rd International Congress, Bonn: Kirschbaum Verlag 12 Gelau, C. & Pfafferott, I. (im Druck). Verhaltensbeeinflussung durch Sicherheitskommunikation und Verkehrsüberwachung. In H.-P. Krüger (Hrsg.), Enzyklopädie der Psychologie, Teilband „Verkehrspsychologie“ (Kapitel 27), Göttingen, Hogrefe 13 Noordzji P.C. & Matthijssen M.P.M. 1991, Police enforcement and road user behaviour, in: Koornstra M.J. & Christensen J., Enforcement and Rewarding, Strategies and Effects. Proceedings of the International Road Safety Symposion, Kopenhagen; Leidschendam: SWOV 14 „Reaktanz ist ein Erregungs- oder Motivationszustand, der darauf abzielt, die bedrohte, eingeengte oder blockierte Freiheit wieder herzustellen.“ (Herkner W. 2001, Lehrbuch der Sozialpsychologie).

Bisheriges Verhalten: Erlebter Nutzen z.B. des Schnellfahrens: Finanzieller Nutzen Zeit ist Geld, schnelleres Fahren spart Zeit Nicht-finanzieller Nutzen Prestige, Gefühl der Stärke, schneller sein als die anderen etc. Erwünschtes Verhalten Erlebte Kosten: Finanzielle Kosten Zeit ist Geld, langsames Fahren Kosten Zeit Nicht-finanzielle Kosten Prestigeverlust, “Hindernis”, “kann nicht Auto fahren”, Druck der anderen, etc. Darstellung 4: Die „Motivationswaage“ Quelle: Delhomme et al. 2009 15 Das Beispiel mit der leeren Autobahn weiter oben ist ähnlich, wobei ein den Regeln entsprechendes Verhalten dort wenigstens keine Gefahr mit sich bringt (z.B. keine drängenden Verkehrsteilnehmer hinter mir). Aber auch in diesem Fall geht es um einen sehr abstrakten Nutzen (von dem ich bei Einhaltung des Tempolimits im Augenblick kaum was habe), während der Regelbruch einen unmittelbar wahrnehmbaren Vorteil hat: Ich komme schneller weiter. 15 Delhomme P., De Dobbeleer W., Forward S. & Simoes A. 2009, Manual for Designing, Implementing. and Evaluating Road Safety Communication Campaigns, Deliverable des EU-Projektes CAST, DG TREN Brüssel Bisheriges Verhalten: Erlebte Kosten: Finanzielle Kosten Treibstoffkosten, Verschleiß, Eventuelle Strafen, Unfallkosten Nicht-finanzielle Kosten Umweltbelastung, Gefährdung, Stress, Hektik Erwünschtes Verhalten Erlebter Nutzen: Finanzieller Nutzen Weniger Treibstoff und Verschleiß, weniger Unfallrisiko, geringere Versicherungsprämien Nicht-finanzieller Nutzen Weniger Hektik und Stress, Gelassenheit, “erwachsenes” Verhalten, Pilotieren = Prestige, etc. Was einem in solchen Augenblicken jeweils konkret dazu einfällt, hängt sicher von individuellen Eigenschaften ab. Aber auch die öffentliche Diskussion kann dazu beitragen, Gedanken und Sichtweisen in eine für das System vorteilhafte Richtung zu lenken. Öffentlichkeitsarbeit und Social Marketing sind Methoden, um Gedanken und Sichtweisen gezielt in bestimmte Richtungen zu lenken, die Vorteile bestimmter Verhaltensweisen herauszustreichen bzw. in Erinnerung zu bringen, auf größere Zusammenhänge aufmerksam zu machen, etc. Die Präsentation von Fakten ist dabei wichtig, reines Faktenvermitteln reicht aber, wie gesagt nicht aus. Es kommt auch darauf an, in welcher Form man vermittelt und mit welchen Motiven man die gebotenen Inhalte verknüpft. Als Folge aller Bemühungen muss die Kosten-Nutzen-Bilanz aus Sicht des Verkehrsteilnehmers/derVerkehrsteilnehmerin zu Gunsten des neuen bzw. des erwünschten Verhaltens ausfallen, wie es die Motivationswaage zeigt (Darstellung 4). Marketing Marketingmodelle sind komplexe Kommunikationsmodelle und befassen sich damit, wie man etwas „verkauft“. Das letzte Wort steht unter Anführungszeichen weil das „Verkaufen“ auch umfasst, jemand anderen dazu zu bringen, eine Idee oder einen Vorschlag anzunehmen. Der Hauptgedanke des Marketing ist, dass bei allen Maßnahmen die man trifft, ein Produkt oder eine Idee zu verkaufen, auf fundierte Information über jeweilige Gruppen von Adressaten zurückgegriffen werden muss. 17

Bisheriges Verhalten:<br />

Erlebter Nutzen z.B. des Schnellfahrens:<br />

Finanzieller Nutzen<br />

Zeit ist Geld, schnelleres Fahren spart<br />

Zeit<br />

Nicht-finanzieller Nutzen<br />

Prestige, Gefühl der Stärke, schneller<br />

sein als die anderen<br />

etc.<br />

Erwünschtes Verhalten<br />

Erlebte Kosten:<br />

Finanzielle Kosten<br />

Zeit ist Geld, langsames Fahren Kosten Zeit<br />

Nicht-finanzielle Kosten<br />

Prestigeverlust, “Hindernis”, “kann nicht<br />

Auto fahren”, Druck der anderen, etc.<br />

Darstellung 4: Die „Motivationswaage“<br />

Quelle: Delhomme et al. 2009 15<br />

Das Beispiel mit der leeren<br />

Autobahn weiter oben ist ähnlich,<br />

wobei ein den Regeln<br />

entsprechendes Verhalten<br />

dort wenigstens keine Gefahr<br />

mit sich bringt (z.B. keine<br />

drängenden Verkehrsteilnehmer<br />

hinter mir). Aber auch in<br />

diesem Fall geht es um einen<br />

sehr abstrakten Nutzen (von<br />

dem ich bei Einhaltung des<br />

Tempolimits im Augenblick<br />

kaum was habe), während der<br />

Regelbruch einen unmittelbar<br />

wahrnehmbaren Vorteil hat:<br />

Ich komme schneller weiter.<br />

15 Delhomme P., De Dobbeleer W., Forward<br />

S. & Simoes A. 2009, Manual for Designing,<br />

Implementing. and Evaluating Road Safety<br />

Communication Campaigns, Deliverable<br />

des EU-Projektes CAST, DG TREN Brüssel<br />

Bisheriges Verhalten:<br />

Erlebte Kosten:<br />

Finanzielle Kosten<br />

Treibstoffkosten, Verschleiß, Eventuelle<br />

Strafen, Unfallkosten<br />

Nicht-finanzielle Kosten<br />

Umweltbelastung, Gefährdung, Stress,<br />

Hektik<br />

Erwünschtes Verhalten<br />

Erlebter Nutzen:<br />

Finanzieller Nutzen<br />

Weniger Treibstoff und Verschleiß,<br />

weniger Unfallrisiko, geringere<br />

Versicherungsprämien<br />

Nicht-finanzieller Nutzen<br />

Weniger Hektik und Stress, Gelassenheit,<br />

“erwachsenes” Verhalten, Pilotieren =<br />

Prestige, etc.<br />

Was einem in solchen Augenblicken<br />

jeweils konkret dazu<br />

einfällt, hängt sicher von individuellen<br />

Eigenschaften ab.<br />

Aber auch die öffentliche Diskussion<br />

kann dazu beitragen,<br />

Gedanken und Sichtweisen<br />

in eine für das System vorteilhafte<br />

Richtung zu lenken.<br />

Öffentlichkeitsarbeit und Social<br />

Marketing sind Methoden, um<br />

Gedanken und Sichtweisen<br />

gezielt in bestimmte Richtungen<br />

zu lenken, die Vorteile bestimmter<br />

Verhaltensweisen herauszustreichen<br />

bzw. in Erinnerung zu<br />

bringen, auf größere Zusammenhänge<br />

aufmerksam zu<br />

machen, etc. Die Präsentation<br />

von Fakten ist dabei wichtig,<br />

reines Faktenvermitteln reicht<br />

aber, wie gesagt nicht aus. Es<br />

kommt auch darauf an, in welcher<br />

Form man vermittelt und<br />

mit welchen Motiven man die<br />

gebotenen Inhalte verknüpft.<br />

Als Folge aller Bemühungen<br />

muss die Kosten-Nutzen-Bilanz<br />

aus Sicht des Verkehrsteilnehmers/derVerkehrsteilnehmerin<br />

zu Gunsten des<br />

neuen bzw. des erwünschten<br />

Verhaltens ausfallen, wie<br />

es die Motivationswaage<br />

zeigt (Darstellung 4).<br />

Marketing<br />

Marketingmodelle sind komplexe<br />

Kommunikationsmodelle<br />

und befassen sich damit, wie<br />

man etwas „verkauft“. Das letzte<br />

Wort steht unter Anführungszeichen<br />

weil das „Verkaufen“<br />

auch umfasst, jemand anderen<br />

dazu zu bringen, eine Idee<br />

oder einen Vorschlag anzunehmen.<br />

Der Hauptgedanke<br />

des Marketing ist, dass bei<br />

allen Maßnahmen die man<br />

trifft, ein Produkt oder eine<br />

Idee zu verkaufen, auf fundierte<br />

Information über jeweilige<br />

Gruppen von Adressaten<br />

zurückgegriffen werden muss.<br />

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