Postamt - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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26 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />
Die Marienkapelle bei Ringingen<br />
Aus dem Bruchstück einer Heiligenrechnung von 1736 erfahren<br />
wir auch den Erfolg des Bittschreibens an den Fürsten:<br />
Ihro hochfürstl. Durchlaucht zu Mößkirch stiftete 20 fl.<br />
Soviel galt damals ein guter Gaul! Aber er wurde noch übertroffen<br />
vom hiesigen Bürger Matheiß Rueß (Haus 43 Enggasse),<br />
der gar 50 fl opferte. Ferner stiftete Edmund Dorn<br />
selig 20 fl, Johann Furtenbach 6 fl, Marianne Maichle selig<br />
5 fl, der Opferstock ergab 3 fl und 4 kr. Achtzehn Pfund geopfertes<br />
Rindschmalz ertrugen 3 fl; 18 Scheffel 3 Simri Vesen<br />
ergaben 22 fl 20 kr; 10 Scheffel 1 Simri Haber aber 16 fl und<br />
12 kr. Der Maurer Konrad Faigle (Haus 64: Bach) erhielt für<br />
Renovierung der Frauenkapelle 13 fl. Die Sturzblöcke an<br />
Unser Frauen Thum kosteten 2 1 /z fl; Maler Ferdinand Saur<br />
von Ehingen für farbige Fassung der beiden Nebenaltäre der<br />
Pfarrkirche 130 fl und Bagage-Anfuhr 9 fl.<br />
Bei der Frage nach dem anmütigen, mehrere hundert<br />
Jahre alten Gnadenbild von 1736 müssen wir beachten,<br />
daß die heutige Ausstattung des Kirchleins erst ums<br />
Jahr 1760 beschafft wurde, wie noch zu zeigen sein wird. Das<br />
beliebteste Marienbild zwischen 1350 und 1500, wo die Kapelle-<br />
entstanden sein dürfte, war nach den Forschungen von<br />
Stephan Beissel in seinem Buch über Marienwallfahrten die<br />
Schmerzensmutter oder Pieta, zu deutsch „das Vesperbild."<br />
Es scheint nicht wahrscheinlich, daß man 1760 das alte Gnadenbild<br />
einfach verschleudert hat, auch wenn man es durch<br />
ein „moderneres" ersetzte. Nun findet sich in der Pfarrkirche<br />
eine kleine Pieta von 47 cm Höhe aus der gotischen Zeit<br />
(um 1450), die eigentlich nirgends hinpaßt und heute meist in<br />
der Sakristei verwahrt wird. Was liegt nun bei dem Gedanken<br />
an Beissels Feststellung näher, als in diesem Vesperbild<br />
die alte Wallfahrtsstatue zu sehen? Daß 1736 der Gottesdienst<br />
gerade an einem Freitag, dem Leidenstag des<br />
Herrn, gehalten wurde, deutet ebenfalls darauf. Später ging<br />
Pfarrer Bitzenhofer mit der Zeit, ersetzte das alte Standbild<br />
durch eine gemalte liebliche Mutter mit dem Kind („vom<br />
Guten Rat"), die wohl sein Neffe Franz Ferd. Dent geschaffen<br />
hat. Aus Pietät wurde die Schmerzensmutter in die<br />
Pfarrkirche übernommen; aber als in der Zeit des Josefinismus<br />
mit seiner Aufklärung den Wallfahrten der Garaus gemacht<br />
wurde, ließen es sich die gläubigen Umwohner des<br />
Heufeldes (nicht bloß die Eingesessenen!) nicht nehmen, noch<br />
im Jahre 1842 am Feste Mariä Namen, d. h. am Sonntag<br />
nach Mariä Geburt, dem ehemaligen Hauptfest, zur alten<br />
Statue der Gnadenmutter massenhaft in der Pfarrkirche<br />
zu pilgern, wie Rösch ausdrücklich berichtet. (Wessenbergianismus,<br />
1908, S. 97) und „Heimatkiänge" des Zoller<br />
1934, S. 34.) Die Entstehungszeit der Statue läßt wohl auch<br />
Rückschlüsse zu auf das Alter der Kapelle selbst.<br />
5. Mit der Wallfahrt und dem Kappelfest unter Pfarrer<br />
Eisele ist auch die hiesige Bruderschaft untergegangen,<br />
und niemand wußte mehr davon, bis eines Tages die Nachbarin,<br />
Hebamme Brigitte Dorn geb. Meßmer, dem Verfasser<br />
ein altes Kinderamulett zeigte und bei dessen Üe " nung kam<br />
ein gedruckter Bruderschaftszettel zutage. Es heißt da:<br />
Mariarische Bruderschaft, und Bundes-vereinigwig<br />
unter dem Titel und Schutz Maria von guten Rath,<br />
welche Authoritate Ordinaria Anno 1770 aufgerichtet, und<br />
von jetztregierender päpstlichen Heiligkeit Clemens XIV. mit<br />
vielen Ablässen auf ewige Zeiten begnadigt worden.<br />
In der löblichen Pfarrkirchen zu Ringingen auf der Alb.<br />
Gebet: Heiligste . ungfrau Maria, du Mutter des guten<br />
Raths, dir bete ich dreimal den Englischen Gruß zu Ehren<br />
deines allerheiligsten Herzens. Ich will auch deinen allerliebsten<br />
Sohn fürsätzlicher Weis niemals beleidigen. Von dir erbitte<br />
ich einen guten Rat, auf daß ich vollziehen könne den<br />
allerheiligsten Willen Gottes und auch den deinigen. Mein<br />
Herz verschreibe und übergebe ich in deine mütterliche<br />
Hand, und bitte dich endlich um diese Gnad .. . wan anders<br />
es zum Nutzen meiner Seei gereichet; wo nicht, so übergib<br />
ich und überlasse mich vollkommen deinem und deines allerheiligsten<br />
Sohns heiligstem Willen. Amen. Drei Ave Maria.<br />
Regeln und Satzungen, jedoch ohne Verbindnus einer Sünd:<br />
1) Sollen die Einverleibten jährlich für die lebendigen und<br />
abgestorbenen Bundesgenossen eine hl. Meß lesen oder lesen<br />
lassen. Welche das nicht vermögen, an dessen statt hl. Beicht<br />
und Communion eine hl. Meß anhören. 2) Täglich 3 Ave<br />
Maria oder dreimal den Englischen Gruß zu Fhren des reinsten<br />
Herzens Mariä beten 3) Jeder die Abbildung des Gnadenbilds<br />
zu Genazzano „Maria vom guten Rat" auch zu Haus<br />
halten und verehren, auch die Andacht befördern. 4) Solle<br />
jeglicher Einverleibte dahin besorgt sein, daß nach seinem<br />
Von Joh. Adam Kraus<br />
Ableben der Bruderschaftszettel in die Bruderschafts-Kirche<br />
eingeschickt werde, damit der Verstorbene durch Abbetung<br />
von 5 Vaterunser und Ave Maria etc. möge getröstet werden.<br />
Vollkommener Ablaß: 1) Am Tage der Einschreibung nach<br />
abgelegter Beicht und Communion. 2) In der Sterbstund nach<br />
der Beicht und Communion, oder bei (Jnvermögenheit dessen,<br />
wenn mit vollkommener Reu die Nämen Jesus und Maria<br />
mit dem Mund oder Herzen andächtig angerufen werden.<br />
3) Am Sonntag nach Mariä Geburt, als T i t u 1 a r f e s t, nach<br />
abgelegter h. Beicht und Communion in was immer für einer<br />
Kirche man zum Wohlstand der Kirche bettet.<br />
Sechzig Täg Ablaß: Als oft sie Arme beherbergen, unter<br />
Feinden Frieden stiften, einen Verstorbenen zum Grab begleiten,<br />
beiwohnen den Umgängen des Hochwürdigsten Guts,<br />
selbes zu den Kranken begleiten, oder bei Unvermögen ein<br />
Vaterunser und Avemaria beten, für die Verstorbenen 5<br />
Vaterunser und so vil Avemaria Gott aufopfern, einen Irrenden<br />
zu dem Weg des Heils führen, die Unwissenden die<br />
Gebote Gottes und was zur Seligkeit gehörig, lehren oder<br />
sonst ein Werk der Liebe und Barmherzigkeit üben. Alle<br />
diese Ablässe können bittweise den Abgestorbenen verbundenen<br />
überlassen werden.<br />
Den .. . Monats .. . Anno ... ist eingeschrieben worden . . .<br />
Riedlingen, gedruckt bey Maria Anna Ulrichs seel. Witwe.<br />
1771."<br />
Mit diesem Bruderschaftszettel sind einige Rätsel gelöst<br />
worden: Tag und Grund des Kappelfestes, Herkunft der Bilder<br />
bzw. Fahnenblätter der „Mutter vom guten Rat" in der<br />
Pfarrkirche, Gebet der 5 Vaterunser für die Verstorbenen.<br />
Obwohl die Bruderschaft eigentlich in die Pfarrkirche gestiftet<br />
war, stand jedoch der Bruderschafts a 11 a r in der<br />
Kapelle, wohin vermutlich (wie noch heute) am Kappelfest<br />
nachmittags nach der Predigt sich die Prozession bewegte,<br />
weshalb wohl der schon ältere Name Kappelfest belassen<br />
wurde. Bei schönem Wetter mag die Predigt auch im Freien<br />
stattgefunden haben. Die Marianische Bruderschaft für alle<br />
Erwachsenen bestand nach dem Verkündbuch noch 1820.<br />
Etwa alle Monate fand einmal Sonntags 12 Uhr eine Versammlung<br />
statt und jeden Sonntag abend um 5 Uhr Rosenkranz,<br />
sowie am Sonntag nach Mariä Geburt das sog. Kappelfest.<br />
Zu letzterem wurden auch fremde Geistliche eingeladen<br />
und bewirtet, wofür die Bruderschaftskasse dem Pfarrer<br />
6 fl bezahlte. An Kreuzauffindung und Erhöhung (3. Mai<br />
und 14. Sept.) war wie noch heute Prozession in die Kapelle<br />
mit hl. Messe, ebenso damals am I 1 reitag nach Christi Himmelfahrt<br />
und am 26. Juni, dem Tag der sog. Wetterherren<br />
Johannes und I..ulus. Pfarrer Joach. Eisele ließ dann Bruderschaft<br />
und Kappelfest eingehen. Angeblich sei dieses<br />
durch den Zuzug vieler Fremden ausgeartet, so daß Unfug<br />
und Schlägerei vorkamen und man den Tag „Prügelfe - '<br />
genannt habe. Lehrer Jak. Barth schreib 1 " in der Schulchronik<br />
1857: Am Kappelfest sollen junge Burschen sogar Prügel zur<br />
Kirche mitgenommen haben. Dagegen lesen wir nach Eiseies<br />
Tod (1863), daß bis unter Pfarrverweser Nerz während des<br />
Sommers jeden Samstag eine hl. Messe im Kirchlem<br />
gehalten wurde. Weil nun Lehrer Jak. Barth wegen seines<br />
bresthaften Beines als Mesner die Paramente nicht mehr<br />
hinausschaffen wollte, ließ der Pfarrer des Friedens willen<br />
diesen Gottesdienst ausgehen (1868), trotzdem er besser besucht<br />
war als in der Pfarrkirche.<br />
6. Bei der langdauernden Unzulänglichkeit der Heiligenpflege<br />
kam es soweit, daß man im J. .806 die Marien- und<br />
die Galluskapelle abbrechen wollte, um die Unterhaltungskosten<br />
zu sparen. Man denke: Vor 40 Jahnen _iatte<br />
Pfarrer Bitzenhofer mit seinen Gläubigen das Heiligtum<br />
(und wohl auch St. Gallen) mit aller Pracht ausmalen lassen,<br />
und jetzt schon ließ man sie im Stich! Da geschah etwas,<br />
was weder der schwache Pfarrer Seb. ^chmid, noch der Dekan<br />
Schreyer von Engstingen, weder das Obervogteiamt zu<br />
Trochtelfingen noch die bischöfliche Behörde zu Konstanz erwartet<br />
hatten. Die Gemeinde unter dem rührigen Schultheißen<br />
Georg Daigger (Haus 24: Kreben) übernahm am 24.<br />
November 1806 freiwillig die Baupflicht beider Bauten. Uebrr<br />
das Eigentumsrecht wurde damals nichts ausgemacht, doch<br />
steht es seitdem praktisch der Gemeinde zu.<br />
Im Jahre 1841, als man überall die Gräber nicht mehr um<br />
die Kirche in den Dörfern haben wollte, wurde auch der<br />
Gottesacker von der Pfarrkirche weg 2 - unserer Kapelle verlegt,<br />
wobei nur fremde Maurer für die Arbeiten gewonnen<br />
werden konnten. Die Einweihung durch Pfarrer Eisele fand<br />
am 7. November statt. Es folgte am 10. die erste Kindsleiche