7-9/2011 - Leporello
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ühne<br />
Tanz<br />
Thomas K. Kopp greift mit seiner<br />
Choreographie „Ausziehen 2.0“<br />
während des 1. Würzburger<br />
Tanzfestivals ein brisantes<br />
Thema auf.<br />
Verringerte Reichweite: Beim<br />
Speed-Dating während des Tanzstücks<br />
„Useless Dog“ dürfen<br />
Zuschauer Künstler über ihre<br />
persönliche Situation befragen.<br />
20 l <strong>Leporello</strong><br />
Schotten auf!<br />
Beim 1. Würzburger Tanzfestival werden ungewöhnliche Orte bespielt<br />
Ein neues Pilotprojekt von<br />
Thomas K. Kopp und seinem<br />
„tanzSpeicher würzburg“, vom<br />
Ballett des Mainfranken Theater,<br />
Lisa Kuttners Tanzraum, Nanas<br />
Tanzensemble und dem Salon 77<br />
macht neugierig. Vom 18. bis 23.<br />
Juli organisieren die Mitglieder<br />
des „Runden Tischs Tanz“ das 1.<br />
Würzburger Tanzfestival. Getanzt<br />
wird dabei nicht nur auf den Bühnen<br />
des Mainfranken Theater und<br />
des tanzSpeichers, sondern auch<br />
in Kirchen, Behörden, Schulen,<br />
auf öffentlichen Plätzen und im<br />
Müllheizkraftwerk.<br />
Erstmals wird mit „Würzburg<br />
tanzt!“ der tänzerische Reichtum<br />
in der eher von Musik, Theater<br />
und Bildender Kunst dominierten<br />
Region präsentiert. Los geht es<br />
am 18. Juli um 19.30 mit einer<br />
„BurgenGala“ im Mainfranken<br />
Theater. Hier treffen in Choreographien<br />
von Thomas K. Kopp,<br />
Jérome Gosset, Gaetano Posterino,<br />
Nana WagnerSchneider,<br />
Mercedes Sebald Arguisuelas und<br />
Anna Vita Folklore auf Abstraktion<br />
und Zeitkritik auf Poesie. Am<br />
19. Juli wird ein Schultanztag organisiert.<br />
Am Nachmittag präsentieren<br />
Grundschüler ihr Können<br />
im Theater am Neunerplatz, am<br />
Abend stellen sechs Tanzensembles<br />
bayerischer Gymnasien ihre<br />
Produktionen vor.<br />
Nach allen Seiten sollen während<br />
des Tanzfestivals Schotten<br />
geöffnet werden. So beziehen<br />
Tänzerinnen und Tänzer beim<br />
Kirchentanztag am 20. Juli geweihte<br />
Räume in ihre Choreographien<br />
ein. Auftakt ist um 17 Uhr<br />
in der Johanniskirche, weitere<br />
Vorstellungen finden, jeweils hin<br />
tereinander, in der Stephanskirche,<br />
der KilianeumsKapelle und<br />
der Karmelitenkirche statt. Der<br />
anschließende Behördentanztag<br />
zeigt, was Tanz im Rathaus, dem<br />
Justizgebäude und der Stadtbücherei<br />
zu suchen hat.<br />
Moderner Tanz ist alles andere<br />
als „soft“ und schwanenhaft das<br />
beweist Thomas K. Kopp am 22.<br />
Juli mit seiner ebenso brisanten<br />
wie subtilen Choreographie<br />
„Ausziehen 2.0“ im tanzSpeicher.<br />
Wie energiegeladen Tanz sein<br />
kann, wird sich auch bei der Abschlussveranstaltung<br />
„Komm,<br />
tanz mit mir!“ am 23. Juli ab 17<br />
Uhr im Müllheizkraftwerk zeigen.<br />
Die Gäste des hier veranstalteten<br />
„Balls Furioso“ haben die Möglichkeit,<br />
selbst neue Tanzschritte<br />
auszuprobieren. Pat Christ<br />
Foto tAnzsPeicher<br />
An Pirouetten wachsen?<br />
Tanzstück „Useless Dog“ zeigt Verflechtungen zwischen Kultur und Wirtschaft auf<br />
Was die Kerle wohl den<br />
ganzen Tag treiben? Künstler<br />
schimpfen sie sich! Künstler!<br />
Arbeiten sollen sie gehen. Nicht<br />
nur faulenzen. Ihrem Vergnügen<br />
leben. Wenn das jeder tun würde...<br />
Die Zeiten, dass dem Künstler<br />
Kränze geflochten wurden, sind<br />
längst vorbei. Die Wirtschaft hat<br />
das Sagen, schließlich leben wir<br />
in der Ära des ins Absolutistische<br />
tendierenden Renditekapitalismus.<br />
Da gibt es nichts Nutz und<br />
Brotloseres als einen Künstler.<br />
„Useless Dog“ nennt sich in Anspielung<br />
auf diese kollektive Einstellung<br />
denn auch die neueste<br />
Produktion von Thomas K. Kopp.<br />
Doch was wäre, gäbe es in Würzburg<br />
den tanzSpeicher nicht,<br />
gäbe es kein städtisches Theater<br />
und kein Mozartfest als kultureller<br />
Promimagnet?<br />
„Useless Dog“ ist keine maliziöse<br />
Abrechnung mit einer Politik,<br />
die auf Verwend und Verwertbares<br />
setzt. Kopps Tanzstück, in<br />
das Kulturschaffende und Profiteure<br />
kultureller Institutionen<br />
eingebunden sind, zeigt die finanziellen<br />
Verflechtungen zwischen<br />
Kultur und anderen Wirtschaftsbereichen<br />
auf. Kunst und Kultur,<br />
erfährt das Publikum, bilden als<br />
neu definierte „Kreativwirtschaft“<br />
einen Wachstumsmarkt.<br />
Die via SpeedDating in Kopps<br />
Produktion eingebunden Zuschauer<br />
können nach der 70minütigen,<br />
moderierten Vorstellung<br />
besser nachfühlen, was es bedeutet<br />
freiberuflich als Tänzerin,<br />
Musiker oder Journalistin tätig zu<br />
sein. Selbst die Tabufrage nach<br />
dem lieben Geld bleibt, und das<br />
macht Kopps Stück mutig, nicht<br />
unbeantwortet. Die Frage stellt<br />
sich jedoch, ob Kulturschaffende<br />
den ideologischen Begriff der<br />
„Kreativwirtschaft“ unkritisch<br />
und unreflektiert übernehmen<br />
sollten. Von außen besteht zweifellos<br />
Druck, die eigene ökonomische<br />
Bedeutung zu rechtfertigen.<br />
Beugen sollte man sich ihm<br />
nicht. Pat Christ<br />
Foto: tAnzsPeicher<br />
i Die offizielle Premiere von „Useless<br />
Dog“ ist am 2. Oktober um 20 Uhr.