Postamt - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
Postamt - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
Postamt - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
24 HOHENZOLLEP SCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />
es Nazareth", sagte Geiselhart in seiner Ansprache an den<br />
König, „denn wie unser Heiland als schwaches, hilfloses<br />
Kind zu Nazareth aufgewachsen ist, so sollen hier die Waisenkinder<br />
von Hohenzollern auferzogen, an Leib und Seele<br />
gepflegt und zu tüchtigen Menschen herangebildet werden."<br />
Damals habe der König seine Stiftung von 100 fl. auf des<br />
Waisenvaters Bitte noch um ein „Nüllele" auf 1000 fl. erhöht.<br />
Der Grund war gelegt, und rüstig ging es an den Weiterbau.<br />
Vom April bis Oktober 1868 gab der arme Gründer und<br />
Bettler gegen 50 000 Gulden aus und führte den äußeren Bau<br />
fast zu Ende. Aber nun fehlte nach dem mächtigen Gerüste<br />
der innere Ausbau, der zum mindesten auf 25 000 Gulden<br />
veranschlagt war und eine nochmalige gewaltige Anstrengung<br />
vonseiten des Bittenden und der Geber verlangte. Geiselhart<br />
erließ daher ein offenes Sendschreiben an seine hohenzollerischen<br />
Landsleute, Priester und Laien und bat zum letztenmal:<br />
„Wenn ich manchem", sagte er, „selbst meinen besten<br />
Freunden, lästig geworden bin, so mache ich es wie jener<br />
Mann im Evangelium: „Auch wenn er nicht geben würde,<br />
weil er sein Freund ist, so wird er ihm dennoch geben wegen<br />
seiner Zudringlichkeit. Sorgt nur endlich dafür, daß Ihr einmal<br />
vor mir Ruhe habt, denn auch ich will gerne ausruhen,<br />
wenn das Haus Nazareth vollendet ist. Und wie in einer<br />
Sammlung von Kunstgegenständen manchmal ein alter Invalide<br />
angestellt ist, den Fremden die Schätze des Museums<br />
zeigt, so will ich dann allen zeigen die Schätze des Hauses<br />
Nazareth, die Waisen und die verlassenen Dienstboten, und<br />
will allen zeigen die Werke christlicher Barmherzigkeit."<br />
Dem offenen Sendschreiben kamen die wackeren Landsleute,<br />
namentlich unter dem Klerus, mit offenen Händen<br />
entgegen. Die Mittel flössen so reichlich, daß bis zum Herbst<br />
1869 der innere Bau mit einer schönen Hauskapelle fertig<br />
war und der Waisenvater am 21. Oktober mit sämtlichen<br />
Waisen Hohenzollerns und ihren Lehr- und Erziehungsschwestern<br />
in Prozession den Einzug halten konnte.<br />
So hatte das Gelübde des armen ehemaligen Vikars von<br />
Empfingen seine höchste Erfüllung erreicht.<br />
Das Kriegsjahr 1870/71 hatte der jungen Schöpfung bedeutende<br />
Opfer an Geld verursacht. Fünfzig Betten wurden<br />
von der Anstalt für kranke und verwundete Soldaten eingerichtet.<br />
Es kamen aber keine nach Nazareth, die erheblichen<br />
Ausgaben waren umsonst gemacht.<br />
Eine tiefere, schmerzliche Wunde aber hat der Kulturkampf<br />
dem Waisenhaus geschlagen. Zum großen Jammer der<br />
armen Waisen mußten die Schwestern von Ingenbohl, die<br />
Geiselhart für die Führung einer Haushaltsschule im Hause<br />
1873 eingeführt hatte, Nazareth verlassen. So wollten es die<br />
kirchenfeindlichen Gesetze. Doch auch in dieser Not zeigte<br />
sich Gottes weise Zulassung. Im Jahre 1879 feierten Kaiser<br />
Wilhelm I. und seine Gemahlin Augusta die goldene Hochzeit.<br />
Durch eine Sammlung in ganz Hohenzollern, wozu rcich<br />
und arm gleich eifrig beisteuerte, kamen 33 829.92 Mark zusammen.<br />
Beim gleichen Anlaß gab der Fürst Karl Anton 30 000<br />
Mark als Jubiläumsstiftung für Nazareth. Auch hatte der<br />
Die aite Friedhofskapelle (Viruskopelle) in Gruol,<br />
1871 verstorbene Pfarrer von Benzingen, Joseph Volkwein,<br />
der größte Wohltäter des Hauses, „Nazareth" zu seinem Universalerben<br />
eingesetzt.<br />
Um einigermaßen die vielen Arbeiten und Sorgen für<br />
einige Zeit zu vergessen, machte Geiselhart im Sommer 1871<br />
eine Reise durch das herrliche Land Italien. Am Tage des<br />
heiligen Aloysius, am 21. Juni, hatte er die Ehre, mit andern<br />
deutschen Pilgern von Papst Pius IX. in Audienz empfangen<br />
zu werden. Die Reise war für unsern Priester zugleich eine<br />
Wallfahrt an die heiligen Stätten Italiens, vor allem an die<br />
zahlreicher Heiligengräber.<br />
Im Winter 1882 wurde der unermüdliche Mann, der neben<br />
seinen vielen Berufsarbeiten mehrere Male beim jeweiligen<br />
Tode der einzelnen Pfarrer von Sigmaringen die gesamte<br />
Seelsorge der Stadt auf sich nehmen mußte, und dem von<br />
ihm 1872 gegründeten katholischen Mütterverein monatlich<br />
im Fidelishaus einen religiösen Vortrag hielt, schwer krank.<br />
Sieben Monate lag er auf dem Schmerzenslager. Erst gegen<br />
Pfingsten 1883 konnte er wieder alle Geschäfte besorgen. Er<br />
bat um Pensionierung, die ihm abgeschlagen wurde, und um<br />
Erleichterung in seinen Arbeiten, was gewährt wurde. Im<br />
folgenden Jahre 1884 unternahm der ehrwürdige Priestergreis<br />
noch eine Wallfahrt an alle die Orte, welche durch die<br />
Anwesenheit des hl. Fidelis geheiligt worden sind.<br />
Im Jahre 1887 konnte der Waisenvater sein 50jähriges<br />
Priesterjubiläum feiern. Alle Aemter gab er nun ab und<br />
lebte droben auf der Höhe von Sigmaringen, in Nazareth,<br />
„als geistlicher Hausvater, Zahlmeister und Bettler", wie er<br />
sich selbst nannte.<br />
Das Gebet war seine Hauptbeschäftigung. Frühzeitig machte<br />
er sein Testament, darin bat er alle um Verzeihung, denen<br />
er etwa in seinem Leben Aergernis gegeben, die er je gekränkt<br />
oder beleidigt. In einem Nachtrag vom 14. August<br />
1888 konnte er versichern, daß er jetzt gar kein Geld oder<br />
sonst Wertvolles besitze — als nur noch einige Bücher und<br />
Bilder. So starb Geiselhart in Armut, er, der Hunderttausende<br />
Y°n Mark durch seine Hände hatte gehen sehen. Er<br />
war 80 Jahre alt geworden, aber das Studium hielt er immer<br />
noch hoch. In Anerkennung seiner Verdienste für die Caritas<br />
hatte ihn der Erzbischof zum Geistlichen Rat ernannt, was<br />
ihn freute, aber nicht stolz machen konnte.<br />
Am Pfingstquatember, 22. Mai 1891, hatte er sich in starkem<br />
Regen zum Spital verfügt und erkältet. Mehrere Wochen<br />
war er noch krank. Am 16. Juni schied er still und<br />
sanft von dieser Erde. Wer am Freitag, den 19. Juni nach<br />
Sigmaringen kam und die allgemeine Trauer sah, mit der<br />
die Stadt die sterbliche Hülle Geiselharts zur letzten Ruhe<br />
bestattete, mußte beim Anblick des gewaltigen Leichenzuges<br />
gestehen: dieser Tote, dem die letzte Ehre erwiesen wird,<br />
war sicher einer der bedeutungsvollsten Männer seiner Zeit.<br />
Unter den Leidtragenden sah man 52 Geistliche, den Erzabt<br />
Plazid'us Wolter von Beuron, Domkapitular Kiefer von Freiburg,<br />
Seine Hoheit den Fürsten Leopold, den Regierungspräsidenten<br />
Freiherrn von Frank, zahlreiche Beamte und