Schriftenreihe Verkehrssicherheit 14: „Risiko raus“ – Fachliche - DVR
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Geschwindigkeitsschätzungen<br />
Besondere Schwierigkeiten<br />
bereitet das Einschätzen der<br />
Geschwindigkeit entgegenkommender<br />
Fahrzeuge. Geschwindigkeiten<br />
werden durch den<br />
permanenten Vergleich der<br />
eigenen und fremden Ortsveränderung<br />
wahrgenommen,<br />
und ständig wird die Veränderung<br />
von Teilstrecken beobachtet,<br />
von der auf die im nächsten<br />
Moment zur Verfügung stehende<br />
Teilstrecke geschlossen<br />
wird. Abstrakt gesprochen,<br />
dürfte es sich um „die Vorwegnahme<br />
erwarteter räumlich-zeitlicher<br />
Positionsveränderungen“<br />
handeln (Kaba und Klemenjak,<br />
1993). Dabei spielen Erfahrungen<br />
eine wesentliche Rolle für<br />
den Geschwindigkeitseindruck.<br />
So wird ein entgegenkommender<br />
schwerer Lkw in seiner<br />
Geschwindigkeit immer langsamer<br />
eingeschätzt als ein kleiner<br />
Sportwagen. Die Geschwindigkeit<br />
entgegenkommender<br />
Fahrzeuge wird dabei umso<br />
mehr unterschätzt, je schneller<br />
man sich selbst fortbewegt.<br />
Etwas besser gelingt die<br />
Einschätzung der Geschwindigkeit<br />
bei querenden Fahrzeugen.<br />
Wahrscheinlich hat<br />
dies damit zu tun, dass die<br />
Sinneszellen der Netzhaut<br />
nacheinander gereizt werden,<br />
während die Geschwindigkeit<br />
entgegenkommender Fahrzeuge,<br />
besonders wenn sie weiter<br />
entfernt sind, nur indirekt durch<br />
154<br />
komplizierte Vergleichsvorgänge<br />
von der beobachtenden<br />
Person erschließbar sind.<br />
Entfernungsschätzungen<br />
Bei größeren Distanzen von<br />
Objekten fällt das Schätzen<br />
von Entfernungen schwer,<br />
wenn die Sichtbarkeit der<br />
Objekte eingeschränkt ist.<br />
Dieselben Berge, die man bei<br />
klarer Sicht per Fuß erreichen<br />
zu können glaubt, scheinen bei<br />
schlechtem Wetter plötzlich viel<br />
weiter weg zu sein. Entfernungen<br />
werden an den erkennbaren<br />
Einzelheiten abgeschätzt.<br />
- Je klarer die Einzelheiten<br />
sichtbar sind, desto näher<br />
scheinen Objekte zu sein.<br />
- Je verschwommener und<br />
unklarer die Einzelheiten<br />
sind, desto größer scheint<br />
die Entfernung zu sein.<br />
Diesiges Wetter, Nebel oder<br />
Dunkelheit verschlucken die<br />
Einzelheiten, weswegen<br />
beispielsweise entgegenkommende<br />
Fahrzeuge scheinbar<br />
viel weiter weg sind als bei<br />
klarer Sicht. So getäuscht,<br />
entscheidet sich manch Autofahrer<br />
trotz des Gegenverkehrs<br />
zum Überholen, was er<br />
bei normaler Sicht kaum in<br />
Erwägung gezogen hätte.<br />
Die verschwimmenden Einzelheiten<br />
sind auch ein Grund<br />
dafür, weshalb Fahrzeuge bei<br />
Nebel das Abblendlicht einzuschalten<br />
haben. Ein dagegen<br />
mit Standlicht beleuchtetes<br />
Fahrzeug täuscht eine viel<br />
größere Entfernung vor als<br />
ein Auto mit Abblendlicht. Da<br />
Menschen offenbar keinen<br />
eingebauten Entfernungs-<br />
oder Geschwindigkeitsmesser<br />
besitzen, ist man auf Schätzwerte<br />
angewiesen. Dabei<br />
kommt es zu zwei fundamentalen<br />
Fehleinschätzungen.<br />
• Entfernungen werden<br />
im Allgemeinen überschätzt.<br />
Dinge werden<br />
entfernter gesehen, als<br />
sie tatsächlich sind.<br />
• Geschwindigkeiten werden<br />
in der Regel unterschätzt. Ein<br />
entgegenkommendes Fahrzeug<br />
wird langsamer gesehen,<br />
als es tatsächlich fährt.<br />
Informationsverarbeitung<br />
Wenn ein Verkehrsteilnehmer<br />
die Verkehrsumwelt beobachtet,<br />
geht er wie selbstverständlich<br />
davon aus, dass<br />
er seinen Blick kontinuierlich<br />
wandern lässt. Eine offensichtliche<br />
Ausnahme ist dann<br />
gegeben, wenn man sich<br />
plötzlichen Ereignissen durch<br />
eine Kopf- oder Augenbewegung<br />
zuwenden muss; aber<br />
auch in dieser Situation scheint<br />
alles „fließend" vor sich zu<br />
gehen. In Wahrheit aber setzt<br />
sich dieser fließende Vorgang<br />
aus einer Anzahl sich ständig