Schriftenreihe Verkehrssicherheit 14: „Risiko raus“ – Fachliche - DVR
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stellen. Verständnis dafür, dass<br />
viele anderen sich nicht an die<br />
Regeln halten, ist zu erzielen,<br />
damit der Einzelne in seinem<br />
Bemühen, sich dennoch so<br />
weit als möglich prosozial zu<br />
verhalten, bekräftigt wird. Von<br />
Psychologen entwickelte edukative<br />
Methoden erweisen sich<br />
denn auch meist als wirksam.<br />
McKenna hat die Effekte des<br />
sogenannten „Thames Valley<br />
Speed Awareness course“<br />
untersucht und gezeigt, dass<br />
dieser Kurs signifikante und<br />
auch zeitlich überdauernde<br />
Auswirkungen auf die Einstellungen<br />
zu Geschwindigkeitsübertretungen<br />
und Geschwindigkeitskontrollen<br />
hat 11 .<br />
Überwachung kann, wenn<br />
sie den psychologischen<br />
Lernregeln folgt – also mit<br />
aus subjektiver Sicht ausreichend<br />
hoher Wahrscheinlichkeit<br />
erfolgt und ausreichend<br />
relevante Konsequenzen in<br />
Aussicht stellt - individuelles<br />
Verhalten effizient beeinflussen<br />
12 . Weiters ist Vorhersagbarkeit<br />
zu vermeiden - die<br />
Möglichkeit der Entdeckung<br />
und Bestrafung von Fehlverhalten<br />
sollte idealerweise<br />
grundsätzlich für jeden Verkehrsteilnehmer<br />
zu jeder Zeit<br />
und an jedem Ort bestehen 13 .<br />
Auch die Öffentlichkeitsarbeit<br />
ist in diesem Zusammenhang<br />
zu erwähnen. Das Ziel öffentlicher<br />
Kampagnen ist ja, dass<br />
16<br />
möglichst viele Menschen ihr<br />
Verhalten auf gewisse Weise<br />
ändern. Und idealerweise<br />
sollte man ja viele Menschen<br />
erreichen, um systematische<br />
Effekte zu erzielen, denn –<br />
siehe oben – Verhaltensänderungen<br />
einzelner Personen<br />
sind schwierig, anstrengend<br />
und möglicherweise sogar<br />
problematisch (Stichwort<br />
„Mitschwimmen im Strom“).<br />
Öffentlichkeitsarbeit und<br />
Marketing<br />
Für die für den Verkehr zuständigen<br />
Personen und Institutionen<br />
ist eine wichtige Frage<br />
sicher die, wie man sich an<br />
die Verkehrsteilnehmer wenden<br />
soll. Vielfach scheint man<br />
davon auszugehen, dass die<br />
Präsentation von Information<br />
ausreicht um erwünschtes Verhalten<br />
zu erreichen. Aber wenn<br />
das stimmte dürfte es keine<br />
rauchenden Ärzte geben. Das<br />
Problem ist wohl, dass wir<br />
Menschen in vielen Situationen<br />
unterschiedliche, auch widersprüchliche<br />
Motive haben, die<br />
mit demselben Verhalten in<br />
Verbindung stehen können.<br />
So kann der Wunsch danach,<br />
sich an die Geschwindigkeitsregeln<br />
zu halten dem Verhalten<br />
der anderen Verkehrsteilnehmer<br />
hinter und vor mir widersprechen,<br />
die mich eigentlich<br />
zu schnellerem Fahren motivieren.<br />
Letztgenannte Motivation<br />
ist unmittelbar und sehr direkt<br />
wirksam, während die Entscheidung,<br />
sich an das Limit zu<br />
halten, in dieser Situation einer<br />
sehr abstrakten Motivation<br />
folgt, wobei der Nutzen einer<br />
solchen Entscheidung noch<br />
dazu fraglich ist. Dass möglicherweise<br />
mancher hinter mir<br />
fahrende sich entspannt und<br />
vom Gas geht statt zu drängeln,<br />
wird mir vielleicht gar<br />
nicht bewusst. Der andere kann<br />
sich von mir aber auch bevormundet<br />
fühlen, was Widerstand<br />
und Stress erzeugt und<br />
der <strong>Verkehrssicherheit</strong> nicht<br />
dienlich ist (siehe dazu auch<br />
den Begriff der „Reaktanz“) <strong>14</strong> .<br />
11 McKenna F.P & Poulter D. 2008, Speed<br />
awareness – The effect of education versus<br />
punishment on driver attitudes, in: Nickel<br />
W.R. & Koran M., Fit to drive, 3rd International<br />
Congress, Bonn: Kirschbaum Verlag<br />
12 Gelau, C. & Pfafferott, I. (im Druck).<br />
Verhaltensbeeinflussung durch Sicherheitskommunikation<br />
und Verkehrsüberwachung.<br />
In H.-P. Krüger (Hrsg.), Enzyklopädie der<br />
Psychologie, Teilband „Verkehrspsychologie“<br />
(Kapitel 27), Göttingen, Hogrefe<br />
13 Noordzji P.C. & Matthijssen M.P.M.<br />
1991, Police enforcement and road user<br />
behaviour, in: Koornstra M.J. & Christensen<br />
J., Enforcement and Rewarding,<br />
Strategies and Effects. Proceedings of the<br />
International Road Safety Symposion,<br />
Kopenhagen; Leidschendam: SWOV<br />
<strong>14</strong> „Reaktanz ist ein Erregungs- oder Motivationszustand,<br />
der darauf abzielt, die<br />
bedrohte, eingeengte oder blockierte<br />
Freiheit wieder herzustellen.“ (Herkner W.<br />
2001, Lehrbuch der Sozialpsychologie).