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Postamt - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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4 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />

Das Wasenried bei Hanfertal<br />

Dort, wo von der Bahnstrecke Gammertingen-Sigmaringen<br />

ein Geleise nach Sigmaringendorf abzweigt, liegt die einsame<br />

Station Hanfertal. An einem warmen Herbsttage erwartete ich<br />

den nächsten Zug zur Heimfahrt. Lange betrachtete ich die<br />

Schildkröten des tierliebenden Stationsvorstehers. Dann wanderten<br />

meine Gedanken zurück zum 27. Februar 1945. Feindliche<br />

Jagdbomber bewarfen den in Jungnau haltenden Personenzug,<br />

wobei es 25 Tote und 30 Verletzte gab. Auch der<br />

Bahnhof Hanfertal wurde bombardiert. Neben dem Bahnhof<br />

sind heute noch 2 Bombentrichter zu sehen. Zwischen dem<br />

Bahndamm und der Lauchert liegt das von vielen Reisenden<br />

nicht beachtete Wasenried, von dem ich erzählen will.<br />

Längst war das Tal der Lauchert in der Tertiärzeit gebildet.<br />

In der vorletzten Eiszeit schoben sich von den Alpen<br />

Riesengletschermassen über das Donautal nach Norden bis<br />

zur heutigen Station Hanfertal und versperrten der Lauchert,<br />

die einstens in der Richtung gegen das heutige Sigmaringen<br />

floß, den Weg zur Donau. Der Gletscher brachte ungeheure<br />

Geröllmassen mit. (Durch diese Endmoräne fährt die Landesbahn<br />

nach Sigmaringen. Immer wieder rutschen dort die Böschungen.)<br />

Als wärmeres Klima einsetzte, schmolz das<br />

Gletschereis. Das eiskalte Wasser bildete mit dem Lauchertwasser<br />

einen tiefen Kolk. Langsam nagten sich die Wassermassen<br />

durch das klüftige Kalkgestein und schufen dabei<br />

das malerische Bittelschießer Tale. Immerhin blieb ein großer<br />

See zurück, der in den vielen Jahrtausenden langsam verlandete.<br />

An der Stelle des einstigen Sees entstand das heutige<br />

Wasenried. Während der Eiszeit starb das ganze Pflanzenleben.<br />

Nach den Eiszeiten drangen von Westen her Kieinpflanzen<br />

und Bäume wieder in unsere Gegend vor. Seepflanzen<br />

belebten das Seeufer; Blütenstaub der Windblütler fiel in<br />

den jungen See und sank in die Tiefe. Der See wurde immer<br />

kleiner, es entstand ein Moor. Blütenstaub und Pflanzen, die<br />

vom Torf und Wasser zugedeckt wurden, konnten wegen<br />

Luftabschluß nicht verwesen und lagern heute noch dort.<br />

Aus dem Blütenstaub kann man die zugehörige Pflanzenart<br />

bestimmen, und von den Pflanzen läßt sich wieder auf das<br />

einstige Klima schließen.<br />

Der erfolgreiche Naturforscher Dr. Karl Bertsch untersuchte<br />

im Jahre 1926 die Schichten des Wasenriedes und vermittelte<br />

uns ein genaues Bild vom Pflanzenleben und Klima<br />

in der Nacheiszeit. (Der heute 80jährige Gelehrte hat uns<br />

erlaubt, einige seiner wichtigen Forschungsergebnisse unsern<br />

Lesern bekannt zu geben.) Dr. Bertsch führte im Abstand<br />

von je 40 Metern 4 Tiefenbohrungen durch. Hierbei stellte<br />

man zunächst fest, daß das Wasenried alle Moore Süddeutschlands<br />

an Mächtigkeit übertrifft. Unter einer Decke<br />

von 50 cm schwarzer Moorerde liegt eine 9,50 m dicke Riedtorfschicht.<br />

Dieser Riedtorf besteht hauptsächlich aus feinen<br />

Pflanzenwurzeln von Seggen, Farnen, von Moosstengelchen,<br />

Algen und Fieberklee. Bei der mikroskopischen Untersuchung<br />

des Riedtorfes fand man eine Menge Blütenstaubkörner, die<br />

interessante Aufschlüsse gaben. Die ganze Torfablagerung<br />

gliedert sich in eine Kiefernzeit, eine Haselzeit, eine Eichenzeit<br />

und eine Buchenzeit. In der untersten Schicht herrscht<br />

der Blütenstaub der Kiefer vor. Nachdem die Kiefer im<br />

Hanfertal eingetroffen war, breitete sie sich rasch aus und<br />

bildete einen aufgelockerten Wald. Auf den lichten Stellen<br />

siedelten sich bald Haselstauden an. In den Kieferpark rückten<br />

Eiche, Ulme und Linde ein. Die Haselstauden verkümmerten<br />

in diesem Mischwald. Bei 6,50 m Tiefe erscheint<br />

Tännenblütenstaub und bei 6 m der Buchenblütenstaub.<br />

Beides sind Bäume aus dem atlantischen Klima. Die Buche<br />

fand auf dem kalkhaltigen Boden guten Nährstoff und breitete<br />

sich rasch aus. Die angefügte Tabelle gibt uns die<br />

Blütenstaubfunde aus dem 1. Bohrloch in Prozenten.<br />

Dr. Bertsch untersuchte noch mehrere Riede und konnte<br />

dabei die Blütenstaubfunde mit den vorgeschichtlichen Siedlungen<br />

der Menschen vergleichen. Die jungsteinzeitliche<br />

Siedlung Riedschachen bei Schussenried stammt aus der Eiszeit.<br />

Die Einwanderung der Buche fällt an den Schluß der<br />

jüngeren Steinzeit und in die Broncezeit, wie bei der Wasserburg<br />

im Federsee festgestellt wurde.<br />

Tiefe cm<br />

Birke<br />

Kiefer<br />

Blütenstaubtafel vom 1. Bohrloch<br />

Weide<br />

Haselnuß<br />

0)<br />

•s<br />

H Ulme<br />

Linde<br />

Erle<br />

richte<br />

Tanne<br />

Buche<br />

Weißbuche<br />

Ze 1 :' d. abgezählt.Blütenstaubkörner<br />

50 8 19 1 10 7 7 3 6 39 100<br />

100 12 14 1 14 12 1 1 6 4 7 27 1 140<br />

150 7 11 5 12 15 4 7 49 100<br />

200 11 5 1 29 18 3 9 2 1 22 260<br />

250 9 18 6 8 4 7 8 40 100<br />

300 4 16 1 2 7 2 1 10 2 2 53 100<br />

350 2 19 7 5 1 2 10 13 41 100<br />

400 1 13 8 6 1 2 7 5 9 47 1 100<br />

450 2 10 9 5 1 7 6 8 1 51 100<br />

500 4 20 14 6 5 8 3 2 37 100<br />

530 3 9 6 18 3 3 9 21 9 18 33<br />

570 12 14 17 19 3 4 18 1 2 10 100<br />

600 43 1 0,3 16 4 10 24 1 0,3 0,6 300<br />

630 15 16 17 13 2 14 15 7 1 100<br />

650 11 14 27 17 2 12 9 7 1 100<br />

700 9 22 1 18 18 3 17 3 8 100<br />

750 10 9 19 24 2 25 9 2 100<br />

800 4 12 1 42 11 4 15 9 2 100<br />

850 7 36 22 5 1 11 1 17 200<br />

900 9 50 20 3 4 13 1 203<br />

950 2 76 14 0,5 3 0,5 4 176<br />

Quelle: Pollenanalytische Untersuchungen an einem Moor<br />

H rr Schwäbischen A11 Von Karl srtsch. Ravensburg.<br />

Heft r der Veröffentlichungen der S äat . Stelle iür 'Naturschutz.<br />

Herausgegeben von Prof. Dr. Hans Schwenkel.<br />

Alte Begräbnisstätten in Deutwang<br />

In Deutwang werden Kanalisation und Wasserleitung gebaut.<br />

Auch die Kirche wurde an die Leitungen angeschlossen<br />

Bei den Grabarbeiten kamen viele Knochen der Begräbnisstätten<br />

des alten Kirchhofs zutage. (Der heutige Friedhof<br />

liegt auf der Höhe zwischen Deutwang und Mindersdorf.)<br />

An der Nordseite der Kirche stießen die Arbeiter in etwa<br />

50 cm Tiefe auf normale Grabiagen, die aus der letzten Zeit<br />

der Kirchhoibenützung stammen (etwa 1800- 1836).<br />

In der Ecke zwischen Chorrundung und Sakristei lagen die<br />

Knochen in 30 cm bis 100 cm Tiefe in einem Geviert von<br />

120 cm mal 120 cm. Alle Knochen waren gut erhalten, lagen<br />

aber durcheinander. Es scheint sich hier um einen Platz zu<br />

handeln, an dem sie nach Ausbettungen wieder begraben<br />

wurden.<br />

Beim Schachtbau in der Sakristei stieß man auf Grablagen,<br />

die aus der Zeit vor dem Erweiterungsbau der Kirche (1715)<br />

stammen, denn sie befinden sich unter dem Boden der Sakristei<br />

und ziehen sich z. T. unter den Fundamenten hin. Die<br />

Hohlräume der ehemaligen Särge waren in einem Ausmaß<br />

von 170 cm auf 50 cm auf 50 cm noch vollständig erhalten,<br />

samt den Skeletten, und sogar Holzreste der Särge waren zu<br />

erkennnen. Diese Bestattungen waren in einer Tiefe von 60<br />

cm bis 110 cm und mit einem seitlichen Abstand von 90 cm<br />

vorgenommen worden.<br />

Von Hauptlehrer Ströbele<br />

Weiter unten befanden sich nochmals Grablegungen (125<br />

cm), die aus weit früherer Zeit stammen müssen. Aus sämtlichen<br />

Gebissen, auch denen, die unter dem Fundament gefunden<br />

wurden, ist zu erkennen, daß die Menschen der damaligen<br />

Zeiten sehr gute Zähne hatten.<br />

Bei all diesen Funden tauchte immer wieder die Frage nach<br />

dem Zeitpunkt der letzten Bestattung auf diesem alten Kirchhof<br />

und der Eröffnung des neuen, mit Mindersdorf gemeinsamen<br />

Friedhofs auf. Niemand in den beiden Gemeinden<br />

wußte darüber Bescheid. So wandte ich mich an das Archiv<br />

in Sigmaringen und gebe nachfolgend den Inhalt des 150 Seiten<br />

umfassenden Schriftwechsels über diesen Fall wieder:<br />

Am 3. Juli 1828 wurde der Plan gefaßt, für die Pfarrgemeinde<br />

Mindersdorf, Deutwang und Sattelöse einen neuen<br />

Friedhof außerhalb der Orte anzulegen.<br />

Die Kirchhofmauer in Mindersdorf war sehr schlecht, es<br />

hätte deren Erneuerung und Instandsetzung 80 fl gekostet,<br />

die in Deutwag 6 fl. Die Neuanlage eines Friedhofs wurde<br />

auch in polizeilicher Hinsicht verlangt, weil angeblich ffer<br />

Wind Verwesungsgeruch im Dorf verbreite und so Lrankheitsgefahr<br />

bestehe. Als Platz wurde die Höhe am Vizinalweg<br />

zwischen Mindersdorf und Deutwang ausgesucht, weil<br />

hier der Boden günstig war und der Friedhof genügend weit<br />

von beiden Orten entfernt liege. Das Grundstück gehört z. T.

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