Schriftenreihe Verkehrssicherheit 14: „Risiko raus“ – Fachliche - DVR
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Informationsaufnahme so deutlich ausgedünnt, dass viele – möglicherweise – wichtige Informationen gar nicht erst aufgenommen werden. Hinzu kommt bei hohen Geschwindigkeiten ein weiteres Problem. So liegen die Fixierungen bei hoher Geschwindigkeit mehr und mehr im zentralen Blickfeld (5 bis 10 Grad), d. h., die Peripherie wird weniger beobachtet. Blickzuwendungen, die über 10 Grad hinausgehen, bedeuten im Vergleich zu der zurückgelegten Strecke einen hohen Zeitaufwand, so dass auch dadurch die Aufnahmekapazität deutlich sinkt. Die zugeflossenen Informationen müssen natürlich auch noch verarbeitet werden. Dazu wird ein Rückgriff auf den Gedächtnisspeicher notwendig. Der Fluss der Informationen aus dem Gedächtnisspeicher in den Arbeitsspeicher beträgt aber lediglich ein bis zwei Faktoren pro Sekunde. D. h., es entsteht im notwendigen Informationsfluss ein Flaschenhals, der die Handlungsentscheidung erheblich verzögern kann. Dies ist besonders dann der Fall, wenn entweder der Informationszufluss von außen oder auch die abzurufenden Gedächtnisinhalte nicht eindeutig sind. Oft steht beides in enger Wechselbeziehung: Die Information ist nicht eindeutig und deshalb 156 müssen nacheinander mehrere Speicher geöffnet und mit dem „Input" abgeglichen werden. Erst wenn der richtige Inhalt gefunden wurde, lässt sich eine Handlungsentscheidung treffen. Bedenkt man, dass bei 100 km/h in der Sekunde ca. 28 m zurückgelegt werden, hat sich die Szenerie oft schon erledigt, d. h., man hinkt der dynamischen Situation hinterher. Ist die angemessene Handlungssequenz ihrerseits instabil und benötigt selbst noch Denkarbeit, dann wird es oft fatal. Nicht zuletzt muss darauf hingewiesen werden, dass dieses aus einem Hundertstelsekunden-Mosaik aufgebaute Erkenntnisgebäude durch mangelnde physische Leistungsfähigkeit (Müdigkeit, Krankheit, Medikamente, Alter) zum weiteren Ausfall von Informationen oder zur Verzögerung von deren Weiterverarbeitung führen kann. Zusammenfassende Schlussfolgerungen zur Aufmerksamkeit - Das Aufmerksamkeitssystem reagiert automatisch, wenn in der Peripherie des Gesichtsfeldes ein Reiz auftaucht. Konkurrierende Reize (beispielsweise von vorn) müssen stark und auffällig sein, um eine neuerliche Hinwendungsreaktion zu verursachen. - Die Aufmerksamkeitsleistung (z.B. durch Handy) wird oft stark strapaziert. Die Konzentration auf die Fahrtstrecke kann verlorengehen. - Bei einer allgemein hohen Aufmerksamkeit kommt meistens der intensivste Reiz ins Bewusstsein. - Ein zu langes Verharren auf eine Situationskonstellation führt zum „Vergessen“ anderer Informationen. Wiederholte Kontrollblicke in die Gegenrichtung sind förderlich, um Informationen wieder „aufzufrischen. Zusammenfassende Schlussfolgerungen zur visuellen Wahrnehmung - Erfahrung und Motivationslage determinieren die Interpretation des Gesehenen. - Die Wahrnehmung eines Objektes wird durch den gesamten Kontext beeinflusst, in den das Objekt eingebettet ist. - Einige markante Details genügen, und Personen sind in der Lage ein Objekt zu erkennen, ohne dessen Einzelheiten vollständig identifiziert zu haben. Dieser Prozess kann fehlerbehaftet sein.
- Manchmal werden real existierende Objekte überhaupt nicht wahrgenommen, weil der Betrachter durch Müdigkeit oder Stress beeinträchtigt ist. - Real existierende Objekte gehen manchmal in einem optisch beherrschenden Umfeld unter, weil sie sich vom Hintergrund nicht mehr genügend abheben. - In der Dämmerung und in der Nacht ist die Unterschiedsempfindlichkeit stark herabgesetzt. Objekte heben sich nicht mehr vom Hintergrund ab. - Die Geschwindigkeit querender Fahrzeuge lässt sich besser einschätzen als die entgegenkommender Fahrzeuge. - Entfernungen werden an den erkennbaren Einzelheiten abgeschätzt. Je klarer die Einzelheiten sichtbar sind, desto näher scheinen Objekte zu sein. Je verschwommener und unklarer die Einzelheiten sind, desto größer scheint die Entfernung zu sein. - Je mehr ein Objekt in der Peripherie des Blickfeldes liegt, desto größer muss es relativ zu den in der Fovea centralis wahrgenommenen Objekten sein, um die Wahrnehmungsschwelle zu überschreiten. - Hohe Geschwindigkeiten vergrößern das Informationsdefizit. Um die Sichtbarkeit von Personen, Fahrzeugen und Objekten zu verbessern, müssen diese nicht nur auffällig gestaltet werden, sondern die Gestaltung sollte zu eindeutigen Interpretationen beim Beobachter führen. Das Wahrgenommene sollte folglich mit den entsprechenden Gedächtnisinhalten verknüpft werden können. Das bedeutet, dass beispielsweise ein Radfahrer oder ein Fußgänger im Dunkeln auch als ein solcher interpretiert wird. Darüber hinaus bedeutet eine gute Sichtbarkeit nicht zwangsläufig, dass das Gesehene richtig interpretiert und somit in einer probaten Verhaltensentscheidung mündet. Letzteres soll an einer typischen Unfallkonstellation demonstriert werden. Eine typische Unfallkonstellation zwischen Pkw und Fahrrad Die meisten Unfälle zwischen den o.g. Beteiligten ereignen sich, wenn ein Radfahrer in einer Kreuzungssituation geradeaus fahren möchte und ein Pkw nach rechts abbiegt. Am konfliktreichsten ist diese Situation, wenn der Radweg von der Straße abgesetzt ist. Eine Untersuchung von Räsänen und Summala (1998) kam zu folgenden Ergebnissen: - Lediglich 11 Prozent der Autofahrer bemerkten den Radfahrer. - Dem gegenüber bemerkten 68 Prozent der beteiligten Radfahrer vor dem Unfall den herannahenden Autofahrer. Von diesen glaubten wiederum 92 Prozent, dass der Autofahrer ihnen die Vorfahrt gewähren würde. Die Radfahrer meinten, dass sie der Autofahrer gesehen haben musste, weil der die Geschwindigkeit reduzierte. Autofahrer reduzieren in solchen Situationen die Geschwindigkeit allerdings nicht wegen des Radfahrers (sie sehen ihn in der Regel nicht), sondern weil sie nicht mit 50 km/h um die Kurve fahren können. In dieser Situation würde es folglich nicht ausreichen, die Sichtbarkeit des Radfahrers allein zu erhöhen. Radfahrer müssten zusätzlich darüber aufgeklärt werden, wie das Verhalten von Autofahrern interpretiert werden muss. 157
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Informationsaufnahme so<br />
deutlich ausgedünnt, dass viele<br />
– möglicherweise – wichtige<br />
Informationen gar nicht erst<br />
aufgenommen werden. Hinzu<br />
kommt bei hohen Geschwindigkeiten<br />
ein weiteres Problem.<br />
So liegen die Fixierungen bei<br />
hoher Geschwindigkeit mehr<br />
und mehr im zentralen Blickfeld<br />
(5 bis 10 Grad), d. h., die<br />
Peripherie wird weniger beobachtet.<br />
Blickzuwendungen, die<br />
über 10 Grad hinausgehen,<br />
bedeuten im Vergleich zu der<br />
zurückgelegten Strecke einen<br />
hohen Zeitaufwand, so dass<br />
auch dadurch die Aufnahmekapazität<br />
deutlich sinkt.<br />
Die zugeflossenen Informationen<br />
müssen natürlich auch<br />
noch verarbeitet werden. Dazu<br />
wird ein Rückgriff auf den<br />
Gedächtnisspeicher notwendig.<br />
Der Fluss der Informationen<br />
aus dem Gedächtnisspeicher<br />
in den Arbeitsspeicher<br />
beträgt aber lediglich ein bis<br />
zwei Faktoren pro Sekunde.<br />
D. h., es entsteht im notwendigen<br />
Informationsfluss ein<br />
Flaschenhals, der die Handlungsentscheidung<br />
erheblich<br />
verzögern kann. Dies ist<br />
besonders dann der Fall, wenn<br />
entweder der Informationszufluss<br />
von außen oder auch die<br />
abzurufenden Gedächtnisinhalte<br />
nicht eindeutig sind. Oft<br />
steht beides in enger Wechselbeziehung:<br />
Die Information<br />
ist nicht eindeutig und deshalb<br />
156<br />
müssen nacheinander mehrere<br />
Speicher geöffnet und mit dem<br />
„Input" abgeglichen werden.<br />
Erst wenn der richtige Inhalt<br />
gefunden wurde, lässt sich<br />
eine Handlungsentscheidung<br />
treffen. Bedenkt man, dass bei<br />
100 km/h in der Sekunde ca.<br />
28 m zurückgelegt werden,<br />
hat sich die Szenerie oft schon<br />
erledigt, d. h., man hinkt der<br />
dynamischen Situation hinterher.<br />
Ist die angemessene<br />
Handlungssequenz ihrerseits<br />
instabil und benötigt selbst<br />
noch Denkarbeit, dann wird<br />
es oft fatal. Nicht zuletzt muss<br />
darauf hingewiesen werden,<br />
dass dieses aus einem<br />
Hundertstelsekunden-Mosaik<br />
aufgebaute Erkenntnisgebäude<br />
durch mangelnde physische<br />
Leistungsfähigkeit (Müdigkeit,<br />
Krankheit, Medikamente,<br />
Alter) zum weiteren Ausfall<br />
von Informationen oder zur<br />
Verzögerung von deren Weiterverarbeitung<br />
führen kann.<br />
Zusammenfassende Schlussfolgerungen<br />
zur Aufmerksamkeit<br />
- Das Aufmerksamkeitssystem<br />
reagiert automatisch,<br />
wenn in der Peripherie des<br />
Gesichtsfeldes ein Reiz<br />
auftaucht. Konkurrierende<br />
Reize (beispielsweise von<br />
vorn) müssen stark und<br />
auffällig sein, um eine<br />
neuerliche Hinwendungsreaktion<br />
zu verursachen.<br />
- Die Aufmerksamkeitsleistung<br />
(z.B. durch Handy) wird<br />
oft stark strapaziert. Die<br />
Konzentration auf die Fahrtstrecke<br />
kann verlorengehen.<br />
- Bei einer allgemein hohen<br />
Aufmerksamkeit kommt<br />
meistens der intensivste<br />
Reiz ins Bewusstsein.<br />
- Ein zu langes Verharren auf<br />
eine Situationskonstellation<br />
führt zum „Vergessen“<br />
anderer Informationen.<br />
Wiederholte Kontrollblicke<br />
in die Gegenrichtung sind<br />
förderlich, um Informationen<br />
wieder „aufzufrischen.<br />
Zusammenfassende<br />
Schlussfolgerungen zur<br />
visuellen Wahrnehmung<br />
- Erfahrung und Motivationslage<br />
determinieren die Interpretation<br />
des Gesehenen.<br />
- Die Wahrnehmung eines<br />
Objektes wird durch<br />
den gesamten Kontext<br />
beeinflusst, in den das<br />
Objekt eingebettet ist.<br />
- Einige markante Details<br />
genügen, und Personen<br />
sind in der Lage ein<br />
Objekt zu erkennen, ohne<br />
dessen Einzelheiten vollständig<br />
identifiziert zu<br />
haben. Dieser Prozess<br />
kann fehlerbehaftet sein.