DPMA - Erfinderaktivitäten 2006/2007
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Tsunami-Frühwarnsysteme<br />
Dr. Klaus Wollny, Abt. 1.52<br />
Der Artikel erörtert anhand von ausgewählten Patentanmeldungen und Fachartikeln die Frage, ob der<br />
weltweit beachtete Tsunami vom 26.12.2004 einen nachweisbaren Innovationsschub auf dem Gebiet der<br />
Tsunami-Frühwarnsysteme ausgelöst hat. Es wird hierbei auf die Entwicklungsgeschichte der<br />
Frühwarnsysteme eingegangen, der Aufbau ihrer Sensorik erklärt und erläutert, wie aus Daten eines<br />
Ereignisses, das die Ursache eines Tsunamis sein kann, eine Gefahrenpotenzialaussage gewonnen wird.<br />
1. "Weihnachtstsunami 2004" und die Folgen<br />
Vielen Menschen in unserem Land ist das japanische Wort<br />
"Tsunami" erst seit dem 26.12.2004 ein Begriff. Es steht<br />
heute synonym für eine Meereswelle, die in Südostasien<br />
mehr als 230.000 Menschen das Leben gekostet hat.<br />
Hunderttausende wurden obdachlos, landwirtschaftliche<br />
Nutzflächen, die Infrastruktur und die Lebensgrundlage<br />
von Millionen Menschen wurden innerhalb weniger<br />
Minuten vernichtet. Neben Ohnmacht und Trauer löste<br />
dieses Ereignis auch eine weltweite Hilfsbereitschaft für<br />
die Betroffenen aus. Zum einen zeigte sich dies in der<br />
vergleichsweise schnellen und direkten humanitären Hilfe<br />
zum Wiederaufbau sowie zur Linderung der größten Not<br />
im Alltag. Zum anderen aber auch in dem Versprechen,<br />
global die Forschungsgelder für die Geowissenschaften<br />
und den Katastrophenschutz zu erhöhen. Dies schloss<br />
insbesondere auch die Entwicklung effizienter Tsunami-<br />
Frühwarnsysteme für gefährdete Gebiete im Rahmen<br />
internationaler Projekte mit ein.<br />
Seitdem sind 30 Monate vergangen und man fragt sich<br />
berechtigterweise, was aus diesen Plänen und<br />
Absichtsbekundungen geworden ist. Wurden neue<br />
Ansätze zum Schutz der Menschen und Sachgüter zur<br />
Praxisreife entwickelt und in den gefährdeten Gebieten<br />
realisiert? Gab es einen echten Innovationsschub, den<br />
man aus Veröffentlichungen (z.B. [1],[14]) und der Art und<br />
Zahl der Patentanmeldungen zum Thema ableiten kann?<br />
Mit diesen Fragen und der geschichtlichen Entwicklung<br />
der Tsunami-Frühwarnsysteme möchte sich dieser Artikel<br />
beschäftigen. Zu diesem Zweck wird versucht, aus der<br />
Patentliteratur, aus Beiträgen in Fachzeitschriften und<br />
Internetquellen einen aktuellen Überblick zu gewinnen.<br />
2. Grundbegriffe zum Thema Tsunami<br />
2.1. Entstehung und Aufsteilungseffekt<br />
Ein Tsunami ist eine hauptsächlich von Seebeben und<br />
submarinen Hangrutschungen ausgelöste Meereswelle.<br />
Sie tritt i.W. dann auf, wenn das auf dem Meeresboden<br />
auflastende Wasser – oft auch "Wassersäule" genannt –<br />
mechanisch abrupt zu einer Bewegung in der Senkrechten<br />
gezwungen wird. Dies kann z.B. bei einem Erdbeben in<br />
der Tiefsee durch den vertikalen Versatz zweier<br />
tektonischer Platten verursacht sein, wobei die<br />
Wassersäule kurzzeitig absackt oder angehoben wird.<br />
Solch ein Vorgang ist mit einem großen Energieumsatz<br />
verbunden. Diese Energie breitet sich als Meereswelle<br />
konzentrisch von ihrem Entstehungsort aus.<br />
Die Amplitude dieser Welle hängt vom ursprünglichen<br />
Energieeintrag bei der Entstehung der Welle und von der<br />
jeweiligen Meerestiefe auf ihrem Ausbreitungsweg ab. So<br />
kann es z.B. aufgrund der Unterwassertopographie auch<br />
zu Brechungseffekten kommen, die die Richtung der<br />
Wellenausbreitung beeinflussen.<br />
Bewegt sich die Welle z.B. aus dem Tiefwasserbereich<br />
ihrer Entstehung in den Flachwasserbereich einer Küste,<br />
wächst ihre Amplitude um so mehr, je flacher die Küste ist.<br />
Geht man nun von einem ursprünglich mit demselben<br />
Energieinhalt ausgestatteten Tsunami aus, kann es<br />
abhängig von der Geometrie der Küste (Steilküste,<br />
Schelfgebiet, Fjord, etc.) zu sehr unterschiedlichen<br />
Intensitäten und Höhen der Wellenfront direkt an der<br />
Küste kommen. Details zur Physik von Meereswellen sind<br />
der Fachliteratur zu entnehmen (z.B. [2]).<br />
76 <strong>Erfinderaktivitäten</strong> <strong>2006</strong>/<strong>2007</strong>