Postamt - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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42 HOHEN OLLERISCHE HEIMAT Jahrgang 1058<br />
mals Streitigkeiten,weniger mit denen von Siberatsweiler.<br />
Bei diesen Anlässen führte er gegen diese wie auch gegen<br />
die bischöfliche Behörde in Konstanz eine Sprache, die an<br />
Derbheit nichts übrig ließ und seine eigene Unfehlbarkeit<br />
beweisen würde, wenn Grobheit und Rechthaben identisch<br />
wären. Hier seien einige Proben der Schreibweise Wochers<br />
angeführt: der erzgrobe Landslümmel — ein Lümmel über<br />
alle Lümmel ist — diese siebenschrötige Kerl — einer de<br />
gante non sancta — bis sie mit Samsons Schwert, so ein<br />
Eselskinnbacken gewesen ist, gezüchtigt werden — die gleich<br />
einem schwäbischen Dudelsack aufgeblasenen Republikaner<br />
in Lindau — der grobianisierende Bürgermeister (von Lindau)<br />
— der Bauer ganz unwahrhaftig ist, voller Betrug und<br />
Arglist — daß Gottes Barmherzigkeit und der Bauern Schalkheit<br />
unergründlich ist, ist so richtig als jeder Text im neuen<br />
und alten Testament — dieser verliebte Teufelsmartyrer —<br />
an dergleichen bei dem Belial in praxi gestandenen Weibern<br />
hat der hone Orden noch keinen Abgang, sondern hat, noch<br />
anderen Herrschaften mitzuteilen, eine gute Anzahl in Reserve.<br />
— Der Obervogt war bemüht, daß die Eltern die zu<br />
Hause nicht nötigenKinder in einen Dienst oder in die Lehre<br />
geben möchten, was aber nicht in allweg geschah. Er berichtete<br />
nun nach Altshausen: „Die mehr Kinder denn Fenster<br />
und Gucköhren im Hause haben und im Vorbeifahren<br />
zu jeder Oeffnung ein verzauster, dreiköpfiger Cerberus hinausschauen<br />
tut. Die Berichte mögen manchmal dem Landkomtur<br />
Lächeln verursacht haben. Wocher zeigte aber bei<br />
anderer Gelegenheit auch mitleidsvolle Teilnahme. 1740 befürwortete<br />
er die Genehmigung einer beabsichtigten Heirat<br />
(die Braut war unschön) und die Verleihung eines Lehens an<br />
die Betreffenden und den gewöhnlichen Erschatz, „weilen sie<br />
mehr einem geströhlten Fuchs,, denn einem nach dem Ebenbild<br />
Gottes erschaffenen Menschen gleicn sehen tut". Die<br />
Begründung hatte in Altshausen Erfolg. Auch seine Urteile<br />
waren mitunter originell; hier ein Beispiel: 1710 hatte ein<br />
Meister, Jör^ Pregen in Duznau, eine Magd bis Jakobi eingestellt,<br />
schickte sie aber vor Ablauf des Termines weg.<br />
Nun klagte die Magd Maria Dembin, daß der Dienstherr sie<br />
behalte bis Jakobi oder ihr den Lohn bis dahin ausbezahle,<br />
da sie zur Zeit keine Stelle finde. Darauf folgte nun der Bescheid<br />
: „Weilen der Meister und die Magd ein Narr, die<br />
Meisterin und Kinder aber im Haus bekanntich leider nicht<br />
gescheit, sondern übel geschaffen, als sei die ganze Orgel<br />
übel verstimmt und wolle man die große Pfeiff, den Meister,<br />
zu korrigieren suchen und auf nächst einkommende<br />
wahrhafte Klag seines Fluchens wegen hart einstocken lassen<br />
(die Magid hatte ihn nämlich dessen bezichtigt); das<br />
Mensch, die Magd, hingegen soll er bis Jakobi behalten oder<br />
auf dolch Tag bar auszahlen". — Wocher wachte auch eifersüchtig<br />
über die Rechte der Herrschaft und kam dadurch bei<br />
Lappalien in manche Differenzen mit den angrenzenden<br />
Herren. Freilich kam solches in jener Zeit infolge der Kleinstaaterei<br />
auch an anderen Orten gar häufig vor.<br />
Die Strafen der niederen Gerichtsbarkeit, die der Obervogt<br />
verhängen konnte, waren im 16., 17. und 18. Jahrhundert<br />
soweit noch Protokollbücher vorhanden sind, in der Herrschaft<br />
Achberg nicht allzu hart Körperliche Züchtigungen<br />
mit Rutenhieberr dürften in jener Zeit selten vorgekommen<br />
sein, während solche an anderen Orten damals häufig waren.<br />
Die Türmstrafen waren nicht selten nur kurz, indem die<br />
Malefikanten oft schon nach einigen Stunden „auf starke<br />
Fürbitte hin" wieder entlassen wurden. Auch die Geige kam<br />
nicht allzu oft in Anwendung. Die Geldstrafen waren im<br />
allgemeinen, selbst bei Berücksichtigung des damaligen höheren<br />
Geldwertes, niedrig bemessen, häufig betrug sie nur<br />
5 Schilling (= 10 Kr. = 29 Pf.). Die Uebertretung der Gebote<br />
und Verbote wurde mit 1 Pfd. (= 40 Kr.) gebüßt; eine Strafe<br />
von 5 Pfd. findet sich selten. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts<br />
und auch am Ende desselben gestalteten sich die Strafen<br />
etwas schärfer; doch ging es in dieser Zeit mitunter bei<br />
Vergehen mit einer bloßen Verwarnung ab; einigemale wurde<br />
als Buße die Beicht oder das Beten des Rosenkranzes<br />
auferlegt. 1709 h-.tte einer Gott gelästert und über die Herrschaft<br />
geschimpft. Der Bescheid Wochers lautete: er soll in<br />
dieser hl. Zeit (Weihnachtszeit) reumütig beichten und dann<br />
Staatsgewalt<br />
(Zum Hechinger<br />
Um es gleich zu sagen: es handelte sich nur um ein lächerliches<br />
Ländchen rings um den Zoller herum, nicht um ein<br />
gewaltiges Staatsgebilde, von dem hier die Rede ist. Um<br />
seine \usdehnung zu ermessen, genügt es, darauf hinzuweisen,<br />
daß die Entfernung von einer Staatsgrenze am Zeller<br />
nochmals an Hl. Dreikönig und an den vier Feiertagen je<br />
einen Psalter beten für jene Seelen welche wegen Gotteslästerung<br />
noch gequält werden. Strafbar war auch eine uneheliche<br />
Schwängerung. 1699 (das Jahr, ehe Wocher Obervogt<br />
wurde) mußten zwei Schuldige, da sie nicht bezahlen konnten,<br />
um den Altar zu Opfer gehen, wobei der Bursche einen<br />
Strohdegen trug und das Mädchen einen Strohkranz. 1710<br />
strafte Wocher zugleich den Vater der Gefallenen um zwei<br />
Pfd. weil er auf die Tochter nicht achtgehabt hatte. Im gleichen<br />
Jahre verbot der Obervogt den Mädchen den Wirtshausbesuch<br />
nach Betzeit, und 1711 bei Turm- und Geigenstrafe<br />
das Mitnehmen der Kinder zum Wucherstier, wie auch daß<br />
Kinder selber das Vieh dahin rührten. Das Ausstellen in der<br />
Geige geschah vor dem Schloß oder häufiger vor der Kirche.<br />
Unerlaubt war auch der Fleischgenuß im Wirtshaus an den<br />
verbotenen Tagen und der Besuch des Wirtshauses an den<br />
Sonn- und Feiertagen mit Versäumung der hi. Messe. Er<br />
kämpfte auch gegen die Kleiderhoffart der Mädchen und<br />
der Burschen, 1746 verweigerte aber der Landkomtur den<br />
Erlaß eines Verbotes.<br />
Bei aller Strenge war Wocner eine religiös-gläubige Natur.<br />
In seinen letzten Monaten, da er die Kirche in Siberatsweiler<br />
nicht mehr besuchen konnte, ließ er in der Schloßkapelle<br />
an den Sonntagen vom Pfarrer von Siberatsweiler eine hl.<br />
Messe lesen; dieser mußte also binieren. 1709 wurde einer<br />
eingesperrt, weil er seinen Schwager hatte unversehen wegsterben<br />
lassen. In seinem Testament von 1745/48 ordnete<br />
Wocher eine Reihe von Jahrtagen an, die teils in Klöstern<br />
(Weingarten, Isny und Langnau), teils in der Eichkapelle und<br />
in der Pfarrkirche in Siberatsweiler gehalten werden sollten.<br />
Jedoch kamen nicht alle Anniversarien zur Ausführung, wie<br />
z. B. die Stiftung einer Wochenmesse in der Pfarrkirche in<br />
Siberatsweiler und einer solchen in der Schloßkapelle in<br />
Achberg. Der Grund der Nichtausführung ist unbekannt.<br />
Der überlebende Teil hatte das Recht, am Testament Abänderungen<br />
vorzunehmen. Dem angebrachten Wappen nach<br />
zu schließen, dürfte von Wocher die Monstranz in der Kirche<br />
in Siberatsweiler stammen. Testamentarisch vermachte er<br />
der Kirche „in der er und seine Frau beerdigt würden" das<br />
massiv von Silber gegossene große Kruzifix mit den dazugehörenden<br />
Bildnissen der MutterGottes und des hl. Johannes.<br />
Indes findet sich dieses Vermächtnis nicht mehr vor. Wocher<br />
ist auch der Erbauer der Eichkapelle in Esseratsweiler, die von<br />
seiner Frau mit den nötigen Paramenten ausgestattet wurde.<br />
1746 hatte der Bischof von Konstanz die Erlaubnis zum Bau<br />
der Kapelle (gegeben, der dann 1748 ausgeführt wurde. Die<br />
Kapelle ist ein ehrenvolles, bleibendes Denkmal des Obervogts.<br />
Er machte dann noch andere Stiftungen. In seinem Testament<br />
bestimmte er 150 fl. für die Schule. Der Zins sollte<br />
als Schulgeld für arme Kinder verwendet werden. Den Hausarmen<br />
in Achberg vermachte er 400 fl. Der Zins einer dritten<br />
Stiftung von 1500 fl. sollte abwechslungsweise einem<br />
Knaben zur Erlernung eines Handwerkes und einem braven<br />
armen „Madel" zur Aussteuer zukommen. Wocher und seine<br />
Frau stifteten sonach 2050 fl. zu den vorbezeichneten Zwekken.<br />
Nach dem Tode der Obervögtin wurden aus Versehen<br />
50 fl. bar den Armen ausgeteilt; es blieben also nur noch<br />
2000 fl. Kapital. Dagegen hatte die Wochersche Stiftung noch<br />
auf ein anderes Kapital von 300 fl, Anspruch, das dann dieselbe<br />
auch wirklich erhielt. Damit betrug das Gesamtkapital<br />
dieser Stiftungen 2300 fl. Sie sind zugleich ein Zeichen,<br />
wie Wocher trotz seiner Strenge gleichwohl eine teilnehmende,<br />
mitleidsvolle Gesinnung gegen die ihm Anvertrauten<br />
hegte.<br />
Könnte er wiederkommen und das Bild der neuen Verhältnisse<br />
schauen, wie so vieles jetzt anders geworden ist,<br />
dann würde er ohne Zweifel staunend mit dem Dichter ausrufen:<br />
Andere Zeiten, andere Menscnen,<br />
andere Menschen, andere Götter;<br />
und<br />
Tempora mutantur nos et mutamur in illis<br />
Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns in ihnen<br />
gegen Pfarrer<br />
Untertanenstreit)<br />
Horn bis zur anderen am Dreifürstenstein in der Luftlinie<br />
sage und schreibe neun Kilometer beträgt! Da hat sich nun<br />
im Jahre 1731, als das ganze Ländchen durch der bekannten<br />
Untertanenstreit erschüttert wurde und die politischen Wogen<br />
hoch gingen, auch der hochwürdige Pfarrherr von Boll