Schriftenreihe Verkehrssicherheit 14: „Risiko raus“ – Fachliche - DVR

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05.12.2012 Aufrufe

hat, welche eminente Rolle überhöhte Geschwindigkeit als Unsicherheitsfaktor spielt. Göran Nilsson hat anhand von Geschwindigkeitsmessungen in mehreren Industrieländern gezeigt, dass sich die Zahl der Schwerverletzten mit der 3. Potenz der Veränderung der Durchschnittsgeschwindigkeit und die Zahl der Getöteten mit deren 4. Potenz ändert. Die folgende Darstellung zeigt die postulierten Zusammenhänge: (v 1 /v 2 ) � Anzahl Unfälle (v 1 /v 2 ) 2 � Anzahl Verletzte (v 1 /v 2 ) 3 � Anzahl Schwerverletzte (v 1 /v 2 ) 4 � Anzahl Getötete v 1 = Geschwindigkeit nachher, v 2 = Geschwindigkeit vorher = 100% Darstellung 3: Exponentialmodell von G. Nilsson 6 Ein Beipiel: In einem beliebigen Straßennetz kann man bei einer Senkung der de-facto-Durchschnittsgeschwindigkeit von 3% folgende Veränderung bei den Getötetenzahlen erwarten: Veränderung der Geschwindigkeit um 3% 97% (nachher)/100% (vorher) = 0.97 führt zu Veränderung bei den Getötetenzahlen von 100% (also Stand vorher) auf {0,97 4 x100 =} 88,5% 12 Es resultiert aus einer Verringerung der Durchschnittsgeschwindigkeit um 3% also eine Verminderung der Getöteten um 21,6% auf 88,5%. Eine sehr umfassende Studie in Australien hat Effekte von unterschiedlichen Geschwindigkeiten über einem bestehenden Limit mit Effekten der Alkoholisierung verglichen und kam zu – aus wissenschaftlicher Sicht - wenig überraschenden Ergebnissen: Tabelle 1: Vergleich des relativen Risikos einer Verwicklung in Unfälle mit Personenschaden für Bedingungen unterschiedlicher Geschwindigkeiten und Alkoholisierungsgrade Geschwindigkeit Alkohol Km/h Relatives Risiko G/1000ml Relatives Risiko 60 (Limit) 1,0 0,0 1,0 65 2,0 0,5 1,8 70 4,2 0,8 3,2 75 10,6 1,2 7,1 80 31,8 2,1 30,4 Quelle: Kloeden et al. 2000 7 6 Nilsson G. (2004): Traffic Safety Dimensions and the Power Model to Describe the Effect of Speed on, Safety. Bulletin 221, Department of Technology and Society, Lund Institute of Technology, Lund 7 Kloeden CN, McLean AJ, Moore VM & Ponte G 2000, Travelling speed and the risk of crash involvement (Reisegeschwindigkeit und Risiko der Unfallverwicklung), Volume 1: Findings, NHMRC Road Accident Research Unit, The University of Adelaide

Derlei Forschungsergebnisse haben oft den Makel, dass sie eben nicht aus dem eigenen Land stammen, sodass man ihre Gültigkeit hierorts anzweifeln kann. Verantwortliches Handeln seitens der Entscheidungsträger stellt ein einfaches Wegschieben dieser Ergebnisse deshalb aber nicht dar. Wissenschaftlich betrachtet und eben im Sinne der Verantwortung der Zuständigen für die Verkehrssicherheit würde man sich erwarten, dass der Frage der Gültigkeit solcher Ergebnisse auch in Deutschland mit großem Nachdruck und für die Öffentlichkeit deutlich erkennbar nachgegangen wird, weil sich ja daraus wichtige Konsequenzen für die Verkehrssicherheitsarbeit ergeben. Der Eindruck, der statt dessen entsteht ist, dass man die Relevanz dieser Ergebnisse nicht zur Kenntnis nehmen will. Tempolimits auf Autobahnen werden nicht eingeführt, flächendeckende Tempo-30-Begrenzungen in Ortsgebieten gibt es allenfalls ansatzweise, die Überwachungsdichte schreckt offenbar nicht vom Schnellfahren ab. Auch im Zusammenhang mit der Überwachung gibt es Forschungergebnisse – ebenfalls aus dem Ausland (Großbritannien) – die auf Möglichkeiten effizienter Geschwindigkeitskontrolle hinweisen; Mit stationären Geschwindigkeitsüberwachungskameras konnte auf Landstraßen die Häufigkeit von Unfällen mit Getöteten und Schwerverletzten um bis zu 62% Prozent, mit mobilen Kameras um bis zu 33% gesenkt werden (Gesamtabnahme von 44% bzw. 15% an allen Aufstellungs-/Verwendungsorten 8 ). Ob man nun die Umsetzung derartiger Erhebungs- und Forschungsergebnisse als adäquat oder nicht ansieht, in der Öffentlichkeit entsteht nicht der Eindruck, dass die öffentliche Hand mit Nachdruck agiert, um Verkehrssicherheit und Nachhaltigkeit zu erzielen. Den Bürgern, über deren verantwortliches Handeln wir in diesem Papier diskutieren, und die ja nicht alle Verkehrsexperten sind sondern diesbezügliche Laien, wird also von dieser Seite her nicht klar gemacht, wie wichtig es wäre, sich wenigstens an die Geschwindigkeitslimits zu halten. Ganz zu schweigen davon, dass man ja eigentlich Limits einführen bzw. senken müsste um glaubwürdig etwas für die Verkehrssicherheit zu tun. 8 Heydecker B.G. 2007, Einsatz von Geschwindigkeitsüberwachungskameras in Großbritannien, in: Risser R. & Pichler M., Effekte von Tempo 80 auf Freilandstraßen, Forschungsgemeinschaft Schiene – Straße – Verkehr FSV, Schriftenreihe 002, Wien Von der System- und Politikseite her kommen also keine (klaren) Signale. Gleichzeitig muss man davon ausgehen, dass es auf individuellem Niveau schwierig ist, die Problematik der Konsequenzen des eigenen Verhaltens zu durchschauen. Nehmen wir z.B. eine Autobahn mit einer 120km/h-Tempobeschränkung. Die Fahrbahn ist trocken, die Sicht ist gut, es ist wenig Verkehr und die Bedingungen sind insgesamt ideal. Auch ein verantwortlich handelnder Mensch könnte nun durchaus zu der Auffassung kommen, dass es hier verantwortbar ist ein wenig schneller zu fahren als es das Limit zulässt – man weiß es ja nicht besser. Das Problem dabei ist, dass sich viele Zehntausende Personen über die Welt verstreut immer gleichzeitig in einer ähnlichen Situation befinden, wo eine großzügige Auslegung der Regeln verantwortbar scheint. Die meisten meinen dabei vermutlich, die Dinge seien unter Kontrolle. Aber einige irren sich eben und es kommt zu Unfällen. Aber auf viele tausende Male auftretende Fehlverhaltensweisen kommen eben nur wenige Unfälle und es ist vielen Menschen ganz einfach nicht möglich, klar zu verstehen, was richtiges Verhalten und was Fehlverhalten ist, weil diese Fehler ja auch sonst keine negativen Konsequenzen 13

Derlei Forschungsergebnisse<br />

haben oft den Makel, dass sie<br />

eben nicht aus dem eigenen<br />

Land stammen, sodass man<br />

ihre Gültigkeit hierorts anzweifeln<br />

kann. Verantwortliches<br />

Handeln seitens der Entscheidungsträger<br />

stellt ein einfaches<br />

Wegschieben dieser Ergebnisse<br />

deshalb aber nicht dar. Wissenschaftlich<br />

betrachtet und<br />

eben im Sinne der Verantwortung<br />

der Zuständigen für die<br />

<strong>Verkehrssicherheit</strong> würde man<br />

sich erwarten, dass der Frage<br />

der Gültigkeit solcher Ergebnisse<br />

auch in Deutschland mit<br />

großem Nachdruck und für die<br />

Öffentlichkeit deutlich erkennbar<br />

nachgegangen wird, weil<br />

sich ja daraus wichtige Konsequenzen<br />

für die <strong>Verkehrssicherheit</strong>sarbeit<br />

ergeben. Der Eindruck,<br />

der statt dessen entsteht<br />

ist, dass man die Relevanz dieser<br />

Ergebnisse nicht zur Kenntnis<br />

nehmen will. Tempolimits<br />

auf Autobahnen werden nicht<br />

eingeführt, flächendeckende<br />

Tempo-30-Begrenzungen in<br />

Ortsgebieten gibt es allenfalls<br />

ansatzweise, die Überwachungsdichte<br />

schreckt offenbar<br />

nicht vom Schnellfahren ab.<br />

Auch im Zusammenhang<br />

mit der Überwachung gibt<br />

es Forschungergebnisse –<br />

ebenfalls aus dem Ausland<br />

(Großbritannien) – die auf<br />

Möglichkeiten effizienter<br />

Geschwindigkeitskontrolle<br />

hinweisen; Mit stationären<br />

Geschwindigkeitsüberwachungskameras<br />

konnte auf<br />

Landstraßen die Häufigkeit<br />

von Unfällen mit Getöteten<br />

und Schwerverletzten um bis<br />

zu 62% Prozent, mit mobilen<br />

Kameras um bis zu 33%<br />

gesenkt werden (Gesamtabnahme<br />

von 44% bzw. 15%<br />

an allen Aufstellungs-/Verwendungsorten<br />

8 ). Ob man<br />

nun die Umsetzung derartiger<br />

Erhebungs- und Forschungsergebnisse<br />

als adäquat oder<br />

nicht ansieht, in der Öffentlichkeit<br />

entsteht nicht der<br />

Eindruck, dass die öffentliche<br />

Hand mit Nachdruck agiert,<br />

um <strong>Verkehrssicherheit</strong> und<br />

Nachhaltigkeit zu erzielen.<br />

Den Bürgern, über deren verantwortliches<br />

Handeln wir in<br />

diesem Papier diskutieren, und<br />

die ja nicht alle Verkehrsexperten<br />

sind sondern diesbezügliche<br />

Laien, wird also von dieser<br />

Seite her nicht klar gemacht,<br />

wie wichtig es wäre, sich<br />

wenigstens an die Geschwindigkeitslimits<br />

zu halten. Ganz<br />

zu schweigen davon, dass<br />

man ja eigentlich Limits einführen<br />

bzw. senken müsste<br />

um glaubwürdig etwas für die<br />

<strong>Verkehrssicherheit</strong> zu tun.<br />

8 Heydecker B.G. 2007, Einsatz von<br />

Geschwindigkeitsüberwachungskameras in<br />

Großbritannien, in: Risser R. & Pichler M.,<br />

Effekte von Tempo 80 auf Freilandstraßen,<br />

Forschungsgemeinschaft Schiene – Straße<br />

– Verkehr FSV, <strong>Schriftenreihe</strong> 002, Wien<br />

Von der System- und Politikseite<br />

her kommen also keine<br />

(klaren) Signale. Gleichzeitig<br />

muss man davon ausgehen,<br />

dass es auf individuellem<br />

Niveau schwierig ist, die Problematik<br />

der Konsequenzen<br />

des eigenen Verhaltens zu<br />

durchschauen. Nehmen wir<br />

z.B. eine Autobahn mit einer<br />

120km/h-Tempobeschränkung.<br />

Die Fahrbahn ist trocken, die<br />

Sicht ist gut, es ist wenig Verkehr<br />

und die Bedingungen<br />

sind insgesamt ideal. Auch<br />

ein verantwortlich handelnder<br />

Mensch könnte nun durchaus<br />

zu der Auffassung kommen,<br />

dass es hier verantwortbar ist<br />

ein wenig schneller zu fahren<br />

als es das Limit zulässt – man<br />

weiß es ja nicht besser. Das<br />

Problem dabei ist, dass sich<br />

viele Zehntausende Personen<br />

über die Welt verstreut immer<br />

gleichzeitig in einer ähnlichen<br />

Situation befinden, wo eine<br />

großzügige Auslegung der<br />

Regeln verantwortbar scheint.<br />

Die meisten meinen dabei<br />

vermutlich, die Dinge seien<br />

unter Kontrolle. Aber einige<br />

irren sich eben und es kommt<br />

zu Unfällen. Aber auf viele<br />

tausende Male auftretende<br />

Fehlverhaltensweisen kommen<br />

eben nur wenige Unfälle und<br />

es ist vielen Menschen ganz<br />

einfach nicht möglich, klar zu<br />

verstehen, was richtiges Verhalten<br />

und was Fehlverhalten ist,<br />

weil diese Fehler ja auch sonst<br />

keine negativen Konsequenzen<br />

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