Postamt - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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das Vertrauen der Gemeinde: er vermehrte durch eine<br />
Sammlung den überaus kleinen Armenfond, stiftete eine<br />
Bruderschaft für die Jungfrauen, die heute noch besteht, und<br />
brachte einen Unfug aus der Gemeinde hinaus, der fast unzerstörbar<br />
schien. Jeweils in der Neujahrsnacht wurde wie<br />
an anderen Orten auch in Ruifingen kräftig von den Burschen<br />
geschossen. Nun versammelte Geiselhart einigemale<br />
im Dezember die heranwachsende männliche Jugend, um<br />
andere Vorbereitungen zu treffen für den Schluß des Jahres.<br />
Auf dem nanen, sogenannten Gügeleberg sollte die Feier<br />
stattfinden: Ein großes Transparent wurde hergesteilt, auf<br />
der Vorderseite las man die Inschrift: „Gott segne das Jahr<br />
1844", hinten standen die Worte: „Gott sei Dank für das Jahr<br />
1843". Der Sylvesterabend kam; ein stattlicher Zug bewegte<br />
sich durch die lange Dorfstraße dem Berge zu. Voran marschierte<br />
die Musik, dann der angesehenste Bursche mit dem<br />
großen Transparent, hinter ihm Lampionsträger. Auf der<br />
Anhöhe angekommen, zündete man einen schon hergerichteten<br />
Haufen Stroh an. Weit hinaus glänzte die Inschrift<br />
auf dem Transparent, dann stimmten alle das „Großer Gott,<br />
wir loben dich" an, die Burschen kehrten zurück in die<br />
Wirtschaften; geschossen wurde in jener Nacht von niemanden.<br />
mit Ausnahme von einem Sigmaringer, und der mußte<br />
es mit einer Tracht Prügel büßen.<br />
Zu Fuß, wie er gekommen, zog Geiselhart am 10. Januar<br />
1844 wieder hinaus zu Ruifingen und wanderte nach Veringenstadt,<br />
wo ihn der Gemeinderat im Oktober zum Pfarrer<br />
präsentierte. Dort hat er vom 13. Januar 1844 bis zum 20.<br />
Dezember 1850 gewirkt. „Veringenstadt ist eingeklemmt zwischen<br />
die rauhen Berge und kahlen Felsen des Laucherttales.<br />
Es ist ein Städtlein mit alten Häusern und winkeligen Gassen.<br />
Hart und rauh wie ihre Berge und Felder ist auch der<br />
Charakter der Leute." So beschrieo Geiselhart ehemals selbst<br />
dieses sein Feld der Seelsorge. Er fand keine besondere<br />
Empfänglichkeit für seine Hingebung an den Priesterberuf.<br />
Eine Hauptschuld trugen die Feindseligkeiten, die in der<br />
Pfarrei herrschten. Zwei Jahre lang hatte Geiselhart auch<br />
noch das Amt eines provisorischen Schulkommissärs: 34<br />
Schulen der Aemter Trochtelfingen, Gammertingen und<br />
Straßberg waren ihm unterstellt. Fleißig, vielleicht übereifrig,<br />
wohl auch zu streng und scharf hat Geiselhart in<br />
Veringenstadt gearbeitet. Die sechs Jahre, die er daselbst<br />
verlebte, nannte er selbst „die Winterperiode seines Priesterlebens."<br />
Die Wallfahrt von Maria Dillstetten oder Deutstetten<br />
hatte er in jenen Jahren wieder neu belebt. Eine<br />
große Freude erlebte er im Herbst 1848 Ganz unerwartet<br />
kam Erzbischof Hermann von Vicari mit seinem Neffen<br />
Finnneisen zu ihm auf Besuch. Zweimal blieb der liebenswürdige<br />
Oberhirte bei dem eifrigen Seelsorger über Nacht.<br />
Eine Fülle von Widerwärtigkeiten und Unannehmlichkeiten<br />
brachte ihm das Revolutionsjahr 1848, denn der Geist des<br />
Aufruhrs spukte auch in Veringenstadt. Zu diesen Wirren<br />
kam noch ein schweres Brandunglück. Am 22. August 1848<br />
fing es im Städtchen während eines furchtbaren Weststurmes<br />
zu brennen an, 33 Gebäude wurden eingeäschert, 37<br />
Famiiien sahen sich obdachlos. Geiselhart half arbeiten und<br />
tröstete und begann um 4 Uhr, das Pfarrhaus zu räumen,<br />
nachdem auch das letzte Haus, welches die Unglücklichen<br />
aufgenommen hatte, prasselnd zusammenstürzte. Erst nach<br />
einigen Wochen, als alle übrigen Obdachlosen mit dem Notwendigsten<br />
versehen waren, dachte Geiselhart an seine<br />
Person und bezog eine Wohnung bei einem Landwirt. Ende<br />
1848 überschwemmte die Lauchert das ganze Tal, so daß in<br />
Veringenstadt 39 Pferde und Rinder umkamen. In diesen<br />
Tagen der Heimsuchung fanden die Bewohner die meiste<br />
Hilfe und den besten Rat bei ihrem Seelenhirten.<br />
Seine Erholung suchte Geiselhart am liebsten bei dem<br />
Geistlichen Rat Engel im nahen Veringendorf. Von diesem<br />
Herrn lernte unser Priester den Rosenkranz liebgewinnen,<br />
von ihm erhielt er auch das erste Brevier, denn von beiden<br />
Gebetsarten hatten die Theologen während der dreißiger<br />
Jahre weder an der Universität noch im Seminar weder eine<br />
Erklärung noch eine Anleitung empfangen.<br />
Als im Herbste des Jahres 1847 Erzbischof Hermann von<br />
Vicari die Priester zum Besuch der Exerzitien nach St. Peter<br />
im Schwarzwald einlud, folgte auch Geiselhart dem Rufe,<br />
nachdem er jetzt bereits zehn Priesterjahre verlebt hatte.<br />
Nach „Freiheit" hatte im Jahre 1848 alles gerufen, nur der<br />
Kirche sollte keine Freiheit werden, auch im Hohenzollerischen<br />
nicht. Zur Aufklarung in der aligemeinen Zeit der<br />
Gärung gründete Geiselhart mit Fr. Jos. Marmon aus Haigerloch<br />
und Pfarrer Silvester Miller in Gruol die Zeitung<br />
„Der Volksfreund" als Gegenstück zum liberalen „Erzähler",<br />
die zweimal in der Woche erschienen Geiselhart zeichnete<br />
als Schriftleiter. Wie die Liberalen, so hielten auch Geiselhart<br />
HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />
und Miller an verschiedenen Orten Hohenzollerns Volksversammlungen<br />
und gründeten Piusvereine, wie es die erste<br />
Generalversammlung der katholischen Vereine in Mainz<br />
empfohlen hatte. In ihren Reden forderten sie einen Rechtsstaat<br />
und keinen Polizeistaat und Freiheit für das Wirken<br />
der Kirche. Dieses mutvolle Vorgehen trug den beiden Herren<br />
eine Vorladung zum Fürsten Karl Anton in Sigmaringen<br />
ein. Der Fürst sagte alsbald mit dürren Worten heraus:<br />
Miller und Geiselhart hätten seiner Regierung und Familie<br />
mehr geschadet als die „Roten", denn sie als Geistliche fänden<br />
Glauben und Anhänglichkeit beim Volke. Geiselhart<br />
hatte für die Unabhängigkeit der Kirche und für freie Bewegung<br />
im Staate gesprocher und unter anderem gesagt:<br />
Die Pfarrei Benzingen sei nicht gestiftet, um den Fürsten<br />
eine Kindsmagd zu halten. Zur näheren Erklärung von dem<br />
Fürsten aufgefordert, erklärte Geiselhart: Ich habe vorgetragen:<br />
der Instruktor des Erbprinzen beziehe 1000 Gulden<br />
jährlich von der Pfarrei Benzingen, diese Pfarrei sei aber<br />
sicher nicht gestiftet, dem Fürsten einen Instruktor zu bezahlen.<br />
Der Fürst erwiderte: „Der Instruktor ist Pfarrer in<br />
Benzingen gewesen. Die 1000 Gulden machen seine Pension<br />
aus. Ich bezahle ihm aber selbst noch 100 Gulden."<br />
Geiselhart ergänzte: „Ja, Durchlaucht, ich weiß aber ganz<br />
genau, wie man das Ordinariat in Freiburg dazu gebracht<br />
hat, dem Pfarrer von Benzingen Pension und Absenz zu<br />
gewähren. Herr von N. und ein anderer Regierungsrat haben<br />
an das Ordinariat berichtet, wenn die Pension nicht gewährt<br />
werde, so sei zu befürchten, daß der katholische Fürst seinem<br />
Sohn einen protestantischen Instruktor gebe! Das habe ich<br />
verschwiegen, weil es die fürstliche Familie in üblen Ruf<br />
gebracht hätte.,,<br />
Nach einigem Hin- und Herreden war die Audienz zu<br />
Ende. Der mutvolle Priester blieb aber von da ab 20 Jahre<br />
in Ungnade. Im Jahre 1850 am 20. Dezember verließ Geiselhart<br />
seine Stelle in Veringenstadt und zog nach Sigmaringen.<br />
Damit begann ein Wendepunkt in seinem Leben, denn von<br />
nun an war er nicht mehr der Pfarrer einer einztien Gemeinde,<br />
sondern der große Waisenvater für ganz Hoheiizollern.<br />
Warum aber zog er nach Sigmaringen? Der tiefste<br />
Grund war dieser: Geiselhart hatte das Gelübde gemacht,<br />
für arme Studenten und Hohenzollerns Waisen zu tun, was<br />
nur in seinen Kräften stand. Diesen Doppelplan konnte er<br />
aber draußen auf seiner Landpfarrei nicht ausführen, daher<br />
legte er ein Bittgesuch dem ErzDischof vor, auf seine Pfarrei<br />
verzichten zu dürfen. Der Oberhirte genehmigte das Gesuch;<br />
Geiselhart erhielt gleichzeitig die Anweisung, in Figmaringen<br />
für den abwesenden Hofkaplan und Nachprediger Feßler<br />
Aushilfe zu leisten. Aisbald mußte er von Sigmaringe, i aus<br />
auch die Pastoration in Schmeien übernehmen. Mit Hilfe der<br />
barmherzigen Schwestern im Landesspital errichtete er schon<br />
am Neujahr 1851 eine Privatmädchenschule, die von zwei<br />
barmherzigen Schwestern besorgt wurde. So hatte er jetzt<br />
schon etwas erreicht, was er in Veringenstadt umsonst angestrebt<br />
hatte.<br />
Große Verdienste erwarb sich Geiselhart zu Anfang der<br />
fünfziger Jahre um die Abhaltung von Missionen. Im Sommer<br />
1850 wurde von den Jesuiten Schlosser und Roder eine<br />
vierzehntägige Mission in Sigmaringen gehalten. Schon im<br />
Jahre vorher hatte Geiselhart im Namen des Erzbischofs<br />
vom preußischen Militärfiskus Gorheim in der Nähe von<br />
Sigmaringen als Eigentum erworben. Gorheim war früher<br />
bis 1782 Franziskanerinnenkloster des dritten Ordens. Nach<br />
Aufhebung der Klöster wurde der Gebäudekomplex zuerst<br />
zu Anfang des 19. Jahrhunderts ein Waffendepot, dann eine<br />
Kaserne, und später kam es an den Fiskus und 1849 an den<br />
allgem. katholischen Kirchenfond, dem es noch gehört. Während<br />
der Mission in Sigmaringen bestürmte Geiselhart die<br />
Jesuiten, aus Gorheim eine Niederlassung zu machen. Nur<br />
ungern nahm sich Pater Roder der Sache an, doch der Einzug<br />
der Jesuiten erfolgte zur Freude "^eiselharts. Er sorgte auch<br />
für Jen Unternalt der Patres, indem er die Barone von<br />
Enzberg, Stotzingen und von Bodmann veranlaßte, Lebensmitte'<br />
nach Gorheim zu schicken. Leider wurden die Jesuiten<br />
1872 durch die Kulturkampfgesetze vertrieben.<br />
Während der obigen Mission hatte Geiselhart angefangen,<br />
einen katholischen Frauenverein, den sogenannten Elisabethenverein,<br />
zu gründen. Aus diesem wohltätigen Verein<br />
zweigten sich 1868 das Institut der Krankenpflegeschwestern<br />
in Privathäusern und 1872 der katholische Mütterverein ab.<br />
Durch solche Gründungen war Geiselhart in der Residenz<br />
Hohenzollerns rasch heimisch geworden. Im Jahre 1851 rief<br />
er auch einen Klankenverein für Gesellen und Dienstboten<br />
ins Leben. Er bettelte zu diesem Zwecke ungefähr 400 Gulden<br />
zusammen, und blieb 27 Jahre ihr geistlicher Leiter,