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Postamt - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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22 H O H E N Z O L L E B I S C H E H E I M A T Tanrgang 1958<br />

ten Josephslust und zwangen tatsächlich den Oberförster<br />

Dollenmaier, das Gewehr wieder herauszugeben. Dem Holzhauer<br />

List schworen sie Rache, lauerten ihm eines Abends<br />

auf, er aber entfloh ihnen, durchschwamm die Donau und<br />

versteckte sich für die Zeit der „bayerischen Besetzung" in<br />

Ruifingen.<br />

Im Jahre 1850 umfaßte der Tiergarten 4330 württembergische<br />

Morgen. Fürst Karl Anton entschloß sich, ihn auf<br />

2650 Morgen zu verkleinern. Nach Fertigstellung der inneren<br />

Umzäunung wurde im gleichen Jahre unter großen Schwierigkeiten<br />

und einem Aufgebot vieler Leute, mit Hilfe mächtig<br />

langer Tücher, das Wild in den inneren Tierpark getrieben.<br />

Die Umplankung des äußeren Gartens, durch die die Straße<br />

Sigmaringen-Krauchenwies führte, wurde niedergerissen. Das<br />

restliche Schwarzwild wurde abgeschossen. Glänzende Hofjagden,<br />

an denen häufig gekrönte Häupter teilnahmen, sah<br />

der Wildpark unter Fürst Leopold, dessen Nachfolger, Fürst<br />

Wilhelm, im Jahre 1906 wieder Wildschweine einsetzen ließ.<br />

Die Stürme der jüngsten Zeit hat der Wildpark auch überstanden,<br />

und es bleibt zu wünschen, daß er weiterhin mit<br />

seinen herrlichen alten Baumgruppen, seinen idyllischen<br />

Weihern, den schattigen Wegen und seinem Wild eine Quelle<br />

der Freude und Erholung sein wird. Hans Baron.<br />

Die Sonntagsheiligung in der ehem. Ritterschaft Gammertingen<br />

Bei der Teilung des Speth'schen Familienbesitzes am 25.<br />

März 1599 erhielt Caspar Bernhard Speth die Herrschaft<br />

Gammertingen mit Feld- und Harthausen. Der neue Besitzer<br />

ließ in seiner Eigenschaft als Gerichtsherr das alte Vogteigerichtsbuch<br />

erneuern und ergänzen. Das erneuerte Vogtgerichtsbuch<br />

bringt in seinem ersten Teil strenge Bestimmungen<br />

über die Sonntagsheiligung. Sie sollen hier inhaltlich<br />

wiedergegeben werden.<br />

Der Junker klagt, daß er erfahre und sehe, wie „unfleißig"<br />

man den Gottesdienst besuche. Das führe zu einem „viehischen<br />

Heidentum." Jede Person muß an Sonn- und gebotenen<br />

Feiertagen die heilige Messe, die Predigt und die Vesper<br />

besuchen. Väter und Mütter haben dafür zu sorgen, daß<br />

sämtliche Hausgenossen an den Gottesdiensten teilnehmen.<br />

Wer während der hl. Messe, der Predigt oder der Vesper<br />

tanzt, mit Karten oder Würfeln spielt, sich vor den Stadttoren,<br />

vor Wirtshäusern, vor der Kirche oder an heimlichen<br />

Plätzen aufhält, wer auf dem Kirchhof während des Gottesdienstes<br />

sitzt oder steht und sich nicht mit Fleiß ; n die Kirche<br />

verfügt, muß der Herrschaft als Strafe 5 Pfuna Heller und<br />

den Heiligenpflegern 5 Schilling entrichten. Wer aus redlicher<br />

Ursache die Gottesdienste nicht besuchen kann, soll sich in<br />

aller Stille in seinem Hause aufhalten, ohne Aergernis zu<br />

geben. Die Heiligenpfleger haben alle Manns- und Weibspersonen,<br />

die erst zum Gottesdienst kommen, wenn man die<br />

Vormesse geläutet hat und solche, die vor dem Schlußsegen<br />

den Gottesdienst verlassen, der Obrigkeit anzuzeigen. Für<br />

solche Uebertretungen beträgt die Buße 5 Schilling, die von<br />

den Heiligenpflegern einzuziehen sind. An Sonn- und Feiertagen<br />

dürfen die Handwerker zwischen den Aemtern, der<br />

Predigt und der Vesper nicht arbeiten, die Müller nicht<br />

mahlen, die Bäcker nicht backen; Schmiede, Schlosser, Schneider,<br />

kein Handwerker ausgenommen, haben vollständige<br />

Sonntagsruhe zu halten. Jede Uebertretung wird mit 5 Pfund<br />

Hellern oder Gefängnis bestraft.<br />

Bei gewissen Notständen kann mit Wissen und Willen der<br />

Obrigkeit gearbeitet werden. Wenn ein Wirt während des<br />

Amtes, der Predigt oder der Vesper an Personer Wein ausschenkt,<br />

werden Wirt und Gäste um je 3 Pfund Heller bestraft.<br />

Etliche Personen verrichten nach den Gottesdiensten<br />

weltliche Geschäfte: Dengeln, Wagen zurichten, Garben aufziehen.<br />

Der Junker will, daß solche Arbeiten vollständig unterbleiben.<br />

Handwerker, die vor der hl. Messe an Sonn- und Feiertagen<br />

arbeiten, werden bei der ersten Uebertretung um 3,<br />

bei der zweiten um 6 und bei der dritten um 9 Pfund Heller<br />

bestraft.<br />

1952 suchte ich unterm Kirchendach nach einer im Gebälk<br />

eingeschnittenen Jahreszahl und fand dabei eine alte, holzgeschnitzte<br />

Figur: Aus einem Gefäß ragt mit dem Oberkörper<br />

eine nackte menschliche Gestalt. Sie stellt den hl. Märtyrer<br />

Vitus im Pechnapf dar. Das Schnitzwerk hat eine Gesamthöhe<br />

von 34 cm. Die Bemalung ist fast ganz abgefallen.<br />

Ich konnte folgendes über den Fund erfahren:<br />

Es handelt sich um das sogenannte „Deutwanger Veitle".<br />

Dieses stand früher auf dem nördlichen Seitenaltar, neben<br />

der großen Statue des hl. Vitus. Bekleidet war das „Veitle"<br />

mit kostbaren Umhängen, die mit der Kirchenfarbe gewechselt<br />

wurden. Im ganzen Hohenfelser Bezirk und besonders<br />

im Tal (von Stockach bis Billafingen) war das „Veitle" bekannt,<br />

und es herrschte der Glaube (oder Aberglaube — wer<br />

kann da eine Grenze ziehen?), daß es bei Kinderkrankheiten<br />

helfe.<br />

Das „Deutwanger Veitle"<br />

Sonntags und werktags dürfen die Wirte nach 9 Uhr an<br />

Einheimische und nach 10 Uhr an Fremde keinen Wein mehr<br />

ausschenken, bei Strafe von 5 Pfund Hellern oder drei Nächte<br />

im Turm.<br />

(Ueber den Geldwert der hier festgesetzten Strafen siehe<br />

Seite 15, Jahrgang 1953: In den Jahren 1601—1625 beträgt<br />

der Wert eines Pfundes Heller ungefähr 14,80 Goldmark,<br />

eines Schillings 0,74 Goldrnark.)<br />

Der letzte Rundturm des ehemaligen Wasserschlosses in Dettonsee.<br />

Es besaß 4 Rundtürme. Der Hauptbau wurde 1817/18 abgebrochen.<br />

Kein Wunder, daß die Mütter der damaligen Zeit jede nur<br />

erdenkliche Hilfe suchten, denn die Kindersterblichkeit war<br />

sehr groß. In den Jahren 1874 bis 1899 starben allein in<br />

Deutwang bei 173 Geburten 60 Kinder, das sind 34 Prozent.<br />

Die Mütter holten dann jeweils das Röcklein in der Kirche,<br />

legten es dem kranken Kinde auf und opferten zum Dank<br />

ein neues Röcklein dazu. Das Röcklein war vielen wichtiger<br />

als das Gebet zun Heiligen.<br />

Fälle einer wunderbaren Hilfe wurden nicht überliefert, obwohl<br />

die Frauen damals aligemein aufs „Veitle" schworen.<br />

Pfarrer Tense, Mindersdorf, verurteilte das Geschehen als<br />

Aberglaube ganz energisch in einer Predigt.<br />

Im Jahre 1884 war das „Veitle" plötzlich verschwunden.<br />

Lange Zeit war die Bevölkerung darüber sehr aufgebracht.<br />

Die Mindersdorfer • Fuhrleute weigerten sich anfangs sogar,<br />

den Pfarrer nach Deutwang zum Gottesdienst zu fahren,

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